Mut

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Shari

Mitglied
Es ist wieder soweit, Standortbestimmung am Abend vor dem neuen Morgen. Zu der Stunde , da die Finsternis undurchdringlich ist und jeden Laut schluckt, der an das Ohr dringen will – um zu bedeuten, dass es da mehr gibt als Einsamkeit, Dunkelheit. Mehr als die Angst die sich auf leisen Sohlen von hinten anschleicht und unvermutet, unvermittelt die Pranken in den ungeschützten Rücken schlägt.

Du spürst den Schlag, du spürst den Schmerz – nun gilt es, durchzuhalten, weiterzuleben, überleben, bis das Licht des neuen Tages anbricht und die Wunden als Illusionen enttarnt. Schreckensbilder eines überreizten Geistes. Hebe den Blick, sieh dich um. Dort sind viele um dich, denen es ähnlich geht. Allein im Dunkel, streben sie nun unter der Sonne zusammen, Schutz suchend, Trost, in der Vereinigung gepeinigter Seelen, die nichts verraten, sich nicht entblößen, alle sind sie nun funktionell. Treiben auf den geordneten Schienen ihres Lebens , vergessen ist die Nacht. Und in dem betäubenden Lärmen des Tages gelingt es doch tatsächlich zu glauben, alles wäre gut.

Aber wie wäre es, diesem Lärm zu entfliehen ? Wie wäre es, innezuhalten und zu lauschen ? Ist es die Angst vor der inneren Leere, die davor zurückschrecken lässt – oder die Angst vor einer Stimme, die mehr fordert ? Die vorantreibt, antreibt , verspricht und gleichzeitig von Wahrheit kündet.. einer Wahrheit , die erschreckend sein könnte, da sie gnadenlos das Selbstbildnis zerstört.

Einmal hingehört, einmal sich den steten Einflüsterungen ergeben und nun stehe ich hier. Auf zu neuen Ufern! So dröhnt es in mir. Der Kopf ist längst nicht mehr dort, wo sich noch der Rest des irdischen Körpers befindet. Die Zerrissenheit reicht weit und tief. Wurzeln werden aus dem sandigen Boden gezogen, der keinen Halt mehr gibt, wollen sich eine andere Erde suchen, unverbraucht, neu. Die ganze Angelegenheit schein recht instabil und genau dieses Gefühl ist es, dass wieder zurückzieht, drängt. Lieber auf bekannter Erde zu Boden gehen, als in fremder zu wachsen. Es ist hier doch alles bekannt, berechenbar. Ein Tod in der Heimat scheint mit einem mal wünschenswerter als ein Leben in der Fremde, zudem gerade jetzt die Ebbe kommt.. Das Meer entzieht sich und nimmt das Boot mit sich, das zu neuen Gestaden tragen soll.

Doch halt : Auf Ebbe folgt Flut. Was jetzt unmöglich scheint, ist nur eine kurze Zeitspanne entfernt wieder machbar. Das Boot wird in absehbarer Zeit zurückkehren. Ans Ufer gespült, direkt vor den Füssen wird es landen, genau dort wo es eben noch war und wo die Wellen es mitgenommen haben. Warten. Nur eine kleine Weile.

Und dann.... weitermachen, folgen, suchen, niemals stehen bleiben. Für Angst wird keine Zeit sein, wenn die Hände das Ruder packen und der Geist sich an den Sternen orientiert, um nicht verloren zu gehen.
Und siehe... diese Nacht wird sternenklar sein !
 

Schakim

Mitglied
Hallo, Shari!

Eine grosse Geschichte hast Du um die innere Einsamkeit geformt mit mächtiger Wortwahl und Seelentiefe.

Liebe Grüsse!
Schakim
 

Shari

Mitglied
uff...

Liebe Shakim!

Danke, dass du dir die Zeit für diesen Text genommen hast. Dein Kommentar macht mich sprachlos :).

Dieser Text ist damals in einer Phase des Umbruches entstanden. Heute bin ich wohl an dem Punkt angelangt, da man doch einmal - für kurze Zeit nur - die Hände von den Rudern nehmen kann. Vielleicht nur, um zu sehen, wie weit man sich vom Ufer entfernt hat - und um festzustellen, dass man noch nicht ertrunken ist.

Noch einmal Danke
und liebe Grüße
Shari
 



 
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