My favorite things

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APO

Mitglied
My favorite things

Prolog

„Hast du ihn?“, fragte der Polizist.
„Ja“, sagte der andere. „Hat der ein Glück. Eigentlich müsste sein Hirn in Fetzen an der Decke hängen.“
„Jepp, aber selbst eine Kalaschnikow hat mal Ladehemmung.“
„Und wieso hast du ihn nicht ins Knie geschossen, sondern in den Bauch? Du triffst doch sonst immer.“
„Bin über eine Cola-Dose gestolpert.“
„Soll vorkommen.“
„Wo der wohl die Waffe herhat?“
„Wollen wir wetten? Der Vater oder Dark Net?“
„Nein, beides, genannt Darth Vadder.“
Die beiden Männer lachten.

7 Uhr 53

Der Apfelbaum vor dem Schuleingang war für Ron immer Boris Becker gewesen.
Der knorrige Geselle hatte den ersten seiner beiden mächtigen Äste senkrecht in den Himmel gereckt, als würde er in diesem Augenblick den Ball in die Höhe schleudern; den zweiten hielt er schräg nach hinten gebeugt, um eine zehntel Sekunde später zum entscheidenden Matchball gegen Kevin Curren zu treffen. Damit wäre Wimbledon sein.
Stattdessen verpasste jemand Ron einen schmerzhaften Hieb auf die Schulter.
„Na, du Mongo!“
Wham! Ron wurde nach vorn geschubst und stolperte, weil ihm jemand ein Bein stellte. Boing! Der Kasten seines Basssaxophons krachte auf das Kopfsteinpflaster. So schnell er konnte, sprang Ron zurück auf die Füße, die Hände eng vorm Gesicht. Euch zeig´ ich´s. Aber die beiden Typen aus der 13c waren einfach weitergeschlendert. Nicht ohne ein paar Grimassen in seine Richtung zu schneiden. Pit und Mirko, notierte Ron im Geist. Wenn ihr wüsstet, ihr Arschlöcher, dass ihr auf die Liste steht. Ganz oben.

7 Uhr 59

Ron öffnete die stählerne Sicherheitstür zum Heizungskeller der Schule. Drinnen zog er hinter dem Brenner einen Spiegel in einem goldenen Bilderrahmen hervor, den er einige Tage zuvor dort deponiert hatte. Dann öffnete er den Instrumentenkasten und begann mit der Verwandlung.
Jeans, T-Shirt und Sneakers ließ er auf den Boden fallen. Aus dem Koffer holte er das weiße Hemd und schlüpfte hinein. Dann die weite, graue Hose, das schwarze Sakko samt der eingenähten, falschen Weste, dazu eine schmale Krawatte. Die Melone auf den Kopf. Zum Schluss klebte er sich den Bart und die Brauen an und stieg entenfüßig in die viel zu großen Schuhe. Zufrieden betrachtete er sich im Spiegel. Er sah ihm wirklich ähnlich.

8 Uhr 18

Als Ron vor dem Eingang der 13c stand, merkte er, dass er nichts mehr dachte. Sein Kopf war leergefegt, Nur der Plan für den Ablauf der nächsten Minuten lag noch dort oben in seinem Gehirn und gab ihm Halt.
Er klopfte. Die Kalaschnikow hielt er hinter seinem Rücken versteckt.

8 Uhr 20

„Guck mal, der Charly“, brüllte Pit. Ausgerechnet Pit, der bei Falcon Gitarre spielte. Ausgerechnet er, der ihm auf dem Casting im Frühling zugeflüstert hatte, er solle sich auf dem Klo lieber selbst einen blasen anstatt sein Saxophon.
„Dein-Schnurr-bart-sitzt-schief-Spas-ti!“ Das war Mirko, der Bassist der Falcons. Er betonte jede Silbe des Satzes und klatschte dazu. Die Klasse lachte.
Langsam zog Ron die AK 47 hinter seinem Rücken hervor und richtete sie auf Pit. Augenblicklich erstarb alles Lachen. Zwei Mädchen fingen an zu wimmern.
„Und nun wollen wir mal aufräumen“, sagte Ron freundlich. Er atmete ein, spannte seine Schultermuskeln.

