Mildred Harnack - Ahnung

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H

HFleiss

Gast
Mildred Harnack - Ahnung


Wohin geh ich aber,
Wenn man mich verweist
Der letzten Tür in der Stadt,
Wenn ihre Ohren taub bleiben,
wenn sie mich den Bütteln vorwerfen?
Verschleppen werden sie mich, dorthin,
wo es noch eine allerletzte Tür gibt,
deren Schlüssel
sie mutwillig weggeworfen haben.
Und sie werden nicht fragen,
wie es mir geht,
urteilen werden sie und sagen,
dass es keinen Tag noch gibt für mich.
Sie werden mir die Hände zerschlagen,
Und töten wollen, was ich bin.
Kreatur werden sie mich nennen und Ausgeburt
Und ich werde schweigen müssen,
denn sie werden mir auch
meine Stimme genommen haben.
Höhnen werden sie,
wie gut es mir doch ginge,
ihre Urteile fällen und sagen,
dass es keinen Tag noch gibt
für mich auf Erden.
Das Fallbeil werden sie schärfen
dafür, dass ich ihre Lügen verlachte
und ihre unheiligen Werke zerstörte.
Und sie werden den Mond köpfen mit mir,
dafür, dass er aufgeht am Abend.
Die Sterne schon tragen sie frech
Auf den Mörderschultern,
dem Himmel hinterrücks gestohlen.
Ich werde in meinem Verlies kauern
Der Stunden mit dir gedenken, Geliebter,
und dann werden sie kommen in der Frühe,
und sie werden
mich nicht töten können,
denn du wirst mit mir sein
dein und mein Leben lang.
 
B

bonanza

Gast
da finde ich doch das gedicht von clara leiser wesentlich
näher dran.
was du schreibst, hfleiss, klingt übermäßig mysteriös, und
ich dachte beim ersten lesen an eine art hexenverfolgung,
während es sich doch bei mildred harnack um eine mutige
widerständlerin im 2. weltkrieg handelt, die dummerweise
dem naziregime zum opfer fiel.

bon.
 
H

HFleiss

Gast
Liebe Melusine,

hab vielen Dank für die Information. Vielleicht muss man das tatsächlich erklären und darf nicht zuviel voraussetzen.

Lieben Gruß
Hanna
 
H

HFleiss

Gast
Lieber Bonanza,

ich weiß nicht, ob du inzwischen weißt, wer Mildred Harnack war. In Westdeutschland wurde (wie ich aus diversen Fernsehsendungen weiß) die Rote Kapelle als kommunistisch direkt verfemt, obwohl das alles sehr bürgerliche Leute waren, manche saßen sogar an Schaltstellen und hatten dadurch natürlich guten Einblick ins Funktionieren des Nazistaates.
Ihr Fehler aus westdeutscher Sicht war, dass sie die Informationen an die Sowjetunion weitergegeben hatten. Aber um auf das Gedicht zurückzukommen: Ich war vor etlicher Zeit in der Hinrichtungsstätte Plötzensee, und als ich in diesem schäbigen Raum stand (alles ist noch vorhanden, die Fleischerhaken und das Fallbeil und sogar das Handwaschbecken für den Henker), ging mir erst so richtig auf, was diese Menschen für uns getan haben. Und dass ich kein Heldengedicht geschrieben habe (so etwas verbiete ich mir von vornherein) hängt damit zusammen, dass ich mich ganz in die Situation dieser Menschen versucht habe hineinzuversetzen. Sie haben den Preis gekannt, und am Ende stirbt jeder für sich allein.
Bonanza, manchmal verbietet sich schnoddriger Ton, aber das weißt du sicherlich selbst.

Lieben Gruß
Hanna
 



 
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