Minztee und Beck's

Alex Knov

Mitglied
Aber sie kam nie. Vier Minztee, er trank vier Minztee, alleine, doch sie kam nie. Ein duzend mal hatte er ihre Nachricht gelesen, wieder und wieder und wieder und wieder. Die abwertenden und manchmal auch – noch schlimmer – mitleidigen Blicke fielen ihm gar nicht auf. Selbst wenn, hätte er sie wahrscheinlich sowieso ignoriert, doch er bemerkte sie nicht.

Zwei Jahre war ihre letzte Begegnung her. Auch da war sie nicht aufgetaucht. Wie konnte er nur so dumm sein? Selbsthass schoss heiß brennend durch seine Adern und er kratzte seinen Unterarm, bis die Haut rot anlief. „Wie kann sie mir das bloß antun?“, fragte er sich, lediglich weil er glaubte, dass ein geistig gesunder Mensch sich so etwas fragen würde. Doch er war nicht wütend auf sie, konnte er gar nicht, er gab lediglich sich selbst die Schuld an allem.

Irgendwann hörte er auf Minztee zu trinken, doch blieb sitzen, bis er gegen Mitternacht rausgeschmissen wurde. Ohne zu zögern ging er zum Kiosk gegenüber des Cafés und kaufe einer Schachtel Luckys und ein Sixpack Beck‘s. Schon Stunden vorher hatte er sich den Plan zurecht gelegt, wie er reagieren würde, sollte sein Herz erneut gebrochen, sollte es noch einmal in tausend Teile zerfetzt werden.

Zwei Jahre hatte er nicht mehr geraucht und eins nicht getrunken. Er machte an fünf Tagen in der Woche Sport, ernährte sich vegan und meditierte jeden Tag mindestens 20 Minuten. Sein kleines 1-Zimmer-Appartement war ordentlich und sauber. Seine Kleidung ebenso. Doch alles, was er versuchte, über Monate und Jahre zu Routinen formte und wusste, ganz genau wusste, dass es ihm gut tat, all das war jetzt egal. Sie hatte zu viel Macht über ihn, als das er eine Wahl gehabt hätte.

Und so ging er durch die Straßen dieser Stadt, der Stadt von vor zwei Jahren, der Stadt des Exzesses, der schwarzen Nacht und des grauen Tages. Aus seinen Kopfhörern drangen die Lieder von damals und die Gefühle kehrten zurück. Die Gefühle, die er niemandem erklären konnte, egal wie sehr er es auch versuchte, und die niemals verschwanden. Die Gefühle, die ihn geformt, ihm Motivation und ein Ziel gegeben haben, doch ihn auch in beide Knie geschossen und auf seinen blutenden Leichnam gespuckt haben.

Doch irgendwo aus der Ferne, im tiefsten seines Herzens, kam das eine Gefühl, was alles hätte noch schlimmer machen können. "Schreib ihr nicht, das wäre noch erbärmlicher…", flüsterte sein Stolz ihm ins Ohr. Und er war viel zu betrunken um zu widersprechen.

Und morgen würde er zu verkatert sein, und danach zu geduldig, und danach zu gleichgültig, und danach zu traurig. Und dann würde er wieder anfangen zu meditieren und Sport zu treiben und gesund zu essen, und dann ist es wieder zu spät.
 

Wipfel

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Hi, mir gefällt die etwas melancholische Geschichte. Einzig das hier stimmt nicht:
Zwei Jahre war ihre letzte Begegnung her. Auch da war sie nicht aufgetaucht.
Wenn sie nicht auftauchte, war es keine Begegnung.

Grüße von wipfel
 

Alex Knov

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Aber sie kam nie. Vier Minztee, er trank vier Minztee, alleine, doch sie kam nie. Ein duzend mal hatte er ihre Nachricht gelesen, wieder und wieder und wieder und wieder. Die abwertenden und manchmal auch – noch schlimmer – mitleidigen Blicke fielen ihm gar nicht auf. Selbst wenn, hätte er sie wahrscheinlich sowieso ignoriert, doch er bemerkte sie nicht.

Zwei Jahre war es nun her. Auch da war sie nicht aufgetaucht. Wie konnte er nur so dumm sein? Selbsthass schoss heiß brennend durch seine Adern und er kratzte seinen Unterarm, bis die Haut rot anlief. „Wie kann sie mir das bloß antun?“, fragte er sich, lediglich weil er glaubte, dass ein geistig gesunder Mensch sich so etwas fragen würde. Doch er war nicht wütend auf sie, konnte er gar nicht, er gab lediglich sich selbst die Schuld an allem.

Irgendwann hörte er auf Minztee zu trinken, doch blieb sitzen, bis er gegen Mitternacht rausgeschmissen wurde. Ohne zu zögern ging er zum Kiosk gegenüber des Cafés und kaufe einer Schachtel Luckys und ein Sixpack Beck‘s. Schon Stunden vorher hatte er sich den Plan zurecht gelegt, wie er reagieren würde, sollte sein Herz erneut gebrochen, sollte es noch einmal in tausend Teile zerfetzt werden.

Zwei Jahre hatte er nicht mehr geraucht und eins nicht getrunken. Er machte an fünf Tagen in der Woche Sport, ernährte sich vegan und meditierte jeden Tag mindestens 20 Minuten. Sein kleines 1-Zimmer-Appartement war ordentlich und sauber. Seine Kleidung ebenso. Doch alles, was er versuchte, über Monate und Jahre zu Routinen formte und wusste, ganz genau wusste, dass es ihm gut tat, all das war jetzt egal. Sie hatte zu viel Macht über ihn, als das er eine Wahl gehabt hätte.

Und so ging er durch die Straßen dieser Stadt, der Stadt von vor zwei Jahren, der Stadt des Exzesses, der schwarzen Nacht und des grauen Tages. Aus seinen Kopfhörern drangen die Lieder von damals und die Gefühle kehrten zurück. Die Gefühle, die er niemandem erklären konnte, egal wie sehr er es auch versuchte, und die niemals verschwanden. Die Gefühle, die ihn geformt, ihm Motivation und ein Ziel gegeben haben, doch ihn auch in beide Knie geschossen und auf seinen blutenden Leichnam gespuckt haben.

Doch irgendwo aus der Ferne, im tiefsten seines Herzens, kam das eine Gefühl, was alles hätte noch schlimmer machen können. "Schreib ihr nicht, das wäre noch erbärmlicher…", flüsterte sein Stolz ihm ins Ohr. Und er war viel zu betrunken um zu widersprechen.

Und morgen würde er zu verkatert sein, und danach zu geduldig, und danach zu gleichgültig, und danach zu traurig. Und dann würde er wieder anfangen zu meditieren und Sport zu treiben und gesund zu essen, und dann ist es wieder zu spät.
 



 
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