Nachtschicht

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Hagen

Mitglied
Nachtschicht

Die Nacht, die bereits vor geraumer Zeit begonnen hatte, sich über die hiesigen Breitengrade zu wälzen, zeigte sich von ihrer mysteriösen Seite. Eine Sternschnuppe ging nieder, aber ich kam nicht dazu, mir etwas zu wünschen, denn plötzlich, wie aus dem Nichts erschienen, saß eine Frau auf der Rückbank.
„Bitte zum Verwirklichungstreffen.“
Ich hatte keine Tür klappen gehört, keine Bewegung des Taxis wahrgenommen. Aber sie war da, ich konnte sie im Rückspiegel sehen.
„Möchten Sie einen sauren Bonbon?“
Ich reichte ihr die Tüte nach hinten.
„Oh, danke.“
Ich spürte ihre Finger als sie in die Tüte griff.
„Zum Verwirklichungstreffen bitte!“
„Sehr gerne. – Verraten Sie mir bitte, wo das Verwirklichungstreffen stattfindet?“
Sie war der Ansicht, dass ich wissen müsste, wo das Verwirklichungstreffen stattfände, aber ich erzählte ihr, dass ich Wiedertäufer sei. Das akzeptierte sie und wollte als Alternative zum Verwirklichungstreffen zur Pumpe gefahren werden.
„Ganz wie Sie wünschen.“ Ich startete den Motor.
„Sie sind Wiedertäufer, sagten Sie? Dann darf ich Sie doch sicher mal um Ihre Meinung bitten.“
„Worum geht’s?“
„Hier“, sie knöpfte ihre Bluse auf, „wie finden Sie sie? Ich hab sie mir vergrößern lassen, von B auf D!“
Sie reckte mir ihre Brüste entgegen, auf der oberen Hälfte ihrer rechten Brust war eine Schlange tätowiert, eine Kobra, halb aufgerichtet, als schütze sie die Brüste wie die Tugend einer Jungfrau. Die Schlange schlängelte sich über die Schulter, den Oberarm herab und endete knapp über dem Handgelenk der jungen Dame.
„Ich nehme an, Sie meinen nicht das Reptil.“
„Nein, ich meine nicht die Schlange!“
„Exzellent! Um nicht zu sagen: Faszinierend, gnädiger Frau! Aber hätten Sie die Güte, sich wieder zuzuknöpfen? Ich möchte irgendwelchen Gerüchten keinen Vorschub leisten!“
„Nein, nein, aber irgendetwas Seltsames ist damit passiert. Würden Sie sie mal anfassen?“
„Aber gnädige Frau!“
„Bitte.“
„Natürlich gerne, aber nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht ...“
„Nein, nein, keine Sorge. Fassen Sie sie ruhig mal an.“
„Na gut, ganz wie Sie wünschen.“
Ganz vorsichtig versuchte ich die Haut über den Knospen ihrer Brüste zu streicheln, aber meine Fingerspitzen glitten ins Leere. Erst nach einigen Zentimetern verspürte ich samtweichen Widerstand. Die Kobra erschien mir plötzlich dreidimensional, sie drehte den Kopf und züngelte mir entgegen. Ich zog meine Hand zurück. Die Kobra ruhte sofort wieder auf ihrem Busen wie Anna-Karenina, meine Katze, daheim auf ihrem Kissen.
„Sehen Sie, das passiert seit der Vergrößerung immer, wenn ein wahrhaft aufrechter Mann versucht, sie zu liebkosen“, seufzte die Dame und schloss ihre Bluse, „nur die ursprüngliche Größe ist wahrzunehmen.“
„Sind Sie sicher, dass Sie nicht die Schlange meinen?“
„Ich meine nicht die Schlange! Die habe ich erst nach der Operation tätowieren lassen!“
Mit einem etwas seltsamen Gefühl in der Magengegend brachte ich sie zur Pumpe. Da saß Herman an der Theke. Er wollte ganz schnell nach Hannover rein und mir unbedingt vorher einen ausgeben, weil ich ihn am Donnerstag, als er so betrunken war, nicht nach Hannover gefahren hatte.
„Grundsätzlich können wir mal einen zusammen trinken, aber nicht heute. Ich gehe mal schnell für Königstiger, und dann fahren wir.“
Herman nickte das ab und ich suchte das kleine Gewölbe auf, wusch mir anschließend ausgiebig die Hände und kehrte zu Herman an der Theke zurück.
„Können wir denn?“
„Jetzt habe ich mir noch ein Bier bestellt. Da musst du in einer halben Stunde wieder-kommen.“
‚Idiot!’ dachte ich und sagte laut: „Okay, eine halbe Stunde. Plus minus fünf Minuten. Bis dahin.“
„Bis dahin! Dann fahre ich mit dir nach Hannover, ist versprochen.“
Beim Rausgehen zupfte mich jemand am Ärmel.
Die wohlbeleibte Dame, die ich vor ungefähr zwei Stunden zur Schwangerschaftsgymnastik gefahren hatte und die freudig ihrer Niederkunft entgegen sah, saß an der Theke. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erweckte sie dezent den Anschein, als wäre sie alternativ zur Schwangerschaftsgymnastik in dieses Lokal gegangen, was dazu beigetragen hatte, das ihr die Kontrolle über sich ein ganz klein wenig zu entgleiten drohte.
Doch ich sah mich grausam getäuscht. Sie war betrunken und gab mir die Schuld daran, weil ich sie nicht zur Schwangerschaftsgymnastik begleitet hatte, die eigentlich töricht war, weil sie bereits unmittelbar vor ihrer schweren Stunde stand, und ich sowieso ein Macho und Chauvinist sei, und ob ich denn eine Tätowierung hätte.
„Nein, ich habe keine Tätowierung.“
„Gut, dann darfst du mich jetzt nach Hause bringen!“
Ich sah zwar keinen direkten Zusammenhang, brachte sie trotzdem heim. Dort war sie nur schwer davon abzubringen, meine Aussage, was die Tätowierung betraf, zu überprüfen. Hernach brachte ich sie zur Haustür, doch in dieser stand bereits ein Mann, blähte kurz die Nüstern und sagte: „Die nehmen Sie mal wieder mit, die ist ja betrunken! Die will ich hier nicht haben!“
Sprach’s und schlug die Tür zu.