8 Uhr 23

Acht Sekunden später war auch Mirko tot. Wo waren Nummer drei und vier, Tom und Mikkel. Keyboards und Schlagzeug?
„Weiß nicht“, meinte die Lehrerin mit zittriger Stimme. „Vielleicht krank.“ Später würden die beiden immer wieder erzählen, dass Schwänzen ihnen das Leben gerettet hätte.

8 Uhr 25

Jetzt blieb nur noch Jaqueline. Ron ließ den Lauf der Waffe leicht sinken und ging auf sie zu. Im Frühjahr hatte sie sich einige Male zu ihm gesetzt, als er in den Pausen in der Halle ein paar Töne auf seinem Saxophon gespielt hatte. Irgendwann hatte sie gesagt. „Spiel doch mal `My favourite things` von Coltrane.“ Damit hatte sie ihn sofort gehabt. „Things“ war einer der Standards, die er nur nach Mitternacht hörte. Zu einem Glas Bourbon, das er sich aus Vaters Bar klaute.
„Weißt du, was ich von dir will?“, fragte Ron.
Sie öffnete den Mund etwas und schloss ihn wieder. Ihre Augen glänzten feucht.
Ron schaute kurz an ihr vorbei aus dem Fenster und suchte die beiden Äste des Apfelbaums auf dem Schulhof.
Scheiße, dachte er. Dann hob er die Waffe.

8 Uhr 31

„Alles auf den Boden!“ Als er sicher war, dass alle lagen, brüllte er. „Keiner steht in den nächsten fünf Minuten auf. Klar? Ich steh vor der Tür.“
Dann rannte er raus auf den Flur. Hektisch blickte er nach rechts und links.
„Stehenbleiben. Lassen Sie die Waffe fallen!“ Am Ende des Flurs standen zwei schwarzuniformierte Polizisten hinter Schildern und zielten auf ihn. Ohne zu zögern, steckte Ron sich den Stahllauf der MP in den Mund. Während er abdrückte, blies er mit prallen Wangen in den Gewehrlauf, so als sei die Waffe sein Saxophon. Er hörte ein sirrendes Pfeifen. Spürte einen Schlag irgendwohin. Schwärze.

11 Uhr 13

Helles Licht weckte Ron. Er wusste sofort wieder, was er getan hatte. Dann stimmte das wohl mit dem Tunnel und dem Licht am Ende. Aber der unerträgliche Schmerz unter seinem linken Rippenbogen passte nicht dazu. Über ihm sagte eine Stimme etwas.
„Hey, was machst du. Er wird wach. Gib Stoff, Mann!“
Ein leichtes Ziehen kroch Rons Unterarm hoch. Irgendwer dimmte das Licht über seinem Kopf runter.

Zwei Tage später

„Der kriegt die Augen ja überhaupt nicht auf.“
„Na ja, ich an seiner Stelle würde auch weiterpennen. Der hat im Moment keinen Grund, das Dasein hier auf der Erde gut zu finden.“
Ron wollte hochschrecken, als er die Stimmen hörte, aber seine Hände und Füße schienen am Bett festgeklebt. Er öffnete die Augen und sah in das Gesicht einer Frau, die eine randlose Brille und ein weißen Häubchen trug.
„Ich verbinde Sie jetzt“, meinte sie. Ihre Stimme klang nüchtern. Rechts und links von Rons Bett stellten sich zwei Polizisten auf.
„Was machen die denn…“, begann Ron. Das Ende des Satzes ging in einem Hustenanfall unter.
„Sie stellen vielleicht Fragen.“

