Mit der Bitte um Vergebung

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Mistralgitter

Mitglied
sie wolle nur einmal bei mir übernachten
[aus Angst vor ihrem Mann]
sagte sie
und morgens eine warme Dusche

ich sagte ja

dann wollte sie ein Frühstück haben
ein Mittagessen

ich nahm von dem, was zufällig noch da war und kochte

sie hatte guten Appetit
abends
brauchte sie wieder ein Bett
ungeplant
und frisches Brot

das alte aß ich

und Tee und Schinken
wünschte sie
auch Äpfel, Orangen, Schokolade

ich hatte alles zufällig vorrätig und genug für uns zwei

sie nahm alles
umsonst
selbstverständlich
[sie war ja auf der Flucht]
mein Duschgel, mein Waschmittel für ihre Wäsche
meine Ohren für ihre Nöte
meine Worte für ihren Trost
dazu ungefragt mein Telefon
während ich nicht zu Hause war
[ihr Handyguthaben sei aufgebraucht]
einfach so
und dann weitere Tage und Nächte
unter meinem Dach

als ich ihre Medikamente in ihrem Waschbeutel entdeckte
wollte ich einfach nicht mehr und entließ sie

nach Wochen kam sie einfach wieder
sie wollte meinen Rasen mähen
um das Alte zu vergessen
sagte sie
und weinte
sie weint immer
auch im Supermarkt

wir leben auf dem Dorf
ich fühle mich schlecht
 

Wipfel

Mitglied
hi Mistal,

ein Experiment? Kurze Stücke leben von der Genauigkeit:

als ich [strike]ihre[/strike] [blue]die[/blue] Medikamente in ihrem Waschbeutel entdeckte
wollte ich [strike]einfach[/strike] nicht mehr (was genau?) und entließ sie

nach Wochen kam sie [strike]einfach[/strike] wieder
Hier ist noch mehr drin, lohnt sich jedes Wort abzuwägen.

Grüße von wipfel
 

Mistralgitter

Mitglied
Hallo Wipfel,

ich dachte, der Text wäre pointiert genug. Bis jetzt denke ich das.

Und das doppelte "einfach" ("ich einfach" - contra "sie einfach") möchte ich bewusst so stehen lassen!

Was das LyrIch im Text nicht mehr wollte, ergibt sich doch aus dem Zusammenhang - und was es mit ihren, d.h. diesen speziellen Medikamenten auf sich hatte, wollte ich dem "Spürsinn" des Lesers überlassen.

Tut mir Leid, dass ich deine Kritik nicht so recht umzusetzen weiß. Danke aber dennoch für dein Lesen.

Viele Grüße
MG
 
A

aligaga

Gast
als ich ihre die Medikamente in ihrem Waschbeutel entdeckte
wollte ich einfach nicht mehr (was genau?) und entließ sie
Diese Frage ist nur zu berechtigt. Der Protagonist will uns als Samariter entgegenkommen, der sein Mäntelchen ohne jeden Hintergedanken teilte. Wer's glaubt, wird selig! "Entlassen" kann man nur jemanden, den man zu irgendeinem Zweck angestellt hat. Den Rest wirft man hinaus.

Was überhaupt nicht zusammenpasst: Die edlen Gesten zuvor und der Rauswurf gerade dann, wenn offenbar wird, wie schlimm es um den s.o. wirklich steht. Da isses dann gleich vorbei mit der Empathie, ne? Die Entschuldigung dafür soll der Leser wohl in der Überschrift finden. Na ja ...

Fazit: Hier singt ein Wolf, der Kreide gefressen hat, trifft aber den Ton nicht ganz. Jeder, der etwas von Musik versteht, kann's hören.

Heiter

aligaga
 

Mistralgitter

Mitglied
Wer als Wolf heult, kann z.B. das Zirpen der Grille nicht hören (oder so ähnlich) - da geb ich dir Recht und bedanke mich für deinen Kommentar.

Viele Grüße
MG
 

Vagant

Mitglied
Morgen Mistralgitter,

ja, das ist hier ein Stück auf der Schwelle zur prosaischen Lyrik. Die Geschehnisse werden extrem nüchtern erzählt, und das ist dann auch genau das, was es für mich dann doch noch etwas unvollständig erscheinen lässt. Mir fehlt da irgendwie ein starkes lyrisches Bild, eine Passage, die auch nach dem Lesen noch nachklingt; aber ich könnte nun nicht einmal genau sagen, an welcher Stelle man es platzieren sollte.
Allerdings denke ich, dass du das genau so gewollt hast.

