Mein letzter Coup

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Sein letzter Coup

Wilbur Saltgrey betrachtete nachdenklich Thelma, die ihm gegenüber mit halb geschlossenen Augen auf dem mit rotem Leder bezogenen Kanapee lag. Ihr schulterlanges, von einem Samtband im Nacken zusammengehaltenes Haar hob sich kontrastreich von der vornehmen Blässe ihrer makellosen Haut ab.
Im Licht der abgedämpften Stehlampe schimmerte es in rötlichem braun und schmiegte sich wie flüssige Seide in ihren Nacken.
Sein Blick wanderte über ihr bezauberndes Gesicht, den wohlgeformten Hals hinab und verharrte einen Moment am Dekolleté. Der Rand des schulterfreie Kleides hatte sich auf der linken Seite etwas abgehoben und ließ ihre gut geformte Brust halb erkennen, halb erahnen. Vorfreude stieg in Wilbur auf.
Heute Nacht würde er mehr als nur einen Einblick in Thelmas Reize erhalten.
Er würde sein übliches Programm abziehen und schon am nächsten Morgen von einem dankbaren Geschöpf mit Frühstück am Bett geweckt werden. Er war
gut, dass hatten ihm Dutzende, mittlerweile um ihre Ersparnisse erleichterter Frauen, schon nach der ersten Nacht gebeichtet.
Ein schönes Sümmchen hatte er zusammenbekommen. Manch Anderer wäre mit dem Erreichten längst zufrieden gewesen und hätte den Rest seines Lebens in Wohlstand verbracht.
Nicht jedoch Wilbur. Erst die Frau auf dem Kanapee sollte sein letztes aber ganz großes Los werden.
Auf Leos Informationen war bis jetzt immer Verlass gewesen.
Wilbur sah die kleine fette Ratte direkt vor sich. Wie sie sich wand, wenn er ihm einen Besuch abstatte und an sein Gewissen appellierte.
Fast hätte er laut losgelacht. Leo als bekannter Gesellschaftsreporter eines nicht unbekannten Boulevardblatts wusste aus Quellen, von denen Wilbur keine Kenntnis hatte, welche reiche Erbin, welche gelangweilte Ehefrau eines Industriellen oder Adeligen sich wo zur Zeit befand.
Er hatte vor mehr als einem Jahrzehnt einige Monate mit ihm in der Redaktion zusammengearbeitet und durch Zufall sein Geheimnis entdeckt.
Leo Summer, das Gewissen des Washingtoner Abendblattes, war in Wirklichkeit ein Mann mit sehr fragwürdiger Vergangenheit und einem
jugendlichen Vorstrafenregister, das auf einer Klopapierrolle kaum Platz fand.
Das wäre ein Reißer gewesen. Zuerst hatte er überlegt, die Story dem Konkurrenzblatt zu verkaufen und einen satten Gewinn einzustreichen. Allerdings hätte er damit seine Stellung beim Abendblatt verloren. Außerdem wäre eine sichere Geldquelle auf alle Zeit versiegt. Also begnügte sich Wilbur zunächst damit, von Leo in regelmäßigen Abständen kleine bis mittlere Geldbeträge zu erpressen.
Alle hätten damit zufrieden sein können, bis er durch eine waghalsigen Wette bei einem Buchmacher mit etlichen Riesen in der Kreide stand. Seine damalige Lebensgefährtin hatte ihm letztendlich aus der Patsche geholfen und ihn auf eine glänzende Idee gebracht.
Warum sein bemerkenswertes Aussehen nicht auf professionelle Art und Weise einsetzen und einsame, aber begüterte Frauen um einen beträchtlichen Teil ihres Vermögens erleichtern?
Auf Leos paar Kröten konnte er ab dem Zeitpunkt gut verzichten.
Er begnügte sich jetzt mit Informationen, die ihm ein Mehrfaches des Gewinnes einbrachten.
Leos Kontakte in die so genannte gehobene Gesellschaft ermöglichten ihm zu erfahren, welche wohlhabende und möglicherweise liebeshungrige Dame,
ledig, verlobt oder verheiratet, in welchem Hotel oder Kurhaus abgestiegen war.
Wilbur mit seinem kurzen, schwarzem Harr, den stahlblauen Augen und dem durchtrainierten Körper war es in beinahe allen Fällen gelungen, sich seinen Opfern zu nähern, ihr Vertrauen zu gewinnen und sein erprobtes Spiel vom verarmten Adeligen zu zelebrieren.
Eine erhebliche Erbschaft war nur eine Frage von Tagen, da der liebe Verwandte bereits im Sterben begriffen war. Allerdings waren da noch einige Verbindlichkeiten, die zeitnah zu begleichen waren und seinen Besitz in den belgischen Ardennen belasteten.
