Nachkrieg

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gonrom

Mitglied
Nachkrieg

Nach dem großen Krieg, der lange währte

Es machte Ratsch und das Monströse
Von Massenmord und Krieg und Blut
War plötzlich weg und was als böse
Galt, war auf einmal wieder gut

Und aus den großen Leichenhaufen
Aus dem Qualm verbrannter Erde
Sah man sich zusammenraufen
Alte, Kinder, Frau’n und Pferde

Machten weiter so, als wär‘n
Tausend Jahre nie gewesen
Und es wurden wieder Herrn
Nazis, die von Schuld genesen

Ach hier bricht der Reim entzwei
Wer wollt dieses Elend tragen
Wer wollt diese Schweine fragen
Wer hier Schuld gewesen sei?

Sie klotzten ran, um nicht zu kleckern
Sie bauten, schafften was und logen
Sie floh‘n nach Paraguay und bogen
Sich zurecht und war’n am Meckern
Auf die Welt, die sie betrogen

Der Kindheit Zauber für und für
Ersoff in reiner Jauche mir
 
T

Thys

Gast
Hallo gonrom,

willkommen auf der Wiese. Bis auf den "Ratsch" gefällt's mir gut.

Gruß

Thys
 

gonrom

Mitglied
Hallo Thys,
stimmt,das "Ratsch" klingt sehr lapidar bzw. banal. Aber mir ging es darum auszudrücken, dass mit der mühsam erzwungenen Kapitulation auf einmal keiner mehr Nazi gewesen sein wollte. Deshalb auch das Gerede von der Katastrophe, dem Zusammenbruch. Aber vielleicht hast du einen Vorschlag für ein besseres Wort.

Danke für den Hinweis

gonrom
 
T

Thys

Gast
So wie der Satz da steht, fällt mir grad auch nichts ein.
Vielleicht probierst Du einmal den Satz an sich umzubauen.

Nicht mit "Es machte..." anfangen zu lassen.

Nur so eine Idee.

Gruß

Thys
 

Inu

Mitglied
Gonrom

Dein Poem ist nur einer von Millionen Beiträgen im Web, die immer wieder die längst bis in die kleinsten Einzelheiten durchleuchteten Nazi-Verbrechen u. Täter aus der Versenkung holen und damit offene Türen einrennen.

Ich bin über die Jahre hinweg sehr allergisch gegen diese Art massenwirksame Anklage geworden und glaube fast, sie dient teils dazu, die Verbrechen, die von heutigen Staats/Lenkern begangen werden, zu relativieren und zu verharmlosen. Denn wie gutmenschenhaft erscheint uns z. B. ein weltweit hofierter, auch hierzuland mit rotem Teppich empfangener Präsident Bush, verglichen mit einem Teufel wie Hitler. Was bedeutet schon sein 'umstrittener' Krieg mit 'nur' 100.000 getöteten unschuldigen Irakern - und noch viel mehr zerstörten Seelen weltweit - gegen die Unmenschlichkeit eines Adolf Hitlers?

Wie schön ... George Bushs Amerika hat viel weniger Menschen auf dem Gewissen als Nazi-Deutschland. Und überhaupt ist heutzutage alles viel komplizierter geworden mit Schurkenstaaten, Islamismus und so... Da muss man schon einmal differenzieren und Bush-Amerikas ( auch Israels ) Tun und Treiben relativ sehen. Und wenn man kotzen will über die Zustände in der Welt und sich nicht traut, die heute Mächtigen anzuklagen, dann kann man seine Wut immer noch auf die alten Nazis abladen.

Denn im Verhältnis zu deren Untaten verblassen all die Kriegsanzettelungen u. Massenmorde, die heute von 'ehrbaren' westlichen Politikern und ihren Helfern begangen werden, zu minderen Schönheitsfehlern der Demokratie!

Hitler und Ausschwitz, um die politischen Schweinereien unserer Tage kleiner erscheinen zu lassen oder gar zu überdecken??


