Nachts

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Vera-Lena

Mitglied
Nachts

Dort, wo der Tag dich wund gerieben,
umhüllt ein weiches Dunkles lind
die Zeichen, die er eingeschrieben.
Nachtwärts der Schmerz ins Nichts zerrinnt.

So wie der Teich in schwarzem Schimmer
geglättet ruht nah deinem Haus,
versinkt des wilden Tags Geflimmer
und löscht in Träumen sanft sich aus.

Das Weltenlied webt seine Klänge
behutsam in dein Seelenkleid.
Verschüttetes entflieht der Enge.
Verwandelt leuchtet jetzt dein Leid

als ein Gewusstes, ein Erkanntes
dir unverlierbar, blüht dir zu,
bleibt als ein ewig Anverwandtes.
Es wächst die Nacht dem Morgen zu.
 

Dorothea

Mitglied
schöne, sanfte Bilder

Liebe Vera-Lena,
Deine Zeilen gefallen mir ausnehmend gut in ihrer trostreichen Bildsprache, die das Leid dennoch nicht einfach weglügt, Lappalie degradiert, oder gar verdrängt.
Nur eine Kleinigkeit ist Dir beim Tippen unterlaufen:

[blue]umhüllt ein weiches [strike]Dunkles lind[/strike][/blue]

Ich denke, dass muss wohl [blue]dunkles Lind [/blue]heißen.
LG.
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Dorothea,

es freut mich sehr, dass Dir diese Zeilen etwas sagen und dass sie Dir gefallen.

Wie ich sehe ist der Text an einer Stelle nicht so ganz leicht verständlich.
Gemeint ist, dass etwas Dunkles die Zeichen lind umhüllt.

Insofern ist meine Schreibweise richtig. Ich möchte auch nicht das Wort "Dunkles" in "Dunkel" umwandeln, was natürlich das Verständnis erleichtern würde.

Ich brauche "Dunkles" wegen des Klanges, und es ist ja nicht falsch.

Ich danke Dir herzlich.:)
Liebe Grüße von Vera-Lena
 

Dorothea

Mitglied
Liebe Vera-Lena,
jetzt, wo Du es erklärst, sehe ich, dass ich mich nur von meinen eigenen Sprachgewohnheiten hätte lösen müssen, um zu sehen, dass es so richtig ist (und schön gesagt!).
Dir ein schönes Wochenende.
 
M

Mac

Gast
Liebe Vera-Lena,

wozu da noch Textarbeit?
Ein wundervolles, beeindruckendes
Gedicht mit dem besonders in mir
nachklingenden Vers am Ende...
"Es wächst die Nacht dem Morgen zu."

Liebe Grüße
Mac
 
S

Stoffel

Gast
liebe Vera-Lena,

wunderschön.:)
Würde aber vorletzte Zeile den Punkt weg und Gedankenstrich setzen..oder was meinst?

lG
Sanne
 

Vera-Lena

Mitglied
Ja, liebe Stoffel,

da hast Du Recht, das könnte man machen. Gedankenstriche sind mir eigentlich viel zu wenig vertraut. Ich habe sie bisher kaum verwendet. Ich muss erst einmal darüber nachdenken. Jedenfalls verkehrt wäre es bestimmt nicht.

Dir ein schönes Wochenende!:)
Liebe Grüße von Vera-Lena
 
I

inken

Gast
Liebe Vera-Lena

Ein wunderschönes Gedicht mit tiefen Gedanken und sehr guten Bildern. Danke für Lesendürfen.

Liebe grüße und schönes Wochenende - inken
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe inken,

das freut mich, dass dieser Text Dich inhaltlich erreichen konnte.
Danke für Deine liebe Antwort:)
Auch Dir ein schönes Wochenende!:)
Liebe Grüße von Vera-Lena
 
dein gedicht erinnert mich ein wenig an rilke und seine ungewöhnlichen wendungen und bilder... es ist wunderschön und ohne den schwulst, den meister rilke in manchen seinen werken bringt (auch wenn ich rilke sehr mag).

ich kann deinen bilder leicht folgen, sie sind tief und finden ihren eingang über den verstand bis weit in bereiche hinein, wo uns sprache nicht mehr trägt.