Elf Monate und drei Tage später

Ron riss an seinen Handschellen. Was der Richter da von sich gab, gefiel ihm ganz und gar nicht.
Der Mann in dem schwarzen Talar hielt ihn für verrückt. Dabei war er unter keinen Umständen verrückt. Das doch nicht. Gehasst hatte er, das ja. Aber verrückt, nein, nein. Auch wenn diese beiden blöden Gutachter sich da einig waren. Therapie sollte er machen? Was sollte das denn werden? Er brauchte nichts dergleichen. Das, was er tun wollte, nein, tun musste, hatte er getan. Er war doch nicht gefährlich. Jetzt nicht mehr. Sollten sie ihn doch sicherheitsverwahren. Sie würden schon sehen, was sie davon hätten. Er würde lammfromm sein, ein Musterverwahrter. Und das würden sie einsehen müssen. In ein paar Monaten, einem Jahr spätestens.

Fünf Jahre und zwei Monate später

„Sie müssen schon mit mir reden“, sagte die Therapeutin zu ihm. Sie sah jung aus. Kaum älter als er. Es war die zwölfte oder vierzehnte Fachkraft, die sich an seiner Seele die Zähne ausbiss.
„Ich muss gar nicht mit Ihnen reden. Es gibt nichts zu sagen. Da Sache ist geschehen und vorbei. Warum sollte ich das mit Ihnen nochmal aufwärmen. Ich habe schon Menschen umgebracht, da waren Sie noch nicht auf der Welt.“
„Na, dann nicht“, sagte die Therapeutin, gab dem Pfleger einen Wink, stand auf und verließ endgültig den Raum, so wie zwölf oder vierzehn Psychologen vor ihr.

Neuneinhalb Jahre später

„Ich habe mir das überlegt, Herr Pfarrer. Ich glaube, dass es sinnvoll ist, dass ich an Gott glaube.“
Der Anstaltsgeistliche, ein Mann Mitte Dreißig, der in seinem schwarzen T-Shirt und den schwarzen Jeans mehr nach Punk denn nach Pfarrer aussah, hob die Augenbrauen.
„Jesus hat doch die Vergebung der Sünden gepredigt“, fuhr Ron fort. „Und ich bin doch nun wirklich jemand, der etwas getan hat, dass sich zu vergeben lohnt, oder?“
Der Geistliche hob seine Hände und ließ sie dann wieder sinken.
„So geht das nicht“, meinte er. „Sie können sich doch nicht überlegen, dass sie jetzt mal an Gott glauben, nur weil es Ihnen nützlich sein könnte.“
„Warum nicht?“
„Weil der Glaube von Herzen kommen muss.“
„Wissen Sie was“, sagte Ron und winkte dem Pfleger, „mein Herz ist mir abhanden gekommen. Ich habe nur noch meinen Kopf.“

