Meine Träume sind verrückter als mein Leben

John House

Mitglied
Meine Träume sind verrückter als mein Leben
Meine Träume sind verrückter als mein Leben und manchmal erwache ich mit Neid und Scharm, renne runter in mein blaues, warmes Bad und wasche meine zerknittertes Gesicht und meine Hände in Unschuld. Ein Traum speziell, beschäftigt mich noch heute, aber geträumt in der umfassenden Ahnungslosigkeit des vergangenen Jahres.
Ich war auf dem Weg zu einer Party, mit dem Fahrrad, alleine und obwohl es schrecklich kalt war, fror ich nicht in meiner Lederjacke, braun, eng, viel zu elegant, für einen so ungeschickten Typen wie mich. Also fuhr ich auf den langen, mit Schotter und Dreck ausgelegten Hof, ein zwei Maisfelder liegen dem Weg und als ich mich umschaue, sehe ich die vertrauten Umrisse, meiner geliebten Heimatstadt nicht mehr, es gibt keinen Weg außer voraus. Die Party ist in einer kleinen Hütte, Backsteinbau, mit niedrigem Dach und ein paar Hütten noch weiter weg. Aus der Tür strömt Musik, blaues und lilafarbenes Licht und Nebel. Vor dem Eingang, wo die Tür herausgenommen wurde, steht eine Gruppe von Bauern, Idioten, Helden einer anderen Welt und unterhalten sich, aufgeregt, Zigaretten in den Händen und sprechend mit Fäusten, Fingern, vertrockneten Lippen, die später verklebt waren, vom Alkohol der Nacht, Wahrheitssirup in der Tat, des Teufels Wasser, wie meine Mutter es mir vorstellte. Ich achte nicht wirklich auf sie und gehe in den ersten Raum der Hütte, verblüfft von ihrer Größe. Dort sitzen in einem viereckigen Sitzbereich, aus alten Sofas und Hockern die Clique von Dave, armen Dave Rake, einer Gitarre im Arm, ahnungslos Akkorde spielend und die andern mit einem leichten Lächeln, kichern über einer großen, braunen Tüte Marijuana. \"John, du hast es geschafft, setz dich zu uns!\", sagt der selbstbewusste Fred Humphrey, doch ich winke ab und gehe weiter in den nächsten Raum, angelockt von Licht, abgeneigt, vom Dampf der Kiffer und geborenen Philosophen. \"Jesus!\", denk ich, \"Ich kenne keine einzige Seele auf dieser Party!\" und schwing mich auf irgendein Sofa, wo die Schönheit all meiner Fantasien sitzt. Klein, blond, sie trägt eine dunkelgrauen Cardigan über einem schwarzen, engen Top, ohne sichtbare Bauchrollen, Leggins, perfekt umschließend an wohlgeformten Schenkeln, knöchelfrei, endend vor dunkel Sportschuhen. Sie hat ein Lächeln, warm wie das Lächeln einer Mutter, vielleicht 17, aber kennt alle Weisheiten der noch kommenden Welt und sie schüttelt leicht verspielt ihren Kopf in Wissender Selbstsicherheit. Ich setz mich dazu, \"Oh, John warum hast du nie angerufen, oder wenigstens geschrieben? Wir hätten großes vor uns gehabt!\" Sie lallt ein wenig, aber ich sehe, dass sie noch scharf denkt, ihre Gedankengänge, seidene Klingen, eines langen Messers, bereit, dir ins Herz zu stoßen. Plötzlich habe ich das Gefühl, ich müsste sie kennen, ohne sie je gesehen zu haben, doch das was sie sagt, müsste doch einen Sinn haben, also spiel ich mit. \"Ich wollte, ich hab, ich dachte, naja warum hast du nicht angerufen?\" - \"Ich dachte einfach es ist zu gefährlich mit dir zu spielen, du bist unberechenbar!\", als sie sich gerade umdreht und langsam auf meine Brust legt. Ich kann die Liebe spüren, irgendwo, das einsame Kribbeln, was ich so lange nicht mehr gespürt hatte und dreh mich absichernd um, damit keiner die Spiele der Liebenden sieht, die nur bei Nacht wahr werden. Niemand ist in dem Raum außer uns auf der Couch. Ich höre die Gitarre und das Gackern aus dem andern Raum, ich sehe die glänzende Holztafel der verlassenen Bar. Ich dreh mich wieder um, nimm all meinen Mut, doch sie ist weg. Ich sitze alleine auf der Couch, ein verlassener Idiot. Ich steh auf, gehe in einen weiteren Raum, auch leer, bis auf ein paar weit entfernte tanzende Menschen unter denen ich sie nicht erkennen kann...
[Traum unterbricht...]
Ich wache auf, erschüttert, lechzend, nach der Erinnerung und dem Mädchen, einem Namen, einem klaren Bild, doch das einzige was ich noch vor mir habe waren die langen seidene, blonden Haare, gesponnen aus Elfenbein und getaucht in schmelzendem Honig. Ich höre ein Schnarchen neben mir und schau neben das Bett, wo mein Cousin, Jim liegt, 20, dunkelblonde Bartstoppeln und langes, durcheinander geschmierte Haar. Ich mache ihn wach, \"Jim, was machst du denn hier!\" - \"Na noch ein bisschen schlafen bevor wir renovieren, aber danke dass du mich wach gemacht hast, dann kann ich schon mal anfangen!\" Also quält er sich hoch, geht an einen riesigen, eichenen Schrank, zieht ein altes Hemd und ausgeblichene Jeans raus und macht sich auf durch eine Tür in helles Licht. Ich springe ebenfalls auf, schwindelig, und gucke in dem Schrank nach Klamotten doch alles was ich finde, sind hunderte von denselben alten Hemden und verblichenen Jeans, zusammen mit alten Adidas, neben der Bettkante. Ich zieh mich verwundert an und trete raus in das Licht. Ich stehe direkt vor einer Treppe, sie führt runter in einem großen, weißen Haus, Villa, alles weiß gestrichen und ich sehe wie große Gemälde auf gehangen werden, mit goldenen Rahmen, voller Portraits von mir, meiner Familie, Freunden, Gruppenfotos, alle glänzend in Perfektion. Ich sehe wie meine ganze Familie in all denselben Hemden und Hosen rumlaufen und fleißig helfen und nachdem ich mir an den Kopf kratze und eine Stufe runter laufe [endet dieser Traum...]