Kaum war der Scheck auf seinem Schweizer Konto eingetroffen, löste sich der verarmte Adelige auf wundersame Weise ins Nichts auf.
Wilbur betrachtete lächelnd Thelmas wunderbaren Körper. Sie sollte der Abschluss seines kleinen Unternehmens werden, die Krönung sozusagen.
Tochter des Großindustriellen Kallstone und Millionenerbin.
Zum ersten Mal, seit er sich geschäftlich den Damen näherte, spürte er, dass da mehr war als nur der Wunsch, sein Kontozu bereichern.
Sie hatte es ihm nicht leicht gemacht. Seinen Avancen war sie distanziert und mit einer reizvollen Kühle begegnet. Wilbur hatte sich mächtig ins Zeug legen müssen, um ein erstes Lächeln von ihr zu erhalten.
Heute Nacht jedoch würde er diesen Eisschrank in einen Vulkan verwandeln.
Für das langsame Auftauen hatte er mit einer Flasche 1998 Clos du Mesnil vorgesorgt.
Dieser Leo war wirklich ein Idiot.
Vor drei Wochen hatte er ihm gesteckt, dass Thelma jedes Jahr um die gleiche Zeit einige Tage hier im Hotel verbringen würde. Gegen Zusage einer bescheidenen Beteiligung an diesem Unternehmen nach erfolgreichem Abschluss, hatte er ihm die Einzelheiten verraten. Für einen Augenblick tauchte wieder das Bild des kleinen, fetten Journalisten vor seinem inneren Auge auf.
Dieser Popanz in seinem altmodischen braunen Zweireiher.
Das in der Mitte gescheitelte Haar, der überdimensionale Schnurrbart und dann, Wilbur hätte fast laut losgelacht, das lächerliche Monokel aus Fensterglas. Mit dieser veralteten Sehhilfe glaubte der verkappte Schauspieler den Eindruck eines vertrauensvollen Gesellschafters zu vermitteln.
Er hatte Wilbur in seiner naiven Selbstzufriedenheit sogar einen perfekten Plan für sein Untertauchen nach dem Coup inklusive eines falschen Passes geliefert.
Alles auf eine Karte setzen, alle Konten räumen und mit falschem Namen an einem lebenswerten Fleck, irgendwo am Ende der Welt den Rest des Lebens in
Luxus verbringen.
Kurz streifte Wilburs Blick den Wandtresor, der hinter einer Kopie von Monets Seerosenteich in die Wand eingelassen war. Der Erlös von zehn Jahren
selbstlosem Körpereinsatz - reiche Ehefrauen oder Erbinnen waren nicht immer attraktiv –sicher in Aktien hinter gehärtetem Panzerstahl. Mit der rechten Hand fuhr Wilbur über die Hosentasche und fühlte die befriedigende Sicherheit des kantigen Safeschlüssels.
Wilbor lachte in sich hinein. Auch er hatte einen Plan.
In seinem, bestand Leos Beteiligung aus einem zwanzig Millimeter langen, etwa achtzehn Gramm schweren Stück gehärteten Stahls.
Abgeschossen aus seiner 8mm Beretta.
Ein letzter Schnitt durch den Faden, der ihn mit dem einzigen Menschen verband, dessen Wissen ihm gefährlich werden konnte.
„Wollen wir uns nicht langsam dem Champagner zuwenden", riss Thelma ihn aus seinen Gedanken.
Sie hatte sich aufgesetzt, ihr leeres Glas bereits in der Hand und winkte ihm damit aufmunternd zu.
„Oh Verzeihung, Liebes, ich bin unaufmerksam." Mit einem geübten Handgriff entkorkte er die Flasche und füllte geübt ihr Glas mit dem perlenden Nass.
„Auf uns Thelma und einen spritzigen Abend.“ Entweder sie hatte die leicht anzügliche Bemerkung nicht verstanden oder sie überspielte sie mit bemerkenswerter Gleichgültigkeit.
Das helle Klingen aneinanderstoßender Gläser füllte das Zimmer.
„Oh Gott!" Thelma sah fassungslos an ihrem Kleid hinunter. „Wie ungeschickt
von mir!"
„Auch das noch", dachte Wilbur, aber mit den Worten: „Macht doch nichts, ich
hole schnell ein Tuch aus dem Badezimmer", begegnete er ihrem hilflosen Blick und entfernte sich.
„Es tut mir wirklich leid, aber ich glaube, die zwei Gläser unten im Restaurant, habe ihre Wirkung hinterlassen", rief sie ihm verschämt nach.
Wenige Momente später sah Wilbur in ihre perlengleichen, bernsteinfarbenen Augen und stieß erneut mit ihr an. „Auf uns!"

