Nachschlag

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katia

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Nachschlag

Eltern sollten die Fragen ihrer Kinder ernst nehmen und nach bestem Wissen und Gewissen beantworten. Das zur Theorie.
Nachdem mich meine Tochter im zarten Kleinkindalter nach etwa zwei bis drei Tagen in der Warum-Fragenspirale ein Mal durch den Fleischwolf und zurück gedreht hatte, gab ich klein bei mit der völlig unpädagogischen Antwort: "Darum. Weil es eben so ist!" Große und enttäuschte Kinderaugen flößten mir ein derart schlechtes Gewissen ein, dass wir umgehend in die nächste Runde starteten: "Und warum ist das so?"
Als schließlich meine Tochter und ganz besonders ich diese Phase überwunden hatte, erholte ich mich relativ schnell davon, war erleichtert und wähnte mich auf der sicheren Seite.
Bis zu dem Tag in ihrem vierzehnten Lebensjahr und ihrer quer durch den Flur schallenden Frage: "Mama, wie schreibt man Desoxyribonukleinsäure?"
"Schau doch einfach im Fremdwörterbuch nach." rief ich zurück.
"Weißt du das nicht? Ich meine, dann kannst du es mir doch sagen." ertönte prompt die Antwort.
"Ich bin mir nicht sicher. Aber auf meinem Schreibtisch liegt das Fremdwörterbuch." Ich war stolz auf mich. Man muss auch als Mutter zu seinen Fehlern oder eigener Unsicherheit stehen.
"Na dann sag mal, was du denkst. Wird schon stimmen." kam es gnadenlos zurück.
"Nein, sage ich nicht. Nachher ist es falsch und ich bin schuld. Nimm doch einfach das Fremdwörterbuch!" Ich klang nun bewusst genervt.
"Dann eben nicht." hörte ich ihre Stimme. Dann war Ruhe und ich las weiter mein Buch.
Ich war mir ziemlich sicher, dass in diesem Wort kein y vorkommt. Aber es sähe schon eigentümlich aus. Ist oxi mit i richtig? Ich bemühte mich, mir die DNS als ganzes Wort vor meinem geistigen Auge vorzustellen. Nein, sieht tatsächlich irgendwie komisch aus. Zumindest in Gedanken. Vielleicht sollte ich es mir lieber auf einem Zettel visualisieren. Ich griff zu dem alten Briefumschlag, den ich als Lesezeichen benutzte. Nein, Desoxyribonukleinsäure wird mit y geschrieben. Aber wieso war dann mein allererster Gedanke, dass es mit i geschrieben wird? Verdammt, ist hier nirgendwo ein Stift? Ich erhob mich etwas gereizt von der Couch und hatte nach etwa weiteren fünf Minuten einen Bleistift geborgen, der sich in den Tiefen meiner Handtasche versteckt hatte, die heute noch sämtliche Vorurteile über das Chaos in Damentaschen bedient.
Ich kritzelte grübelnd meine Test-"Desoxiribonukleinsäure" auf das Papier.
"Falsch!", grinste meine Tochter triumphierend neben mir. "Ich hab schon längst im Fremdwörterbuch nachgeschlagen."
 

knychen

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rache ist blutwurst

das schöne ist ja, das die kinder sich meist einer anderen profession verschreiben als die erzeuger. und ebenso allgemein bekannt ist das kindischwerden sehr alter leute. jetzt nur mal vorausgesetzt, du wirst sehr alt, dann kannst du mit ruhigem gewissen deine tochte mit nervigen "warum-fragen" zu themen bombardieren, die sie eindeutig besser weiß als du und sie muß aus gründen der höflichkeit mit aller nachsicht und einem dem allgemeinwissen entsprechenden wortschatz antworten.
ich freu mich schon auf's altwerden.
gruß knychen
 



 
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