Siebzehn Jahre später

„Komm schon, Ron.“ Willy, der Stationspfleger legte ihm den Arm um die Schultern. „Die sind echt gut.“
„Nein, du weißt doch, dass ich Cover-Bands hasse. Ich will da nicht hingehen.“
„Aber das ist eine Jazz-Combo. Ziemlich cool.“
„Weiß nicht“, brummte Ron.
Zwei Stunden später saß er im Speisesaal und schaute interessiert hinüber in die Ecke, die für die Kapelle mit einem gelben Absperrband abgetrennt worden war. Dort standen zwischen Schlagzeug, Klavier und Kontrabass zwei Saxophone: das Tenor- und dass größere goldglänzende Bassinstrument. Wann hatte er zum letzten Mal deren singenden, luftigen Ton live gehört? Er wusste es nicht mehr.
Nach dem vierten Stück stand Ron, schrie laut: „Bravo! Mehr!“ und hörte nicht auf zu klatschen.
Als Herr Menke, der Chefarzt ihn auffordern wollte, sich zu setzen, hielt Willy ihn am Ellenbogen zurück.
„Lassen Sie ihn. Es ist seine Musik.“
Pünktlich zur Einschlusszeit beendete die Jazzcombo ihr Konzert. Da hatte sich Ron schon längst an dem Absperrband postiert.
„Entschuldigung, ich habe eine Bitte.“
Der Bassist, der gerade den Hals seines Instruments mit einem Tuch abwischte, sah ihn an.
„Könnte ich ein Stück mit Ihnen spielen? Auf dem Saxophon?“
Die vier Musiker wechselten Blicke und schauten dann zu Herrn Menke hinüber. Der nickte.
„Welches Stück?“, fragte der Schlagzeuger, der bereits wieder hinter seinen Trommeln Platz genommen hatte.
„Favorite things.“
„Ah, die alte Coltrane-Nummer“, grinste der Bassist und zählte ein.
Der Pianist spielte eine kurze Eingangsimprovisation. Dann nickte er Ron lächelnd zu.
Ron befeuchtete mit der Zunge seine Lippen, um dann mit ihnen das Mundstück des Tenorsaxophons zu umfassen. Er merkte, wie seine Lunge und sein Zwerchfell sich zu erinnern versuchten, mit welchem Atemdruck sie in das Instrument zu blasen hätten.
Die ersten Töne klangen schrecklich. Aus der Trichteröffnung des Saxophons entwich eine quäkige, unmelodiöse Kaskade aus Tönen.
Hinter ihm fing der Bassist an zu lachen. Schlagzeuger und Pianist schauten sich irritiert an. Dann brach die Band ab.
Der Saxophonist der Kapelle klopfte Ron auf die Schulter.
„Hast länger nicht gespielt, was?“
Er nahm die goldene Basströte vom Ständer und fügte hinzu:
„Komm, lass uns das Thema gemeinsam spielen.“
Wieder setzte die Band ein, kurzes Klaviersolo und schon erfüllten die tiefen, luftigen Töne des Bassinstruments den Speisesaal. Ron hörte sich die Melodie eine Durchgang lang an. Dann war plötzlich alles klar. Er fühlte eine fast vergessene Spannung in den Lippen und Fingern. Sein Brustkorb hob sich. Er begann zu spielen. Die Wiederholung der Hookline gelang ohne Mühe. Der Klavierspieler zwinkerte ihm zu. Die Band wurde leise und Ron versuchte sich an der ersten Improvisation seit 17 Jahren. Zögernd spielte er ein, zwei tastende, suchende Licks, merkte, dass seine Finger allmählich aus ihrem jahrelangen Schlaf erwachten und traute sich mehr. Bassist und Saxophonist hatten ihn in die Mitte genommen, beide hatten ein Schmunzeln auf dem Gesicht.
Plötzlich stand Menke hinter dem gelben Absperrband und winkte energisch.
„Schluss für heute. Einschließzeit!“
Die Band fiel überganslos in das Thema, wartete, dass Ron sich nach einigen Melodieschlenkern zu ihnen gesellte.
„Schluss jetzt!“, brüllte Menke.
Den letzten Ton ließ die Band fast zwanzig Sekunden im Raum stehen, wartete, bis er vollständig verklungen war.
„Nun kommen Sie endlich.“ Menke fasste Ron am Ellenbogen.
„Danke“, sagte der Saxophonist zu Ron und streckte ihm die Hand hin. „Hat wirklich Spaß gemacht. Du hast es drauf.“
Vorsichtig stellte Ron das Instrument in den Ständer zurück, nickte noch einmal in die Runde und ließ sich dann widerstandslos von Menke mitnehmen.
Noch nach Mitternacht lag er wach. Die Melodie von „things“ pulsierte in seinen Adern. Er hätte jetzt gern ein Schluck Bourbon gehabt.


