Menschen ...

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Markus Veith

Mitglied
(Ausschnitt aus dem Roman "Träumer")

Menschen ... Menschen sind die Schlimmste aller Strafen! Sie dichten Betroffenheitslyrik mit fragwürdigem Stolz ab. Das macht sie so unerklärlich.

Menschen ... Da niemand von ihnen normal ist, ist jeder normal anormal und fällt daher im Durchschnitt nicht auf. So kompliziert einfach ist das. Sie verschlucken primitive Tiere als Delikatessen, während sie sich ihre Scheiße als Schmuck um den Hals hängen. Eine Sonnenfinsternis ist, wenn alle dunkle Brillen aufhaben und der Mond davor steht. Kanzler lassen sich in Italien beim Bocciaspiel fotografieren, weil sie wollen, dass es Fotos gibt, die den Kanzler zeigen, wie er in Italien Boccia spielt. Die SPD ist die beste CDU, die wir jemals hatten. Sie sprechen vom Wetter, obwohl sie Regen meinen. Die Städte werden relative Superlative. Ihre Größe wird nicht durch Quadratkilometer oder Einwohnerzahl definiert, sondern danach, wie viele McDonald’s-Restaurants es gibt. Vor Metzgerläden stehen lachende Pappschweine. In Bahnhöfen bitten Menschen einander, endlich fortfahren zu dürfen.

Menschen ...
Menschen schreiben ihre eigene Chronique scandaleuse. Ihre Kulis schreiben ausschließlich aufrecht. Bourgeoisie ist ein Fremdwort. Tatort Grußfängerzone. Erst kommt niemand. Dann lässt der Zustrom nach. Speichelrotzpfützen vor Haltestellensitzen. Klobrillenlöcher, mit Kondensschweiß geputzt. Sanduhren, nach Zeitansage gestellt.
Nicht der Faustschlag bringt Gefahr. Nur die würgende Umarmung.

Menschen ...
Menschen sind im Team intim. Liebe ist Medizin. Und Medizin muss bitter sein, sonst hilft sie nicht. Beziehungsweise Wechselschicht hinter sämtlichen Fassaden. Liebe bekommt Zeit im Abo. Plus, Minus, mal geteilt, mal zusammen. Vereinzelt wird zusammengeschrieben. Nasal-Sex im Himmelfahrtshochformat. Hindernisbumsen durch Hängematten. Schienenverkehr bedeutet Sex mit Gehhilfen. In der Kürze liegt die Würze, Baby. Steck dir Nelken in die Eichel. Beziehungskisten klappern Leere zu Lügen. Galle als Nachgeburten der Liebesnächte. Gattinnen suchen den Frauenarzt ihres Vertrauens. Sie machen ungern Abstriche.

Menschen?
Kronjuwelen der Schöpfung wollen sie genannt werden? Mütter der Porzellankisten? Väter der Klamotte? Milchmädchen? Klingelmännchen?
Wirsing und Schnapprollo werden die schönsten Wörter des Jahres. Fünfzig Prozent der Weltbevölkerung hat nie einen Telefonanruf bekommen oder getätigt. Dreiundzwanzig Prozent aller Fotokopiererschäden werden erzeugt, weil Leute ihren Hintern kopieren. Ihre Wohnungen sind ihnen zu klein. Wenn sie umräumen wollen, hängen sie Poster um. Wenn sie niesen, können sie sich Rippen brechen. Unterdrücken sie es, kann ihr Kopfgefäß platzen und die Augen ploppen ihnen raus. Wenn ein Mensch acht Jahre, sieben Monate und sechs Tage lang schreit, hat er Energie genug, seine Tasse Morgenurin zu erhitzen. Furzt er sechs Jahre und neun Monate, reicht’s für eine Atombombe. Aber: Gott sei Dank, kein Anschlag. Nichts als Sternenhagel hinter den matt beschlagenen Scheiben. Keine Bange! trompeten die Katastrophen auf Jerichos Mauern. Wir kommen nur, um zu tanzen.

Und dann war da dieser Esel, der zu dem Huhn sagte: Hey Huhn, alte Zutat, etwas besseres als den Tod findest du überall.
Gackert das Huhn: Der Mensch Schopenhauer hat den Pessimismus analysiert, aber unser erdachter Hamlet hat ihn erfunden.

Menschen ...
Sie haben dem Blitz das Feuer geraubt. Aber das war nicht ihr Fehler. Sie glauben, sie denken. Auch dazu können sie nichts. Sie haben das Wort erfunden und bemerkten, ohne ihm, bedeutet nackt zu sein. Die Menschen des Wortes bewirken seltsame Gefühle ... und dann verschwinden sie plötzlich. Spurlos. Die Versuchung, sie zu verbieten, verschwindet dagegen nie.
Menschen sind Gewohnheitstiere. Sie wollen sich auf zu Hause freuen. Auf ein weiches Bett, das knarren, aber nicht quietschen darf. Auf eine Decke, in deren Bezug man sich nicht ständig mit den Füßen verheddert. Auf einen warmen Körper neben sich. Auf die Einschlaffunktion des Radioweckers. Auf ein Träum was Schönes im Ohr, wenn die Augen schon geschlossen haben. Auf eine gute Nacht.


Februar 2004
 



 
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