Mein einsamer Vater (noch kein wirklicher Titel)

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SuracI

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Leider habe ich noch keinen Titel gefunden, aber mich würde mal Euer erster Leeseeindruck interessieren. Um eines vorweg zu sagen, ich bin nicht das lyrische Ich.

Seit heute weiß ich nicht, wer mein wirklicher Vater ist. Ja natürlich, ich weiß, wer mein leiblicher Vater ist, aber ich weiß nicht, wer mein wirklicher Vater ist. Mein Leiblicher Vater verließ meine Mutter und mich vor 20 Jahren, 2 Monate nach meiner Geburt. Das ich aber nun in Zweifeln über meinen wirklichen Vater bin, liegt an dem Bericht, den meine Mutter vor zwölf Jahren in ihr Tagebuch geschrieben hat. Es war reiner Zufall, dass mir ihr privater Schatz in die Hände viel, aber ich konnte der Versuchung, ein wenig darin zu blättern nicht wiederstehen. Und dann fing ich an zu lesen. Und die eine Erzählung hat mich sehr irritiert und letztendlich dazu geführt, das ich nicht weiß, wer mein wirklicher Vater ist. Es geschah vor zwölf Jahren, als meine Mutter achtundzwanzig war. Ich war gerade erst acht Jahre alt. Gemeinsam verbrachten wir einen Urlaub in Spanien. Und während ich nichts ahnend im Meer war und mich vergnügte, geschah die Konversation zwischen meiner Mutter und diesem Mann, der vielleicht mein komplettes Leben geändert hat.

