Mundet dir schon der Totenbrei

3,90 Stern(e) 8 Bewertungen

Regenzauber

Mitglied
Mundet dir schon der Totenbrei,
den aus den himmlischen Pflanzen
stille die Lippen sich netzen.

Leiernder Weiber Geplärr
geifert und greift ins Verfallen
mit schwarzen gichtigen Krallen.

Springt in die nächtliche Kammer
Habergeiß. Hockt auf der Brust
Incubus, Incubus, Incubus!

Brauchst nicht den Stock mehr zum Schreiten.
Alter, dein Fuß wird so leicht.
Lass dich nach Hause begleiten.

Frierst nicht mehr, Bruder. Hör im Kamin
die brennenden Scheiter knistern
und tuscheln die toten Freunde.
 

pablo

Mitglied
Hallo Regenzauber,

dein Gedicht fasziniert mich. Kalte Schauer kriechen mir über den Rücken. Mann, ist das unheimlich! Ich würde dir gern 10 Punkte geben, aber bei mir ist das Bewertungs - System blockiert. Habe dies schon bei der Technik beanstandet, bisher leider ohne Erfolg.

Gruß
Pablo

P.S. Goethe hätte seine helle Freude an dir. Aber du bist besser.
 

Regenzauber

Mitglied
Danke Pablo

und weißt du, die Bewertung ist wirklich nicht wesentlich, da hierbei so etwas Ähnliches wie Freunderlwirtschaft zum Tragen kommen könnte. Mich wundert es überhaupt, dass man dieses Spiel hier noch nicht abgeschafft hat, denn kann man wirklich über ??? (ich habe Hemmungen, das Wort Kunst hier zu verwenden, da es vielleicht zu anmaßend klingt, doch wäre etwa "künstlerisches Bemühen" gerechtfertigt!) durch Notengebung etwas aussagen?

Wichtig aber ist, dass jemand von dem, was ein anderer geschaffen hat, berührt wird, selbst wenn dann zehn weitere Leser darüber lachen, denn wer wurde berührt und wer lachte?

Ich habe versucht, das Gespenstische in meinen Text hereinzuholen, und wenn ich deine Reaktion lese, so scheint mir dies nicht ganz misslungen zu sein.
 
M

Melusine

Gast
Hallo Regenzauber,
ich mag es ... irgendwie ... aber. Aber. *smile*
Kann's nicht genau festmachen, aber ich denke du könntest es irgendwie besser machen. Glaub ich wirklich. Es hat was, aber es fehlt mir auch noch was. Frag mich nicht was. Eines Tages schreibst du ein Gedicht und ich werde dir sagen: Genau. Das ist es. Und dann werde ich auch nicht sagen können was es ist.

LG Mel
 

Magic

Mitglied
Hallo Regenzauber,

Fragendes geht über Äußeres hin zur Angst, bevor es in sich ruht.
Ja, es ist gut...

Alles Liebe
Karin
 

Regenzauber

Mitglied
Genau, es ist nicht

@Mel

Ich habe mich vielleicht etwas verloren und die Bilder, wie sie sich formten, nicht einer strengen Auswahl unterzogen. So habe ich jetzt, wenn ich zu diesem Text zurückkehre, den Eindruck, dass S. 1, 3 und 5 sich enger fügen als S. 2 und 4. Doch war ich unter dem Einfluss des Albs, der Habergeiß!

Bevor ich mit einem etwaigen Basteln beginne, lass ich den Text lieber einige Zeit gären – falls sich da noch etwas Unvergorenes darin verbirgt. Danke dir für deine Bereitschaft zum „genau“, das ich mir aber kaum je verdienen werde (morgendlicher Pessimismus!)
 
M

Melusine

Gast
Nein, die Bilder sind es nicht... die finde ich sehr gelungen. Ich glaube, es liegt an der Form. In freierer Form kämen mir deine sprachlichen Bilder so wie sie sind perfekt vor. Was mir abgeht ist vielleicht der letzte Feinschliff an sprachlicher Präzision.

Ein paar Details:

Die erste Zeile finde ich genial. Danach fällt die erste Strophe sprachlich etwas ab, wie ich finde. Die dritte Zeile ("stille die Lippen sich netzen") wirkt auf mich ein wenig gestelzt. (Aber das ist klarerweise Geschmackssache.) Jedenfalls würde ich, da du Interpunktion verwendest, hier ein Fragezeichen setzen.

Die zweite Strophe gefällt mir ganz ausgezeichnet. Ich kann die leiernden Weiber (bei der Totenklage?) förmlich hören und ihre gichtigen Krallen sehen. Gefällt mir auch, wie du mit dem Klang der Worte arbeitest.

Die dritte Strophe kam mir erst zu abgehackt vor - aber näher besehen passt das ja genau zum Inhalt.

Alles in allem störte mich wohl der Wechsel unterschiedlicher Sprachebenen (konkret: zwischen Alltagssprache und abgehobener "Dichtersprache"). Doch je öfter ich dein Gedicht lese, desto besser gefällt es mir. Du hast die Stimmung großartig eingefangen. Vielleicht war da bei mir ein gewisses Vorurteil gegen strenge Metrik mit ausschlaggebend ... Tut mir leid, meine Wertung kann ich jetzt nicht mehr ändern.

LG Mel
 

Regenzauber

Mitglied
@Magic

danke, das hast du so schön und kompliziert ausgedrückt, dass ich anfange, mich über die Schmeichelei hinaus fast begnadet zu fühlen?
Wie könnt es auch anders sein, wenn die Magie sich mit dem Zauber trifft (verzeih, fast hätt' ich paart geschrieben, da dieses meinem morgendumpfen Kopf als erste Wahl sich bot)!

@Melusine

Wenn es nur immer so geschehen könnte, dass man mich liest und wieder liest, bis das Gelesene den Geist des Lesers in sich aufgenommen und nun größer wird und mehr ( war es wohl Klages, dem wir dies Konzept verdanken?)
Ich selbst war nicht sehr glücklich mit der Wahl des "netzen" in der dritten Zeile, die ich vielleicht zur Gänze sollte ändern? Es gäb so viele Varianten z.B.
- der schweigende Gärtner bereitet
- die Jungfrau Maria dir kocht (es wird langsam grotesk)
- ein kichernder Kobold gedünstet (wie Kohl oder Kraut gekocht)
- ein dienender Engel dir reicht (Reinkultur an Kitsch)
- usf der Vorrat reicht noch lange
Doch ohne Spaß, dies ist wohl jene Stelle, an der sich dir das Haar gesträubt?
 
M

Melusine

Gast
Hallo Regenzauber,
also die Haare haben sich mir nicht gerade gesträubt, aber ich bin über die Zeile sozusagen gestolpert - und zwar über das allzu gehoben wirkende "stille" (klar, muss der Metrik wegen so lauten) und über die ungewöhnliche Verwendung des Verbs "netzen", das ich sonst eher im Sinne von "befeuchten" kenne.

Der kichernde Kobold gefällt mir zwar, aber ich glaube, er würde die düster-alptraumhafte Stimmung des Gedichts zerstören. Hm.
 



 
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