Meine violette Einsamkeit

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Meral Vurgun

Mitglied
Meine violette Einsamkeit



eine lautlose Bewegung ist meine Einsamkeit
sie ist die Welt durch ein Nadelloch zu ziehen
in mir aufzufüllen bis hin zu meinen Adern
wie von Sonnenuntergängen zu träumen in den Steppen
in meinen Ohren rauscht die Sinfonie eines Waldes
wie das hören der Lieder von Zikaden ist sie
und die Geschreie hinter einander binden
die Wehklagen aneinander legen und schweigen
die Verspätung der Züge, auf die ich gewartet

die Nacht zu verbrennen in der Flamme eines Herzens
die fallenden Sterne in den Händen zu halten
in den Abendnachrichten die Amokläufer und Morde
an den Streikplätzen das Lied der Arbeit
und sie ist wie die Liebe,
die über Gefängnismauern wachsen kann
den orangenblütenen Freiheitsträumen gleich
ein überlaufendes Meer in den Träumen der Armut

das Strahlen in den Augen eines afrikanischen Mädchens
die bergeweise Anhäufung der vergewaltigten Hoffnungen
sie ist in den heiligen Büchern die Hände der Götter
Kassierer und Geldschränke, die jedes Mahl jede Tafel ausbeuten
von jedem Festland ein anderer Diener, ein anderer Knecht
ihre Namen sind Engel, ihre Gesichter satanische Paletten
den Kriegspanzerwagen, den Plünderern und Eroberern gleich
ist sie wie ein wahnsinniges Massaker, wie plötzlich verliebt zu sein

die wie ein Schmiedehammer schlagende Wut
genau in der Mitte dieser lodernden Einsamkeit
die Stimme von Vater Ruhi, wie klar fließendes Wasser
der Kopf von Bedreddin
die Verbindung von Anatolien
die Berge von Ferhat
und tausende Farben meines Heimatslandes
die grünen Algen des Meeres
das Spiel der Fische

meine Einsamkeit ist
eine wilde Stute durch meine Augen galoppierend
wenn ich schliefe, blühte sie auf
wenn ich schliefe, wären alle meine Träume violett...






Ich bedanke mich herzlich bei dockanay für das Korrigiren meiner schlechten Übersetzung...
 
S

Saurau

Gast
gefühlsgewaltig, Meral!

mehr will ich dazu gar nicht sagen.

lg daniel
 
D

dockanay

Gast
liebe meral,

wie glücklich für mich - und wirklich eine unbeschreibliche ehre - dein gedicht im original lesen zu dürfen und für jeden, der es könnte, denn eine übersetzung als solches ist wirklich nur schwer zu leisten, und dass, was wir aus einem text machen, wenn sie in eine andere sprache transferiert wird, ist nur eine übertragung des wesentlichen, seiner grundlegenden strukturen und vielleicht etwas von seinem licht...
du hast eine derartig bilderreiche sprache, die mich beim lesen und übertragen atemlos gemacht hat...

ein in seiner sprache und metaphern überragendes gedicht...

lg dockanay
 

Meral Vurgun

Mitglied
Liebe dockanay,

ich will mich nochmals bei dir herzlich bedanken.

Ich versuche meine schwere Gedichte nicht zu übersetzen.

Manchmal brauche ich ein paar Minute für ein Gedicht zu schreiben aber zum Übersetzen Stundelang sitze ich mit den Wörterbüchern vor dem Pc.

Liebe Grüsse.
 
B

bonanza

Gast
deine gedichte sind "herzgesänge".
dein gedicht ist ein lied auf die einsamkeit.

bon.
 

Lonelysoul

Mitglied
Liebe Meral,

ich bin wie immer überwältigt
von deiner fantasiereichen Sprache.
Jede Strophe ein Gemälde für sich.
Kompliment! :)

Lieben Gruß

Lisa
 
S

Sandra

Gast
Liebe Meral,

in meinen Ohren klingt dein Gedicht nicht überwältigend. Doch das muss es ja auch nicht. Für mich sind es Gedanken zur Einsamkeit. Lose und dennoch fließend aus einem Gefühl heraus. Und als solches habe ich es gern gelesen.

