Moabiter Straßenszene

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Berlin-Moabit, Turmstraße, nahe der Erstaufnahme für Flüchtlinge. Durch ihren Eingang ein ständiges Kommen und Gehen. Im Park schräg gegenüber campieren obdachlose Migranten. Andere lagern auf dem Gehweg vor der Behörde. In manchen Hauseingängen finden sich die Reste provisorischer Nachtunterkünfte.

Ich stehe an einer Haltestelle ganz in der Nähe. Wann kommt der Bus 101? Er ist verspätet, steht auf dem Display. Da schrecke ich auf - dicht neben mir ein Gebrüll in einer fremden Sprache. Ich wende mich um und sehe: Einer will einem anderen entkommen, der die Verfolgung sofort aufnimmt. Der Jüngere ist ein Mann Anfang zwanzig. Er hat sich von einem um die vierzig losgerissen und rennt auf die mehrspurige Fahrbahn. Autos bremsen abrupt. Der Ältere läuft hinterher, mitten in den dichten Verkehr hinein. Die beiden kreuzen den Wagenstrom diagonal – und als der Jüngere den Mittelstreifen fast erreicht hat, schlägt er einen Haken. Er sprintet auf unsere Straßenseite zurück. Auch sein Verfolger ändert die Richtung. Etwas stromab von mir verschwinden beide für immer im Gewühl der Passanten.

Manche haben kurz aufgeblickt, vielleicht eine halbe Minute gebannt den Einsatz zweier Leben beobachtet. Es scheint um sehr viel gegangen zu sein. Dann ist es schon wieder vorbei. Nur zwei von einer Million …
 
D

Dominik Klama

Gast
Skandalös!
Solche Menschen müssen laufen und wir sitzen immer noch einfach so hinter unseren Tastaturen, wie wenn nichts wäre!
 
S

steky

Gast
In meiner Wohngegend wurde vor wenigen Tagen ein Inländer von Kugeln durchsiebt, weil er ein linkes Ding gedreht hat. Das fällt mir ein, wenn ich diese Geschichte lese.

Jeder trägt die Verantwortung für sein Handeln.

Natürlich ist das nicht so interessant, wie ein Streit unter Flüchtlingen.

Zusammenfassend: "The motherfuckin World is a Ghetto!"


Vergnügt
Steky
 
Danke, steky, für deine Assoziation. Das hier Beobachtete ordnet sich allerdings ein in die von mir in Abschnitt eins angedeutete Umgebung. Insofern ist es nicht zufällig, sondern symptomatisch.

Die Zustände vor dem Lageso und auf dessen Gelände selbst erzeugten seit August einen unerträglichen Druck auf die Wartenden und führten zum Beispiel zum Verkauf von günstigeren Wartenummern durch Wachpersonal und zum häufigen Überrennen von Absperrungen durch Gruppen junger Männer (zu Lasten anderer Wartender).

Zu relativieren, indem man auf gewalttätige Aktionen anderer Menschen an anderen Orten hinweist, wird der konkreten Situation nicht gerecht.

Arno Abendschön
 



 
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