Gruß
Inu
 
T

Thys

Gast
Inu,

Richtung Bush etc. bin ich bei Dir. Bei dem Rest nicht. Der Text handelt zwar offensichtlich von Nazi-Deutschland zeigt aber gleichzeitig in die Gegenwart. Und diese Gegenwart ist absolut real. Das braune Gesocks wird mehr und mehr gesellschaftsfähig und immer dreister. Es nützt nichts, des einen überdrüssig zu werden und sich statt dessen nur noch auf das scheinbar neue Übel Bush zu konzentrieren. Alle diese Übel sind Übel, die man eigentlich aus der Welt fegen müßte und alle sind mehr oder weniger gleichzeitig aktiv und wirksam.

Gruß

Thys
 

Inu

Mitglied
Thys
Richtung Bush etc. bin ich bei Dir. Bei dem Rest nicht. Der Text handelt zwar offensichtlich von Nazi-Deutschland zeigt aber gleichzeitig in die Gegenwart. Und diese Gegenwart ist absolut real. Das braune Gesocks wird mehr und mehr gesellschaftsfähig und immer dreister. Es nützt nichts, des einen überdrüssig zu werden und sich statt dessen nur noch auf das[blue] scheinbar[/blue] neue Übel Bush zu konzentrieren. Alle diese Übel sind Übel, die man eigentlich aus der Welt fegen müßte und alle sind mehr oder weniger gleichzeitig aktiv und wirksam.

Gruß

Thys

Ich hab es satt, auf dieser Basis zu diskutieren

Gruß
Inu
 
T

Thys

Gast
Inu,

streich das scheinbar. Beim Rest bleib ich. Zwingt Dich ja auch keiner zu einer Diskussion. Außerdem kann man das "scheinbar" anders lesen. Das scheinbar nur neue Übel Bush.

Gruß

Thys
 

gonrom

Mitglied
Hallo inu

"Hitler und Ausschwitz, um die politischen Schweinereien unserer Tage kleiner erscheinen zu lassen oder gar zu überdecken??"

Mir ging es bei dem Gedicht um eine sehr persönliche Sicht auf die Geschichte, nämlich meine eigene. Ich bin Jahrgung 1944 und was für einige kids heute sehr weit in der Vergangenheit zurückliegen mag, ist für mich leider immer noch Teil meiner Biographie. Also meine Absicht geht weniger ins gutmenschliche Plakative um irgendwas Heutiges zu relativieren. Beileibe nicht. Andererseits sind die Versuche, die Nazu-Verbrechen zu verkleinern, zu verharmlosen immer noch wirksam in der Öffentlichkeit, sonst ließe sich der Erfolg solcher unkritischen Nostalgie-Sendungen wie die von dem Guido Knopp sowie die verschieden Hitler-Reanimationen kaum erklären. Also vor allem: Lyrik sollte immer perönlich sein und nur vermittels der "subjektiven Achse" Ausblicke auf die Zeitgeschichte ermöglichen.
Wr Hitler und Auschwitz heute thematisiert, wie sollte er dadurch heutige politische Schweinereien kleienr erscheinen lassen? Diese Logik erscheint mir reichlich abwegig. Im Übrigen gibt es auch durchaus Ansätze, wo sich junge Autoren mit heutigen "Schweinereien" auseinandersetzen. Ich verweise hier nur auf den Roman "Hundert Tage" von Lukas Bärfuss.

Gruß

gonrom
 

zarah

Mitglied
Hallo Gonrom,

ich finde, jemand Deines Jahrganges hat auf jeden Fall das Recht, sowas zu schreiben; eine verdorbene Kindheit will und muss aufgearbeitet werden. Ich weiß (natürlich nur als Beobachter ), dass manchmal selbst 5, 6 oder mehr Jahrzehnte nicht ausreichen, um das zu schaffen.

Weltpolitische Diskurse gehören m.E. eher ins Diskussionsforum, deshalb will ich dazu mal nichts sagen.

Zurück zum Text: Zuerst bin ich über den letzten Satz in Strophe zwei gestolpert „Alte, Kinder, Frau’n und Pferde“. Ist es Absicht, dass hier die Männer weggelassen wurden? OK, viele waren tot oder in Gefangenschaft, aber wo ist dann die Verbindung zur dritten Strophe „Machten weiter so,...“? Wer, die Alten, Kinder, Frauen und Pferde?

Natürlich ist Lyrik nicht dafür gedacht, Logik zu verbreiten, aber irgendwie stört mich da was.