ich finde deine letzten texte außergewöhlich gut, liebe vera-lena und ich bin wahrhaftig ein anspruchsvoller leser und gebe mich, gerade bei lyrik, nicht so leicht zufrieden, aber wenn du einen gedichtband schreiben würdest, würde ich es auf der stelle kaufen.

für mich persönlich ist der gewinn an diesem schönen poem nicht nur deshalb am größten, weil es mich einen augenblick ganz verzauberte, sondern deshalb, weil ich es ausgedruckt habe und davon lernen kann. für all das hab dank :)
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Löwin,

(wenn ich Dich so nennen darf, einfach wegen der Abkürzung)

Dieser Text ist erst einige Stunden alt, denn ich habe ihn heute Nacht um 2.00 Uhr geschrieben. Als er fertig war, dachte ich, dass ihm diese Uhrzeit bestimmt zugute gekommen ist. Vielleicht sollte man Texte solchen Inhalts dann auch zu dem entsprechenden Zeitpunkt schreiben.
Er erinnerte mich auch an Rilke und ein bisschen an Brentano. Er wollte nach der ersten Strophe gar nicht zu mir kommen und ich musste ihn regelrecht "erwarten". Ja, danach bin ich dann zutiefst dankbar wieder in mein Bett gegangen.

Lieb von Dir, dass Du mir auf so schmeichelhafte Weise deutlich machst, dass Dir meine Texte gefallen.
Ich habe nicht vor, mich an einen Verlag zu wenden, na Du weißt ja sicher selbst, dass man nur Eines kann, entweder Schreiben oder sich um Vermarktung kümmern.

Ich danke Dir von Herzen für Deine Antwort und wünsche Dir ein gutes Wochenende.:)
Ganz liebe Grüße von Vera-Lena
 
Hallo Vera-Lena,

dieser Text hat auch mich verzaubert, er ist so harmonisch und wohlklingend! Und die positive Aussage könnte sicher vielen Menschen helfen, die zu dunklen Nachtgedanken neigen. Sie brauchen sich Dein Gedicht nur vor dem Einschlafen durchlesen.

Liebe Grüße
Anne-Marie
 

Vera-Lena

Mitglied
Liebe Anne-Marie,

bei mir ist es der 91. Psalm zu dem ich mich als Einschlafhilfe flüchte.

Aber jeder sucht sich da andere Mittel, und ich finde es ganz lieb von Dir, dass Du in Verbindung mit meinem Text auf diesen schönen Gedanken gekommen bist und mir das mitteilst.

Ich danke Dir ganz herzlich und wünsche Dir ein schönes Wochende.
Mit einem lieben Gruß:)
Vera-Lena
 

Svalin

Mitglied
Hallo Vera-Lena,

Hier noch ein paar Gedanken zu deinem Text:

> Dort, wo der Tag dich wund gerieben,
> umhüllt ein weiches Dunkles lind
> die Zeichen, die er eingeschrieben.

Eine sehr starke Metapher: Da prägen sich Wundmale wie Mitteilungen in die Gewänder der Nacht und bleiben ungelesen? Wäre hier nicht ein schöner, direkter Ansatz für das bislang eher spirituell in den Text gebrachte Entziffern und Wissen ("als ein Gewusstes, ein Erkanntes")?

> Nachtwärts der Schmerz ins Nichts zerrinnt.
> des wilden Tags Geflimmer [...] löscht in Träumen sanft sich aus.

Wir haben hier bereits zwei wesentliche Aspekte von Leiden, die aufhören zu existieren und damit an und für sich nicht mehr wandelbar sind. Dennoch eine globale Metamorphose von Leiden ("Verwandelt leuchtet jetzt dein Leid")?

> So wie der Teich [...] ruht
> versinkt [...] Geflimmer

Das "so wie" passt an dieser Stelle nach meinem Empfinden nicht.

Viele Grüße
Martin
 

Vera-Lena

Mitglied
Lieber Martin,

da immer alles gleichzeitig in mir vorhanden ist, kann ich mir nie vorstellen, dass Leser eine Abfolge in meine Texte hineinlesen.
Für mich ist da keine Abfolge drin, sondern ich sage einfach, was da alles geschieht.

Ganz sicher könnte man das Ganze anders strukturieren.

