Meine Tante Agnes

Helmut D.

Mitglied


Meine Tante Agnes


Meine Tante Agnes, geborene Ripplen zu Ripplenburg hat vor 2 Wochen den Grafen Mackelstein geheiratet. Jawohl, den alten, krummen Mackelstein. Meine Tante Agnes hat danach ihr schönes Schloß zu Ripplenburg verlassen und ist in seine Burg bei Mackelstein gezogen. In seine Burg, die eher eine Ruine ist und in der nur noch der alte Fried bewohnbar scheint. Trotzdem ist sie eingezogen und trotzdem hat sie sich in sein Bett gelegt.
Meine Tante Agnes ist noch in der Hochzeitsnacht vor ihm splitternackt auf dem Boden herumgekrochen. Jawohl, auf dem Boden. Vor dem Grafen Mackelstein in seiner alten Burg, in der nur noch der Fried bewohnbar scheint und in dessen Bett sie sich gelegt hat. Klar?
Meine Tante Agnes hat sich nicht geniert, nachdem sie diese erniedrigende Stellung vor dem krummen Hund eingenommen hat, diesen auch noch die Füße zu küssen. Den alten Sack. Auf seiner Burg. Mitten im Fried, neben seinen Bett! Noch schlimmer! Meine Tante Agnes hat, nachdem sie ihn die Füße geküßt hat, den krummen Grafen Mackelstein rücklings durch die Wohnung getragen. Wie ein Pferd. Durch die ganze Wohnung. In seinem Fried! Auf Mackelstein! Sowas hat meine Tante Agnes gemacht!
Meine Tante Agnes hat von dem krummen Hund danach einen Tritt bekommen und ist, wie ein Zwerglein die steile Treppe heruntergepurzelt. Splitterfasernackt. In seiner alten Burg. Vor den Augen des Fieslings. Ohne jede Scham! Jawohl, ohne jede Scham hat sie das getan! Aber nicht genug. Meine Tante Agnes hat sich, als sie ohne jede Scham im Fried des krummen Grafen Mackelstein, den sie vorher geheiratet hatte und durch die Wohnung trug, die Treppe hinuntergepurzelt ist, das Genick gebrochen. Man stelle sich vor: Das Genick und dazu splitterfasernackt! Eine Schande ist das! Vor den Augen des krummen Mackelstein ,dem Erzfeind unserer Familie, den schon mein Urgroßvater 17. Grades zu Raubritter Zeiten zu Tode bekämpfte!! Eine Unerhörtheit! Aber immer noch nicht genug. Meine Tante Agnes hat, nachdem sie sich das Genick gebrochen hat, auch noch die noble Stirn besessen, vor den Füßen dieses Wüterichs das Zeitliche zu segnen. Vor den stinkigen Füßen dieses Wüterichs, den sie vorher geheiratet und durch die Wohnung getragen hat und in dessen saudummen Fried sie seine irrsinnig steile Treppe hinabgestürzt war und dazu noch splitterfasernackt. Splitterfasernackt! Wortlos wird man da. Meine Tante Agnes hat das alles getan ,ohne uns zu konsultieren. Kein einziges Mal hat sie in dieser Angelegenheit mit uns gesprochen, so daß wir alles aus der Zeitung entnehmen mußten, aus der Zeitung, die zu allem Unglück noch den Grafen Mackelstein gehört und in der nur die halbe Wahrheit gestanden hat. In der gestanden hat, daß meine Tante Agnes den edlen Mackelstein verführt hätte und ihn mit ihrem Striptease fast um den Verstand brachte, so daß er sie durch den Fried getragen und mit hunderten von Küssen übersäte, worauf sie aus nicht erfindlichen Gründen plötzlich geflohen und die Treppe hinab- gestürzt wäre. Meine Tante Agnes sei in Wirklichkeit eine adelige Nymphomanin gewesen, die den armen Mackelstein schänden und um sein ganzes Vermögen bringen wollte, die die unanständigsten Witze gerissen und die perversesten Spielchen mit ihm getrieben hätte. Die nackend auf dem großen Eichentisch herumgehüpft und auf den Lüstern durch den Burgsaal geschwebt wäre. Die die furchtbarsten Lustschreie ausgestoßen und ihn immer wieder um Befriedigung gebeten hätte. Die so schmutzig und verdorben gewesen wäre, daß es ihm, den anfangs von ihr geblendeten, zum Speien übel und ganz schal im Magen geworden wäre, so daß er mehrmals frische Luft schnappen hätte müssen. Meine Tante Agnes wäre deshalb durch ihre eigenen Verfehlungen ums Leben gekommen und hätte auch kein besseres Los verdient. Meine Tante Agnes sei für ihn keine Edeldame gewesen, sondern höchstens eine Stippnutte, die ihn von Kopf bis Fuß betrogen und hinters Licht geführt hätte. Widerlich wäre sie gewesen und so verdreckt, daß er noch Wochen brauchen würde, um sich von dieser geistigen Beschmutzung wieder reinzuwaschen.
Meine Tante Agnes liegt jetzt im Schloßfriedhof zu Ripplenburg begraben und niemand von unserer Familie gibt sich dazu hin sie zu besuchen. Denn, wer unseren hochnoblen Namen so in den Dreck zieht, wie meine Tante Agnes, wer so verwerfliche Dinge mit unserem Erzfeind, dem krummen Mackelstein treibt- und sie hat es mit ihm getrieben- der gehört nicht mehr zu unserer Familie. Deshalb rufe ich Dir zu, Tante Agnes, wenn Du mich nun im Himmel oben hörst: Tante Agnes, Du bist nicht mehr meine Tante! Du bist von nun an verstoßen, für immer und ewig! Geh' hin wo der Pfeffer wächst und laß Dich bloß nicht beim Empfang blicken, wenn wir dereinst, im Namen des Vaters und des Sohnes und des heiligen Geistes, wenn wir dereinst im göttlichen Vorraum erscheinen. Meine Tante Agnes ist jetzt für mich gestorben. Ich habe keine Tante Agnes mehr. Darum werde ich diese Geschichte sofort vernichten, denn sie hat mit diesen Moment jede Berechtigung verloren. Hinfort mit Dir Du böse Geschichte, heraus aus aller Leute Köpfe, hinweg in die fernsten Weiten des großen Alles!

Meine Tante Agnes..... Meine Tante Agnes geht mir einfach nicht aus dem Sinn. Meine Tante Agnes hat derart schreckliche Dinge getan, daß es nicht mehr möglich ist, sie aus meinen Gedanken zu entfernen. Darum finde ich mich damit ab und laß sie ruhen in Frieden. Meine Tante Agnes ich rufe Dir zu: Von nun an bist Du wieder meine Tante Agnes. Willst Du? Du darfst auch bei unserem Empfang im Himmel anwesend sein und uns mit Deinen goldenen Flügeln berühren. Oh, Tante Agnes, Du bist unsterblich! Immer wirst Du in mir sein und nie werde ich Dich vergessen, denn so sehr ich es auch versuchte: es geht einfach nicht! Meine Tante Agnes, meine gute Tante Agnes, oh Du liebe, feine gute Tante Agnes, vergib mir, daß ich so gemein zu Dir war. Verzeih' meine Ungerechtigkeit, vielleicht war ja doch alles ganz anders und wir haben Dir Unrecht getan.

Meine Tante Agnes! Meine Tante Agnes......

Gute Nacht!



1986
 



 
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