Nebensächlich

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sai

Mitglied
Nebensächlich


Jeden Tag ein bisschen älter;
Narben, die gewachsen sind;
Herzblut, fließend immer kälter,
Verloren scheint mir das Kind.

Augen, die sehr viel gesehen;
Augen, die so oft geweint,
Wollen jetzt geradestehen,
Glaubend, dass die Sonne scheint.

Hände, die getragen haben;
Hände, als Fäuste geballt,
Haben sich zu oft geschlagen;
Haben sich sehr viel gekrallt.

Füße, die sehr weit gegangen,
Manchmal auch ein Weg zu viel.
Füße, die vor Wut zersprangen,
Kamen sie mal nicht ans Ziel.

Ein Mund, der sehr viel versprochen,
Der nie was zu sagen hat.
Ein Mund, der den Schwur gebrochen,
Hat einst seinen Usus satt.

Ein Herz, das schon oft belogen;
Eins, das so sehr verliebt war,
Ist letztendlich weggeflogen;
Und tritt nie mehr vor`n Altar.

Man bedenkt erst in den Jahren,
Liegend auf dem Sterbebett,
Dass wir in den Himmel fahren,
Waren wir auf Erden nett.

Doch Gott reicht allen die Hände;
Weder Augen, Herz, noch Mund,
Haben auf seinem Gelände,
der Aufnahme einen Grund.
 

Gurke

Mitglied
Lieber Sai,

nimm´s mir bitte nicht übel, aber das Gedicht halte ich an mehreren Stellen für überarbeitungsbedürftig.

Als Beispiel gebe ich mal diese Stelle an:

Füße, die vor Wut zersprangen,
Kamen sie mal nicht ans Ziel.
Zerspringende Füße??? Nicht ernsthaft, oder?

Ich glaube, das Gedicht könnte kürzer gehalten wesentlich besser werden. So, wie es jetzt ist, scheint es mir voller halbgarer Stellen, die wie Notbehelfe und dem Reim geschuldet wirken. Schmeiß den Ballast einfach raus.

Schöne Grüße

Jürgen
 

mori

Mitglied
Hallo Sai !

Da muss ich Jürgen zustimmen.Nimm es dir nochmal vor.
Auf jeden Fall kürzen und auf die Silbenzahl achten. An manchen Stellen holperts.Den letzten Vers würde ich ersatzlos streichen.



Liebe Grüße
Annette
 

sai

Mitglied
Das, liebe Gurke,
ist lyrische Freiheit, die ich zu gerne als Ausrede für solche Stellen benutze. Ich finde daran aber wirklich nichts verwerfliches und weißt du auch warum? - Weil es eine eigene Linie ist, weil es dich dazu drängt es ändern zu wollen. Damit habe ich zumindest schon erreicht, dass du dir Gedanken über diese Lyrik machst. Und das ist doch das Wertvollste!

Ich kann dich verstehen (bei diesem Beispiel) aber sag mir doch bitte, was du noch als Ballast empfindest. :)

lg, sai
 

sai

Mitglied
Hallo mori,

Kannst du mir bitte den Grund sagen, warum ich den letzten Vers streichen soll?

Er bildet (denke ich) doch die Symbiose aus den vorigen Strophen. Die letzte Strophe fügt die Übrigen zu einem Produkt, einem Ergebnis zusammen...

Ich lasse mich gerne vom Gegenteil überzeugen. :)

lg, sai
 

mori

Mitglied
Ich versuche mal mein Problem mit deinem Text zu erklären:
Vers 1-Zeile 4:
"Verloren scheint mir das Kind"...paßt in dieser Form nicht zum Rhythmus der anderen Zeilen.Wem scheint das Kind verloren? Dem lyrischen Ich ? Es taucht nur einmal auf, sonst immer nur das "Wir". Das empfinde ich als nicht so stimmig.
Vers 2-Zeile 3:
Augen wollen "gerade stehen ".Damit habe ich wirklich ein Problem. Nicht böse sein-aber da denke ich an "Brille- Fielmann!".
Vers 4-Zeile 2:
Hier müsste es "einen Weg zuviel" heißen
Vers 4-Zeile 3:
"Füße, die vor Wut zersprangen".
Dazu hast du dich schon geäußert.Zur Not könnte ich damit leben.
Vers 5-Zeile 4:
Wenn du mit "Usus" die Gewohnheit meinst,dann würde ich auch diesen Begriff verwenden.
Vers 5-Zeile 2+3:
Es liest sich, als würde man mehrere Jahre auf dem Sterbebett liegen.

Und nun komme ich zu deiner eigentlichen Frage:Warum den letzten Vers streichen ?
Hm- weil ich ihn in keinen Kontext zu den vorigen Versen setzen kann.Das liegt aber mit Sicherheit an mir.Ich kann mit deiner zusammenfassenden Aussage einfach nichts anfangen (ohne jetzt eine Glaubensdiskussion beginnen zu wollen).Und die letzten beiden Zeilen verstehe ich schlicht und einfach nicht.
Welches Gelände,welche Aufnahme, welchen Grund ?