"So wie"

Hier entspricht die eine Hälfte der Zeile einer anderen Halbzeile:

So wie der Teich am Tag auch gekräuselt war und jetzt gegelättet ist, versinkt das wilde Geflimmer des Tages und es glättet sich der Seelengrund.

Ich denke mir, dass man das so lesen kann. Für jedes fehlt die andere Halbzeile, aber nach meinem Verständnis schadet das nicht, weil es auch so einleuchtend ist. Wie gesagt, nach meinem Verständnis.


Ja, die Zeichen zu entziffern, um damit auszudrücken, dass das Leid verarbeitet wird, ist gewiss ein guter Gedanke.

Ich empfehle Dir mal einen Roman ohne zu wissen, ob Du überhaupt Romane liest, einfach so ins Blaue:

John Cowper Powys: "Glastonbury Romance"

Das ist das einzige Buch das ich kenne, in dem es einem Autor gelungen ist, die Gleichzeitigkeit aller Dinge zu verdeutlichen. Ich bin von diesem Werk sehr angetan.

Ich weiß nicht, ob Du es kennst.

Danke für Deine konstruktiven Hinweise!:)
Ein schönes Wochende wünsche ich Dir.
Liebe Grüße von Vera-Lena
 

MH

Mitglied
hallo vera-lena,

so gut mir dieses gedicht in jeder hinsicht gefällt, so erinnert es mich auch in jeder hinsicht sehr stark an rilke. ich kann nichts dafür, und du wahrscheinlich auch nicht. jemand der von dir nur dieses eine werk kennt, von rilke jedoch vieles, könnte wohl nicht drum herum hier den versuch einer imitation zu erkennen. das ist schade und vielleicht auch vermeidbar. ich will dir diesen versuch nicht unterstellen, lese dein gedicht jetzt einfach nochmal, schalte dabei die rilke-erinnerung in mir aus und gönne mir ein ungetrübtes vergnügen.

mfgMH
 

Vera-Lena

Mitglied
Hallo MH,

irgendetwas kann einen immer an irgendetwas erinnern.

Ein Mensch, der einen Hund hat und ihn sehr liebt, wird dem Hunde äußerlich ähnlich, wie man weiß.

Wenn ich Rilke liebe und Brentano liebe seit meiner späten Kindheit, werden solche Auroren sicher auch bei mir auftauchen irgendwann, das muss einfach so sein. Bei diesem Text ist es vielleicht sehr extrem, aber warum sollte man das bedauern. Mir selbst fällt es auch bei anderen Texten von mir auf, in denen es sich nicht so in den Vordergrund gedrängt hat, und dann freue ich mich immer und bedanke mich auch in meinem Herzen bei Rilke, dass er mir wieder unbewusst etwas geschenkt hat. Heute Nacht war er mir bestimmt sehr nah.

So sehe ich das.
Ich denke schon bei Dorothea an Rilke, wenn ich den Reim Erde-Gebärde in ihrem Text lese, aber ich denke dann an ihn, weil ich eben gerne an ihn denke, na eben so, wie es ist, wenn man jemanden liebt.

Ich hoffe, Du konntest Dich noch von Deinem Bedauern lösen, zumal Dir der Text doch gefällt.

Dir noch einen schönen Abend.:)
Liebe Grüße von Vera-Lena
 
S

Sandra

Gast
Kopiert oder nicht kopiert?

Liebe Vera-Lena,

kreative Menschen lassen sich gerne inspirieren, das ist normal und auch wichtig. Zudem passiert es in der Kunst überall. Wenn mich nicht alles täuscht hat sich damals der junge Mozart für die Wiener "Zauberflöte" bei seinem Lehrer Johann Christian Bach bedient. (Wer hier den ersten Stein wirft hat verloren ;) ) Teils beabsichtigt und teils, weil wir einfach eine "Melodie" in unserem Kopf tragen, die uns einst sehr bewegt hat und irgendwann einmal tief dort eingepflanzt wurde passiert es, dass wir ähnliche Wortkompositionen und Rhythmen erschaffen wie einstig große Meister. Allerdings muss man herausstellen, dass dies mit Sicherheit nicht jeder kann und es ist eine besondere Gabe wenn es gelingt, großen Werken nah zu kommen.
Mir hat dein Gedicht sehr gut gefallen.

Einen lieben Gruß
Sandra
 



 
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