Neu im Chat

4,60 Stern(e) 5 Bewertungen

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Verunsichert irren die Blicke von Irene Butterfass über den Bildschirm und bleiben schließlich an der Leiste mit den himmelblauen Links hängen.
Soll sie wirklich? Zögerndes Luftholen, dann drückt Irene energisch die Maustaste.

„Ein Single-Chat mit Niveau! Hier finden noch echte Gespräche statt, ohne Störenfriede oder dumpfe Baggereien. Daher ist der Chat auch für Frauen recht angenehm.“

Irene nickt erleichtert. Na dann los!
Doch da baut sich plötzlich eine Hürde auf.

„Geben sie ihren Nicknamen ein."

„Issn das schon wieder?“ Bei einem resignierendem Seufzer denkt sie bereits daran, das kleine Kreuzchen rechts oben anzuklicken. Zum Glück fällt ihr ein, es könnte so etwas wie ein Spitzname gemeint sein. Ja, natürlich! Aber erneut tut sich ein Problem auf. Wie soll sie sich nennen? Was macht man aus „Irene Butterfass“?
Aus leidvoller Erfahrung weiß sie, dass ihr Name immer nur verstecktes Grinsen oder sogar offene Heiterkeit auslöst.
Wie wäre es mit den ersten beiden Buchstaben von Vor und Zunamen? Irbu… Ach nee …Das klingt eher nach einer exotischen Echsenart. Tja – wenn sie Englisch beherrschen würde. Dann fände sie schon einen richtig kuhlen Namen für sich. Was heißt eigentlich Butterfass auf Englisch? Butterfly? Nee, das ist ne Operette.
Was kommt vor der Butter? Milch… hm … Milchkuh?
Sie lacht ein wenig gereizt.
Doofe Kuh!“ So war sie erst vorhin auf der Treppe von ihrem griesgrämigen Flurnachbarn betitelt worden. Er hatte die Worte zwar nur durch seine garantiert falschen Zähne gezischt, aber Irene besaß ein verdammt scharfes Gehör.
„Doofe Kuh!“ Und das nur, weil sie sich erlaubt hatte, ihn darauf hin zu weisen, dass er nicht immer mit total verdreckten Schuhen über den frisch gewischten Hausflur schlurfen solle. Wozu lag denn ein Abtreter am Eingang?

Also, die Kuh schied aus. Aber das Bild von friedlich auf einer sattgrünen Wiese herumstehenden Wiederkäuern hakt sich in ihrem Kopf fest. Und dann taucht da noch eine blonde, rotwangige Bäuerin auf, die mit freundlichem Lächeln ihr Kopftuch in den Wind wirft und stolz einen Käsekorb schwenkt. Frau Antje! Ja – das würde gehen.
Flugs platziert sie die erforderlichen zehn Anschläge in dem betreffenden Feld und schon wird aus Irene Butterfass eine „Frau Antje“.

Mit klopfendem Herzen verfolgt sie, wie sich ein neues Bild aufbaut. Und dann ist da ein Textfeld - ganz in Schweinchenrosa gehalten und mit Schriftzeichen bedeckt. Ah ja. Da links, das sind wohl die Namen – Spitznicker - äh - Nicks. Und was schreiben die so?
Sie liest:

Caesar betritt den Raum

Caesar: Heh määäädels!!! haaaaaaalloooooo!!!! ich bin wieda daha!!!
Maus: Uii Caesar *freu*
Tina: OOoch, der schon wieder
Knurrhahn: das heißt nicht „freu“, sondern „salve“
Caesar: Mäuschen!!!!!!! Tinalein!!!! Schön, euch wieder zu treffen!!
Tina: Geht es auch weniger euphorisch?
Caesar: *Hände reib* Was hab ich denn so verpasst?
Maus: weiß auch nicht alles, bin selbst nur spurradisch hier.
Knurrhahn: Das heißt sporadisch.
Maus: Knurrhahn hat sein Namen zu Recht.
Tina: Stimmt, auch wenn er Recht hat.
Knurrhahn: Was ist schon ein Name? Ihr wisst doch gar nicht wer wirklich in mir steckt.
Caesar: Das interessiert doch keine Sau. Und wer steckt in dir, Tina? ‚*grins*
Tina: Die Sau bist Du. Mir wird das zu blöd. Ich hau hier ab. cu.

Tina verlässt den Raum.

Knurrhahn: Jetzt hast’se verkrault.

Irene ist verwirrt und fasziniert zugleich. Ein Tempo haben die drauf. Oh – was steht denn da?
Frau Antje betritt den Raum.