„Wissen Sie“, sagte ich zu der Frau als wir wieder zum Taxi gingen, „ich möchte einmal, nur ein einziges Mal, eine Nachtschicht fahren, in der ich die Fahrgäste von A nach B fahre, und damit gut. – Was machen wir jetzt? Haben Sie einen Liebhaber, eine Geliebte, einen Freund oder eine Freundin, wo ich Sie hinfahren könnte?“
„Nein. – Es sei denn Sie gewähren mir nur für diese Nacht ...“ Ich hielt ihr des Taxis Tür auf. Sie stieg ein. Ich ging um den Wagen herum und setzte mich wieder hinter das Lenkrad.
„Sie werden sich kaum mit Anna-Karenina vertragen, meine momentane Lebensgefährtin. Sie kann sehr kratzig werden wenn sich bei mir jemand anders ausbreitet.“
„Ich verstehe“, sie drückte mir fünfzehn Euro in die Hand, ich nullte das Taxameter, „dann fahren Sie mich eben zur Polizei.“
Dort schoben die Herren Dienst, die kürzlich die beiden von meinem Chef und mir bereits fachmännisch zusammengeschlagenen Herren übernommen hatten, denen es nicht gelungen war, sich gewaltsam meines Wechselgeldes zu bemächtigen. Aber das ist eine andere Geschichte.
„Guten Abend Frau Vollendorf“, der Hauptwachtmeister setzte seine Kaffeetasse ab, „müssen wir Ihnen wieder zwangsweise Zutritt zu Ihrer Wohnung verschaffen?“
„Ich wäre Ihnen dankbar“, sagte ich.
„Kein Problem. Grüßen Sie Ihren Chef schön.“
Der Hauptwachtmeister nahm seine Tasse wieder auf.
„Haben Sie hier eigentlich schon eine Espressomaschine?“, fragte ich.
Mit bescheidenem Lächeln um die Mundwinkel schüttelte der Hauptwachtmeister den Kopf.
„Sauerei!“, sagte ich mit freundlichem Lächeln, „mein Chef erwähnte kürzlich, dass unsere Polizei nicht ausreichend ausgerüstet ist. Das sollte man ändern!“
„Gute Idee“, der Hauptwachtmeister schob seine Pistole ins Halfter, „ich denke, wir müssen mal wieder tätig werden! – Erwin, Show-Time!“
Gewissermaßen erleichtert, weil die Dame nicht im Taxi niedergekommen war, verließ ich die Wache und nahm Kurs auf den Bahnhof. Herrgott, ich hätte Herman fast vergessen! Schnell zur Pumpe. Ich kam nach zwanzig Minuten, also innerhalb der vereinbarten Zeit an, aber Herman war nicht mehr da.
„Der ist gerade mit Karl nach Hannover rein gefahren. Du bist ja nicht gekommen.“
Etwas deprimiert parkte ich mich beim Bahnhof ein, hinter `Bleifuß Bertram´. Der war gerade von Andrea gekommen, aber die Nummer mit dem Transvestiten im Frauennachttaxi war noch nicht ganz ausdiskutiert, zudem trug er sich tatsächlich mit dem Gedanken, seinem Chef das Ding mit der Rückwärtseinparkhilfe nahezulegen.
Glücklicherweise kam Gerrit entlang, stellte sein Taxi hinter meins und schnipste seine Zigarettenkippe in den Gully. Er traf immer, aus jeder Position des Taxenplatzes.
„Tja“, sagte Gerrit nachdem er ausgestiegen war, „ein Taxi hat nichts mit Fortbewegung zu tun. Der Sinn des Taxis ist, sich mit möglichst vielen Artgenossen auf dafür vorgesehenen, ausgezeichneten Flächen zu treffen. Dann steigen die Fahrer aus und führen hehre Gespräche, zum Beispiel darüber, was es alles soll.“
Gerrit war mein Freund aus der Taxiszene geworden. Er hatte mal Philosophie studiert und war nebenher Taxi gefahren. Nach seinem Studium ist er beim Taxifahren hängen geblieben. „Guck doch mal in die Zeitung“, pflegte er zu sagen, „wer sucht denn heutzutage noch einen Philosophen?“
Ruck, zuck waren wir beim Taxi im philosophischen Sinn, ich vertrat den Standpunkt, dass ein Taxi lediglich ein Verbund loser Teile ist, die einzig und alleine durch die Kunst des Fahrers zusammengehalten werden. Diese Teile sind beseelt und haben nichts anderes im Sinn, als den größtmöglichen Schaden an Physis und Psyche des Fahrers anzurichten, wobei sie von zumindest einigen Fahrgästen nach Kräften unterstützt werden.
"Taxifahren an sich macht ja Spaß; - wenn nur die Fahrgäste nicht währen", sagte ich.
Letzteres wollte und konnte Gerrit mir im philosophischen Sinn nicht widerlegen, aber heute kamen wir irgendwie auf die Überlegung, dass die Möglichkeit besteht, das wir lediglich die Träume eines großen, schlafenden Wesens sein könnten und wenn dieses aufwacht, hören wir sowieso alle auf zu existieren. So ähnlich fühlte ich mich auch, irgendwie schlafend, alles kam mir ein ganz klein bisschen surreal vor, und ich war noch am Nachdenken, da parkte `die weiße Gertrud´ ihr Taxi unvermittelt ein wenig schludrig hinter Gerrit und brach gnadenlos in unser Gespräch ein: „Kinnings, ich hab‘ den Beweis!“
„Den Beweis wofür?“, fragte Gerrit.
„Dass mein Mann eine andere hat!“ Gertruds Ohrgehänge schaukelten, was ihre aufgewühlte Gemütslage verriet.
„Erzähl!“, meinte Gerrit, während ich mich darauf beschränkte, die Stirn zu runzeln.
„Also, da waren doch letztens die Großmodellflugtage bei Steinwedel. Da ist er mit Benno hin. Aber Benno hatte abends vom ständigen Hochgucken einen Sonnenbrand im Gesicht, und Diether nicht! Da wird er wohl inzwischen bei einer anderen Frau gewesen sein!“
„Die hatten da sicher auch ein Bierzelt“, sagte ich, „vielleicht hat er da drin gesessen, das eine oder andere kühle Bier zu sich genommen und den Flugvorführungen von dort aus beigewohnt. Mit wessen Auto sind die gefahren?“
„Mit Bennos.“
Ich hätte Gertruds exorbitante Beweisführung gerne entkräftet, denn ich kenne Diether als Mann, der jeder Komplikation aus dem Wege geht und schon rot wird, wenn er ein Damenfahrrad sieht, aber aus dem nahen Restaurant kamen drei Paare.
