Nachtwind (surreal)

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Joh

Mitglied
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Nachtwind



Er liebte seine Gewohnheiten wie sein Frühstücksei, und ließ die Tage eintönig zerfließen. Ihr war oft, als vertrocknete ihr beider Leben genauso, wie seine Phantasie. Sie sehnte sich nach etwas anderem, ertrug das Eingesperrtsein schon lange nicht mehr. Ahnte nur, was die Welt dort draußen bereit halten mochte. Jedoch reichte ihr dieses vage Versprechen.

Eines Nachts, als er schnarchend dalag, war es soweit. Sie trieb ihn in unruhige und immer wildere Träume, bis er sich schwitzend zwischen Laken und Decke wand. Da sprang sie mit einem Satz aus ihm heraus. Sie fand einen winzigen Spalt zwischen Fenster und Rahmen und ließ sich vom frösteligen Nachtwind davontragen.

Sie hatte ihr Leben in seinem Innern verbracht, geschützt und behaglich mit seinem Fleisch verbunden. Doch das war nun vorbei. Es rollten einige wehmütige Tränen, oder waren sie ihr durch den Wind aus den Augen getrieben?

Sie ließ sich von heißer Kaminluft in den Nachthimmel trudeln und jauchzte vergnügt. Lichtinseln erblühten auf dunklen Häuserfronten. Sie erspürte hinter den Mauern das Lachen, Erregendes verwirbelten sich mit ihr noch unbekannten Gefühlen. Sie nahm die Fährte auf, kostete hier einen Gedanken, tauchte ein in wollüstiges Stöhnen. Tastete sich vorsichtig durch einen vernebelten Geist, der sie jedoch so verwirrte, daß sie es kaum ertrug und rasch von ihm ließ. Warme, rhythmische Klänge, die nach Hormonen dufteten, zogen sie an. Sie ließ sich von einem Tanzenden zum nächsten treiben. Weiter durch das Dunkel zu traurigen Fetzen, die sie riefen. Sachte drang sie ein, bis auch sie überfloß von unvergossenen Tränen, da ließ sie die Beiden allein.

Der Morgen dämmerte schon, als sie müde über den Hafen schwebte. Die Sonne war noch blaß wie der Mond. Obwohl sie zum bersten angefüllt war, fühlte sie sich seltsam leer. Verwirrt suchte sie und fand erstaunt Sehnsucht nach dem Einen, dem Vertrauten.

Als sie zögernd durch die Wohnung schlich, wusch er sich gerade die Nacht herunter. Sie sah in sein Gesicht, in das Sorgen und Nöte tiefe Furchen gedrückt hatten. Behutsam schlüpfte sie in ihn hinein, umarmte ihn zärtlich und vertrieb mit einem warmen Hauch den Alb der Nacht.


J.P.
11.2007
 
N

nobody

Gast
Gefällt mir sehr gut. Ich habe die Geschichte in Gedanken mal in die Gegenwart gesetzt, also ab dem zweiten Absatz: "...eines Nachts, als er schnarchend [blue]daliegt[/blue], [blue]ist [/blue]es soweit ..."
Das würde mich viel unmittelbarer ansprechen, mich direkt in das Geschehen bringen...
LG Franz
 

Joh

Mitglied
Hallo Franz,

ich freue mich sehr über Dein Lob :). Dein Vorschlag ist sehr gut, ich habe ihn gleich umgesetzt.

ein Gruß an Dich, Johanna
 

Joh

Mitglied
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Nachtwind



Er liebte seine Gewohnheiten wie sein Frühstücksei, und ließ die Tage eintönig zerfließen. Ihr war oft, als vertrocknete ihr beider Leben genauso, wie seine Phantasie. Sie sehnte sich nach etwas anderem, ertrug das Eingesperrtsein schon lange nicht mehr. Ahnte nur, was die Welt dort draußen bereit halten mochte. Jedoch reichte ihr dieses vage Versprechen.

Eines Nachts, als er schnarchend daliegt, ist es soweit. Sie treibt ihn in unruhige und immer wildere Träume, bis er sich schwitzend zwischen Laken und Decke windet. Da springt sie mit einem Satz aus ihm heraus. Sie findet einen winzigen Spalt zwischen Fenster und Rahmen und läßt sich vom frösteligen Nachtwind davontragen.

