Meine Liebe.

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Lemma

Mitglied
Meine Liebe.

Heute weiß ich deine Tapferkeit zu schätzen.

Damals hast du in diesem großen Haus deine Seele gesucht und die Enge dort nicht mehr ausgehalten. Hast gelitten wie ein Tier, dich wund geheult, gekrischen, geflucht und gebettelt.
Als du seinen starren Augen kaum mehr Leben entgegensetzen konntest, bist du gegangen, ohne dich einmal umzudrehen.

Wie mutig du jedes Mal deine ausgekotzte Seele wieder aufgekehrt und von Neuem verschenkt hast.
Und wie einsam es dich gemacht haben muss, dass du dich jedesmal wieder aufgerissen hast und man dein Innerstes an sich nahm und dich so unvollständig zurückließ.

Unvorsichtig bist du. Dass du immer wieder die gleichen Fehler machst! Die, vor denen du dich selbst ständig warnst. Doch dann bist du wieder ein Kind; ausprobierend, wie weit es gehen kann. Wie lange der Schmerz zu ertragen ist.
In dir trägst du die Traurigkeit der Alten und die Wehmut der Jungen. Ich glaube, das ist es, was dich so rastlos macht.

Aber in dir ist auch deine kleine Heimat, die dich begleitet, egal wohin du gehst.
Weshalb du Spuren hinterlässt. Weshalb ich dich spüre und rieche und atme an jedem Ort, an dem du schon ein kleines Stück deines Lebens hinterlassen hast.


Wenn ich heute auf dem Boden sitze und weine wie ein Kind, bist du nicht da.
Du fehlst mir. Ich fühle mich benachteiligt, weil mir das, was fast alle ganz nah bei sich haben, fehlt. Es tut manchmal sehr weh, dass du so weit weg bist. Ich weiß einfach nicht, woran ich mich denn festhalten soll.

Aber es war und ist unser Weg, und so und nicht anders ist er verlaufen. Und das ist gut so.
 

arle

Mitglied
Liebe Lemma,

eben hat ein Freund, der deine Geschichte gelesen hat, gesagt: Mann, das haut einen um! Er nimmt mir damit die Worte aus dem Mund.

So traurig, so echt, so wahr, so hoffnungsvoll, so voller Liebe und so klar auf den Punkt gebracht.

Das wollte ich dir sagen.
 
Hallo Lemma,

eine Geschichte die unter die Haut geht, die Betroffenheit verbreitet. Hat mir sehr gut gefallen, auch wie du das geschrieben hast.

"Wie mutig du jedes Mal deine ausgekotzte Seele wieder aufgekehrt und von Neuem verschenkt hast."

Diesen Satz finde ich besonders gelungen. In ihm steckt unendlich viel Leid und Hoffnung so nah bei einander.

Gut!

LG Walter
 
K

Kasoma

Gast
Hallo Lemma,

nette Geschichte, doch bin ich mir nicht sicher, ob Du damit richtig liegst: Die Vergangenheitsform von kreischen ist nicht gekrischen, sondern gekreischt, oder!? Alles andere klingt dämlich!

Lieber Gruß von Kasoma
 
K

Kasoma

Gast
Ist das wirklich wahr? Ich glaub Dir das, aber es bringt mich zum Würgen, mir wird schlecht, ich kotze in den Duden, so schlimm klingt das...

Lieber Gruß von Kasoma, die kaum glauben will, dass sie alt wird, aber das scheint ein Zeichen zu sein...
 
E

Elisabeth Merey-Kastner

Gast
gekrischen

Laut meinem Duden aus dem vorigen Jahrhundert ist gekrischen mundartlich. Gekreischt ist wohl die neuere Form. Ich kann mich dunkel erinnern, dass wir in der Schule in Graz immer gekrischen haben. Das ist schon lange her.

Grüße, Elisabeth
 
K

Kasoma

Gast
DANKE!!!! Elisabeth, das war meine Rettung, ich hätte es auch nicht anders ertragen...lächel...
Gruß von Kasoma, der es besser geht
 

arle

Mitglied
oh je

"Sie haben gekreischt", das hat für mich was von Achterbahn, von Damen-Kegelclub-Ausflug. Es passt nicht in diesen Zusammenhang.

Über "gekrischen" bin ich auch kurz gestolpert. Aber um mich zum Kotzen zu bringen, braucht's schon ein bisschen mehr.