Die wollten nach Immensen und die Damen bedauerten, dass kein Großraumtaxi zur Verfügung stand, weil sie doch so gerne alle gemeinsam nach Immensen zu fahren beabsichtigten, nachdem ihre Männer sie so großzügig zum Essen eingeladen hatten, und keines der Paare wollte sich trennen. Die Damen diskutierten ein Weilchen rum, wer denn mit `Bleifuß Bertram´ und wer mit mir fahren wollte, bis ich den Vorschlag machte, das `Bleifuß Bertram´ die Herren und ich die Damen per Frauennachttaxi nach Hause fahren würde.
Fand allgemeine Zustimmung, dieser Vorschlag, und die Herrschaften begannen an Bord zu gehen, bis auf ein Paar, das sich, eng umschlungen Küsse tauschend, nur ungern trennen wollte.
Schließlich, nachdem `Bleifuß Bertram´ mehrmals ungeduldig gehupt hatte, quetschte sich die junge Dame neben die anderen auf die Rückbank. Ihr junger Herr kam zu mir und nahm mir das Versprechen ab, extrem vorsichtig zu fahren, er würde diese Frau über alles lieben, und sie wäre das Kostbarste, was er hätte. Sie stieg noch mal aus und sie umschlangen sich erneut in unübersehbarer Leidenschaft.
Die Damen auf der Rückbank seufzten, und `Bleifuß Bertram´ kam entlang, die beiden zu trennen. Das klappte erst nachdem die beiden Herren in Bertrams Taxi bedrohlich zu brummeln begonnen hatten.
Die junge Dame warf ihrem Herrn tränenfeuchten Auges noch eine Kusshand zu und murmelte: „Blödes Arschloch!“, bevor ich des Taxis Tür hinter ihr schließen konnte, während der `Bleifuß Bertram´ bereits mit wimmernden Reifen startete und ich mich hinters Lenkrad setzte.
„Na, dann wollen wir uns doch auch mal auf den Weg machen“, ich drehte den Zündschlüssel, „nach Immensen sagten sie?“
„Quatsch“, murmelte die Dame in der Mitte, „bitte zur Disko!“
„Wieso Disko?“, die Dame, die sich schwer hatte von ihrem Herrn trennen können, „in Hämelerwald gibt’s einen Swingerclub, in dem auch einzelne Damen Zutritt haben! Da fahren wir jetzt hin!“
„Au ja“, jubelten die beiden anderen Damen, „das machen wir jetzt!“
„Entschuldigung meine Damen, aber ich weiß nicht, wo in Hämelerwald ein Swingerclub ist“, versuchte ich die Situation zu entschärfen. Das glaubten sie mir nicht und drohten an, eins der beiden anderen Taxis zu nehmen. Bei Gerrit war ich mir nicht ganz sicher, aber Gertrud hätte die Damen sicherlich mit voller Begeisterung zum Swingerclub gefahren.
Was half’s?
Nichts half’s!
Die Damen baten mich, im Fond des Taxis Licht zu machen und legten mächtig Rouge auf, bis ich vor dem Swingerclub ein kurvte. Keine der Damen wollte mir den Vordruck für das Frauennachttaxi ausfüllen, weil sie ihre Adresse dann hätte preisgeben müssen. Wieder war eine langatmige Diskussion fällig, bis eine Dame kichernd den Namen Anneliese erwähnte und das Formular grinsend ausfüllte.
Ich fuhr etwas deprimiert zurück. `Bleifuß Bertram´ war bereits wieder da und wollte wissen, wo ich solange geblieben wäre, die Herren waren sehr in Sorge.
„Die Damen haben spontan umdisponiert“, sagte ich, „sie wollten zweckbestimmt nach Hämelerwald um den Abend dortselbst möglicherweise orgastisch kulminieren zu lassen. Vielleicht ist es ein Naturgesetz, dass die Damen häufiger intuitiv umdisponieren als die Herren.“
„Was?“ `Bleifuß Bertram´ zeigte sich etwas erstaunt, doch er bekam eine Fahrt bevor er irgendwelche Fragen stellen konnte. Ich rückte vor, auf die Pole-Position und drehte das Radio etwas lauter. Fröhlicher Vivaldi, die vier Jahreszeiten. Langsam begann Müdigkeit hinter meine Augäpfel zu kriechen, jetzt, wo ich langsam zur Ruhe kam und ich lehnte mich zurück, die Musik genießen.
Ich kam nicht so recht zum Genießen, während des Sommers der vier Jahreszeiten stieg eine heftig nach hochprozentigen Drinks, schwarzen Zigaretten und Moschus duftende, rotgewandete Dame in Netzstümpfen und Stöckelschuhen unvermittelt ein und riss mich damit in die Realität zurück.
„Schöne Musik haben Sie! ‘hört man selten in einem Taxi. – ‘Am Birkenhain’ bitte!“
„Sehr gerne, Frau Doktor Gelbspötter. Haben wir denn wiederum ein wenig der Völlerei gefrönt?“
„Ach, Sie sind’s wieder! Sie wissen doch, dass ich mir einmal im Monat einen freien Abend gönne ... wenn es die Hormone fordern.“
„Gewiss, gnädige Frau. Ich bin Taxifahrer! Nichts Menschliches ist mir fremd.“
Ich hatte Frau Doktor Gelbspötter bereits einige Male gefahren, sie ist Dr. Phil., beantwortet in einer feministischen Zeitschrift die Leserbriefe, arbeitet in einer Partnervermittlung und gönnt sich hin und wieder mal einen ‘freien Abend’.
Ich brachte sie heim, sie füllte mir den Vordruck für das Frauennachttaxi aus, während sie einen sauren Bonbon lutschte, gab mir einen Fünfer, und ich geleitete sie mit meiner Taschenlampe zum Hauseingang.
„Das ist aber nett, dass Sie mich zur Tür bringen! Sie sollten hin und wieder etwas tun, was konträr zu dem steht, was sie die meiste Zeit des Tages tun“, sagte sie mit etwas schwerer Zunge, „sonst kann es zur Verwirrungen kommen. Es muss aber etwas sein, was Sie können, was Sie gelernt haben.“
„Ich werde es selbstredend beherzigen, Frau Doktor. Morgen gehe ich schwimmen.“
„Da tun Sie gut dran!“
Sie ging hinein und schloss die Tür.
Das war’s. Keine Komplikation, kein Stress. Seltsam.

