Mozart in Perg

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huwawa

Mitglied
Dieser Text hat einen starken Lokalbezug. Vielleicht mag sich trotzdem der eine oder andere Lupianer dazu äussern. Ein paar kurze Erläuterungen halte ich aber dennoch für notwendig:

Perg: Ein Bezirksstädtchen im nördlichen Oberösterreich
Meister Pilz (Bütz): Der dortige Kulturdoyèn. Mehr als 30 Jahre waren lange Haare und Rauschebart sein Markenzeichen. Seit Herbst vorigen Jahres völlig überraschend kurz geschoren.




Mozart in Perg
Ein Besuch mit Folgen

Eines Tages trat Mozart vor Gott hin und sprach: „ Liebster Herr Vater“, denn diese Anrede war er noch von Lebzeiten her gewohnt. „Liebster Herr Vater“ also, sprach er: „Nun bin ich schon bald zweihundert und fünfzehn Jahre hier heroben. Nächstes Jahr feiert die Welt meinen zweihundertfünfzigsten Geburtstag. Lasst mich doch einmal noch die Erde besuchen, nur ein paar Tage. Ihr wisst ja, wie kurz mein irdisches Leben gewesen ist, daher hoffe ich, dass ihr meine Bitte nicht zu anmaßend findet und ihr entsprecht.“ Der Schöpfer wiegte bedächtig den Kopf. Immer wieder wurden derartige Wünsche an ihn herangetragen, doch ganz selten nur gab er sein Einverständnis. Solche Besuche aus dem Jenseits konnten auf der Erde beträchtliche Verwirrung stiften. Diesen Wolfgang Amadeus jedoch mochte er. Keiner spielte die Harfe so gut und seit er dem ehemaligen Wunderkind die Leitung des himmlischen Symphonieorchesters übertragen hatte, war dessen Qualität beträchtlich gestiegen.

„Also gut“, sprach er, „einen Tag sollst du auf der Erde verweilen dürfen, nicht länger. Folge mir!“ Der Allmächtige trat durch eine Tür, auf der in großen Lettern „Technik“ und: „Unbefugten ist der Zutritt strengstens verboten!“ stand. Staunend sah sich Mozart in dem Raum um. Überall leuchteten und blinkten Lichter und die durchsichtige Decke gab den Blick in das Weltall frei. Als Gott einen Schalter drückte, erschien auf der Wand eine riesige Landkarte, von Europa, wie Amadeus erkennen konnte. Der Herr drückte ihm einen länglichen, schwarzen Gegenstand mit mehreren Tasten in die Hand und erklärte: „Mit der Mittleren kannst du dein Ziel auswählen, mit der Wippe darunter vergrößerst du die Ansicht, auf der Erde heißt das übrigens <zoomen>. Wenn du die grüne Taste drückst, bist du augenblicklich am ausgewählten Ort, was <beamen> genannt wird. Mit der roten Taste kommst du schließlich wieder zurück, es ist ganz einfach. Du wirst auf der Erde unsichtbar sein, kannst aber das Denken und Handeln von Menschen beeinflussen, ohne dass es diesen bewusst wird. Gehe bitte sehr sorgsam mit dieser Fähigkeit um, damit du kein Unheil anrichtest.“

Mozart war beeindruckt und zugleich etwas verwirrt. Sollte er Salzburg, seine Heimatstadt, oder Wien, die Metropole wo er so große Erfolge gefeiert hatte, wählen? Unschlüssig legte er den Finger auf die Taste, drückte sie jedoch unversehens, als er sich gerade etwa in der Mitte zwischen den beiden Städten befand. Er erschrak, aber die Eingabe war nicht mehr rückgängig zu machen. Wolfgang zoomte also tiefer in die Karte hinein. Der Name einer Stadt leuchtete auf: Perg! Er kannte sie nicht, vergrößerte noch mehr und plötzlich erschien: Mozartstraße! Man hatte ihm, Wolfgang Amadeus Mozart, den Namen einer Straße gewidmet! Sicher ist es eine der größten und schönsten des Ortes, dachte der Genius und drückte die grüne Taste.

Erstaunt blickte er sich um. Er befand sich offensichtlich in einer Vorstadtstraße von Perg mit eingezäunten kleinen Gärten und Einfamilienhäusern dahinter. Aus einer Seitenstraße ertönte Kinderlärm, was Mozart auf eine Schule schließen ließ. Über die Häuser sah er unweit einen Kirchturm ragen, in dessen Richtung er seine Schritte lenkte. Im Himmel hatte er schon von den Wagen gehört, die ganz von allein, ohne Pferde, fuhren. Dennoch war er überrascht, wie viele davon herumflitzten und an den Fahrbahnrändern standen. Vorsichtig überquerte er die nächste Straße und erblickte dann halbrechts ein gelb- rotes Gebäude mit großen Glasflächen und Lebensmitteln dahinter. Es war offensichtlich ein Obst- und Gemüsegeschäft, eine Bäckerei, ein Bierdepot und eine Fleischhauerei in einem. Ein paar Schritte weiter öffnete sich ein kleines Plätzchen, das von einem Gebäude mit drei riesengroßen Toren begrenzt wurde. Seitlich ragte ein kleines Türmchen auf, das Wolfgangs Interesse weckte. Als er näher trat, vernahm er plötzlich, ja, er täuschte sich nicht - ein Klavier. Schnell trat er durch die geschlossene Glastür ein, was ihm, als Geist gewissermaßen, ohne weiteres möglich war. Er lauschte, woher die Töne kamen und gewahrte in einer Ecke des Raumes einen ganz in schwarz gekleideten Mann, vielleicht gut sechzig Jahre alt, mit langen, weißen Haaren und einem ebensolchen Rauschebart. Die Töne, die der Spieler seinem Klavier im Schein einer Lampe entlockte, kamen Mozart sehr bekannt, ja, vertraut vor. Das war doch, ganz ohne Zweifel sein „Türkischer Marsch“! Sehr eigenwillig interpretiert zwar, in einem Stil, wie er ihn noch nie gehört hatte, aber dennoch unverkennbar! (Jazz war zu seinen Lebzeiten ja noch unbekannt). Der Mann war ein ganz leidlicher Spieler, stellte er fest, aber durfte er das, SEINE Komposition so verändern? Einen kleinen Denkzettel, dachte er schelmisch, werde ich dem Alten verpassen!

