Morgentau

Sriver

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Morgentau

In der Dämmerung des neuen Tages begegnen wir uns.
Die Weite des Horizonts ahnend und doch so vorsichtig.
Spinnweben, zauberhafte Geflechte feinster Natur, umgarnen unsere Sinne.
Ich strecke meine Hand nach Dir aus, hinein in die Dunkelheit des Ungewissen.
Fäden der Vergangenheit.
Bleierne Vorhänge.

Mein Herz schlägt ruhig und meine Augen suchen die Deinen.
Ruhigen Schrittes gehen wir schweigsam und bedächtig.
Zauber der Zärtlichkeit streichelt unsere Angst.
Was hält uns zurück? Wir berauben uns selbst. Kostbares Leben, so viele Male vertan.
Verbotene Gesänge, verbotene Freuden, verbotene Sinnlichkeit.
Wer ist dieser strenge Richter, der uns verbietet und bestraft,
das wir nicht wagen, die Tore des Kerkers aufzuschließen.

Überdrüssig der Zweifel, pfeife ich eine Melodie, die sich wie ein Schmetterling auf Deiner wunden Seele niederläßt. Du grinst mich an und zum ersten Mal sehe ich für einen kurzen Moment ein Aufhellen in Deinem Blick. Welche Anmut. Trauer und Schönheit zugleich.
Ich atme tief und schaue in mich hinein. Ein süßer Schmerz berührt meine Kehle und deutet mir an, zu schweigen. Ich folge der Weisheit meines Körpers und fühle zugleich, wie irritiert ich bin. Ich wage nicht zu Dir aufzuschauen.

Und wie die Dämmerung des neuen Tages die Dunkelheit vertreibt, so zärtlich spüre ich plötzlich Deine Lippen. Mein Kopf von der Last meiner Gedanken befreit, endlich umarmt.
Unsere Zungen spielen miteinander, wie zwei aufgeregte Kinder.
Mal betörend, mal herausfordernd, mal umschlungen, mal verträumt.
Ich taste nach den Knöpfen Deiner Bluse, die mir so kostbar wie Perlen geworden sind.
Meine Augen geschlossen, fühle ich die Rundungen jeder einzelnen, bevor ich sie aus ihrem Halt befreie. Ich höre Deinen Atem, wie er schneller wird und seine Wärme meine Wangen befeuchtet. Tiefer Friede, vielleicht auch die Demut vor der Schönheit ? Ich halte inne.
 



 
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