‘Immer wenn man glaubt,
alles läuft nach Plan,
hat man etwas übersehen’,
dachte ich und fuhr langsam zum Bahnhof zurück.
 

Lord Nelson

Mitglied
Hallo Hagen,

eine schöne Serie - ich hatte ja keine Ahnung, was so ein Taxifahrer alles erlebt!

Neben den skurrilen Ideen und vergnüglichen Dialogen lernt man so nach und nach auch die den kleinen Mikrokosmos bevölkernde Rasselbande schräger Individuen mit den tollen Namen wertzuschätzen. So hat es mich gefreut, in dieser Episode die Frau Dr. Gelbspötter wieder”sehen” zu dürfen.

Auch die Philosophie kommt nicht zu kurz. Freu mich schon auf die nächste Folge!


Diesmal hab ich ein paar Anmerkungen:
"Taxifahren an sich macht ja Spaß; - wenn nur die Fahrgäste nicht [red]währen[/red]", sagte ich.
Ich kenne zwar das Verb einkurven nicht, aber wenn schon frei erfunden, dann hätte ich’s zusammen geschrieben:
bis ich vor dem Swingerclub [red]ein kurvte[/red].
Sie in der Anrede:
Sie sollten hin und wieder etwas tun, was konträr zu dem steht, was [red]sie[/red] die meiste Zeit des Tages tun“,
Trennstrich:
wieder[red]-[/red]kommen
Künstlerische Freiheit?
und ich lehnte mich zurück, [red]die Musik genießen[/red].
Viele Grüße
Lord Nelsoon
 