LG
Sandra
 
hallo meral,

ist die farbe der wirklich keit lila?
dann lass die Angst durch die Steppe galoppieren und die Seele in den Sonnenuntergängen schaukeln.

bin restos begeistert.
Heike
 
D

Denschie

Gast
liebe meral,

deine "violette einsamkeit" ist eine demonstration
der geduld, des unausweichlichen erduldens. das ist
für mich das, was ich aus deinem wunderbaren gedicht
mitnehme.
eine lautlose Bewegung ist meine Einsamkeit
sie ist die Welt durch ein Nadelloch zu ziehen
du bringst die kraft auf, einen erdrückenden zustand
dermaßen eindringlich zu schildern, dass ich nicht mehr
weiß, ob er überhaupt erdrückend ist oder nicht.
und so arbeitest du dich vor
und sie ist wie die Liebe,
die über Gefängnismauern wachsen kann
den orangenblütenen Freiheitsträumen gleich
ein überlaufendes Meer in den Träumen der Armut
und ich weiß nicht, wie lange ich es noch aushalte. das
ging mir beim ersten lesen so: ich konnte manche stellen
zuerst nicht mitdenken, musste pausieren.

zum ende dann fast ein bisschen wahnsinnig (oder auch nicht?)
meine Einsamkeit ist
eine wilde Stute durch meine Augen galoppierend
wenn ich schliefe, blühte sie auf
wenn ich schliefe, wären alle meine Träume violett...
obwohl es so überschäumt, wirkt es doch fast beruhigend.
ich dachte mir: wenn sie das ausgehalten hat, werde ich
es auch schaffen.

so habe ich dein gedicht empfunden.

liebe grüße,
denschie
 

Meral Vurgun

Mitglied
Liebe Denschie,

du ziehst die Gedichte in den Lungen. Und kommentierst fast jede Zeile. Da bin ich sehr ungeschickt. Besser gesagt, ich bin Kommentarbehindert.

Ich danke dir herzlich für deine Worte zu meinem Gedicht.

Liebe Grüsse.
 
D

Denschie

Gast
oh, meral, ich finde dich gar nicht "kommentarbehindert"!
du bist (aus praktischen gründen) sparsam mit worten,
aber ich habe das gefühl, dass du dennoch meistens genau
den richtigen punkt triffst.
ich drücke mich manchmal komisch aus, weil es mir so
schwer fällt, empfindungen in worte zu fassen.

im wütenden Rot
kurz vor der Dunkelheit
ohne Aussicht, allein
taub
für die meeresblauen Stimmen
die in der Tiefe hörbar würden -
ist meine Einsamkeit violett

lg, denschie
 

Meral Vurgun

Mitglied
auf einem Insel
der noch nie Fussspure erkennt
ich singe den Möven meine Lieder
doch die Steilküste ist einsam
ich verlor meine Stimme
die Melodie des Meeres war auch violet
 
D

Denschie

Gast
körperlos
zwischen den Menschen meiner Stadt
höre ich dich singen
und schlagende Herzen sind
wo eben nur Konturen waren
das Herz des Einen
violett
 

Meral Vurgun

Mitglied
ich liebte den Einzigen im Herbst
violet war die Wolken und der Schnee im Winter
er verliess aber mich im Früh des Jares
und die Tränen meiner Augen waren auch violet
 
D

Denschie

Gast
ich liebte von der Milch des Frühsommers
bis in das Grau der Kälte
von grellgelben Tagen
bis in blutrote Nächte
und immer noch ist ihm nahe sein
wie Violett
 

Meral Vurgun

Mitglied
als als es dämmerte
als die Sonne
ihre Fransen über die Liebe sträute
der Wind hauchte Tag und Nacht
in meinem Herzen frierten meine Gedichte
der Stift und das Heft
heufelten die Worte
ich küsste die Bilder in deinem Traum
meine Lippen waren auch violet
 



 
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