Mein Restaurant

4,50 Stern(e) 4 Bewertungen

Seshmosis

Mitglied
Zugegeben: Ich bin als Gastronom eine völlige Niete. Aber mein Onkel sagte schon als Kind zu mir: „Kneipe geht immer!“
Und Recht hat er, man muss nur die richtige Geschäftsidee finden. So wie ich zum Beispiel, denn ich betreibe seit vier Monaten ein afghanisches Restaurant. Unterstützt werde ich von zwei alten Schulfreunden, die von ihren zahlreichen botanischen Studienreisen einen Ziegenhirten vom Hindukusch mitbrachten, der hervorragend kochen kann.
Und was soll ich sagen? Seit der Eröffnung ist mein Lokal jeden Tag rappelvoll. Es kommen so viele Stammgäste, dass für Neue kaum ein Platz ist. Am Tisch drei sitzen immer die Amis. Da hat kein Fremder eine Chance, weil die sich die Stühle gegenseitig in die Hand geben. Wenn eine Gruppe der US-Boys dabei ist zu bezahlen, steht die nächste schon daneben, um ja die Plätze zu bekommen. Sind ja alles nette Leute und so sauber, in ihren gedeckten Anzügen, mit den Designersonnenbrillen und den dezenten Stöpseln im Ohr. Und, was die Hauptsache ist, sie verzehren reichlich. Und auch mit Trinkgeldern sind sie nicht so knickrig wie die deutschen Geschäftsleute aus Pullach von Tisch sieben, die ihre Verzehrquittungen immer in dreifacher Ausfertigung brauchen. Die Briten von Tisch vier sind, wie soll ich sagen, very British eben. Aber dafür essen sie alles. Vielleicht ist es ja auch koloniale Nostalgie, die sie zu mir treibt. Nicht zu vergessen die frauenbewegten „Engel der internationalen solidaren femininen Gerechtigkeitsliga“, die sich jeden Dienstag und Freitag an dem Tisch unter dem Schild „Burkafreie Zone“ treffen. Montags und mittwochs sitzen dort „Joschkas Jungs“ und plaudern über alte Zeiten, Samstag und Sonntag findet man an diesem Tisch die „Omas und Opas von 68“, Donnerstag haben wir Ruhetag.
Suspekt waren mir anfangs die Russen an Tisch acht, weil ich sie nicht einordnen konnte. Aber inzwischen weiß ich, dass es ganz normale Händler aus dem Bereich Import hilfreicher Substanzen von Mutter Natur und Vater Chemie sind. Das erklärt auch die Anwesenheit der Türken, Ukrainer und Kolumbianer an den umgebenden Tischen. Man weiß ja, dass sich Leute aus einer Branche gerne in bestimmten Szenelokalen treffen. Die einen wollen Geschäftskontakte knüpfen, die anderen die Konkurrenz beobachten.
Ein Vorteil der Beliebtheit meines Restaurants ist, dass ich nachts die Türe eigentlich gar nicht abschließen müsste. Mein Restaurant wird permanent von drei geostationären Satelliten beobachtet und vom gegenüberliegenden Haus sind tags acht normale und bei Nacht fünf Wärmebildkameras auf das Lokal gerichtet. Der Hausbesitzer von der anderen Straßenseite reibt sich die Hände, weil ich ihm so solvente Mieter für seine verwahrloste Bruchbude vermittelt habe und drückt brav die Prozente für mich ab.
Nächsten Monat werde ich in den Stockwerken über meinem Restaurant einen Pensionsbetrieb aufnehmen. Ich denke, die Nachfrage nach Zimmern wird gut sein.
 
A

Arthrys

Gast
Ich

denke auch, dass die Nachfrage sicherlich gut sein wird. Sehe schon, wie sich amerikanische, russische, iranische Geheimagenten die Türklinken der Zimmer in die Hand geben. Soll nicht demnächst im frei werdenden Obstladen neben dir ein Beerdigungsinstitut einziehen? Mein Gott, das wird Arbeitsplätze nur so regnen!
Bitte mehr davon, Seshmosis!
 

Felix

Mitglied
Kann mich nur anschließen, wirklich lustige Geschichte. Sowas könnte man sich doch auf jeden Fall vorstellen, wäre eine nette Nachbarschaft. Daraus könnte man bestimmt sogar was längeres machen, eigentlich schade, dass es so kurz ist.
 



 
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