Hagen

Mitglied
Nachtschicht

Die Nacht, die bereits vor geraumer Zeit begonnen hatte, sich über die hiesigen Breitengrade zu wälzen, zeigte sich von ihrer mysteriösen Seite. Eine Sternschnuppe ging nieder, aber ich kam nicht dazu, mir etwas zu wünschen, denn plötzlich, wie aus dem Nichts erschienen, saß eine Frau auf der Rückbank.
„Bitte zum Verwirklichungstreffen.“
Ich hatte keine Tür klappen gehört, keine Bewegung des Taxis wahrgenommen. Aber sie war da, ich konnte sie im Rückspiegel sehen.
„Möchten Sie einen sauren Bonbon?“
Ich reichte ihr die Tüte nach hinten.
„Oh, danke.“
Ich spürte ihre Finger als sie in die Tüte griff.
„Zum Verwirklichungstreffen bitte!“
„Sehr gerne. – Verraten Sie mir bitte, wo das Verwirklichungstreffen stattfindet?“
Sie war der Ansicht, dass ich wissen müsste, wo das Verwirklichungstreffen stattfände, aber ich erzählte ihr, dass ich Wiedertäufer sei. Das akzeptierte sie und wollte als Alternative zum Verwirklichungstreffen zur Pumpe gefahren werden.
„Ganz wie Sie wünschen.“ Ich startete den Motor.
„Sie sind Wiedertäufer, sagten Sie? Dann darf ich Sie doch sicher mal um Ihre Meinung bitten.“
„Worum geht’s?“
„Hier“, sie knöpfte ihre Bluse auf, „wie finden Sie sie? Ich hab sie mir vergrößern lassen, von B auf D!“
Sie reckte mir ihre Brüste entgegen, auf der oberen Hälfte ihrer rechten Brust war eine Schlange tätowiert, eine Kobra, halb aufgerichtet, als schütze sie die Brüste wie die Tugend einer Jungfrau. Die Schlange schlängelte sich über die Schulter, den Oberarm herab und endete knapp über dem Handgelenk der jungen Dame.
„Ich nehme an, Sie meinen nicht das Reptil.“
„Nein, ich meine nicht die Schlange!“
„Exzellent! Um nicht zu sagen: Faszinierend, gnädiger Frau! Aber hätten Sie die Güte, sich wieder zuzuknöpfen? Ich möchte irgendwelchen Gerüchten keinen Vorschub leisten!“
„Nein, nein, aber irgendetwas Seltsames ist damit passiert. Würden Sie sie mal anfassen?“
„Aber gnädige Frau!“
„Bitte.“
„Natürlich gerne, aber nicht, dass ein falscher Eindruck entsteht ...“
„Nein, nein, keine Sorge. Fassen Sie sie ruhig mal an.“
„Na gut, ganz wie Sie wünschen.“
Ganz vorsichtig versuchte ich die Haut über den Knospen ihrer Brüste zu streicheln, aber meine Fingerspitzen glitten ins Leere. Erst nach einigen Zentimetern verspürte ich samtweichen Widerstand. Die Kobra erschien mir plötzlich dreidimensional, sie drehte den Kopf und züngelte mir entgegen. Ich zog meine Hand zurück. Die Kobra ruhte sofort wieder auf ihrem Busen wie Anna-Karenina, meine Katze, daheim auf ihrem Kissen.
„Sehen Sie, das passiert seit der Vergrößerung immer, wenn ein wahrhaft aufrechter Mann versucht, sie zu liebkosen“, seufzte die Dame und schloss ihre Bluse, „nur die ursprüngliche Größe ist wahrzunehmen.“
„Sind Sie sicher, dass Sie nicht die Schlange meinen?“
„Ich meine nicht die Schlange! Die habe ich erst nach der Operation tätowieren lassen!“
Mit einem etwas seltsamen Gefühl in der Magengegend brachte ich sie zur Pumpe. Da saß Herman an der Theke. Er wollte ganz schnell nach Hannover rein und mir unbedingt vorher einen ausgeben, weil ich ihn am Donnerstag, als er so betrunken war, nicht nach Hannover gefahren hatte.
„Grundsätzlich können wir mal einen zusammen trinken, aber nicht heute. Ich gehe mal schnell für Königstiger, und dann fahren wir.“
Herman nickte das ab und ich suchte das kleine Gewölbe auf, wusch mir anschließend ausgiebig die Hände und kehrte zu Herman an der Theke zurück.
„Können wir denn?“
„Jetzt habe ich mir noch ein Bier bestellt. Da musst du in einer halben Stunde wieder-kommen.“
‚Idiot!’ dachte ich und sagte laut: „Okay, eine halbe Stunde. Plus minus fünf Minuten. Bis dahin.“
„Bis dahin! Dann fahre ich mit dir nach Hannover, ist versprochen.“
Beim Rausgehen zupfte mich jemand am Ärmel.
Die wohlbeleibte Dame, die ich vor ungefähr zwei Stunden zur Schwangerschaftsgymnastik gefahren hatte und die freudig ihrer Niederkunft entgegen sah, saß an der Theke. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt erweckte sie dezent den Anschein, als wäre sie alternativ zur Schwangerschaftsgymnastik in dieses Lokal gegangen, was dazu beigetragen hatte, das ihr die Kontrolle über sich ein ganz klein wenig zu entgleiten drohte.
