Melly

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kuehen

Mitglied
Melly Mellfell war für eine Fünfjährige durchschnittlich gut entwickelt. Sie zeigte weder besondere Talente, noch Besorgnis erregende Schwächen. Sie konnte durchschnittlich gut reden, laufen, zanken und bockig sein. Sie hatte ihre bisherigen fünf Jahre durchschnittlich gut für ihre Persönlichkeitsentwicklung ausgenutzt, wobei weder sie, noch ihre Eltern sich sonderlich ein Bein dafür ausgerissen hätten. Alles in allem konnte man sagen, dass Melly Mellfell, das Beste herausgeholt hatte, ohne sich anzustrengen. Seitdem sie gelernt hatte, Fahrrad zu fahren vernachlässigte sie das Gehen etwas, aber alle an ihrer Entwicklung beteiligten Personen meinten, dass sich das mit der Zeit wieder geben würde. Auch wenn Melly Mellfell dabei anderer Meinung war. Zu gut fühlte sich es sich an, den Wind an ihrem braunen Lockenkopf zu spüren (der eines Tages, wenn er nicht mehr durchschnittlich frisiert sein würde, überdurchschnittlich wuchern würde und grade in ihrer Studentinnenzeit hervorragend zu ihrem alternativ/klassischen Kleidungsstil passen würde, welcher mit Grüntönen in allen Variationen in Verbindung mit einem überdurchschnittlich gutem Busen und einem Lächeln, in dem mehr Arbeit steckte, als in allem, was sie bis zu ihrem fünften Lebensjahr erreicht hatte, mehrere junge Männer und einige junge Frauen zum süssen Wahnsinn Liebe verhelfen würde). Ihr Fahrrad war in seinem ersten Leben, welches es bei dem Sohn einer Freundin der Mutter verbracht hatte, bis der Junge zu groß wurde, schwarz. Nun, da es Melly gehörte und Melly kein Schwarz mochte (jedenfalls sagte das Mellys Vater) war es rosa. Aber egal, ob rosa, oder schwarz, für Melly war wichtig, dass es schnell war und, dass sie es fahren konnte. Ihrer Meinung nach hatte sie beim herkömmlichen Gehen alles erreicht, was man erreichen musste, wenn man kein Leistungssportler werden wollte. Melly fuhr überall mit dem Fahrrad hin. Hätten ihre Eltern erlaubt, dass sie es mit in die Wohnung nehmen dürfte, wäre sie auch ins Bad damit gefahren, oder in die Küche, oder in das Wohnzimmer, vorbei an Gerüchen und Tapeten an die sie sich später als an ihre Kindheit erinnern würde. Aber ihre Eltern erlaubten kein Radfahren in der Wohnung und solange sie keine eigene Wohnung hätte, musste sie sich dieser Regel beugen (Melly würde nie eine eigene Wohnung haben. Sie würde von ihren Eltern in eine Studenten-WG ziehen, dort würde sich der Freund ihrer Mitbewohnerin in sie verlieben und nach einigen überdurchschnittlich peinlichen Situationen, würde sie mit ihm zusammenziehen, was er im nach hinein mehr bereute als sie, aber da war sie schon schwanger und seine Erziehung nicht nonkonformistisch genug, um eine schwangere Frau zu verlassen). Eine andere Regel aus Mellys Kindheit besagte, dass sie nicht alleine mit dem Rad fahren durfte. Wobei es bei dieser Regel eine Ausnahme gab. Der Friseur drei Eingänge weiter. Kein anderes Kind wird jemals so oft zum Friseur gefahren sein wie Melly. Zwei, drei Mal die Woche genoss sie ihre Autonomie, sich auf ihr Rad zu setzen und die zwanzig Meter zu fahren. Natürlich ließ sie sich nicht jedes Mal die Haare schneiden. Meistens setzte sie sich nur auf einen nach alten Frauen duftenden roten Samtstuhl und blätterte so lange eine Illustrierte durch, bis sie dachte, sie hätte genug gewartet, um zurück zu fahren, ohne dass ihre Mutter Verdacht schöpfte, dass sie gar nicht wirklich beim Haare schneiden war. Etwas, das zu einer von Mellys frühesten Erinnerungen werden sollte, passierte an einem Tag, an dem sie sich tatsächlich die Haare schneiden lassen wollte. Unter ihrem Stuhl fand Melly eine Brosche. Eine Brosche, der man ansah, dass jemand sie vermissen würde, eine Brosche, die genau wie der Stuhl unter dem sie lag, nach alter Frau duftete und in dem Moment, als sich ihre kleine Hand fest um die Brosche schloss, wurde Melly klar, dass es ihr vollkommen egal war, ob andere Leute glücklich sind.
 

wirena

Mitglied
Hallo kuehen

Der Einstieg in Deine Kurzgeschichte ist m.E. gut gelungen. Ich war unmittelbar interessiert. Doch dann, bei den nachfolgend zitierten „Passagen“, habe ich beinahe die Lust am Weiterlesen verloren. Für mein Empfinden, ist die "Pointe", der Schluss der Geschichte, sehr einfühlsam beschrieben.

Lg wirena

[blue]Zitat:
„Zu gut fühlte sich es sich an, den Wind an ihrem braunen Lockenkopf zu spüren (der eines Tages, wenn er nicht mehr durchschnittlich frisiert sein würde, überdurchschnittlich wuchern würde und grade in ihrer Studentinnenzeit hervorragend zu ihrem alternativ/klassischen Kleidungsstil passen würde, welcher mit Grüntönen in allen Variationen in Verbindung mit einem überdurchschnittlich gutem Busen und einem Lächeln, in dem mehr Arbeit steckte, als in allem, was sie bis zu ihrem fünften Lebensjahr erreicht hatte, mehrere junge Männer und einige junge Frauen zum süssen Wahnsinn Liebe verhelfen würde). Ihr Fahrrad war in seinem ersten Leben, welches es bei dem Sohn einer Freundin der Mutter verbracht hatte, bis der Junge zu groß wurde, schwarz. Nun, da es Melly gehörte und Melly kein Schwarz mochte (jedenfalls sagte das Mellys Vater) war es rosa……

……(Melly würde nie eine eigene Wohnung haben. Sie würde von ihren Eltern in eine Studenten-WG ziehen, dort würde sich der Freund ihrer Mitbewohnerin in sie verlieben und nach einigen überdurchschnittlich peinlichen Situationen, würde sie mit ihm zusammenziehen, was er im nach hinein mehr bereute als sie, aber da war sie schon schwanger und seine Erziehung nicht nonkonformistisch genug, um eine schwangere Frau zu verlassen).“[/blue]
 

Garde

Mitglied
Ich habe einen ähnlichen Leseeindruck, wie meine Vorrednerin. Die von ihr markierten Passagen haben mich gestört. Sie sind mir zu langatmig, lenken mich zu sehr ab.
Ansonsten gefällt mir der Text. Er hat für mich sehr viel Tiefgang.
Gerne gelesen.
Garde
 
Hallo kuehen,

ich schließe mich wirena und Garde an.
Auf die konjunktivischen Vorgriffe auf Mellys Zukunft würde ich hier auch verzichten.
Meine Vermutung: Du hast Dich mit dem Gedanken getragen, etwas Größeres (Novelle, Roman) aus dem Stoff zu machen. Vielleicht findest Du ja mal Zeit dafür. Es würde sich lohnen.
Gruß
Eberhard Schikora
 



 
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