Sie hatte ihr Leben in seinem Innern verbracht, geschützt und behaglich mit seinem Fleisch verbunden. Doch das ist nun vorbei. Es rollen einige wehmütige Tränen, oder waren sie ihr durch den Wind aus den Augen getrieben?

Sie läßt sich von heißer Kaminluft in den Nachthimmel trudeln und jauchzt vergnügt. Lichtinseln erblühten auf dunklen Häuserfronten. Sie erspürt hinter den Mauern das Lachen, Erregendes verwirbelt sich mit ihr noch unbekannten Gefühlen. Sie nimmt die Fährte auf, kostet hier einen Gedanken, taucht ein in wollüstiges Stöhnen. Tastet sich vorsichtig durch einen vernebelten Geist, der sie jedoch so verwirrt, daß sie es kaum erträgt und rasch von ihm läßt. Warme, rhythmische Klänge, die nach Hormonen duften, ziehen sie an. Sie läßt sich von einem Tanzenden zum nächsten treiben. Weiter durch das Dunkel zu traurigen Fetzen, die sie rufen. Sachte dringt sie ein, bis auch sie überfließt von unvergossenen Tränen, da läßt sie die Beiden allein.

Der Morgen dämmert schon, als sie müde über den Hafen schwebt. Die Sonne ist noch blaß wie der Mond. Obwohl sie zum bersten angefüllt ist, fühlt sie sich seltsam leer. Verwirrt sucht sie und findet erstaunt Sehnsucht nach dem Einen, dem Vertrauten.

Als sie zögernd durch die Wohnung schleicht, wäscht er sich gerade die Nacht herunter. Sie sieht in sein Gesicht, in das Sorgen und Nöte tiefe Furchen gedrückt haben. Behutsam schlüpft sie in ihn hinein, umarmt ihn zärtlich und vertreibt mit einem warmen Hauch den Alb der Nacht.


J.P.
11.2007
 
N

nobody

Gast
Das liest sich für mich jetzt tatsächlich besser. Sprachlich sind mir an folgendem Absatz noch zwei Kleinigkeiten aufgefallen, die mich etwas rausgeworfen haben:
"Sie hatte ihr Leben in seinem Innern verbracht, geschützt und behaglich mit seinem Fleisch verbunden. Doch das ist nun vorbei. Es rollen einige wehmütige Tränen, oder waren sie ihr durch den Wind aus den Augen getrieben?"

Einmal das Wort "Fleisch". Das klingt so - ich weiß nicht recht. Ob sich vielleicht ein anderer Ausdruck dafür finden ließe? Mit seinem ICH verbunden? Oder ob man "mit seinem Fleisch verbunden" ganz wegläßt?

Zum anderen dieses "oder waren sie ihr durch den Wind..." Vielleicht den Wind aktiv agieren lassen, z. B. "oder hatte sie ihr der Wind aus den Augen getrieben?"

Schade, dass solche Kurzprosa meistens irgendwo in der Schublade verschwindet. Aber vielleicht machst du es auch so wie ich: Diese "Schnipsel" verwende ich manchmal, um sie in längere Geschichten einzubauen, und gelegentlich ist dann das Ergebnis mehr als die Summe seiner Teile...

LG Franz
 

Joh

Mitglied
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Nachtwind



Er liebte seine Gewohnheiten wie sein Frühstücksei, und ließ die Tage eintönig zerfließen. Ihr war oft, als vertrocknete ihr beider Leben genauso, wie seine Phantasie. Sie sehnte sich nach etwas anderem, ertrug das Eingesperrtsein schon lange nicht mehr. Ahnte nur, was die Welt dort draußen bereit halten mochte. Jedoch reichte ihr dieses vage Versprechen.

Eines Nachts, als er schnarchend daliegt, ist es soweit. Sie treibt ihn in unruhige und immer wildere Träume, bis er sich schwitzend zwischen Laken und Decke windet. Da springt sie mit einem Satz aus ihm heraus. Sie findet einen winzigen Spalt zwischen Fenster und Rahmen und läßt sich vom frösteligen Nachtwind davontragen.

Sie hatte ihr Leben in seinem Innern verbracht, geschützt und behaglich mit seinem Ich verbunden. Doch das ist nun vorbei. Es rollen einige wehmütige Tränen, oder hatte sie der Wind aus ihren Augen getrieben?