Doch ich sah mich grausam getäuscht. Sie war betrunken und gab mir die Schuld daran, weil ich sie nicht zur Schwangerschaftsgymnastik begleitet hatte, die eigentlich töricht war, weil sie bereits unmittelbar vor ihrer schweren Stunde stand, und ich sowieso ein Macho und Chauvinist sei, und ob ich denn eine Tätowierung hätte.
„Nein, ich habe keine Tätowierung.“
„Gut, dann darfst du mich jetzt nach Hause bringen!“
Ich sah zwar keinen direkten Zusammenhang, brachte sie trotzdem heim. Dort war sie nur schwer davon abzubringen, meine Aussage, was die Tätowierung betraf, zu überprüfen. Hernach brachte ich sie zur Haustür, doch in dieser stand bereits ein Mann, blähte kurz die Nüstern und sagte: „Die nehmen Sie mal wieder mit, die ist ja betrunken! Die will ich hier nicht haben!“
Sprach’s und schlug die Tür zu.
„Wissen Sie“, sagte ich zu der Frau als wir wieder zum Taxi gingen, „ich möchte einmal, nur ein einziges Mal, eine Nachtschicht fahren, in der ich die Fahrgäste von A nach B fahre, und damit gut. – Was machen wir jetzt? Haben Sie einen Liebhaber, eine Geliebte, einen Freund oder eine Freundin, wo ich Sie hinfahren könnte?“
„Nein. – Es sei denn Sie gewähren mir nur für diese Nacht ...“ Ich hielt ihr des Taxis Tür auf. Sie stieg ein. Ich ging um den Wagen herum und setzte mich wieder hinter das Lenkrad.
„Sie werden sich kaum mit Anna-Karenina vertragen, meine momentane Lebensgefährtin. Sie kann sehr kratzig werden wenn sich bei mir jemand anders ausbreitet.“
„Ich verstehe“, sie drückte mir fünfzehn Euro in die Hand, ich nullte das Taxameter, „dann fahren Sie mich eben zur Polizei.“
Dort schoben die Herren Dienst, die kürzlich die beiden von meinem Chef und mir bereits fachmännisch zusammengeschlagenen Herren übernommen hatten, denen es nicht gelungen war, sich gewaltsam meines Wechselgeldes zu bemächtigen. Aber das ist eine andere Geschichte.
„Guten Abend Frau Vollendorf“, der Hauptwachtmeister setzte seine Kaffeetasse ab, „müssen wir Ihnen wieder zwangsweise Zutritt zu Ihrer Wohnung verschaffen?“
„Ich wäre Ihnen dankbar“, sagte ich.
„Kein Problem. Grüßen Sie Ihren Chef schön.“
Der Hauptwachtmeister nahm seine Tasse wieder auf.
„Haben Sie hier eigentlich schon eine Espressomaschine?“, fragte ich.
Mit bescheidenem Lächeln um die Mundwinkel schüttelte der Hauptwachtmeister den Kopf.
„Sauerei!“, sagte ich mit freundlichem Lächeln, „mein Chef erwähnte kürzlich, dass unsere Polizei nicht ausreichend ausgerüstet ist. Das sollte man ändern!“
„Gute Idee“, der Hauptwachtmeister schob seine Pistole ins Halfter, „ich denke, wir müssen mal wieder tätig werden! – Erwin, Show-Time!“
Gewissermaßen erleichtert, weil die Dame nicht im Taxi niedergekommen war, verließ ich die Wache und nahm Kurs auf den Bahnhof. Herrgott, ich hätte Herman fast vergessen! Schnell zur Pumpe. Ich kam nach zwanzig Minuten, also innerhalb der vereinbarten Zeit an, aber Herman war nicht mehr da.
„Der ist gerade mit Karl nach Hannover rein gefahren. Du bist ja nicht gekommen.“
Etwas deprimiert parkte ich mich beim Bahnhof ein, hinter `Bleifuß Bertram´. Der war gerade von Andrea gekommen, aber die Nummer mit dem Transvestiten im Frauennachttaxi war noch nicht ganz ausdiskutiert, zudem trug er sich tatsächlich mit dem Gedanken, seinem Chef das Ding mit der Rückwärtseinparkhilfe nahezulegen.
Glücklicherweise kam Gerrit entlang, stellte sein Taxi hinter meins und schnipste seine Zigarettenkippe in den Gully. Er traf immer, aus jeder Position des Taxenplatzes.
„Tja“, sagte Gerrit nachdem er ausgestiegen war, „ein Taxi hat nichts mit Fortbewegung zu tun. Der Sinn des Taxis ist, sich mit möglichst vielen Artgenossen auf dafür vorgesehenen, ausgezeichneten Flächen zu treffen. Dann steigen die Fahrer aus und führen hehre Gespräche, zum Beispiel darüber, was es alles soll.“
Gerrit war mein Freund aus der Taxiszene geworden. Er hatte mal Philosophie studiert und war nebenher Taxi gefahren. Nach seinem Studium ist er beim Taxifahren hängen geblieben. „Guck doch mal in die Zeitung“, pflegte er zu sagen, „wer sucht denn heutzutage noch einen Philosophen?“