@Wipfels Streichungen machen hier auf jeden Fall Sinn. Ich würde mir diesen Text auf diese Art auch noch einmal vornehmen, und ihn – um diese Nüchternheit noch prägnanter zu machen – nach entbehrlichen Wörtern durchsuchen.
Und trotzdem würde ich hier nicht nur streichen, sondern gelegentlich durch ein "und" den Rhythmus glätten, denn, während sich einige Stellen angenehm rund lesen lassen, wird es kurz darauf fast schon zappaesk.

als ich ihre Medikamente in ihrem Waschbeutel entdeckte
wollte ich einfach nicht mehr und entließ sie

nach Wochen kam sie einfach wieder
sie wollte meinen Rasen mähen
um das Alte zu vergessen
sagte sie
und weinte
sie weint immer
auch im Supermarkt
Hier einfach mal 'ne Idee:

als ich die Pillen in ihrer Tasche sah
wollte ich nicht mehr
und
schickte sie fort


Im folgenden Absatz (nach Wochen ...blablabla...) ist für mich einfach zuviel drin. Allein 2 Gründe für ihr Wiederkommen – der Rasen, das Vergessen des Alten –, und dann werden abrupt die Kulissen verschoben, und wir befinden uns in einem Supermarkt. Das geht mir da einfach zu schnell, und gibt einen Rhythmus vor, dem ich als Leser hier kaum folgen mag.

Auf Grund der spezifischen Eigenheiten des Textes (fehlende Interpunktion, diverse Zeilenumbrüche, etc.) hätte ich diese Text wahrscheinlich eher in "Ungereimt" untergebracht. Aber was soll's, nun steht er hier.

Gern gelesen, Vagant.
 

Mistralgitter

Mitglied
Hallo Vagant,

ja, leider steht dieser Text hier ("Kurzprosa") und mein "sommerabend" dort ("Ungereimtes"). Es sind beides Texte, die ich in das Raster der LL schlecht einordnen kann.

Natürlich könnte ich die Zeilenumbrüche weglassen, um einen Prosatext daraus zu machen - ich hab sie der Lesbarkeit wegen eingefügt. Ein Text mit diesen Einschüben würde sonst unübersichtlich.

Zu den vorgeschlagenen Streichungen habe ich mich schon geäußert. Weitere entbehrliche Worte finde ich keine.
Einen Rhythmus braucht der Text meines Erachtens nicht.
Was "zappaesk" muss ich googeln - ich bin der literarwissenschaftlichen (?) Fachsprache nicht mächtig.

Dein "gern gelesen" versöhnt mich etwas. Danke für deinen Kommentar.

Viele Grüße
MG
 

Vagant

Mitglied
zappaesk...
... brauchst du nicht googeln.
Frank Zappa - nicht gerade für einen geschmeidigen Foxtrott bekannt. Ein Wort Spiel, mehr nicht.
 

Mistralgitter

Mitglied
Also gut, dann muss ich zugeben, dass ich F. Zappa auch nicht kenne.

Wenn es also in deinen Augen kein geschmeidiger, eher ein unrhythmischer Text ist, dann umso besser. Dieses Mal bin ich hart und verweigere im Moment eine Überarbeitung - in den meisten Fällen aber bin ich sehr zugänglich für Korrekturvorschläge! Ich selber sehe meine Texte selten als "fertig" an.

Ach ja, die "Pillen" - das Wort klingt abwertend in meinen Ohren. Ich hatte mir vorgenommen, keine Wertungen im Text vorzunehmen und das Urteil über das Verhalten der beiden Prot. dem Leser zu überlassen.

Viele Grüße
MG
 

Vagant

Mitglied
Ja, das ist schön richtig. Pillen ist wertend, damit allerdings auch konsequent, denn der Lyrich dreht ja schon eine Weile an der Spirale - sie isst das neue Brot, er das alte, usw, usf - also das Werten wäre an dieser Stelle nun nix neues.
Medikamente ist ja auch so ein Sammelbegriff, so wie Geflügel, Verpackungsmaterial, Bäume, so, als wäre dem Autor da gerade das richtige Wort nicht eingefallen.
Trotzdem: Wenn du deinen Text so lassen magst - kein Problem.
Das war ja auch nur eine Meinung. Wahrscheinlich gibt es 50 weitere, die allesamt völlig anders ausfallen.
LG, Vagant.
 

Mistralgitter

Mitglied
Nöö, das mit dem alten und frischen Brot ist eine Mitteilung über eine Begebenheit, keine Wertung. Der ganze Text beschreibt ja nur die Verhältnisse zwischen den beiden Prot., zählt Vorkommnisse auf, um am Schluss ein resignierendes Resümee zu ziehen.
 

