Mit List und Tücke - knapp, aber unverdient!

ibini

Mitglied
In unserem Land dürfte es wohl kaum eine Sportart geben, bei der Leid und Freude, Niedergeschlagenheit und Begeisterung, Verdammung und Jubel so nahe beieinander liegen wie im Fußball. Zwischen Himmel und Hölle ist nur ein Katzensprung! Das bekommt der einzelne Spieler ebenso schnell zu spüren wie die Vereins- oder die Nationalmannschaft. Und nicht weniger rasch neidet man dann die sicher nicht unfürstlichen Gehälter oder gönnt sie großzügig. Fußball ist vor allem in den letzten zwei, drei Jahrzehnten zunehmend zu einem riesigen Geschäft geworden und dennoch die Volkssportart Nummer eins geblieben, die sie immer war.

Fußball dürfte aber auch die Sportart mit den meisten Experten sein. Denn hier ist fast jeder Fachmann, der irgendwo andeutungsweise mal gehört zu haben glaubt, der Ball sei rund. Entsprechend vielfältig – von hausbacken bis exotisch, manchmal sogar idiotisch – sind dann die Meinungen und Vorschläge, die insbesondere vor entscheidenden Spielen wild durch die Gegend geistern. Das ist das Los eines Massensports. Allerdings übertragen auf die Literatur nicht wesentlich verschieden. Vor fünftausend Jahren – einer Zeit, für die fußballähnliches Spielen in China bezeugt ist – dürfte das anders gewesen sein. Das ist allerdings lange, lange her. Und Realität sind nicht nostalgische Anwandlungen, sondern die fußballerischen Geschehnisse der vergangenen und der kommenden Tage, die Weltmeisterschaft im fernen Asien.

Sicher wird niemand ernsthaft behaupten wollen, unsere Mannschaft sei (bisher jedenfalls) durch ausgesprochene Glanzleistungen aufgefallen. Da wurde schon weit Besseres geboten. An die „Epoche“ eines Beckenbauer, Müller oder Netzer darf man gar nicht denken (obwohl natürlich auch zu jener Zeit nicht immer alles Gold war, was glänzte). Es war mehr der typisch deutsche Zweckfußball, der uns, verbunden mit einem Quäntchen Glück, wieder einmal weitergebracht hat. Weiter als manchen der ein ganzes Stück höher eingeschätzten Favoriten. Damit sollten wir zufrieden sein. Vor allem nicht vergessen, daß die Bolzer von gestern inzwischen Artisten von heute sind. Man benötigt nicht allzu viel Phantasie, um sich vorzustellen, daß die internationale Fußballwelt mehr und mehr von Farbtupfern bestimmt sein wird.

Nun gut, der Skalp der US-Boys hängt an unserem Gürtel. Nicht wenige sehen uns emotionsgeladen bereits als Weltmeister. Viele endlos lange Minuten zu voreilig. Im Augenblick müssen wir das Bier noch trocken runterwürgen. Aber die Zielgerade ist in Sicht. Langsam muß der Rudi bei aller Taktik seine wohl letzten Asse aus dem hoffentlich nicht zu kurzen Ärmel ziehen. Trümpfe, die nicht schon zu seiner Bremer Zeit Großvater waren. Denn die braucht er. Keine „Hand Gottes“! Schließlich soll der Bessere am Ende die Nase vorn haben (selbst wenn so manches Ergebnis dem schon Lügen straft). Und ein Kahn allein macht noch keinen Sommer!
 
B

beisswenger

Gast
Werte ibini,

gut geschrieben, sachlich und doch so bezeichnend, weil typisch deutsch! Freude ist unsere Sache nicht, das überlassen wir lieber den Türken oder Brasilianern.

Zugegeben, glanzvoll waren die Siege nicht. Es war eine Mogelei ins Finale. Na und? Wenn der Gegner es zulässt, ist das doch nicht das Problem derer, die alles geben, ihre Stärken optimal einsetzen und erfolgreich sind - oder?

Aber wann haben deutsche Mannschaften glanzvoll gespielt?
Sehr selten! Eine Ausnahme war die EM 1972. Ansonsten gab es bei allen WMs nur wenige wirklich gute Spiele, wie 1974 beim Spiel gegen Schweden, 1990 gegen Jugoslawien und 2002 gegen Saudi Arabien. Ansonsten haben wir uns ins Finale gekämpft und geboxt, wie 1982 gegen Frankreich. Jetzt kommen Sie mir bitte nicht mit der glanzvollen Fritz-Walter-Zeit. Auch 1954 gab es die 8:3 Niederlage gegen Ungarn in der Vorrunde und einen 2:0 Arbeitsieg gegen Jugoslawien.

WIR können nicht so zaubern wie die Brasilianer! Aber wir können laufen, kämpfen und beherrschen das Kopfballspiel. Zudem hatten wir immer ausgezeichnete Torhüter: Turek, Tilkowski, Maier, Schumacher, Köpke und Kahn. Wenn das reicht, um ins Finale einzuziehen, dann liegt es doch nicht an unserer Mannschaft, sondern am Gegner - oder etwa nicht?
 

ibini

Mitglied
Werter Beisswenger,

… ich habe mich über Ihre Zeilen etwas gewundert, Sie dürfen über die meinen ruhig lachen. Aber Sie sollten dies möglichst bald tun. Denn in ein paar Tagen fällt es Ihnen vielleicht wesentlich schwerer! Doch, ich bin Ihnen eine Erklärung schuldig:

Ein Fernseh-, vor allem aber ein Radiokommentator mag vor lauter Begeisterung aus seinen Latschen kippen. Ja, er muß es sogar, um das Leben des Spiels, die Atmosphäre mit all ihren Höhen und Tiefen weitestgehend über den Äther zu bringen. (Daß allerdings auch leise Töne in die Geschichte eingehen können, zeigt der Ausruf „Wo ist Behle?“.) Mir ging es dagegen um eine sachlich-nüchterne, kritische, teilweise sogar durchaus ironische Betrachtung, eine Einschätzung, die für südländische Temperamentsausbrüche oder zweifelhafte Schlagwörter gewisser Zeitungen in meinen Augen keinen Platz läßt. Das ist vermutlich das, was Sie mit typisch deutsch meinen.

In allem Weiteren kann ich in der Sache keine wesentlichen Unterschiede erkennen. Die Fritz-Walter-Zeit haben Sie angesprochen. Mir genügte ein Blick zurück auf die Beckenbauer-Aera, die im Vergleich zu heute zweifellos eindrucksvoller, wenn auch – wie erwähnt – nicht frei von Einbrüchen war. Und was das Kämpferische angeht, so dürfte dies wie ein roter Faden unsere Fußballgeschichte durchziehen. Gewinnen sollte der Bessere, meine Meinung kennen Sie. Selbst wenn der Bessere nur aus einem besseren Torhüter besteht. Und ob Kampf, Taktik bzw. Ästhetik dominiert oder umgekehrt, mag eine Frage des Augenblicks sein. Mit Schönheit allein ist jedenfalls kaum ein Blumentopf zu gewinnen.

Ihre letzte Frage erinnert mich ein wenig an unseren „Freund“ Effenberg. Ist es seine Schuld, wenn er Millionen verdient, oder liegt es am „Gegner“ (sprich Brötchengeber, Zuschauer, Fangemeinde usw.)?

Mit Gruß
ibini
 



 
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