Mondriesel

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Petra

Mitglied
Mondriesel

An einem der Mondhörner, am unteren, wenn man es genau betrachtet, war eine Schaukel angebracht, nicht allzu groß, auch nicht sehr tief reichte sie, aber ein geübter Seher konnte sie mit bloßem Auge erkennen vom Erdplaneten aus, sofern er sich einige Mühe gab. Er musste sich allerdings schon sehr anstrengen, vielleicht auch den Hals ein wenig in Richtung der Sterne recken. Glücklich, wer ein Fernglas besaß!
Auf diese Schaukel nun also sprang mit einigem Anlauf der Mondmann hinunter in der Hoffnung, diese nicht zu verfehlen, und begann umgehend, nachdem ihm dies geglückt war, voll Freude und sehr kraftvoll zu schaukeln. Hin und wider. Vor und zurück. Immerfort.
Doch irgendwie verhielt es sich eigentümlich mit dieser doch recht ungewöhnlich anmutenden Schaukel, denn mit jedem neuerlichen Schwung verlängerte sich nicht nur die von ihr zurückgelegte Bahn; es verlängerten sich jedesmal auch um ein Weniges zu beiden Seiten die geflochtenen Hanfseile, mittels derer die Schaukel an den Hörnern des über ihr holdselig lächelnden Mondes befestigt war. Und so sank der Mondmann denn schaukelnder Weise tief und tiefer mit jedem neu geholten Schwung hinab gen Erde. Immer mehr näherte er sich, immer genauer vermochte man ihn zu erkennen, und bei jedem Her, aber ebenso bei jedem Hin, rieselte es herab von beiden Seiten der Mondenschaukel, ein Staub wie von Diamanten und Silber, hauchfein, millionenfach, weithin vom Lichte des Mondes beschienen; langsam und in immer weitreichender schwingenden Viertelkreisen sank er, der Mondriesel, herab. Er tanzte förmlich, es drehte und wirbelte sich unaufhörlich um einander und sich selbst und verteilte sich in die Finsternis der Nacht, zwischen die Sterne und legte sich nieder. Und immer mehr davon folgte nach, nichts vermochte es aufhalten - es sei denn, der Mondmann hielte nun inne mit seiner Schaukel, aber er dachte nicht im mindesten daran.
Auch die Träume, die der Mondriesel in zarten Schweifen nach sich zog, sanken behutsam nieder und legten sich letztlich, hauchzart, samtweich, auf die Herzen der Welt und woben sie ein; sie durchdrangen - gemeinsam mit Wohlgefallen und Ruhe - die Seelen der Schlafenden, sie drangen bis tief hinein ins Innerste, Unerforschliche und erzeugten, während die Müden fortfuhren zu schlummern, Wohlgefühl und Geborgenheit.
 



 
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