Caesar: Hi schöne Antje
Maus: Hi Antje
Knurrhahn: Hallo auch.

Antje Butterfass, äh Frau Irene, nee …Frau Antje hat Herzklopfen. Plötzlich weiß sie nicht, was sie schreiben soll. Einfach: Guten Tag, ich bin… Quatsch…

Frau Antje: Hallo ihr alle. Bin rein zufällig hier rein geraten. Will aber nicht stören
Maus: störst nicht
Caesar: wie bist denn zu uns herein gestolpert?

Tja – wie eigentlich? Sie hatte so viel von der Schätterei gehört und war einfach nur neugierig gewesen.

Frau Antje: Über Google
Caesar: Sozusagen ein Gugelhupf in den Chat *kicher*
Frau Antje: Ich wollte es halt mal ausprobieren.
Caesar: Ach Chat-Anfängerin! Das ist interessant. Wie alt bist Du denn? Wir sind hier nämlich nicht mehr so ganz so… na ja.
Maus: Er meint reifere Jugend. Ich bin nämlich auch schon soooo alt. *lächel*

„Vierundvierzig“, schreibt Irene Butterfass und wird ein wenig rot. Aber was sind schon acht weggelassene Jahre?

Knurrhahn: Kommst wohl direkt aus Holland?
Caesar: Ja, da baut sie Gemüse an. Ich mag Gemüse – wenn es jung ist.
Maus: So jung wie ich, Caesar *lächel*
Knurrhahn: Was willst Du oller Sack mit jungem Gemüse? Hast wahrscheinlich Falten, wie ein Wirsing.
Maus: Und ne Nase, wie ne Erdbeere, hi, hi

Während Irene Butterfass alias Frau Antje noch grübelt, was sie schreiben soll, sind Maus und Caesar bereits bei einem Riesenrettich angelangt, den Caesar in eindeutiger Zweideutigkeit sein eigen nennt.
Auf Knurrhahns abfällige Bemerkung, es könne sich dabei wohl nur um eine winzige Möhre handeln, die obendrein so aussähe, als hätte sie zwei Wochen in der Sonne gelegen, kommt keine Reaktion mehr. Maus und der große Imperator haben sich anscheinend zum unsichtbaren Privatplausch zurückgezogen.

Frau Antje: Nee, aus Holland komme ich nicht.
Knurrhahn: Aber aus dem hohen Norden?

Irene überlegt. Hoher Norden! Ja. Dort zu wohnen – einer ihrer unerfüllten Träume. Spätestens, seit sie damals den FDGB-Ferienplatz in Binz ergattert hatten. Sie durften sogar im noblen „Arkona“ absteigen. Elfte Etage! Und bei klarer Sicht konnte man über die Bucht bis nach Saßnitz gucken.

Frau Antje: Ostsee.
Knurrhahn: Ostsee? Ich beneide dich. Wo die Ostseewellen trecken an den Strand… Da werden Erinnerungen wach. Ich mag die See. Besonders wenn sie rau ist.

Irene traut sich nicht, nach diesen Erinnerungen zu fragen. Aber Knurrhahn erzählt auch so. Und sie erfährt, dass er als LKW-Fahrer viel herum kommt. Ab und zu habe ich er auch in Rostock zu tun.[/i]
Knurrhahn:Wohnst Du weit weg von Rostock?
Frau Antje: Hm. Iss schon ne Ecke weg.

Knurrhahn hakt nach, will es genauer wissen, doch Irene weicht immer wieder geschickt aus. Plötzlich schämt sie sich ein wenig, weil sie geschwindelt hat. Erst bei der Altersangabe und dann auch noch beim Wohnort. Doch als Knurrhahn nach ihrem Job fragt, lügt sie erneut.
‚Chemie-Laborantin’, schreibt sie. Na ja, so ganz falsch ist das nicht. Das ist ihr Beruf, aber das Chemiekombinat gibt es schon lange nicht mehr. Seitdem schlägt sie sich als Gelegenheitsputze durch. Dazu noch die Witwenrente – es gibt Leute, denen es schlechter geht.
Und während Knurrhahn mit sichtlichem Stolz von seiner Arbeit als „Ritter der Landstraße“ berichtet und dabei kaum ein Ende finden kann, wundert sich Irene, wie schnell es doch geht, mit einem wildfremden Menschen auf diese Art Kontakt zu bekommen.
‚Das liegt wohl an der Anonymität,’ denkt sie. Allmählich beginnt sie ihre Freundin zu verstehen, die von sich ehrlich behauptet hatte, schättsüchtig zu sein.
Irene ertappt sich dabei, wie sie diesen Knurrhahn irgendwie zu mögen beginnt. Sie spürt seine Begeisterung, mit der er von seinen Abenteuern berichtet und beneidet ihn darum. Ein Mensch, dem es vergönnt ist, in seinem Traumberuf aufzugehen. In ihrer Umgebung gab es kaum jemanden, auf den das noch zutraf. Ein Job der Spaß macht, ein sicheres Einkommen, eine zufriedene Familie…