Lieber Sai,
vielleicht stehe ich ja mit meiner Meinung allein da und andere Leser sehen den Text mit ganz anderen Augen !
Liebe Grüße

Annette
 

Gurke

Mitglied
Liebe Sai,

es ist Dein gutes Recht nachzufragen, also gehe ich mal Strophe für Strophe durch. Moris letzten Kommentar habe ich nur überflogen, Wiederholungen kannst Du daher ignorieren.

Jeden Tag ein bisschen älter;
Narben, die gewachsen sind;
Herzblut, fließend immer kälter,
Verloren scheint mir das Kind.

Die ersten zwei Verse sind okay. Fließend im dritten Vers kommt mir zu gebremst daher. Wie wäre: Herzblut, es wird...
Bei dem letzten Vers stört mich, dass der Rhythmus holpert: Verloren scheint mir das Kind. Anders kann ich es nicht lesen, auch wenn ich es noch so versuche. Das Kind scheint mir reimgeschuldet, auch scheint mir das plötzliche Auftauchen eines LyrIchs (verloren scheint mir...). Dieses lyrische Ich taucht im restlichen Text nicht mehr auf. Gibt es für diesen Vers eine Alternative?

Augen, die sehr viel gesehen;
Augen, die so oft geweint,
Wollen jetzt geradestehen,
Glaubend, dass die Sonne scheint.

Hier stört mich "geradestehen". Augen, die geradestehen, klingt arg gewöhnungsgedürftig.
Etwas hilfloser Vorschlag, da an der Intention vorbei
wollen nicht im Dunkeln stehen
wollen Sonne schaun die scheint


Hände, die getragen haben;
Hände, als Fäuste geballt,
Haben sich zu oft geschlagen;
Haben sich sehr viel gekrallt.

An sich annehmbar. Besser fänd ich zu viel gekrallt. Geht so aber auch.

Füße, die sehr weit gegangen,
Manchmal auch ein Weg zu viel.
Füße, die vor Wut zersprangen,
Kamen sie mal nicht ans Ziel.

Hatten wir schon.

Ein Mund, der sehr viel versprochen,
Der nie was zu sagen hat.
Ein Mund, der den Schwur gebrochen,
Hat einst seinen Usus satt.

Hat einst seinen Usus satt. Einst verweist auf die Vergangenheit. Wenn, müßte es dann hatte satt heißen. Passt aber nicht zum Rest des Gedichtes, daher solltest Du das einst streichen. Und was für einen Usus? Bezieht sich das auf den Schwur? ich würd die Strophe streichen.

Ein Herz, das schon oft belogen;
Eins, das so sehr verliebt war,
Ist letztendlich weggeflogen;
Und tritt nie mehr vor`n Altar.

Und tritt nie mehr vor`n Altar. Auch das klingt so reimgeschuldet. Und es holpert so, das arme Versmaß.

Man bedenkt erst in den Jahren,
Liegend auf dem Sterbebett,
Dass wir in den Himmel fahren,
Waren wir auf Erden nett.

Wir fahren in den Himmel, wenn wir auf Erden nett waren. War da nicht was mit Sünden? Entschuldige bitte, wenn ich ironischer klinge, als ich möchte.


Doch Gott reicht allen die Hände;
Weder Augen, Herz, noch Mund,
Haben auf seinem Gelände,
der Aufnahme einen Grund.

Gelände, ist das der Himmel? Das Paradies? Auch etwas gewöhnungsbedürftig. Augen, Herz und Mund gehören doch zum Menschen, dem Gott die Hände reicht?

Ich glaube, dass das Gedicht verkürzt und verdichtet auf die Kernpunkte, die dir wichtig sind, mehr hergäbe. Die Augen, Mund und Herzaufzählung würd ich nur machen, wenn ich mir ihrer hundertprozentig sicher bin.

Nichts für ungut. Das ist meine Meinung als Leser, nach der du, eigener Stil hin oder her, schließlich fragst, wenn Du hier veröffentlichst.

Ich wünsch Dir einen schönen Abend

Jürgen
 

sai

Mitglied
Ich werde über eure Kritik nachdenken und versuchen ihr gerecht zu werden.

Auf jeden Fall sage ich schon einmal Danke für euer Feedback. :)

lg, sai
 

presque_rien

Mitglied
Hai sai ;),

ich find's gar nicht so schlecht - die Unregelmäßigkeiten im Versmaß stören mich am Meisten, die Formulierungen finde ich größtenteils ok. Aber was ist deine Aussage? Dass man in den Himmel kommen kann, egal was man im Leben gemacht hat? Die letzte Strophe verstehe ich leider überhaupt nicht.

Grübelnde Grüße,
presque
 



 
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