Ruck, zuck waren wir beim Taxi im philosophischen Sinn, ich vertrat den Standpunkt, dass ein Taxi lediglich ein Verbund loser Teile ist, die einzig und alleine durch die Kunst des Fahrers zusammengehalten werden. Diese Teile sind beseelt und haben nichts anderes im Sinn, als den größtmöglichen Schaden an Physis und Psyche des Fahrers anzurichten, wobei sie von zumindest einigen Fahrgästen nach Kräften unterstützt werden.
"Taxifahren an sich macht ja Spaß; - wenn nur die Fahrgäste nicht währen", sagte ich.
Letzteres wollte und konnte Gerrit mir im philosophischen Sinn nicht widerlegen, aber heute kamen wir irgendwie auf die Überlegung, dass die Möglichkeit besteht, das wir lediglich die Träume eines großen, schlafenden Wesens sein könnten und wenn dieses aufwacht, hören wir sowieso alle auf zu existieren. So ähnlich fühlte ich mich auch, irgendwie schlafend, alles kam mir ein ganz klein bisschen surreal vor, und ich war noch am Nachdenken, da parkte `die weiße Gertrud´ ihr Taxi unvermittelt ein wenig schludrig hinter Gerrit und brach gnadenlos in unser Gespräch ein: „Kinnings, ich hab‘ den Beweis!“
„Den Beweis wofür?“, fragte Gerrit.
„Dass mein Mann eine andere hat!“ Gertruds Ohrgehänge schaukelten, was ihre aufgewühlte Gemütslage verriet.
„Erzähl!“, meinte Gerrit, während ich mich darauf beschränkte, die Stirn zu runzeln.
„Also, da waren doch letztens die Großmodellflugtage bei Steinwedel. Da ist er mit Benno hin. Aber Benno hatte abends vom ständigen Hochgucken einen Sonnenbrand im Gesicht, und Diether nicht! Da wird er wohl inzwischen bei einer anderen Frau gewesen sein!“
„Die hatten da sicher auch ein Bierzelt“, sagte ich, „vielleicht hat er da drin gesessen, das eine oder andere kühle Bier zu sich genommen und den Flugvorführungen von dort aus beigewohnt. Mit wessen Auto sind die gefahren?“
„Mit Bennos.“
Ich hätte Gertruds exorbitante Beweisführung gerne entkräftet, denn ich kenne Diether als Mann, der jeder Komplikation aus dem Wege geht und schon rot wird, wenn er ein Damenfahrrad sieht, aber aus dem nahen Restaurant kamen drei Paare.
Die wollten nach Immensen und die Damen bedauerten, dass kein Großraumtaxi zur Verfügung stand, weil sie doch so gerne alle gemeinsam nach Immensen zu fahren beabsichtigten, nachdem ihre Männer sie so großzügig zum Essen eingeladen hatten, und keines der Paare wollte sich trennen. Die Damen diskutierten ein Weilchen rum, wer denn mit `Bleifuß Bertram´ und wer mit mir fahren wollte, bis ich den Vorschlag machte, das `Bleifuß Bertram´ die Herren und ich die Damen per Frauennachttaxi nach Hause fahren würde.
Fand allgemeine Zustimmung, dieser Vorschlag, und die Herrschaften begannen an Bord zu gehen, bis auf ein Paar, das sich, eng umschlungen Küsse tauschend, nur ungern trennen wollte.
Schließlich, nachdem `Bleifuß Bertram´ mehrmals ungeduldig gehupt hatte, quetschte sich die junge Dame neben die anderen auf die Rückbank. Ihr junger Herr kam zu mir und nahm mir das Versprechen ab, extrem vorsichtig zu fahren, er würde diese Frau über alles lieben, und sie wäre das Kostbarste, was er hätte. Sie stieg noch mal aus und sie umschlangen sich erneut in unübersehbarer Leidenschaft.
Die Damen auf der Rückbank seufzten, und `Bleifuß Bertram´ kam entlang, die beiden zu trennen. Das klappte erst nachdem die beiden Herren in Bertrams Taxi bedrohlich zu brummeln begonnen hatten.
Die junge Dame warf ihrem Herrn tränenfeuchten Auges noch eine Kusshand zu und murmelte: „Blödes Arschloch!“, bevor ich des Taxis Tür hinter ihr schließen konnte, während der `Bleifuß Bertram´ bereits mit wimmernden Reifen startete und ich mich hinters Lenkrad setzte.
„Na, dann wollen wir uns doch auch mal auf den Weg machen“, ich drehte den Zündschlüssel, „nach Immensen sagten sie?“
„Quatsch“, murmelte die Dame in der Mitte, „bitte zur Disko!“
„Wieso Disko?“, die Dame, die sich schwer hatte von ihrem Herrn trennen können, „in Hämelerwald gibt’s einen Swingerclub, in dem auch einzelne Damen Zutritt haben! Da fahren wir jetzt hin!“