Und hier die Musik dazu:
http://www.youtube.com/watch?v=qWG2dsXV5HI
 

Vagant

Mitglied
Hallo Apo;
ja, so sind sie, die Jazzer. Ihre Umwelt erscheint ihnen wie ein endloses Popgedudel. Wo es ihnen doch im Blut liegt jeden noch so belanglosen Harmoniewechsel durch eine Zwei-fünf-eins-Phrase mit Spannung zu laden, jeden glatten Akkord hoch zu alterieren und jeder langweiligen Schlusskadenz mit einem Turnaround ihrer Realität anzupassen. Als Jazzer kann man da schon verzweifeln. All die profanenen Partyspäße, die lockere Leichtigkeit des Lebens im süßlichen 16-Takter verpackt; nee, der Jazzer sieht und fühlt die Welt anders.
Hier setzt nun deine Geschichte an: Mitte der 80'er Jahre. Man schwoft ausgelassen zu Collins, Housten und Aha, grölt grenzdebile NDW-Refrains im Chor, trifft sich am Baggersee, fummelt abends am Feuer – die süße Leichtigkeit der Zeit im Leben, die jeder irgendwann mal 'Zu-meiner-Zeit' nennen wird. Jemand wie Ron ist in diesem Konzept nicht vorgesehen. Er fühlt sich als Fremder in einer ihm fremden und feindseligen Welt, scheitert an den soziokulturellen Anforderungen. Er muß an seiner Umwelt verzweifeln; so, wie seinen Umwelt an ihm verzweifeln muss. Man hört es überall; du trägst die falschen Klamotten, du hörst die falsche Musik oder hast das falsche Handy; dann stehst du in den Pausen allein, die Mädchen gehen mit den anderen aus, du spürst die Nadelstiche, erst nur ein bisschen, dann mehr, bis es unerträglich wird – dann besorgst du dir eine .45'er und dann läufst du Amok.

PROLOG :
Grundsätzlich stehe ich Zeitsprüngen in Shortstorys skeptisch gegenüber. Hier ist dir das recht gut gelungen. Durch die Struktur mit der Zeitschienen wird einem schnell klar, dass es sich hier um einen Vorschau handelt. Die Komik des Dialoges erschließt sich mir nicht ganz. Klingt ein bisschen nach akustischer Kissenschlacht. Bei der Ungeheuerlichkeit des Amoks???? Also es muss sich schon um zwei sehr abgebrühte Beamte handeln. Das beiläufig lakonischen findet sich auch in keiner weiteren Szene des Textes. Naja, wie ich schon sagte; meins war es nicht.

7.53 UHR
Das Apfelbaumbild finde ich klasse. Es zeigt, in welchen Strukturen sich die Denke Rons bewegt; Abstrakt, verschachtelt, ein bisschen zu kompliziert – das Konfliktpotenzial.

8.20 UHR - 8.23 UHR
Ups. Hier verweigerst du dich der Geschichte. Zwei Morde – ich hätte Dramatik erwartete. Das ist so, als schriebe Chandler auf Seite 97 von 'Der große Schalf' : ach lasst mir doch alle meine Ruhe, der Marlowe macht morgen am Strip einen Hundesalon auf.
Was ist dieses Amok? Amuk – malaisich, bedeutet 'rasend' . Wie ist es, wenn Ron rasend ist?
Das möchte man aus Rons Perspektive erfahren. Vielleicht; Erzählbericht + erlebter Rede + Bewusstseinsstrom, halt irgendwie näher bei Ron.

8.25 UHR
Jaqueline. Ich habe lange geglaubt, dass er sie verschonen wird. Na ja, diesbezüglich bin ich wohl ein hoffnungsloser Romantiker. Aber; verdammt gut geschrieben.

ELF MONATE SPÄTER
Nun kommt sie, die Innenperspektive. Leider kommt sie so, dass ich den Eindruck habe, Ron möchte sich dem Leser erklären. Vielleicht lese aber auch nur ich diese Stelle so. Mag sein, dass eine anderer sie anders liest. Ich hätte mir etwas mehr nüchterne Betrachtung gewünscht (trockene gerichtliche Distanz, Sachverständigengeschwafel, und so ) . Ich denke, dass hätte dem Rhythmus der Story gut getan.

