Nächtliche Eskapade (gelöscht)

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jon

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Nicht gut. Ernsthaft: Die Idee ist okay, der Plot weitgehend auch, nur das Erzählen funktioniert noch nicht richtig.

Problem 1: Stimmungsbilder – du wirst kitschig dabei, u. a. weil (sorry) unsinnige oder sinnfreie Sachen gesagt werden. (Dazu kommt, dass es – deshalb? – nicht als Stimmungserzeuger funktioniert.)
Problem 2: Die Gedanken des Ich-Erzählers – diese Selbstgespräche wirken extrem aufgesetzt. Minimallösung: Was Gedanken sind, auch als Gedanken schreiben (und nicht als wörtliche Rede)! Besser wäre es aber, es indirekt zu formulieren. (Im Ernst: Beobachte dich mal, wie oft du Gedanken tatsächlich als "stumme Sätze" ausformulierst, als würdest du es dir/jemandem sagen, und wie oft du andererseits "einfach nur denkst".)
Problem 3: Es klingt alles eher nach Bericht als nach Handlung, da kommt keine Spannung auf.
Dazu kommen noch Detail-Stolperer.


Erklärung zu Problem 1:

Lautlos verabschiedet sich der Abend.
Okay, guter erste Satz.

Die Augen der Nacht führen jetzt Regie.
Unsinn: Seit wann führen Augen Regie? Die (abgenutzte) Formulierung "Augen der nach Nacht" meint, dass man anders schaut und anders (oft aufmerksamer) beobachtet wird.

Die Straßen sind menschenleer.
Okay. Man fragt sich da schon mal kurz, woher dann die Augen kommen, und bekommt was von „ich fühl mich, als würde ich aus Verstecken heraus beobachtet".

Nieselregen setzt ein und die kleinen Tröpfchen finden zielsicher meine Kleidung.
Das ist hochgradig sinnfrei: Natürlich tun sie das nicht, sie suchen ja nicht! Bzw.: Natürlich treffen sie den Ich-Erzähler! Oder hast du schon mal erlebt, dass Regentropfen (groß oder klein) einen Bogen um die Menschen machen? Erwähnenswert wäre, wenn der Regen am Ich vorbei fällt. Und: Wieso betonst du die Kleidung, warum treffen sie nicht den Ich-Erzähler?

Ich schlage den Kragen hoch, schiebe die Kappe tief ins Gesicht, grabe die Hände in die seitlichen Taschen meiner Jacke, gehe mit raschem Schritt durch die feuchte Herbstluft.
Wenn es nieselt, ist „feuchte Luft“ fehlplatziert – es ist nass, Punkt.
Wieso betonst du "seitliche Taschen"? Hat die Jacke auch welche vorn, hinten, oben oder unten? Nein im Ernst: Wenn der Leser liest „Hände in die Jackentasche", dann sieht er die "seitlichen Taschen" – nur alles andere muss man als Autor präzisieren, wenn man Wert drauf legt.

Hin und wieder drehe ich mich um, keinesfalls aus Angst[red]KOMMA[/red] jedoch die Stille, die mir auf Schritt und Tritt folgt, lässt mich wachsam sein.
Die Betonung „keinesfalls aus Angst" klingt wie Selbstbeteuerung durch den Ich-Erzähler. – Wenn man sich so oft umdreht, dann geht das über Wachsamkeit hinaus - das ist Angst, wenn auch vielleicht keine große.
Stille, die einen verfolgt – das hieße, dass es vor einem und um einen herum eher laut ist.

Strukturpropblem der Stimmungsszene: Du kommst gut vom „Setting“ (Stimmung und Kulisse) zum Handeln der Figur (dreht sich um) und dann zum Plot (ich geht nach Hause). Blöd nur, dass du nach diesem Satz wieder zur Kulisse schwenkst – der Lese-Fluss reißt abrupt ab und hüpft zurück zum Einstieg („Setting").

Bis nach Hause ist es nicht mehr weit, noch um die nächste Ecke[red]KOMMA[/red] dann habe ich es geschafft.
Der Heimweg verläuft entlang parkender Autos und grauen Wohnhäusern, die sich links und rechts lückenlos aneinanderreihen.
Hier hüpfst du von „Ich tut was" weg zu einer Landschaft, die unabhängig vom Ich ist. Sogar der Heimweg ist „ein Heimweg", nicht „mein Heimweg".

Durch den schummrigen Schein der alten Straßenlaternen bekommt der nasse Asphalt ein gespenstisches Aussehen.
Stabreime („schummriger Schein") wirken schnell kitschig - vor allem in so einer kitschträchtgen Umgebung.
Was ist an nassem Asphalt gespenstisch?


Beispiel für Problem 3:

Schließlich passiert etwas Furchtbares, der Mann holt aus, schlägt zu, senkt seinen Arm und die Frau fällt zu Boden. Sie entschwindet gänzlich meinen Augen.
Jetzt kann ich nur noch die Polizei rufen.
Erstens: Die „Ansage", dass was Furchtbares passiert, zeugt von Abstand (der Erzähler erlebt nicht, er wertet aus).
Zweitens: Nach „Furchtbares" habe ich was Furchtbares erwartet - nicht einen simplen Schlag.
Drittens: Auch der ich-Erzähler scheint nicht wirklich beeindruckt; statt einer emotionalen Reaktion auf das angeblich Furchtbare kommt ihm nur eine Art Protokoll in den Sinn (Fakt: jemand wird niedergeschlagen. Handlungsvorschrift: Polizei rufen!).
 
G

Gelöschtes Mitglied 17359

Gast
Hallo annagreta!

Leider kann ich unserer strengen Forum-Lektorin nur zustimmen.

Zudem empfinde ich die Auflösung der Geschichte als unglaubwürdig. Hat die Theatergruppe absichtlich vor dem Fenster posiert bzw. geprobt, um etwaige Passanten zu erschrecken? So könnte man den Satz "So soll es sein." deuten. (Ich weiß, du hast es anders gemeint, aber ich war im ersten Moment irritiert.)Sowieso wäre es doch sinnvoller, auf einer durch Scheinwerfer ausgeleuchteten Bühne im Innenraum zu agieren. Und warum öffnet dann die Schaupielerin das Fenster und entdeckt die Passantin? Das alles wirkt sehr konstruiert.

Deine Bella Maria - Geschichte hat mir dagegen sehr gut gefallen, annagreta. Also, lass den Kopf nicht hängen! :)

Gruß, Hyazinthe
 

annagreta

Mitglied
jon, danke für Deine Ausführungen, hat mir einiges gebracht. Habe korrigiert. Evtl. sollte ich unter Kurzgeschichten platzieren. Zusätzlich habe ich den Titel geändert. Es ist nun mal kein harter Krimi, nur eine Eskapade. - lasse noch zwei Tage zur allgem. Info den ges. Text stehen, dann lösche ich -
LG annagreta
 
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