Unsichtbar für das Auge und vom Geist nicht wahrgenommen, übernahm Mozart die Kontrolle über das Spiel des Meisters. Kurz wunderte der sich noch, wie innig, ja entrückt er sich an diesem Tag seinen Übungen hingzugeben vermochte, er vergaß alles um sich herum, war in einer anderen Welt. Amadeus hatte zuvor eine Schere auf einem Tisch liegen gesehen. Schnell entschlossen griff er nun nach ihr und schnitt, dabei vergnügt einige Melodien aus „Le nozze di Figaro“ summend, das weiße Haar des Mannes bis auf etwa einen Viertel Zoll Länge ab, den langen Rauschebart ebenso. Zufrieden betrachtete er sein Werk. Der radikale Haarschnitt stand dem Alten gar nicht schlecht, er wirkte jetzt jünger und irgendwie seriöser, fand er. Rasch sammelte Wolfgang Amadeus noch die weißen Haare vom Boden auf und steckte sie ein. Vielleicht konnte er sie noch brauchen.

So wie er hereingekommen war, verließ er das Gebäude dann wieder. Er wandte sich nun nach links und erreichte nach wenigen Schritten die Hauptstraße des Städtchens. Dem Himmelsurlauber wurde fast schwindlig. In den glänzenden Fassaden aus Metall und Glas spiegelte sich gleißend das Sonnenlicht und die unheimlichen, fantastisch geformten Motorwagen rasten ohne Unterbrechung hin und her. Er drückte sich in eine Tornische und beobachtete eine Weile das hektische Geschehen. Nein, das war nicht mehr die Welt, wie er sie gekannt hatte, hier wollte er keine Minute länger bleiben. Mit bebenden Fingern holte er das schwarze Kästchen aus seiner Westentasche und drückte die rote Taste.

Als Meister Bütz an diesem Abend nach Hause kam, war er der festen Überzeugung, beim Frisör gewesen zu sein und dass die drastische Kürzung der Kopfbehaarung seinem freien Willen und Entschluß entsprang. Er wirke nun jünger und irgendwie seriöser, fand er. Wolfgang Amadeus Mozart erfreut sich im Jenseits an einer prächtigen neuen, weiß gelockten Echthaarperücke.
 
H

HFleiss

Gast
Erst dachte ich, es handle sich um einen Tippfehler und müsste richtig Prag heißen. Aber nein, noch einmal hingesehen, dein Mozart hat sich tatsächlich nach Perg verirrt, weiß der Teufel, wo das in Österreich liegt und wieviel Leute dort wohnen. Die Idee ist ganz nett: Mozart sieht auf der Erde nach, was mit seiner Musik inzwischen passiert ist. Und dass der löbliche derzeitige Häuptling dabei auch noch eins abbekommt, nicht übel. Trotzdem, verarge mir das bitte nicht, ich hätt mir die Episode eine Spur charmanter, witziger gewünscht. Dir als Österreicher kann doch eine kleine Charmeoffensive nicht schwerfallen, oder?
Die Pointe ist vielleicht tatsächlich nur lokal verständlich,
zumindest kam sie nicht überraschend, zumal du im Vortext angekündigt hattest, dass der Herr jetzt seine langen Loden los ist. Ich bring auch nicht richtig zusammen, was das mit Mozart letztendlich zu tun hat. Die Marcha alla turca? Der Weißhaarige hätte genausogut Chopin spielen können, nicht wahr?

Lieben Gruß
Hanna
 

huwawa

Mitglied
Hallo Hanna

Danke für deinen Kommentar

Die Handlung hat für die LL-Leser sicher zu starken lokalen Einschlag. Ich kann den Text auch nur in Perg verwenden, dort weiß jeder, worum es geht und dort findet man ihn sicher lustig. Mehr Pepp oder meinetwegen "Aktschn" würde er aber gerade deshalb, denke ich, nicht vertragen. dass der Herr seine langen Haare los ist, musste ich hier zum besseren Verständnis der Geschichte wohl vorausschicken, in Perg brauche ich das natürlich nicht
Es ist natürlich ein Text zum Mozartjahr, deshalb nicht Chopin oder Haydn oder Liszt...

liebe Grüße
huwawa
 
H

HFleiss

Gast
Nee, nicht Pepp oder Aktschen - mehr Charme, Leichtigkeit.

Gruß
Hanna
 

huwawa

Mitglied
Tja, ich fürchte, daran fehlts bei mir halt ein bisschen.
Vielleicht kommts noch.

Danke Hanna
huwawa
 



 
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