Mit der Grillzange auf Merkur.

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pleistoneun

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Das einzige, was dieser Planet nicht hatte, war ein ordentlicher Supermarkt, wo man Briketts, Blutwurst und all das Zeug zum Grillen kaufen konnte. Zudem war hier das Grillen wegen akuter Brandgefahr sowieso gänzlich verboten worden und auch die vom Arzt verschriebene Diät hätte ein solches kulinarisches Desaster nicht vorgesehen; ich war nämlich auf Kur, auf viel mehr Kur (Merkur) als zuhause.

Für mehr Kur wurde ich also auf den Merkur geschickt, damit sich durch die große Sonnennähe die Fettreserven schneller verbrennen ließen. Und in der Tat passierte das hier auch: man konnte dem Verbrennungsvorgang beinah zusehen, wie sie dahinschmolzen die Kalorien, das Schmalz, der Speck, die Fettigkeit. Das Aufsteigen der Hitze verursachte dieses wohlbekannte Flimmern in der Luft und so entstand ein überaus zittriges Bild der Umgebung, in der ich mich seit geraumer Zeit schon aufhielt. Dieses Luftflimmern verursachte bei vielen Übelkeit, die aber beim Ausbruch ihrerselbst durch die starke Hitze nur dampfend den Mund verließ. Ich war also umgeben von flackernden Menschenbilder, denen Rauch aus dem Mund stieg. Abends, wenn die Hitze allmählich nachließ, sah man deutlich die Spuren der Hitzekur. Ausgedörrte Kurgäste saßen im Speisesaal des Hotels und stocherten in ihrem trockenen Essen, das sofort bröselte und radioaktiv zerfiel. Obwohl man sich besondere Mühe gab, staubte es beim Essen und man kontaminierte seine Nachbarn. Als Nachtisch gab´s immer feinen Sandkuchen.

Ich erinnere mich, dass ich mich gedanklich von diesem Horrorszenario erhob und wieder von diesem paradiesischen Supermarkt träumte, mit den Briketts, der saftigen Blutwurst und all dem Zeug zum Grillen, als der Notarzt bei mir zuhause im Garten eintraf. Eine Art Bewusstlosigkeit hatte mich zu Sturz gebracht und als Liegender war ich ein willfähriges Opfer für den gierigen Magenabsaugschlauch des Arztes, den er mir tief in ebensolchen schob. Während die Blutwurst am Grill verbrutzelte und die Fleischzange in meiner rechten Hand rhythmisch zum Würge- und Brechtakt zuckte, wusste ich noch nicht, dass ich einem der häufigsten Unfälle des Freilandgrillens zum Opfer gefallen bin: einem akuten Bierrausch vom Fleischaufguss. Mein Magen hatte viel zu erzählen an diesem schönen Sommertag auf dieser schönen Sommerwiese.
 



 
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