Mistralgitter

Mitglied
sie wolle nur einmal bei mir übernachten
[aus Angst vor ihrem Mann]
sagte sie
und morgens eine warme Dusche

ich sagte ja

dann wollte sie ein Frühstück haben
ein Mittagessen

ich nahm von dem, was zufällig noch da war und kochte

sie hatte guten Appetit
abends
brauchte sie wieder ein Bett
ungeplant
und frisches Brot

das alte aß ich

und Tee und Schinken
wünschte sie
auch Äpfel, Orangen, Schokolade

ich hatte alles zufällig vorrätig und genug für uns zwei

sie nahm alles
umsonst
selbstverständlich
[sie war ja auf der Flucht]
mein Duschgel, mein Waschmittel für ihre Wäsche
meine Ohren für ihre Nöte
meine Worte für ihren Trost
dazu ungefragt mein Telefon
während ich nicht zu Hause war
[ihr Handyguthaben sei aufgebraucht]
einfach so
und dann weitere Tage und Nächte
unter meinem Dach

als ich die Medikamente in ihrem Waschbeutel entdeckte
wollte ich
dass sie geht

nach Wochen kam sie wieder
wollte meinen Rasen mähen
um das Alte zu vergessen
sagte sie
und weinte
[sie weint immer
wenn wir uns treffen
auf der Dorfstraße
im Supermarkt]

heute rief sie an
sie wolle mit mir spazieren gehen

ich fühle mich schlecht
 

Mistralgitter

Mitglied
ob sie nur einmal bei mir übernachten
[aus Angst vor ihrem Mann]
fragte sie
und morgens eine warme Dusche

ich sagte ja

dann wollte sie ein Frühstück haben
später ein Mittagessen

ich kochte mit dem, was zufällig noch da war

sie hatte guten Appetit
abends
brauchte sie wieder ein Bett
ungeplant
und frisches Brot

das alte aß ich

und Tee und Schinken
wünschte sie
auch Äpfel, Orangen, Schokolade

zufällig war alles vorrätig

sie nahm es
umsonst
selbstverständlich
[sie war ja auf der Flucht]
mein Duschgel, mein Waschmittel für ihre Wäsche
meine Ohren für ihre Nöte
meine Worte für ihren Trost
dazu ungefragt mein Telefon
während ich nicht zu Hause war
[ihr Handyguthaben sei aufgebraucht]
einfach so
und dann weitere Tage und Nächte
unter meinem Dach

als ich diese Sorte Medikamente in ihrem Waschbeutel entdeckte
wollte ich
dass sie geht

nach Wochen kam sie wieder
mähte meinen Rasen
um nicht allein zu sein
um das Alte zu vergessen
sagte sie
und weinte
[sie weint immer
wenn wir uns treffen
auf der Dorfstraße
oder im Supermarkt]

heute rief sie an
sie möchte mit mir spazieren gehen

ich fühle mich schlecht
 

Mistralgitter

Mitglied
ob sie nur einmal bei mir übernachten dürfe
[aus Angst vor ihrem Mann]
fragte sie
dazu morgens eine warme Dusche

ich sagte ja

dann wollte sie ein Frühstück haben
später überrraschenderweise ein Mittagessen

ich kochte mit dem, was zufällig noch da war

sie hatte guten Appetit
abends
brauchte sie wieder ein Bett
ungeplant
und frisches Brot

das alte aß ich

und Tee und Schinken
wünschte sie
auch Äpfel, Orangen, Schokolade

zufällig war alles vorrätig

sie nahm es
umsonst
selbstverständlich
[sie war ja auf der Flucht]
mein Duschgel, mein Waschmittel für ihre Wäsche
meine Ohren für ihre Nöte
meine Worte für ihren Trost
dazu ungefragt mein Telefon
während ich nicht zu Hause war
[ihr Handyguthaben sei aufgebraucht]
einfach so
und dann weitere Tage und Nächte
unter meinem Dach

als ich diese Sorte Medikamente in ihrem Waschbeutel entdeckte
wollte ich
dass sie geht

nach Wochen kam sie wieder
mähte meinen Rasen
um nicht allein zu sein
um das Alte zu vergessen
sagte sie
und weinte
[sie weint immer
wenn wir uns treffen
auf der Dorfstraße
oder im Supermarkt]

heute rief sie an
sie möchte mit mir spazieren gehen

ich fühle mich schlecht
 

Mistralgitter

Mitglied
ob sie nur einmal bei mir übernachten dürfe
[aus Angst vor ihrem Mann]
fragte sie
dazu morgens eine warme Dusche

ich sagte ja

dann wollte sie ein Frühstück haben
später überrraschenderweise ein Mittagessen

ich kochte mit dem, was zufällig noch da war

sie hatte guten Appetit
abends
brauchte sie wieder ein Bett
ungeplant
und frisches Brot