Auf ein leise Klopfen an der Zimmertür hin öffnete Thelma sie einen schmalen Spalt. Den fragenden Blick ihres Gegenübers beantwortete sie mit einem
verschwörerischen Augenzwinkern.
Dann zog sie die Tür ein wenig weiter auf und erlaubte ihm nun den Blick auf Wilbur, der friedlich schlummernd im Sessel gegenüber dem Kanapee lag. Der
Monet hinter ihm stand in einem leichten Winkel von der Wand ab.
„Und?"
Thelma hielt eine schwarze Ledertasche hoch.
„Du wirst es nicht glauben, zwei Pakete ca. 300 Aktien!" „British Machine
Company, Deutsche Elektrik?" Thelma nickte zustimmend.
Einen kurzen Moment wirkte er abwesend.
„Ich habe heute Morgen die aktuellen Kurse in der Zeitung gelesen! Das sind fast vier Millionen Pfund."
Thelma strahlte.
„Der richtige Moment sie zu verflüssigen „Da ist aber noch etwas in dem Safe gewesen", merkte sie beiläufig an.
Mit spitzen Fingern zog sie eine handgroße 8mm Beretta aus der Tasche. Der Mann in der Tür stieß einen leisen Seufzer aus.
Ihr letzter Blick fiel ohne Bedauern auf Wilbur, der unbedarft und friedlich in seinem Sessel ruhte.
„Nach der Dosis Schlafmittel in seinem Champagner, wird er wohl erst in einigen Stunden erleichtert aufwachen", flüsterte Thelma und lächelte über die
Mehrdeutigkeit ihrer eigenen Aussage.
Mit einem leisen Klicken fiel die Zimmertür ins Schloss.

„Aber nicht doch Vater!"
Der kleinwüchsige, vollschlanke Mann hielt einen Augenblick vor der Tür inne.
Nachdenklich betrachte er den zerbrechlichen Gegenstand in seiner Hand, den er soeben aus der Brusttasche des modische Armani Anzugs gezogen hatte.
„Diese verdammten Angewohnheiten", murmelte er, fuhr sich kopfschüttelnd mit der Hand über das ungewohnt glatt rasierte Gesicht und warf das Monokel
halb verärgert, halb belustigt durch die Klappe des Müllschachtes, der vom Hotelflur aus senkrecht in den Keller führte.
 

Amadis

Mitglied
Handwerklich gut - wenn man mal von den etwas seltsamen Absätzen absieht, die sich manchmal eingeschlichen haben - aber doch leider sehr vorhersehbar. Es geschieht das, was in solchen Geschichten mit Typen wie Wilbur immer passiert: sie fallen auf ihren eigenen Trick herein. Es fehlen jegliche Wendungen, ob jetzt überraschend oder nicht. Dem Leser werden keine Fallen gestellt, die ihn auf eine andere und damit falsche Fährte locken könnten. Ein Spannngsbogen ergibt sich dadurch leider überhaupt nicht. Man bleibt mit einem "naja, war ja klar" zurück.
Unglaubwürdig ist weiterhin, dass ein doch angeblich so gerissener Trickbetrüger wie Wilbur so dämlich ist, sein gesamtes Kapital an einer Stelle in einem "Safe" zu bunkern (ein Zahlenschloss könnte das gute Stück doch nun wirklich haben), dessen Schlüssel er dann auch noch passenderweise in der Hosentasche bei sich trägt ... der Gute wäre beim ersten Versuch des Trickbetrugs schon im Knast gelandet, sorry.
Wie gesagt: handwerklich und von der geschaffenen Atmosphäre her ordentlich, inhaltlich und in Bezug auf Spannung leider nicht.
 



 
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