Nachbarinnen

Haget

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Nachbarinnen
Haget 4/99 Nr.465

Lisa war - wie überall! - die Schönste auf dem letzten Ball;
dies Kleid - sie trug es immer wieder -
mit weitem Rock, dem engen Mieder,
den vielen Borten, reich bestickt - stets war das Publikum entzückt!

Nur selten verstehen so prächtig sich
zwei Nachbarinnen - wie Lisa und ich;
wir sind ein Herz, eine Seele - auf Ehre! -
wenn nur dieses herrliche Kleid nicht wäre,
mit dem - ich hab’ es zu oft erlebt -
sich Lisa über uns alle erhebt!

Neues Auto? - Ich konnt’s nicht erreichen,
unser Nachbarschafts-Konto so auszugleichen;
viel schwerer wog weiterhin Lisas Kleid!
Doch erstmal kommt Urlaub - schon ist’s soweit:
Deren Mallorca als Ziel - zwar wunderbar -
wir nach Tunesien - in Afrika!

Nach Deutschlands April mit Kälte und Regen
- zur Sonne und Wärme - welch ein Segen!
So viel zu erleben und so viel gab’s zu sehn
- selbst grün-lose Wüsten erschienen uns schön -
und das Foto von mir, auf Dromedars Rücken:
Wird Lisa wohl neidisch? Es würd’ mich entzücken!

Nach den Urlaubsorten im Norden am Meer
gefiel uns der - leider sehr arme - Süden sehr,
wo mangels Stellung - an allen Tagen! -
sich die Männer bemühen, die Zeit totzuschlagen;
ist aber dann doch mal Arbeit in Sicht -
sie gilt kaum den Herren und kümmert sie nicht!

Die Frauen haben im Häuschen zu tun, im stillen,
oder außerhalb und damit, sich ganz zu verhüllen,
kaufen trotzdem auf dem Markt - aus zweiter Hand -
was an Kleidung Europa entbehrlich empfand,
und Kartoffeln, Gemüse - sie plagen sich schwer -
hüllende Tücher zu halten müssen die Zähne mit her!

Wir schauen nach Schmuck und Ledertaschen,
geschnitzten Kamelen und Sachen zum Naschen;
was bei uns in den Läden in kleinsten Tüten:
Gewürze in Mengen, als Blätter, teils Blüten,
und ich streifte auch so mal - mit einem Blick -
die Altkleider-Haufen ... - - mich riß es zurück!

Es verfolgte mich - jetzt war’s schon so weit! -
selbst nach Afrika noch - - Lisas Kleid!
Na gut, wohl nicht so ganz genau,
eine Stickerei breiter, etwas heller das Blau,
- doch um meine Ruhe war es geschehen:
Ich musste dies Prachtkleid genauer sehen!

Es war meine Größe - und was soll man sagen,
noch sehr attraktiv - obwohl doch getragen -
und herrlich der Rock auch, dieser weite
und leicht zu vertuschen der Riss auf der Seite!
Wie müsste es Lisa zu Hause plagen,
würd’ ich solches Kleid bei der Arbeit tragen!

Ich glaube, nur Frauen können’s verstehen
- ich konnte ohne dies Ballkleid nicht gehen
und sehe - vom Urlaub schon längst zu Haus! -
bei der Gartenarbeit nach „zum-Tanz-gehen“ aus.
Ob Lisa daheim wohl durch ’s Fenster mich sah?
Ich frag’ mich seit Stunden - und nun steht sie da!

Sie spricht von Mallorca - wie schön es gewesen -
ich werke im Ballkleid mit Schaufel und Besen
und weiß, es muss schlimm die Wut sie plagen,
doch wann reagiert sie? Schon hör’ ich sie sagen:
„Nach dem Riss gab ich’s Kleid doch mit Lumpen fort,
wie fand ’s nur zurück an den gleichen Ort?“
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hm.

kann ich mir alles vorstellen, nur nicht, daß sie das begehrte kleid nicht so gut im gedächtnis hatte. oder es müssen sonst immer ganz schlechte sichtverhältnisse gewesen sein. die pointe ist leider auch vorhersehbar. schade. ganz lieb grüßt
 



 
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