Frau Antje: Es ist für deine Familie sicherlich nicht einfach, immer so lange auf dich warten zu müssen.
„So fragt man Leute aus!“ kommt es knapp zurück, aber es hängst so ein Grinsekopf-Schmeili hinten dran.

Frau Antje: Tut mir leid. Ich wollte nicht…
Knurrhahn: Schon gut. Bin geschieden. Lange schon. Meine Ex-Frau war der Meinung, sie könne nicht länger mit einem solchen Knurrhahn zusammen leben.“
Frau Antje: Es kommt aber auch darauf an, warum jemand knurrig ist.
Knurrhahn: Wem sagst Du das. Ich bilde mir ein, ganz umgänglich zu sein… na ja. Reizen darf man mich nicht.

Irene überlegt, was sie darauf antworten soll. Einerseits brennt sie darauf, mehr über diesen nett-poltrigen Schätt-Kollegen zu erfahren. Andererseits möchte sie nicht aufdringlich wirken. Ihre Hände schweben schreibbereit über der Tastatur, doch vom Kopf kommen einfach keine brauchbaren Befehle.

„Du scheinst sehr nett zu sein“, liest sie plötzlich.
„Du auch“, hacken ihre Zeigefinger, ohne die Kopf-Kommandos abzuwarten.
Knurrhahn: Danke. Ähmm – wollen wir nicht… Verflixt, ich weiß nicht, wie ich es rüber bringen soll…“

Er bricht ab und Irene erkennt, dass das Schätten auch Grenzen besitzt. Sie glaubt, diesen Knurrhahn vor sich zu sehen – wie er sich vor Verlegenheit windet. Vielleicht! Kann aber auch sein, er spielt nur den Verlegenen und grinst sich heimlich eins. Sie verspürt mit einem Mal den Wunsch, ihn real vor sich zu haben - in seine Augen zu blicken. Aus den Augen lässt sich doch so vieles heraus lesen. Stattdessen muss sie jetzt etwas schreiben. Aber was? Sie spürt eine gribbelige und gleichzeitig hemmende Aufgeregtheit.
Da melden sich Maus und Caesar zurück.

Caesar: Maus hat mir gerade ihre Maße verraten.
Knurrhahn: Na und? Zufrieden?
Maus: Wehe, Du verrätst etwas.
Caesar: Ooooh jaaaa. Antje, jetzt bist Du dran.
Frau Antje: Meine Maße sind nicht gerade aufregend.

Sie denkt daran, dass sie eigentlich schon lange eine Diät machen wollte. Und dem Kuchen abschwören und… und… und…
Caesar: Glaube ich erst, wenn ich Zahlen sehe.
Knurrhahn: Ist das wirklich wichtig?
Maus: Der große Caesar sucht nach neuen Sklavinnen.
Knurrhahn: Sklavin? Diese Bezeichnung mag ich nicht. Das riecht so nach SM.
Maus: Na und?
Caesar: SM – hmmm – tolle Sache. Ich stelle mir gerade vor: Frau Antje hübsch mit Obst garniert und dann…“
Maus: Du vergisst den Käse, hi,hi.
Knurrhahn: Caesar, wenn Du so weiter machst, möchte ich Brutus sein.
Caesar: ???
Maus: Da würde unserem guten Caesar aber ganz schön heiß werden.

Offensichtlich erinnert sie „Brutus“ an eine Markenbezeichnung für Elektroherde.
Knurrhahn versucht aufzuklären und versäumt es dabei nicht, einige Seitenhiebe auf die mangelnde Allgemeinbildung von Maus und Caesar los zu werden.
Irene hält sich raus.
‚Schade’, denkt sie und wirft sich in die Debatte, indem sie behauptet, müde zu sein.
Frau Antje: Ich beguck mir noch ein wenig den Sternenhimmel. Dann folge ich dem Ruf meines Bettes.
Knurrhahn: Schade. Bist Du morgen wieder hier?
Frau Antje: Mal sehen.
Knurrhahn: Ich würde mich freuen.