Sie läßt sich von heißer Kaminluft in den Nachthimmel trudeln und jauchzt vergnügt. Lichtinseln erblühten auf dunklen Häuserfronten. Sie erspürt hinter den Mauern das Lachen, Erregendes verwirbelt sich mit ihr noch unbekannten Gefühlen. Sie nimmt die Fährte auf, kostet hier einen Gedanken, taucht ein in wollüstiges Stöhnen. Tastet sich vorsichtig durch einen vernebelten Geist, der sie jedoch so verwirrt, daß sie es kaum erträgt und rasch von ihm läßt. Warme, rhythmische Klänge, die nach Hormonen duften, ziehen sie an. Sie läßt sich von einem Tanzenden zum nächsten treiben. Weiter durch das Dunkel zu traurigen Fetzen, die sie rufen. Sachte dringt sie ein, bis auch sie überfließt von unvergossenen Tränen, da läßt sie die Beiden allein.

Der Morgen dämmert schon, als sie müde über den Hafen schwebt. Die Sonne ist noch blaß wie der Mond. Obwohl sie zum bersten angefüllt ist, fühlt sie sich seltsam leer. Verwirrt sucht sie und findet erstaunt Sehnsucht nach dem Einen, dem Vertrauten.

Als sie zögernd durch die Wohnung schleicht, wäscht er sich gerade die Nacht herunter. Sie sieht in sein Gesicht, in das Sorgen und Nöte tiefe Furchen gedrückt haben. Behutsam schlüpft sie in ihn hinein, umarmt ihn zärtlich und vertreibt mit einem warmen Hauch den Alb der Nacht.


J.P.
11.2007
 

Joh

Mitglied
Hallo Franz,

es macht Spaß mit Dir an dem Text zu arbeiten, Du findest die Steinchen, ohne meinen Stil zu verfälschen.

Ich schreibe eigentlich keine längeren Texte mehr, ich habe es öfter versucht, und irgendwann ist mir klar geworden, daß mir Kurzprosa am meisten liegt. Jetzt sammle ich die Geschichten und stecke sie in ein Buch, alle paar Jahre gibt es ein neues Bändchen ;).

LG Johanna
 
K

KaGeb

Gast
Hallo Johanna,

eine empfindungsstarke Sequenz hast Du da geschrieben, die mir gut gefällt. Dennoch lese ich (für mich) ein paar Ungereimtheiten heraus. Dein Einverständnis vorausgesetzt anbei ein paar Anmerkungen zu Deinem Text:
(rot = Anmerkungen, blau = Vorschläge zum Text)

Er liebte seine Gewohnheiten wie sein Frühstücksei, und ließ die Tage eintönig zerfließen.
[red]Hier würde ich ebenso im Präsens schreiben, er ist ja nicht tot und seine Gewohnheiten ändert er sicher auch nicht. Muss das Frühstücksei sein? Mit Gewohnheiten drückst Du ja seine Regelmäßigkeiten bereits aus.[/red]

Ihr war oft, als vertrocknete ihr beider Leben genauso, wie seine Phantasie.
[red]lieber Präsens?[/red] [blue]"Fantasie"[/blue]
[red]Vielleicht:[/red]
[blue]Oft hat sie das Gefühl, als vertrocknete ihr Leben in seiner Fantasie.[/blue]

Sie sehnte sich nach etwas anderem, ertrug das Eingesperrtsein schon lange nicht mehr. Ahnte nur, was die Welt dort draußen bereit halten mochte. Jedoch reichte ihr dieses vage Versprechen.
[red]Sie erträgt doch das Eingesperrt sein. Vielleicht ähnliches wie:[/red] ... [blue]hasste es, eingesperrt zu sein.[/blue]

Eines Nachts, als er schnarchend daliegt,
([red]eines ist mir nicht deutlich genug, schreib doch lieber:[/red] [blue]heute schnarcht er wieder[/blue])

Sie treibt ihn in unruhige und immer wildere Träume, bis er sich schwitzend zwischen Laken und Decke windet.
[red]Das Bild vermag ich mir nicht richtig vorzustellen. Finde ich (persönlich) zu konstruiert.[/red]

Da springt sie mit einem Satz aus ihm heraus. Sie findet einen winzigen Spalt zwischen Fenster und Rahmen und läßt sich vom frösteligen Nachtwind davontragen.[/quote]