„Ich weiß nicht, wo ich anfangen soll, so durcheinander sind meine Gedanken. In meinen ganzen achtundzwanzig Jahren ist mir nichts wiederfahren, was an diesen Zustand des Nichtswissens herangeragt hätte. Seit zwei Wochen sind nun Anton und ich in Spanien. Fast jeden Tag waren wir am Strand und ich schaute Anton bei seinem Spiel im Wasser zu oder ich las in einem meiner Lieblingsromane. Jetzt jedoch, wenn ich ihm beim Spielen zuschaue, fange ich an zu grübeln. Das Gespräch mit diesem jungen Mann hat mich irritiert. Und seine Worte gehen mir nicht mehr aus dem Kopf. Es war wieder ein sehr heißer Tag, als ich wieder mal in meinem Buch las. Anton war irgendwo im Wasser und vergnügte sich damit, seine Finger in den feuchten Sand zu stecken und einen Sandklumpen zu nehmen um ihn dann zurück ins Wasser zu werfen. Plötzlich sprach mich dieser junge Mann an. „Entschuldigen Sie, aber kann ich mich einen Moment lang zu Ihnen setzen?“. Dass er uns wohl schon eine ganze Weile beobachtet hatte, wird mir erst im Nachhinein bewusst. Denn er sprach mich direkt auf Deutsch an. Aber zu diesem Zeitpunkt verwunderte es mich nicht, war ich doch so überrascht durch sein plötzliches Auftauchen. Verwundert schaute ich ihn an, hatte ich ihn doch vorher noch nie hier gesehen. Ich schätzte ihn auf ca. zwanzig Jahre. Was mir aber sofort auffiel war, dass er mir tief in die Augen blickte, als wollte er mein ganzes Seelenleben in sich aufnehmen. Noch immer etwas durcheinander durch sein plötzliches Erscheinen machte ich eine knappe Handbewegung, die ihm Platz auf meinem Handtuch bot. Nachdem er sich gesetzt und mir noch einmal tief in die Augen geblickt hatte, schaute er weit aufs Meer hinaus. Dann begann er mit seiner Erzählung, die ich nie vergessen werde. „Ich beobachte Sie und Ihren Sohn nun schon einige Tage und es erfüllt mich mit Glück, gleichzeitig aber auch mit Trauer, wenn ich sehe, wie lebensfroh er ist. Es ist mir auch nicht leicht gefallen, hierher zu kommen, ist es doch sonst auch nicht meine Art, einfach fremde Menschen anzusprechen, aber ich muss einfach loswerden, was ich auf dem Herzen habe. Wenn ich Ihren Sohn so beobachte, muss ich immer an meine Kindheit denken. Und ich stelle mit Erstaunen fest, dass er mir sehr ähnlich ist. Ähnlich wie er, als ich in seinem Alter war, konnte ich Stundenlang am Wasser sitzen, meine Hände in den Sand stecken und dann kleine Sandbällchen ins Wasser werfen. Oh ja, wie habe ich das geliebt. Ich habe mich sehr viel alleine beschäftigt, wie Ihr Sohn hier auch. Kleine Dinge konnten mir ganz viel Freude bereiten. Genau wie Ihr Sohn habe ich auch früher im heißen Sand gesessen, habe meine Hände tief in den Sand gewühlt, dann herausgezogen und die einzelnen Körner aus der Hand heraus auf meine Beine fallen lassen. Und dass er mir so ähnlich ist ist der Grund, weshalb ich mich entschlossen habe, ihnen meine Geschichte zu erzählen. Wie ich eben schon sagte, war ich früher auch ein sehr fröhliches Kind. Ich habe mich Stundenlang mit kleinen Dingen beschäftigt. Und das hat sich eigentlich nie geändert. Ich habe das Alleinsein genossen. Vielleicht mag das auch daran gelegen haben, dass die anderen nicht mit mir spielen wollten.“ . Er machte eine kurze Pause in der er ein paar mal tief Luft holte, und ich glaube darin einen kleinen Seufzer vernommen zu haben.. Dann steckte er, ohne es bewusst wahrzunehmen, seine rechte Hand in den Sand und ließ die Körner durch seine Finger rieseln. Dann fuhr er mit seiner Erzählung fort. „Auch in der Schule hat sich nichts geändert. Ich habe mich zurückgezogen und meistens für mich alleine gespielt. Zwar hatte ich noch zwei ältere Schwestern, aber die haben meistens miteinander gespielt, sodass ich dann immer selbst etwas gemacht habe. Manchmal, wenn ich dann in Gesellschaft sein wollte, haben mich die anderen Kinder nicht wirklich akzeptiert, weil sie es nicht gewohnt waren, dass ich mich bei ihnen aufhielt. So habe ich mich dann wieder zurückgezogen. Und das ist das Schicksal, worunter ich heute sehr leide. Ich habe verlernt zu kommunizieren. Ich fühle mich einsam und bin unglücklich. Und wenn ich eingeladen werde, wenn ich mit Menschen zusammenkomme, sitze ich meistens stillschweigend da. Dabei versuche ich so zu tun, als würde ich irgendeiner Konversation folgen, forme meinen Mund zu einem Lächeln, wenn die anderen lauthals loslachen, auch wenn ich nicht mitbekommen habe, worüber sie gesprochen haben. Und das nur um mir nicht anmerken zu lassen, wie leer ich bin. Während dieser ganzen Zeit denke ich sehr viel. Meine Gedanken sind sozusagen mein Gesprächspartner. Und das ist furchtbar. Ich mache mich langsam von innen kaputt ohne etwas dagegen tun zu können. Ich habe mein Schicksal begriffen, als es zu spät war.“ Wieder machte er eine kleine Pause. Ich hatte das Gefühl, dass er sich sehr schwer getan hat, mir das mitzuteilen. Und langsam meinte ich zu wissen, warum er sich mir anvertraut hatte. Bevor er fortfuhr schluckte er noch einmal kräftig, als wollte er seine Trauer einfach herunterschlucken, als sie frei herauszulassen. Dann sah er mir wieder direkt in die Augen und ich bin nicht sicher wenn ich sage, einen leichten Schimmer in seinen Augen gesehen zu haben. Aber nur so leicht, dass es eigentlich nicht aufgefallen wäre, hätte er mir nicht so tief in die Augen geblickt. „Die Trauer zerfrisst mein Inneres. Ich kann mit niemandem darüber reden. Deswegen habe ich mich Ihnen anvertraut. Tun Sie mir und Ihrem Sohn den Gefallen und sorgen Sie dafür, dass er nicht vereinsamt. Ich kann den Gedanken nicht ertragen, dass dieser glückliche kleine Junge irgendwann einsam am Strand liegt und seine Kindheit in einem anderen Jungen wiedererkennt. Denn wenn er dann sieht, dass sein Inneres nur noch einer Wüste aus Sand gleicht, den er früher so leicht durch seine Hände hat rieseln lassen, ist es zu spät.“ Dann erhob er sich, mir noch immer tief in die Augen blickend. Bevor er sich umwandte sagte er noch diesen letzten Satz, der mir am deutlichsten von allen in Erinnerung geblieben ist. „Tun sie mir den Gefallen und denken über meine Worte nach. Und bitte sprechen Sie mit niemandem darüber“. Dann ging er fort ohne sich noch einmal umzusehen. Er legte sich auf sein Handtuch und schaute in den Himmel. Erst jetzt fiel mir auf, dass ich kein einziges Wort zu ihm gesagt hatte. Ich kannte sein Innerstes und er hatte nicht einmal meine Stimme gehört. In den folgenden, unseren letzten Tagen hier habe ich ihn nicht mehr bewusst wahrgenommen, aber ich war mir immer sicher, dass er irgendwo da war, ganz in unserer Nähe. Ich habe seine Bitten befolgt und über seine Worte nachgedacht. Außerdem habe ich mit niemandem darüber gesprochen und das werde ich auch nicht tun. Dafür hat mich seine Geschichte zu sehr berührt. Ich denke nicht, dass sie mich jemals komplett wieder loslassen kann. Ich weiß auch nicht, wie ich reagieren werde, denn so wie er das Verhalten geschildert hat, kenne ich es von Anton. Zwar habe ich es nie mit vollem Bewusstsein wahrgenommen, aber seit dem Gespräch sehe ich einiges mit anderen Augen.“