Fußnote: Nachdem ich wieder wach wurde, versuchte ich ein dutzendmal diesen Traum wieder zu beleben, vergebens. Ich kann mir so gut wie nie meine Träume merken, sonst hätte ich schon lange Kerouacs Book of Dreams kopiert, aber wenn dann sind sie so bedeutend und so konfus wie dieser hier. Es zeigt mit, dass ich immer bei der Suche nach Liebe scheitern werde, zu viel zögernd, zu verloren, zu klammernd, was weiß ich und kein Tag vergeht, an dem ich nicht an das verschwommene Bild von diesem Mädchen denke (Die Jungfrau Maria?!\"). Doch auch zeigt mir dieser Traum, dass es einen Himmel gibt und ich ihn gesehen hab und ich gesehen habe, wie alle in ihrer Perfektion und hier nicht zu findender Zufriedenheit diese Himmel für mich, für uns alle vorbereiten, dass jeder Moment des Diesseits eine Vorbereitung, eine Gestaltung für das Jenseits ist, mit all den Erinnerungen, nur den guten und all den bedeutenden Menschen in unserem Leben hier und dort.
 

DocSchneider

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo John House, herzlich Willkommen in der Leselupe!

Schön, dass Du den Weg zu uns gefunden hast. Wir sind gespannt auf Deine weiteren Werke und freuen uns auf einen konstruktiven Austausch mit Dir.

Um Dir den Einstieg zu erleichtern, haben wir im 'Forum Lupanum' (unsere Plauderecke) einen Beitrag eingestellt, der sich in besonderem Maße an neue Mitglieder richtet. http://www.leselupe.de/lw/titel-Leitfaden-fuer-neue-Mitglieder-119339.htm

Ganz besonders wollen wir Dir auch die Seite mit den häufig gestellten Fragen ans Herz legen. http://www.leselupe.de/lw/service.php?action=faq

Die Fußnote am Ende des Textes würde ich entfernen, damit sich der Leser selbst ein Urteil über diese Träume bilden kann.


Viele Grüße von DocSchneider

Redakteur in diesem Forum
 

Ji Rina

Mitglied
Hallo John,

Mir hat Dein Traum gefallen. Auch der Schreibstil gefällt mir gut, irgendwie locker, lässig aus dem Arm geschüttelt. Wahrscheinlich sind es Tippfehler, die ich gesehen habe: “Sie trägt eine dunkelgrauen Cardigan” “Ein zwei Maisfelder liegen dem Weg”.

Träume sind ein wunderbares Thema: Da darf alles!
 



 
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