das alte aß ich

und Tee und Schinken
wünschte sie
auch Äpfel, Orangen, Schokolade

sie nahm es
umsonst
selbstverständlich
[sie war ja auf der Flucht]
mein Duschgel, mein Waschmittel für ihre Wäsche
meine Ohren für ihre Nöte
meine Worte für ihren Trost
dazu ungefragt mein Telefon
während ich nicht zu Hause war
[ihr Handyguthaben sei aufgebraucht]
einfach so
und dann weitere Tage und Nächte
unter meinem Dach

als ich diese Sorte Medikamente in ihrem Waschbeutel entdeckte
wollte ich
dass sie geht

nach Wochen kam sie wieder
mähte meinen Rasen
um nicht allein zu sein
um das Alte zu vergessen
sagte sie
und weinte
[sie weint immer
wenn wir uns treffen
auf der Dorfstraße
oder im Supermarkt]

heute rief sie an
sie möchte mit mir spazieren gehen

ich fühle mich schlecht
 
E

eisblume

Gast
Hallo Mistralgitter,

ich mag diesen Text, auch wenn mich die äußere Form als solches nicht so recht anspricht (aber das ist jetzt kein Argument :) )
Ein paar Füllwörter könntest du noch streichen. Auch die Dorfstraße und den Supermarkt (finde es unerheblich, wo sie sich treffen)sowie das Rasen mähen.

Und braucht es wirklich den Spürsinn des Lesers, was die Medikamente betrifft? Ich finde die Formulierung "diese Sorte Medikamente" recht schwerfällig. Ich meine, dass du hier nichts verschleiern müsstest und durchaus einen konkreten Medikamentennamen angeben könntest.


ob sie [strike]nur einmal[/strike] [blue]heute[/blue] bei mir übernachten dürfe
[aus Angst vor ihrem Mann]
fragte sie
dazu morgens eine warme Dusche

ich sagte ja

dann wollte sie ein Frühstück haben
später [strike]überrraschenderweise[/strike] ein Mittagessen

ich kochte mit dem, was [strike]zufällig[/strike] noch da war

sie hatte guten Appetit
abends
brauchte sie wieder ein Bett
ungeplant
und frisches Brot

das alte aß ich

und Tee und Schinken
wünschte sie
auch Äpfel, Orangen, Schokolade

sie nahm es
[strike]umsonst[/strike]
selbstverständlich
[sie war ja auf der Flucht]
mein Duschgel, mein Waschmittel für ihre Wäsche
meine Ohren für ihre Nöte
meine Worte für ihren Trost
dazu ungefragt mein Telefon
während ich nicht zu Hause war
[ihr Handyguthaben sei aufgebraucht]
[strike]einfach so[/strike]
[strike]und [/strike]dann weitere Tage und Nächte
unter meinem Dach

als ich diese Sorte Medikamente in ihrem Waschbeutel entdeckte
wollte ich
dass sie geht

nach Wochen kam sie wieder
[strike]mähte meinen Rasen[/strike]
um nicht allein zu sein
um das Alte zu vergessen
sagte sie
und weinte
[sie weint immer
wenn wir uns treffen
[strike]auf der Dorfstraße
oder im Supermarkt[/strike]]

heute rief sie an
sie möchte mit mir spazieren gehen

ich fühle mich schlecht
hrzlichst
eisblume
 

Mistralgitter

Mitglied
Hallo eisblume,

erst einmal Danke für den ausführlichen Kommentar und die Korrekturvorschläge.

Ich hab natürlich gerne gelesen, dass du den Text magst.

Die äußere Form gefällt dir nicht - hast du einen Vorschlag? Fortlaufender Fließtext? Ich habe der Übersichtlichkeit halber diese Form gewählt.

Was du streichen möchtest, sind teilweise keine Füllwörter im engeren Sinn.
Ich versuche ja dieser Hilfe suchenden Person ein Gesicht zu geben, ihr Verhalten so zu beschreiben, dass man sich ein Bild von ihr machen kann, sodass man die vielleicht zunehmende Distanziertheit des Ich-Erzählers verstehen kann. Und das Dilemma, in dem er sich befindet. Da haben auch Ausdrücke wie "nur einmal", "zufällig" ... "umsonst" oder "einfach so" ihren Sinn.

Das Rasenmähen und auch das Weinen in aller Öffentlichkeit sind entscheidende Hinweise auf den Zustand der Person, auf die ich meiner Meinung nach nicht verzichten kann.

Die Medikamentensorte möchte ich nicht erwähnen, habe aber für diese Stelle bisher keine gute Lösung gefunden. Da gebe ich dir Recht, dass mein bisheriger Versuch (sowie die vorausgehenden Versuche) nichts taugt (taugen).

Es ist auch dies ein work in progress - wie alle meine Texte - man wird sehen. Für Hinweise auf Schwachstellen bin ich natürlich immer dankbar.

Viele Grüße
Mistralgitter
 



 
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