Irene weiß, dass sie morgen wieder da sein wird.

Caesar: Und schreib die Maße auf.
Maus: Schlaf schön.
Knurrhahn: Bis morgen um diese Zeit ja?
Frau Antje: Ja
Knurrhahn: Und dann erzählst Du mir auch, wo Du genau wohnst.
Frau Antje: Gute Nacht.

Als Irene den PC herunter fährt, ist sie immer noch in ihrem ersten Chaterlebnis gefangen. Eine Weile verharrt sie regungslos, und erst als der Bildschirm erlischt, steht sie auf, rekelt sich ausgiebig und macht ein paar ziellose Schritte durch den Raum. Schließlich öffnet sie die Balkontür und tritt ins Freie. Sie geht die drei Schritte bis zur Brüstung und versucht, zwischen den Wolken ein paar Sterne auszumachen.
„Knurrhahn – drolliger Name. Ob der wirklich zutrifft?“ Sie bekommt einen kleinen Schreck, als sie bemerkt, dass sie laut vor sich hin gesprochen hat, aber sie kann es nicht verhindern, dass ihr ein leises Kichern entfährt. „Knurrhahn!“
Ein Geräusch lässt sie plötzlich aufhorchen. Da summt jemand eine Melodie. Und da spürt sie auch den schwachen Geruch von Zigarettenrauch. Der unsympathische Nachbar! Dieses frühverrentete Ekelpaket! Nun ist ihr das vom albernen Kichern untermalte Selbstgespräch furchtbar peinlich. Ob er es gehört hat?
Gerade, als sie sich vorsichtig auf die Zehenspitzen stellt, um durch die Bruchstelle in der trennenden Kunststoffscheibe hinüber zu spähen, wird dort eine Bierflasche geöffnet. Nur schemenhaft erkennt sie die massige Figur dieses Treppenhaus-Grobians. Doch sie sieht auch, wie er grüßend die Bierflasche hebt.
„Guten Abend Frau… Frau Antje.“
Er lacht leise, aber es klingt herzlich.
Irene ist verwirrt, glaubt sich verhört zu haben. Doch dann fällt ihr ein, welche Melodie er eben gesummt hatte.
„Wo die Ostseewellen trecken an den Strand….“
„Knurrhahn?!“
Wieder dieses leise Lachen, das sich allmählich steigert und in das Irene nach und nach einfällt. Immer lauter wird dieses Gelächter, das sich an den grau gewordenen Fassaden der Bitterfelder Plattenbausiedlung bricht.
 

sohalt

Mitglied
Lieb.
Obwohl der Text seine Figuren ein bisschen gar zu drollig aussehen lässt, sodass ich mich frage, ob er sie wirklich respektiert.

Mich stört es übrigens auch bei Kindergeschichten, wenn die Helden so verniedlicht werden.

Außerdem nervt mich "schätten" statt chaten, das wirkt so gewollt. Aber das ist wohl wirklich reine Geschmackssachen.

lg
sohalt
 

flammarion

Foren-Redakteur
Teammitglied
hallo

ralph, schön, dass es dich noch gibt.
deine geschichte finde ich zum heulen schön. und du weißt auch schon, was ich damit mache.
frohe ostern wünscht
 

Inu

Mitglied
Hallo Ralph

Die Geschichte ist nett, die Chat - Dialoge total realistisch :):):) Amüsant zu lesen.

Die Internet-Unbedarftheit der Frau Antja stellst Du ein bisschen zu penetrant zur Schau. ( schätten usw. ) Würde ich ändern!

Bis gegen Ende ist es ok.
Der Schluss aber dann ( muss ich leider sagen )... furchtbar abgedroschen, hat mich ziemlich enttäuscht. Leichte Kost zum Kurz-Schmunzeln.

Schön aber, wieder einmal etwas von Dir zu lesen.

Liebe Grüße
Inu
 
G

Goldmund

Gast
hallo ralph,

ich bin ehrlich gesagt ziemlich enttäuscht, von deiner geschichte. sie bringt nicht wirklich neues. und der schluß wirkt arg unglaubwürdig. solche chatgespräche, wie du sie bringst, findest du in jedem chat. warum nicht abweichen? für neulinge wie die antje mag das ja faszinierend sein, aber sicher nicht für diejenigen, die mit dem internet längst vertraut sind.

sprachlich gibts natürlich nicht viel zu meckern, auch wenn du dich bei den gefühlsbeschreibungen nur des standarts bedienst.

ich hoffe, du verübelst mir meine meinung nicht - ist ja nicht böse gemein. sind lediglich meine eindrücke.

