Mondlicht oder so (mit Fortsetzung)

Anna

Mitglied
Ich lieg im Bett, der Mond scheint hell. Zu hell. Ich kann nicht schlafen, das Mondlicht malt Kringel an die Wand, die Blätter des Baumes vor dem Fenster bewegen sich, die Kringel werden unruhig. Der Regen rauscht. Er singt mir ein Gute-Nacht-Lied. Auf dass ich trotz des hellen weissen Lichts einschlafen mag. Das funktioniert aber nicht. Ich geb das Einschlafen auf und öffne das Fenster, setze mich auf die Fensterbank. Auf dem Dach des Nachbarhauses glänzen die Ziegel die Ziegel vor Nässe, für einen kurzen Augenblick fährt mir die idiotische Idee durch den Kopf, es hätte Schnee. Unsinn, mitten im Sommer, der sich aber nicht anmerken lässt, dass er tatsächlich der Sommer ist. Er tarnt sich als ein Gemisch aus April (der ja bekanntlich macht, was er will) und grauem Herbst. Er bringt es soweit, dass ich an der Glaubwürdigkeit meines Kalenders zweifle. Der sagt nämlich, es sei Ende Juni, also mitten im Sommer. Eigentlich. Aber das scheint dem Sommer nicht zu Ohren gekommen zu sein.
Eine Weile sitze ich nur so da. Ich sitz unnütz auf der Fensterbank und glotze blöd auf die Matschwiese, auf die glänzenden Dächer und die ein bisschen weniger glänzende Strasse. Mir läuft ein Lied nach. ‚Make a song and make it better...
Live your life and live it better‘ kommt mir in den Sinn, und das kann es ja nicht wirklich sein, das Leben, hier auf der Fensterbank. Man muss es doch besser machen können als alle die schlaflose Nächte vor dem Fenster oder in schlimmeren Fällen vor der Glotze verbringen. Mann muss es doch besser machen können als ich es gerade tue. Wenn ich schon blöd herumglotze, könnte ich das auch draussen tun. Dann friere ich ein bisschen und merke dass ich am Leben bin, dann ist der Spruch, der an meiner Zimmertüre potentielle Besucher empfängt und :„Ich lebe!“ heisst, wieder am richtigen Platz, nämlich an der Türe einer jungen Frau, die glaubt am Leben zu sein. Die, wenn sie in den Spiegel schaut, eine nicht allzu hübsche und nicht allzu hässliche Gestalt sieht. Hübsch wird sie ab und zu genannt, an Familienfesten zum Beispiel. Oder von Bekannten ihrer Eltern. Das ist ihr dann peinlich. Vor allem wenn sie es von der Grossmutter hört. Da kann sie immer ein kleines Fünkchen Neid heraushören. Sie ist sich aber nicht sicher, ob sie wirklich so aussieht wie das Wesen, das ihr jeweils aus dem Spiegel entgegen blickt. Vielleicht ist ihre Haut ja grau und so dünn, das man darunter die Knochen sehen kann. Einen Totenschädel müsste sie vielleicht im Spiegel sehen. Oder einen fetten, aufgeblasenen Ballon mit Glubschaugen und einem riesigen Mund. Sie ist jedenfalls froh, dass sie keine so furchterregende Fratze sieht, auch wenn das was sie sieht vielleicht nicht die Wahrheit ist.
Während diesen Gedanken zieh ich mir was anderes an. Kurze Hosen und Pulli, ich will ja nicht zu warm haben.
Schön ist es draussen, schön kühl. Die Härchen an den Beinen und Armen stellen sich auf, ich bekommen Gänsehaut. Das wär ich jetzt gern, eine Gans oder noch lieber ein Adler, ganz weit weg in den Bergen, dort würde ich meine Runden fliegen und wäre zufrieden. Ist aber nicht, ich bin ein Mensch und friere. Schuhe trage ich nicht, der Asphalt ist kühl. Silbriges Mondlicht glänzt auf der nassen Strasse und den Dächern, immer noch. Es regnet ganz fein. Die Muskeln über meinen Rippen beginnen zu schmerzen vom schnellen Zittern. So. Ich, ein kleines blödes Menschlein, sitze auf einer Sitzbank wenig von meinem Haus entfernt auf dem höchsten Punkt des Hügels und schaue in den Himmel. Die Sterne, gibt’s die noch? Hey, Sterne, wo seid ihr denn? Schon lange nicht mehr gesehen, Mond! Lass die Sterne von mir grüssen! Was, sie warten auf mich? Noch immer? Mann, sind die geduldig...Wie kann ich denn zu ihnen finden wenn ich immer nur Wolken sehe? Sag ihnen, ich komme wenn das Wetter bessert.
Ich klettere auf den Baum vor dem Schulhaus der Primarschule, rutsche ein paar Mal ab und schürfe mir Arme und Beine auf. Ach Baum. Ich war schon lange nicht mehr hier. Was, schon vier Jahre?! Das tut mir Leid. Aber weisst Du, Baum, ich gehe seit vier Jahren nicht mehr hier zur Schule. Ja, ich weiss, ich hab nur zwei Minuten bis hierhin. Du hast Recht. Ich bin ein fauler Sack. Schön dass Du noch stehst! Wie alt bist Du eigentlich? Siebzig Jahre...Schön. Gefällt Dir das Leben hier oben? Ja, stimmt, von hier oben kriegst Du alles mit. Das Städtchen hat sich sehr verändert. Baum, Linde, grosse Linde, möchtest Du Dich manchmal nicht bewegen können? Die kletternden Kinder abschütteln? Ihnen den Mund zuhalten, die Beine festhalten, mit denen sie Dich treten? – Hey, kleines Mädchen, diese Fragen...Doch das möchte ich manchmal. Ich weiss nicht wieso sie mich treten. Aber die Vögel in meinem Haupte möchte ich festhalten, sie fliegen immer wieder weg. Zum Glück kommen sie wieder. Weisst Du noch, der Kirschkernbeisser, der vor fünf Jahren an das Fenster Eures Schulzimmer flog? –Ja. Macht mich noch immer traurig... – ich wollte ihn festhalten, ihm sagen, dass er sich nie mehr auf mich setzen wird, wenn er jetzt fliegt...Ich konnte nicht. Nicht halten noch sprechen. Bleibst Du noch ein Weilchen, kleines Mädchen? Bis die Nacht zu Ende geht und wir uns nicht mehr verstehen, bis der Morgen uns weckt und der Zauber des Mondes verschwindet? – Ja, grosser weiser Baum. Ob es wohl jemand merken würde, wenn ich für immer bliebe? Wahrscheinlich schon, und wenn ich dann nicht runter will, rufen sie das Irrenhaus an, sägen Dich um und bringen mich hin. Nein, nicht für immer. Aber für diese Nacht bleib ich gerne und ich komme gerne wieder. Kannst Du weinen, Baum? Weise alte Linde? – Ja, weisst Du, wenn es windet, dann weine ich. Oder auch wenn sich meine Blätter wie von selbst bewegen und rauschen und die Menschen sagen: „dort oben windet’s hier unten nicht.“ , dann weine ich auch, weine ganz still vor mich hin und hoffe das bald jemand kommt und mit mir spricht. Du bist die erste die das gehört hat. Danke, kleines Mädchen! –Singst Du mir ein Gute-Nacht-Lied, grosser Baum? –Ja, liebes kleines Mädchen, aber ganz leise, damit die Vögel nicht aufwachen.
Am Morgen erwache ich dann, früh noch, als die Vögel zu pfeiffen beginnen, erst halb sechs Uhr ist es, aber der Mond weicht der Sonne schon, silbriges Licht wird rotgolden und kündet einen neuen Regentag an. Die Weise alte Linde singt nicht mehr, flüstert nur noch: -komm wieder, kleines Mädchen, und machs gut, tanze und fliege durch’s Leben und sei fröhlich, renne ein wenig für mich und vor allem, wie schon gesagt: komm wieder, in einer Nacht wie dieser und rede mit mir, ich erzähl Dir dann die Geschichten der Vögel weiter... –Ja, weise Linde, ich komm gern wieder. Bis dann.
 

