Morgen suche ich Blau

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ENachtigall

Mitglied
MORGEN SUCHE ICH BLAU

überall stellen sich mir diese
[ 4][ 4][ 4][ 4][ 4][ 4][ 4][ 4]Häuser
in den Weg gähnen unverhohlen
ihren verwohnten Atem in meinen
Dunstkreis drehen schüsselige
Ohren in die nachdenkliche
Landschaft rauchen ihren
schlechten Stoff in den
rauhreifen Morgen
kaum dass sie ihre
[ 4][ 4][ 4][ 4][ 4]Türen
zum ersten schiefen
Lächeln verziehen
[ 4][ 4][ 4][ 4]Klinken
halten sie mir auch
schon lange keine
mehr hin Die haben
sie sicherheitshalber
nach innen gezogen
damit ich nicht zugreife
wenn ich sie auf den
[ 4][ 4][ 4][ 4]Treppen
wenigsten überqueren
statt mich verschlucken
lassen will - oder zum
Durchgehen; wofür
haben sie schließlich
einen Hinterausgang
Nicht mal an ihre
[ 4][ 4][ 4]Mauern
darf ich mich
schmiegen
ohne dass sie
sich belästigt
fühlen von meinen
Spuren Anders als die
freundlichen Bäume mit
dem offenen Geäst
Wohin mögen sie die
sanften Hügel verbannt
haben Nicht einmal mehr
Katzen gehen samtpfotig
auf diesen kantigen
[ 4][ 4][ 4][ 4]Dächern
spazieren Mein Blick
haftet an vergitterten
[ 4][ 4][ 4][ 4][ 4]Löchern
in der harten Schale
die meine Schritte
verhallt So klein ist
der Himmel geworden
und sein Blau längst
ausgewandert Selbst
sein Fuß berührt hier
die Erde nicht mehr denn
Gehen ist etwas Anderes
als dieses Trotten auf
[ 4][ 4][ 4][ 4][ 4]Steigen
dass mich niederschlägt
wenn ich nach etwas
Leben in den Augen
suche die mal als
[ 4][ 4][ 4][ 4]Fenster
geplant waren
finde ich nur
Heimweh
nach
Blau

© Elke Nachtigall
3. September 2006
 
M

Melusine

Gast
Schön! Gefällt mir sehr gut - sowohl der Inhalt als auch die Form. Gibt einem beim Lesen das Gefühl, selber an einer undurchdringlichen Häuserzeile entlang zu gehen, die einem Weg und Blick versperrt. Auch die Eigensinnigkeit des LyrI spiegelt sich gut in der eigenwilligen Form.

LG Mel

P.S.: Vielleicht braucht Walther noch einen Text für seine Stadtantho ...?
 
N

nachtlichter

Gast
Häuserzeilen,

die abweisen und gleichzeitig so treffend Bilder und Gefühle schildern. Einladendes Blau ist inmitten einer großen grauen Stadt in einer Straße mit Häusern ohne Seele (70er Jahre-Betonverhaue) selten zu finden.
Ich liebe die 100 Jahre alten Häuser in meiner Nähe, die mir Geschichten erzählen, wenn ich an ihnen vorbeigehe, deren verspielte Türmchen große Fenster haben, die das Blau des Himmels spiegeln.

Deine Häuser-Zeilen drücken unerhört gut das anonyme, abstoßende, verschlossene Grau kalter Straßenzüge aus.

Ich wünsche Dir einen blauen Sonntag,

liebe Grüße

nachtlichter
 

ENachtigall

Mitglied
Liebe Mel,

ich hatte tatsächlich Gedichte für die Stadtantho eingereicht, aus meinem vorhandenen Fundus, und kramte in meinen Schwarzweißfotos (die man dazu beisteuern kann) nach relevanten Motiven. So kam ich drauf, dass die eingereichten Texte nur unmittelbar mit dem Thema zu tun haben, und hatte Lust, was Konkretes dazu zu schreiben; ganz abgesehen davon ob dort noch Bedarf an mehr Lyrik besteht oder nicht. Jedenfalls war es klasse, es zu schreiben und daran zu feilen. Die Form hat mir zeitlich doch Einiges abverlangt. Schade, dass man es nicht quer einstellen kann. Danke für Deine lobende Kritik.

Herzliche Grüße

Elke
 
M

Melusine

Gast
"Schade, dass man es nicht quer einstellen kann."
Das dachte ich mir auch schon, liebe Elke - hab schon einen steifen Hals vom Kopf schief legen :).
LG Mel
 

ENachtigall

Mitglied
Liebe nachtlichter,

tatsächlich wohne ich in einer bunt gemischten Gegend mit einer Ghettosiedlung, alten Zechenhäusern und gemütlichen winzigen Reihenhäusern mit verhältnismäßig großen Gärten. Eine Zeit verbrachte ich bei meinen Großeltern in Calgary/Kanada wo die City gigantische Wolkenkratzer hat und ich erkundete die Stadt kreuz und quer mit dem Fahrrad. Da fühlt man sich manchmal wirklich wie eingesperrt, weil man sich dieser Architektur kompromisslos unterordnen muss. Einmal wohnte ich in einem Haus und das Fenster meines Zimmers zeigte nur eine graue Wand vom Nachbarhaus etwa zwei Meter Abstand dazwischen. Da bekommt man fast eine Ahnung von Dunkelhaft.
Gleichzeitig kenne ich auch - zum Glück - das einladende Wesen der Häuser. Bei uns im RH ist es so, dass wenigstens eine der Türen meistens offen steht, sehr zur Freude der Katzen, Kinder, Fliegen, Grashüpfer, selbst Eidechsen haben sich schon hineinverlaufen, Kaninchen im Keller gesessen (von der Katze eingeschleppt).

Das Gedicht ist auch ein wenig beeinflußt von der Lyrik Laurie Andersons, an die ich unweigerlich denke, im Zusammenhang mit dem Thema Stadt:

"...
You're walking. And you don't always realize it,
but you're always falling.
With each step you fall forward slightly.
And then catch yourself from falling.
Over and over, you're falling.
And then catching yourself from falling.
And this is how you can be walking and falling
at the same time.

Laurie Anderson
Album: Big Science"


Liebe Grüße

Elke
 
S

Saurau

Gast
auch von mir die besten glückwünsche,
liebe Elke!

mehr fällt mir nicht ein - es wurde alles gesagt.


lg daniel
 
S

Sandra

Gast
Liebe Elke,

beim Lesen ertappte ich mich dabei, dass mir der Text etwas langatmig vorkam. Das Warum der Einschübe leuchtet mir nicht ganz ein. Ein Bild hat mir jedoch sehr gut gefallen:

So klein ist
der Himmel geworden
und sein Blau längst
ausgewandert Selbst
sein Fuß berührt hier
die Erde nicht mehr denn


LG
Sandra
 

ENachtigall

Mitglied
Danke Saurau und Sandra,

für Euer Lesen und Kommentieren.

Das Warum der Einschübe: einfach um die verschiedenen stadttypischen Bauelemente kantiger wirken zu lassen.
Dass es Dir etwas langatmig erscheint, Sandra, ist eine ehrliche Kritik. Vielleicht findest Du beim Lesen eine Abkürzung :) Verrate sie mir ruhig...

Liebe Grüße

Elke
 



 
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