"Geschrien" ist zu wenig. Lemma, was hältst du von "gebrüllt"? Vielleicht käme das dem, was du ausdrücken wolltest, am nächsten und wäre verträglicher für Kasomas Magen.

Dies war ein Vorschlag von arle, die manchmal nur noch staunen kann.
 

Gagjack

Mitglied
Zum Kotzen

Liebe Lemma,

ob "gekreischt", "gekrischen" oder "gebrüllt" -
Dir ist ein Text gelungen, der mich sehr nachdenklich macht.

Die Unabänderlichkeit des Gewesenen, verbunden mit dem Positiven der Gegenwart.
Nicht das Trauern um verpasste Gelegenheiten, sondern das Ergreifen der jetzt entstehenden.

Eine Beziehung wird neu entwickelt und ruht doch auf vertrautem Gefühl.

Ich wünschte, ich würde so fühlen können.

Christoph

PS.: Wollte Dir eine 9 geben, aber meine Maus nicht; sorry
 

Lemma

Mitglied
gagjack

Freut mich, dass der Text dir sogar eine neun wert gewesen wäre! Auch interessant, wie er bei dir ankommt.

Nicht das Trauern um verpasste Gelegenheiten, sondern das Ergreifen der jetzt entstehenden.
Da ist mir nicht klar, was du davon in dem Text findest, bzw was du darauf beziehst?


Das Gegenwärtige im Text ist auch mit Sicherheit nicht ausschließlich positiv....
 
Hi Lemma,

ich möchte behaupten, du bedienst dich hier und da einer im Veralten begriffenen Sprache. Es heißt - wie Elisabeth Merey-Kastner schon schrieb - definitiv „kreischte / gekreischt“. Das ist die einzig korrekte Form – laut Duden. „Gekrischen“ gilt als veraltet und landschaftlich. Das heißt nicht, dass man das Wort nicht verwenden kann. Ich lese es zum ersten Mal.

Wie mutig du jedes Mal deine ausgekotzte Seele wieder aufgekehrt und von Neuem verschenkt hast.
Dieser Satz gefällt mir, weil er gebrochen erscheint, die Seele mal nicht in abgenutzter Weise geboten wird.

Das Wort „Tapferkeit“ finde ich schwierig. Es ist keineswegs falsch. Aber tapfer ist ein doch schon im Verblühen begriffenes Wort – zum Glück. Mut, Courage all das ist besser als Tapferkeit, bei der ich immer die „Tapferkeit vor dem Feind“ mitdenke, also ein im bieder-soldatischen Jargon missbrauchtes Wort. Dann kenne ich die „Tapferkeit“ aus dem Märchen, das tapfere Schneiderlein z.B. Für mich gehört das Wort - so wie das Wort Kutsche - einer anderen Zeit an.

Manches klingt mir ansonsten noch etwas ungefeilt oder unspezifisch:
„Es tut manchmal sehr weh, dass du so weit weg bist. Ich weiß einfach nicht, woran ich mich denn festhalten soll.“
Mir fehlt hier das packend Konkrete, das den Text aus der allgemeinen Beschreibung in einen echten unverwechselbaren Fall, und sei er nur angedeutet, mit etwas Stallgeruch verwandelt.

Ansonsten gibt es auch immer wieder schöne Sätze.

Liebe Grüße
Monfou
 

Gagjack

Mitglied
Wo ist das Positive?

Hallo lemma,

ich lese das Positive aus deinen beiden letzten Sätzen.

"Aber es war und ist unser Weg, und so und nicht anders ist er verlaufen. Und das ist gut so."

Diese Zeilen bedeuten für mich das Verarbeiten der Vergangenheit und einen offenen, optimistischen Blick in die Zukunft.
Das der Prot. zwischenzeitlich mit der Gegenwart hadert, an der Entfernung und der damit verbundenen Trennung zu verzweifeln droht, wird für mich in den letzten Sätzen relativiert.
Es bleibt ein gutes Gefühl übrig.
Dankbarkeit für das, was unter den nun von ihm erkannten Umständen an Gefühl und Wärme dem Prot. entgegengebracht wurde.
Ich sehe das positiv.

LG. Christoph
 

Lemma

Mitglied
Lieber monfou

Vielen herzlichen Dank für die anregende Kritik!

Damit kann ich was anfangen. Und es das nächste Mal VERSUCHEN, besser zu machen.
 



 
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