LG
Zarah
 
T

Thys

Gast
gonrom hat unabhängig davon, wann er wie wo warum und als
was er geboren wurde, das Recht seine eigene Meinung zu
haben und sie zu artikulieren oder in seinen Gedichten
zu verarbeiten, solange sie nicht gegen die grundsätzlichen
Menschenrechte verstößt. Sowas nennt man Meinungsfreiheit
und das ist ein Gut, das man gar nicht hoch genug schätzen
kann.
 

gonrom

Mitglied
Hallo zarah,
ja, die Männer waren zunächst weg - oder untergetaucht, auf jeden Fall gut getarnt und kamen dann, als klar wurde, dass es keine wirklich gründliche Abrechnung geben würde, wieder hochgekrochen. Kein einziger Nazi-Richter wurde je verurteilt.
Wenn man selbst miterlebt hat, wie hier die alten Seilschaften und Ideen wiederbelegt wurden (vor allem in den Vertriebenenverbänden) dem konnte und kann das heute noch aufregen. Aber inzwischen werden "wir" ja unaufhaltsam immer mehr zu Opfern und neuen Tätern. Da lässt sich noch allerhand anrichten. Also werde ich mich an die folgende Zeit machen. Ich versuche mit diesen Gedichten einen größeren, stark verfremdeten biographischen Text zu begleiten. Das befindet sich alles erst am Anfang. Interessanter wird es auf jeden Fall, wenn es um die Jahre nach 1967 geht, nach dem 2. Juni. Dazu später.

Gruß

gonrom
 

presque_rien

Mitglied
Hi gonrom,

willkommen in der Lupe! Deine Einstellung zur Dichtung finde ich super. Aber leider kommt sie im Gedicht selbst nicht ganz rüber, finde ich. Es wird thematisch ziemlich allgemein gehalten - abgesehen von den letzten zwei Versen - und trägt insofern keinen auffällig persönlichen Charakter, sondern reiht sich für mich leider in die große Masse der Nazizeit-Betroffenheitslyrik ein. Aber andererseits ist es ja nur das erste Gedicht einer Reihe, und dann auch noch eingebettet in ein Prosawerk? Dann kann man es schlecht für sich stehend bewerten, ich bin jedenfalls gespannt, was noch kommt.

Aber zum Gedicht selbst: Hat dein Wechsel zwischen Jambus und Trochäus ein System? Wenn nicht, solltest du das Gedicht entweder auf ein Metrum festlegen, oder die zwei Metren gezielt verwenden - Ein Vers wie "Ach hier bricht der Reim entzwei" wäre z.B. ein guten Umbruchpunkt.

Deinen umgangssprachlichen Stil finde ich eigentlich passend, aber "war’n am Meckern" ist dann vielleicht doch etwas zu extrem für ein berichtendes Gedicht dieser Art.

Und: Ich verstehe auch nicht so ganz, was du mit den "Tausend Jahren" meinst!

Lg presque
 

gonrom

Mitglied
Hallo LG presque,
danke für deine Bemerkungen zum Gedicht. Ich bin momentan dabei einen ausführlicheren Essay zu schreiben, so dass ich kaum noch zu den Gedichten komme. Ich meine, dass das Gedicht in der Tat recht schlicht ist, simpel, wobei erst die letzten beiden Verse einen Bruch erzeugen - und einen unauflösbaren Widerspruch. Was wäre denn "reine Jauche"? Übers Versmaß mache ich mir selten Gedanken, es sei denn, die Verse hapern, stopern und beginnen an der Sprache zu würgen. Die tausend Jahre beziehen sich auf die Bezeichnung der Nazi-Zeit als Tausendjähriges Reich. In die Schiene der Betroffenheits-Lyrik möchte ich mich ungern eingeordnet wiederfinden. Darüberhinaus kenne ich keine derartigen Gedichte. Aber ich werde demnächst hier noch einige weniger simple Gedicht reinstellen. Gereimte und ungereimte. Dazu allerdings noch eine Frage. Sollen hier nur Texte reingestellt werden, die noch nie, auch nicht in einem anderen Forum erschienen sind?

Beste Grüße

gonrom
 



 
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