Ole

Mitglied
Hallo AnnA,

diese Fortsetzung ist Dir gelungen!
Wenn Du auch etwas geizig warst.
Geizig, weil hier und da, mal ein Buchstabe,
oder gar ein ganzes Wort fehlt.
Ansonsten gefiel mir dieser nächtliche Ausflug sehr gut.
Da kann ich mich dem Baum nur anschliessen:
"tanze und fliege durchs Leben"..
Vor allem aber: sei fröhlich, wenn es auch nicht immer leicht fällt.

Liebe Grüße aus der Großstadt
Ole.
 

Anna

Mitglied
Danke, ole!!

Ursprünglich veröffentlicht von Ole

>diese Fortsetzung ist Dir gelungen!
Wenn Du auch etwas geizig warst.
Geizig, weil hier und da, mal ein Buchstabe,
oder gar ein ganzes Wort fehlt.<

also, die Buchstaben habe ich z.T absichtlich weggelassen, passt vielleicht nicht immer, ich hab mir das irgendwie angewöhnt (siehst Du, schon wieder...;))...

Wörter fehlen auch? Wo denn? Ich denke, ich sollte mir mal eine neue Brille kaufen, die mir fehlende Wörter gleich meldet...oder das kaputte Word-Programm, wo die Rechtschreibung, bzw das automatische Korrekturprogramm nicht mehr funktioniert, endlich neu installieren...


>Da kann ich mich dem Baum nur anschliessen: "tanze und fliege durchs Leben"..
Vor allem aber: sei fröhlich, wenn es auch nicht immer leicht fällt.<

im Moment fällt's mir eher schwer, aber ich geb mir Mühe!

liebe Grüsse aus der Kleinstadt ;)

Anna
 
S

Sansibar

Gast
Mond

Hallo Anna,
was ist das nur für ein Mond? Du beschreibst das es regnet, es ist hell. Es ist offensichtlich zu hell für die Nacht. Wo hast du das beobachtet?
Wenn es hier regnet, nachts, dann ist es dunkel und ich habe dann noch niiiie einen Mond gesehen, weil die Wolken ihn verdunkeln.
Gruß aus Sansibar von Sansibar

oder ist die Straßenlaterne dabei?
saS
 

Anna

Mitglied
Re: Mond

Hallo Sansibar

>was ist das nur für ein Mond? Du beschreibst das es regnet, es ist hell. Es ist offensichtlich zu hell für die Nacht. Wo hast du das beobachtet?<

Das ist eine gute Frage, wenn ich's mir genau überlege... beobachtet hab ich das Ganze in der Schweiz, vor meinem Zimmerfenster und ich denke, der Mond war in einer Wolkenlücke Richtung Nordosten, von dort aus scheint er um Mitternacht herum in mein Zimmer... (ich habe wenigstens versucht, das zu erklären...;))

Gruss,
Anna
 



 
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