NEUNEINHALB JAHRE SPÄTER
Sehr gute Szene, das mit dem Geistlichen. Ron weiß, dass er zu verkopft ist, dass er nicht komplett ist, dass da irgendetwas fehlt, dass er nicht 'Body and Soul' ist (um es mit 'Trane zu sagen), dass er jede latte Harmonie mit der flatted-five substituiert. Das komplette fehlt ihm, und er weiß nicht, wo er es finden kann. Er weiß aber auch, dass es am Ende nur mit dem Herzen gehen kann. Leute wie Ron stecken meist ihr Leben lang in diesem Dilemma.

ELF JAHRE SPÄTER
Was soll ich sagen? Diesen Abschnitt habe ich von der ersten bis zur letzten Zeile gern gelesen.

FAZIT
Die Story hat mir sehr gut gefallen. Ich habe sie gern gelesen; Vagant
 

APO

Mitglied
Hallo Vagant,

vielen Dank für den ausführlichen Kommentar. Ich weiß, wie viel Arbeit das macht. Einiges davon werde ich übernehmen. Melde mich morgen noch einmal ausführlicher.

Gruß von Apo
 

Vagant

Mitglied
Hallo APO, alles halb so wild. Wie ich schon sagte; ich habe es gern gelesen – und mein Posting dazu ist ja auch keine wirkliche Analyse, sonder nur ein paar Gedanken, die mir als Leser dazu in den Sinn kamen. Für eine Analyse fehlt mir dann doch das nötige Wissen.
Allerdings hat mir die Beschäftigung mit deinem Text eine neue Textidee bescheehrt. Also auch entlang der Line eines Standarts.
Gut; bis jetzt stehen legentlich 4 Stichpunkte auf meinem Zettel. Ort, Zeit, Protagonist, und ein guter alter Pork Pie Hat ( Mingus – Goodbye Pork Pie Hat).
Mal sehen, was draus wird. Ich freue mich schon aufs Schreiben.
Vagant.
 

APO

Mitglied
Hi Vagant,

bin gespannt auf deine Geschichte mit Charles Mingus als Aufhänger. Ich habe sofort gegoogelt und jetzt läuft das Stück im Hintergrund. Freut mich, dass ich da vielleicht ein wenig Ideengeber für deine KG sein durfte. Ich selbst bin beileibe kein Jazzer, sonder bin zwischen Blues und Singer/Songwriter angesiedelt, aber Coltrane habe ich in den Achtzigern wirklich gern gehört; für die Geschichte habe ich tief in meinen Platten gewühlt bzw., wie man das heute einfach macht, youtube angeklickt.

Zu deinen Gedanken:
Ja, der Prolog soll witzig sein, aber ich war mir da gar nicht sicher; nach deiner Anmerkung werde ich noch einmal drüber nachdenken. Ich kenne zwar keine SEK-Beamten, weiß aber, dass Leute, die beruflich mit Extremsituationen zu tun haben, zu einer gewissen Rauheit neigen, um ihre emotionale Distanz zu bewahren.
Das Apfelbaumbild finde ich klasse. Es zeigt, in welchen Strukturen sich die Denke Rons bewegt; Abstrakt, verschachtelt, ein bisschen zu kompliziert – das Konfliktpotenzial.
Schön, dass es dir gefällt. Interessante Bilder zu entwickeln, in ihnen eine andere Ebene mitschwingen zu lassen, das mache ich ganz gern.
Ups. Hier verweigerst du dich der Geschichte. Zwei Morde – ich hätte Dramatik erwartete
Das ist ein wichtiger Hinweis. Die Ursprungsfassung der KG ist um tausend Wörter länger, da ist mehr Dramatik drin, auch mehr Mord. aber da die Geschichte ja auf das Ende hin konzipiert ist, dachte ich, eine Straffung täte ihr gut. Es wird ja klar, dass er die beiden Jungs umbringt. Auch hier wieder: werde drüber nachdenken.
Jaqueline. Ich habe lange geglaubt, dass er sie verschonen wird. Na ja, diesbezüglich bin ich wohl ein hoffnungsloser Romantiker. Aber; verdammt gut geschrieben.
Danke! In der Ursprungsfassung hat sie übrigens überlebt, aber sein wir doch mal ehrlich, so ist der Typ nicht.
Ich hätte mir etwas mehr nüchterne Betrachtung gewünscht (trockene gerichtliche Distanz, Sachverständigengeschwafel, und so ) . Ich denke, dass hätte dem Rhythmus der Story gut getan.
Damit kann ich was anfangen.
Das komplette fehlt ihm, und er weiß nicht, wo er es finden kann. Er weiß aber auch, dass es am Ende nur mit dem Herzen gehen kann. Leute wie Ron stecken meist ihr Leben lang in diesem Dilemma.
Das hast du schön gesagt.
Was soll ich sagen? Diesen Abschnitt habe ich von der ersten bis zur letzten Zeile gern gelesen.
Wegen dieser Szene habe ich die Geschichte ja auch geschrieben ...

