Nachricht aus dem Südosten

Sigurt Funk

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Dieses Land zu beschreiben, sei keine lohnende Aufgabe, sagte er. Nichts befinde sich in ihm, das der Rede wert sei. Warum also sollte man sich diese ungeheure Arbeit antun. Es würde Jahre dauern, bis ein entsprechender Text vorläge, der auch nur annähernd seinen Erwartungen würde entsprechen können. Zudem würde sich kaum jemand finden, den der Text interessiere. Wen interessiert schon, wie sich das Leben hier gestaltet. Alle diejenigen, die nicht aus dieser Gegend stammen, wollen auch von den Vorkommnissen hier nichts wissen. Die einzigen, die Interesse daran haben könnten, wären die hier Ansässigen, die Einheimischen, aber die lesen wiederum nur das Bezirksblatt oder das Pfarrblatt.
Niemals aber würden sie eine Geschichte lesen, die dieses Land oder sie selbst beträfe.
Die Menschen hier, denen man aus der Ferne noch etwas Liebenswertes hätte andichten können, sind aus der Nähe betrachtet nicht wert, aus der Nähe betrachtet zu werden, sagt er. Verbitterung hatte sich breit gemacht in den letzten Jahren.
Früher, ja früher war das ganz anders, da hatte er noch Illusionen gehabt. Illusionen von einem besseren Leben, in einer ruhigen Idylle. Das Ländliche hatte ihn gereizt. Ursprünglich sollte es sein. Nicht so bürgerlich verschroben. Alles nur dem Geld unterzuordnen war ihm zuwider gewesen. Nein, aufs Land muss man, selbst sein Gemüse anbauen und Schafe züchten und Schafkäse machen und das einfache Leben leben.
Also auf ins Grenzland, dorthin, wo die Gründe und Häuser noch billig sind, an den Eisernen Vorhang. Und jetzt - sitzt er da, mit seinen Schafen, die auf seinem Gemüse stehen und weiß nicht mehr weiter, weil alle Ansässigen nicht nur ansässig sind, sondern ihm auch noch aufsässig vorkommen. Aufsässig und dumm. Deswegen will er auch nichts mit ihnen zutun haben. Jetzt nicht, und morgen auch nicht, und übermorgen schon gar nicht.
Also was soll’s, der gekaufte Bauernhof ist unverkäuflich geworden, vom Schimmel befallen, die Frau zum Teufel gegangen, und die Kinder machten ihm Vorwürfe, er habe ihnen das Leben versaut. Hier am Land hätten sie keine Chancen, in die Stadt wollen sie zurück, und zwar heute noch.
So sperrt er wieder einmal eine Haustür von außen zu, ohne auf Wiedersehen zu sagen. Und ein Immobilienmakler mehr, freut sich auf seinen Besuch. Den Text aber, den wird er in der Stadt schreiben.
 

Ofterdingen

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Hallo Sigurt,

Wer anfängt, deinen Text zu lesen, denkt, es gehe um ein vergessenes, fernes, geheimnisvolles Land und ist gespannt, was da wohl noch kommt. Statt aber die Dinge weiter von ganz weit weg zu betrachten und die Spannung zu halten, fällst du schon ziemlich bald mit der Tür ins Haus: "die Einheimischen, aber die lesen wiederum nur das Bezirksblatt oder das Pfarrblatt". Du solltest versuchen, in die Geschichte eine Linie reinzubekommen und eine Perspektive, die überrascht.
 

Odilo Plank

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Dieses Land zu beschreiben, sei keine lohnende Aufgabe, sagte er. Nichts befinde sich in ihm, das der Rede wert sei.
Der Autor "fällt mit der Tür ins Haus", ehrlich, wie er ist, gleich zu Beginn. Bei dem, was er vorhat, ist es unnütz, "die Dinge von weit weg zu betrachten"; bei dem, was er darzustellen hat, gibt´s keine Spannung, das Unglück ist selten spannend, und wenn es Perspektive hätte, wär es kein wirkliches Unglück.
Das Unglück ist hierzulande keiner Rede wert. Der Autor hat ein heiliges Recht, es trotzdem zur Sprache zu bringen.
Ich erkläre mich solidarisch. Odilo
 



 
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