„Au ja“, jubelten die beiden anderen Damen, „das machen wir jetzt!“
„Entschuldigung meine Damen, aber ich weiß nicht, wo in Hämelerwald ein Swingerclub ist“, versuchte ich die Situation zu entschärfen. Das glaubten sie mir nicht und drohten an, eins der beiden anderen Taxis zu nehmen. Bei Gerrit war ich mir nicht ganz sicher, aber Gertrud hätte die Damen sicherlich mit voller Begeisterung zum Swingerclub gefahren.
Was half’s?
Nichts half’s!
Die Damen baten mich, im Fond des Taxis Licht zu machen und legten mächtig Rouge auf, bis ich vor dem Swingerclub ein kurvte. Keine der Damen wollte mir den Vordruck für das Frauennachttaxi ausfüllen, weil sie ihre Adresse dann hätte preisgeben müssen. Wieder war eine langatmige Diskussion fällig, bis eine Dame kichernd den Namen Anneliese erwähnte und das Formular grinsend ausfüllte.
Ich fuhr etwas deprimiert zurück. `Bleifuß Bertram´ war bereits wieder da und wollte wissen, wo ich solange geblieben wäre, die Herren waren sehr in Sorge.
„Die Damen haben spontan umdisponiert“, sagte ich, „sie wollten zweckbestimmt nach Hämelerwald um den Abend dortselbst möglicherweise orgastisch kulminieren zu lassen. Vielleicht ist es ein Naturgesetz, dass die Damen häufiger intuitiv umdisponieren als die Herren.“
„Was?“ `Bleifuß Bertram´ zeigte sich etwas erstaunt, doch er bekam eine Fahrt bevor er irgendwelche Fragen stellen konnte. Ich rückte vor, auf die Pole-Position und drehte das Radio etwas lauter. Fröhlicher Vivaldi, die vier Jahreszeiten. Langsam begann Müdigkeit hinter meine Augäpfel zu kriechen, jetzt, wo ich langsam zur Ruhe kam und ich lehnte mich zurück, um die Musik zu genießen.
Ich kam nicht so recht zum Genießen, während des Sommers der vier Jahreszeiten stieg eine heftig nach hochprozentigen Drinks, schwarzen Zigaretten und Moschus duftende, rotgewandete Dame in Netzstümpfen und Stöckelschuhen unvermittelt ein und riss mich damit in die Realität zurück.
„Schöne Musik haben Sie! ‘hört man selten in einem Taxi. – ‘Am Birkenhain’ bitte!“
„Sehr gerne, Frau Doktor Gelbspötter. Haben wir denn wiederum ein wenig der Völlerei gefrönt?“
„Ach, Sie sind’s wieder! Sie wissen doch, dass ich mir einmal im Monat einen freien Abend gönne ... wenn es die Hormone fordern.“
„Gewiss, gnädige Frau. Ich bin Taxifahrer! Nichts Menschliches ist mir fremd.“
Ich hatte Frau Doktor Gelbspötter bereits einige Male gefahren, sie ist Dr. Phil., beantwortet in einer feministischen Zeitschrift die Leserbriefe, arbeitet in einer Partnervermittlung und gönnt sich hin und wieder mal einen ‘freien Abend’.
Ich brachte sie heim, sie füllte mir den Vordruck für das Frauennachttaxi aus, während sie einen sauren Bonbon lutschte, gab mir einen Fünfer, und ich geleitete sie mit meiner Taschenlampe zum Hauseingang.
„Das ist aber nett, dass Sie mich zur Tür bringen! Sie sollten hin und wieder etwas tun, was konträr zu dem steht, was sie die meiste Zeit des Tages tun“, sagte sie mit etwas schwerer Zunge, „sonst kann es zur Verwirrungen kommen. Es muss aber etwas sein, was Sie können, was Sie gelernt haben.“
„Ich werde es selbstredend beherzigen, Frau Doktor. Morgen gehe ich schwimmen.“
„Da tun sie gut dran!“
Sie ging hinein und schloss die Tür.
Das war’s. Keine Komplikation, kein Stress. Seltsam.

‘Immer wenn man glaubt,
alles läuft nach Plan,
hat man etwas übersehen’,
dachte ich und fuhr langsam zum Bahnhof zurück.
 

Hagen

Mitglied
Hallo Lord Nelson,
zunächst erstmal vielen Dank für die Beschäftigung mit meinem Text.
Hauptsache es hat Dir Spaß gemacht.
Das Ding ist keine Serie, sondern Ausschnitte aus einem meiner Bücher, welche der Moon House Publishing mir versaut hat.
Hin und wieder taucht in dem Roman auch eine 'mystische Frau' auf.
Wer's mag mag's mögen.

Schaue doch mal im Forum Lupanum herein, bei
Warnung vor Moon House Publishing
dann kannst Du meinen Zorn in etwa nachfühlen.
Nichts desto Trotz,

Wir lesen uns!

Herzlichst
yours Hagen

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„Wer seine Geschichte nicht erzählen kann, existiert nicht.”
(Salman Rushdie)
 



 
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