[red]Auch das ist (für mich) zu bildlich. Besser Metaphern?
Vorschlag:[/red]
[blue]Da entflieht sie seinen Träumen, lässt sich vom frostigen Nachtwind davontragen. [/blue]

Sie hatte ihr Leben in seinem Innern verbracht, geschützt und behaglich mit seinem Ich verbunden.
[red]Passt meiner Meinung nach nicht zu Deinem vorherigen Gefühl des Eingesperrt seins. Würde ich löschen. [/red]

Doch das ist nun vorbei. Es rollen einige wehmütige Tränen, oder hatte sie der Wind aus ihren Augen getrieben? [red](lieber Präsens?, m.M.n. auch zu viel)[/red]

Sie läßt [blue](lässt)[/blue] sich von heißer Kaminluft in den Nachthimmel trudeln und jauchzt vergnügt. Lichtinseln erblüh[strike][blue]t[/blue][/strike]en auf dunklen Häuserfronten.

Tastet sich vorsichtig durch einen vernebelten Geist, der sie jedoch so verwirrt, daß sie es kaum erträgt und rasch von ihm läßt [blue]lässt[/blue].

Der Morgen dämmert schon, als sie müde über den Hafen schwebt. Die Sonne ist noch blaß [blue]blass[/blue] wie der Mond.

Als sie zögernd durch die Wohnung schleicht, wäscht er sich gerade die Nacht herunter ([blue]ab[/blue]). Sie sieht in sein Gesicht, in das Sorgen und Nöte tiefe Furchen gedrückt haben. Behutsam schlüpft sie in ihn hinein, umarmt ihn zärtlich und vertreibt mit einem warmen Hauch den Alb der Nacht.
[red]Es war doch kein Alb, sondern ein schönes Erlebnis für sie. [/red]

Liebe Grüße, KaGeb
 

Joh

Mitglied
Hallo Karsten,

vielen Dank erst einmal für Deine Mühe, und es freut mich, daß Dir mein Text gefällt.

Doch mit den vielen Änderungen in meinem kurzen Text kann ich mich leider nicht so anfreunden. Zur Erklärung vielleicht folgendes: Sie ist seine Seele, deshalb finde ich es nicht konstruiert, wenn sie ihn, um sich zu befreien, mit einem Albtraum quält, um die Flucht zu ermöglichen, deshalb auch im letzten Satz der Alb (seiner) den sie vertreibt.
Ich verstehe nicht, weshalb
"heute schnarcht er wieder" deutlicher sein soll als "Eines Nachts, als er schnarchend daliegt"

"Sie hatte ihr Leben in seinem Innern verbracht, geschützt und behaglich mit seinem Ich verbunden." das ist das letzte Wanken im Entschluß, die Angst vor der eigenen Courage, deshalb auch die ein bißchen wehmütigen Tränen.

Die "ss" sind neue Rechtschreibung, ich benutzte aber lieber die alte mit "ß", Phantasie ist mir auch lieber als Fantasie, einen kleinen Tick hat wohl jeder Schreibende (Lach).

Ich weiß Deine Mühe zu schätzen, und hoffe das Du nicht sauer bist, wenn ich es trotzdem bei den bisherigen Änderungen belasse.

ein Gruß an Dich, Johanna
 
K

KaGeb

Gast
Liebe Johanna,

da hatte ich wohl einen Blackout. Habe nicht mitbekommen, dass Du eine Seele meinst. Meine Güte, und da habe ich mich so mit dem Text beschäftigt (wahrscheinlich mit Scheuklappen vor den Augen).

Ich bin von einem Paar ausgegangen, sie flüchtet sich des Nächtens in Träume ...
Da bekommt der Text einen ganz anderen Sinn.

Grüße, Karsten
 
N

nobody

Gast
Hallo Johanna, es macht auch mir Spaß, wenn es sich wie hier um einen Text handelt, der mir vom Inhalt her liegt. Je verdrehter, um so lieber, und nach meinem Geschmack hätte es durchaus noch "surrealer" sein dürfen.
Hoffe, es kommt noch mehr Prosa von dir.
LG Franz
 

Joh

Mitglied
Hallo Franz,

das freut mich besonders, ich schreibe fast nur surreal. Die nächste Kurzrosa wird Morgen eingestellt, bin gespannt, ob sie Dir gefällt.

LG Johanna
 



 
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