Vielen Dank für´s Kommentieren, Vagant und bis demnächst.

Gruß vom Blues
Apo
 

Vagant

Mitglied
Hallo APO, ich nochmal.
Wird wahrscheinlich ein bisschen dauern mit der Story. Ich habe mir heute erst mal Gedanken über den Plot und den Konflikt gemacht. Die Erzählstruktur und solche Sachen, das schwebt alle noch im Vagen. Nur so viel; Mingus selbst wird nicht darin vorkommen und wahrscheinlich nicht einmal erwähnt werden. Der Pork Pie dient nur als Insigne einer urbanen Klasse die sich für supercool hält(vielleicht ein DJ, ein Dealer oder Zuhällter - irgedwas aus dem großstädtischen Nachtleben). Aber alles noch ungelegte Eier.
LG Vagant.
 

herziblatti

Mitglied
Hallo APO, gut geschriebene Story, zwei Anmerkungen: der Prolog ist überflüssig, diese Erklärung (dass die Kalaschnikow blockiert hat) könnte im Teil "11 Uhr 13" oder "Zwei Tage später" nachgeliefert werden; geht es in der Sicherheitsverwahrung zu wie in einem Krankenhaus, mit Pfleger und Chefarzt? Keine Wärter? Ich denke, hier ist Recherche-Bedarf :) LG - herziblatti
 

APO

Mitglied
Hallo Herzblatti,

danke fürs Lesen und die Rückmeldung.
Die Positionierung des jetzt als Prolog bezeichneten Kapitels werde ich so einfügen, wie du es vorschlägst. Das hatte ja auch Vagant schon angemerkt. Ich sehe es mittlerweile genauso.
Zu deinem Hinweis, ich solle den Psychiatrie-Alltag noch einmal recherchieren, möchte ich kurz erzählen, aus welcher Quelle ich für die Story geschöpft habe.
Mit meiner eigenen Band (nix Jazz sondern Bluesrock) habe ich zweimal in einem Frauengefängnis gespielt. Dort gab es all die Dinge, die in meiner Geschichte auftauchen: einmal im Monat Livemusik, an diesem Tag die Möglichkeit für viele inhaftierte Frauen sich im Rahmen des Veranstaltungsraums( einer fenster- umd möbellosen Halle) frei zu bewegen, Wärter oder Personal war kaum zu sehen, wohl aber berichtete uns der organisierende Sozialarbeiter, dass nicht alle Häftlinge zu diesem Event zugelassen wurden.
In der Psychiatrie mag das etwas anders sein. Ich werde noch mal nachforschen.
Die Bearbeitung der Geschichte kann etwas dauern. Habe im Moment sehr viel um die Ohren.

Lieben Gruß
Andreas
 



 
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