Ich musste die Niederschrift meiner Mutter mehrere Male lesen. So irritiert wie ich jetzt bin, wird meine Mutter damals auch gewesen sein. Habe ich diesem Unbekannten mein glückliches Leben zu verdanken? Ist er, der Junge, den meine Mutter nur ein einziges Mal gesehen hat, mein Vater gewesen, den ich nie hatte? Zu viele Fragen werfen sich auf, zu viele Fragen, die eine Antwort suchen. Wäre ich, wenn meine Mutter nicht ihr Handtuch zur Verfügung gestellt hätte, ebenso traurig wie der junge Mann, der wohl so alt war, wie ich es heute bin? Der Gedanke daran, dass ich vielleicht einem einsamen traurigen Menschen meine glückliche Situation zu verdanken habe, während er vielleicht noch immer innerlich weint, macht mich traurig und nachdenklich. Ich muss meine Mutter fragen, wie sie gehandelt hat, ob er mein „Vater“ ist. Beschämt lege ich das Tagebuch zurück. Habe ich doch ihr Versprechen gebrochen, dass niemand von dem Gespräch erfährt.


2004 by MJ
 
Hallo SuracI!
Grundsätzlich ist Deine Geschichte okay. Der Titel allerdings wirkt wie eine Lesebremse, ich würde unbedingt (noch kein wirklicher Titel) weglassen, genauso den ersten Absatz Deiner Geschichte. Jeder, der seine Geschichte in der LL veröffentlicht, tut das, um von anderen Feedback zu erhalten.

Okay, ein paar Sache möchte ich erwähnen:
- Zahlen würde ich grundsätzlich ausschreiben, das sieht besser aus. Sonst kann man sich nicht des Eindrucks erwehren, dass da jemand eine Matheaufgabe präsentiert ;-)

- Ein paar Absätze mehr würden die Lesbarkeit erhöhen.

- Hie und da finden sich noch ein paar Flüchtigkeitsfehler (z.B. Mein [red]L[/red]eiblicher Vater anstatt: mein [blue]l[/blue]eiblicher Vater)

Wie gesagt, grundsätzlich ist Deine Geschichte okay, wirklich spannend ist sie allerdings nicht. Leider kann ich Dir jetzt auch keine konkreten Verbesserungsvorschläge geben, wie man´s packender darstellen kann. Das müsstest Du schon selbst herausfinden (falls Du es willst).

Viele Grüße,
Alexander
 

SuracI

Mitglied
Hallo, Danke schonmal für den Kommentar.

Die Klammer hinter dem Titel soll halt von vornherein schon darauf aufmerksam machen, dass der Titel noch nicht fertig ist ;).
Die Flüchtigkeitsfehler muss ich ausbessern und die Zahlen werde ich auch alle ausschreiben, da hast Du Recht, sieht besser aus.

Meine Intention war nicht unbedingt, dass es eine spannende Geschichte wird. Sie soll nachdenklich machen, die Leser sollen über die Geschichte nachdenken und vielleicht auch über ihr Leben.
 

SuracI

Mitglied
So, ich habe jetzt nochmal über den Titel nachgedacht und mir einige Überlegungen gemacht. Letztendlich bin ich zu dem Titel: "Mein fremder Vater" gekommen. Was denkt Ihr über diesen Titel?



PS:
Ich habe heute ziemlich lange mit einer Person über diese Geschichte gesprochen. Es war ziemlich interessant, denn die Person hatte begonnen, die Geschichte zu interpretieren. In manchen Dingen musste ich meine Intention etwas weiter erläutern, aber im großen und ganzen war der große Teil der Deutung, was sowohl Struktur als auch Inhalt betrifft zutreffend. Und das hat mich doch sehr erfreuthat es mir doch gezeigt, dass meine Geschichte verstanden wurde.
 



 
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