*winke*
goldmund
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Ein Hallo an alle, die hier kommentiert haben,

es wird ja langsam Zeit, dass ich mich mal melde.
Der Text hat nun schon mehr als eineinhalb Jahre auf dem Buckel. So lange habe ich gezögert, ihn hier reinzustellen, weil ich befürchten musste, dass genau die Kommentare kommen, die dann auch tatsächlich kamen. Ich bin erst mal froh, dass es vom Handwerklichen her nicht viel zu meckern gab. Eine Story kann schon mal daneben gehen. Aber wenn es handwerklich nicht stimmt, wird auch die tollste Geschichte kaum Begeisterung auslösen.
Eure Kommentare beinhalten solche Adjektive wie „lieb“, „drollig“ oder „nett“, was ich nicht unbedingt als negativ werte, mich aber doch nachdenklich stimmt. Auch wenn man den Text „seicht“ genannt hätte, wäre ich nicht verwundert gewesen. Ich wollte keine tiefschürfende Analyse des Gemütslebens einer Neu-Chatterin abliefern. Ich wollte den ganzen Unsinn,(einschließlich der ewigen *lächel*, *zwinker* usw. ) der da im Chat so produziert wird, ganz einfach ein wenig auf die Schippe nehmen. Auch die vielen kleinen Lügen, die man dort sicherlich hin und wieder zur Selbstdarstellung von sich gibt. Der Anfang des Chatgespräches ist sogar ein „fast“ orginaler Mitschnitt. Der Schluß lässt dann die Lügerei zusammenbrechen. Aber ohne Dramatik. Dass dieser Schluss vielleicht abgedroschen ist – das liegt eher an meiner Unbelesenheit und meinem Hang zum „glücklichen Ende“.
Lange Rede – kurzer Sinn. Mein ungutes Gefühl hat sich bestätigt. Und im Nachhinein gebe ich euch in eurer Kritik Recht. Das heißt aber nicht, dass ich nicht immer mal wieder in triviale Handlungen abrutschen werde. Es gibt Leser, die mögen das, denn es gibt auch eine Menge Leute, die der Irene nicht unähnlich sind.
Und im Gegensatz zu vielen anderen Lupianern, die da meinen, nur aus sich heraus, mit ganz viel „Herzblut“, aber ohne viel Rücksicht auf den Leser schreiben zu müssen bzw. zu dürfen und es unter „großer“ Literatur nicht machen wollen, habe ich diesen Ehrgeiz nicht. Natürlich kann man auch mit dieser Einstellung gründlich baden gehen. Siehe oben. )

Gruß Ralph
 

Esta

Mitglied
Du kennst mich nicht, ich kenn dich nicht ...

... glaub ich jedenfalls.

Hey, Ralph.
Deine Geschichte hat mir Grossen und Ganzen ganz gut gefallen. Schoener Stil, auch wenn ich die staendigen "aehms", "nees" und anderen Fuellsilben Weglassen wuerde. Zu dieser Stelle mit der Antje Buttersonstwas hat das herrlich gepasst. Ansonsten wuerde ich das jedoch rausschneiden.

Dein Anfang an sich war sehr schoen. Jemand sagte, du bedientest dich der gaengigen Mittel zur Darstellung verschiedenster Emotionen und ich sage - ist das illegal? Ich mag innovative, oder nein, bunte Texte, die vor verrueckten Vergleichen und Beschreibungen nur so ueberlaufen (T C Boyle - sagt dir das vielleicht was?), aber ich denke, dass es keine Straftat darstellt, einfachere Texte zu schreiben. Sie schnurpsen sich ganz herrlich weg und nach einem anstrengenden Tag in der Québecer City ist das recht angenehm. Am Handwerklichen also nichts auszusetzen.
Anders die Story.
Sie war schoen, ja, hatte aber fuer meinen Geschmack etwas zu viel Happy End an sich. Klar war es suess (Gott, ich hasse es, dieses Wort auf einer amerikanischen Tastatur tippen zu muessen ... es sieht so verdammt mutiert aus ...) und alles, und der letzte Satz mit den Plattenbauten hat den Kitsch (und den wirst du mir wohl nicht absprechen, oder?) arg gedaempft und faktisch ist es auch nicht dieses "nette" Ende, das ich dir vorwerfe, sondern viel eher die Vorhersehbarkeit, mit der du es eingefaedelt hast ... Ich weiss nicht, ob ich "Knurrhahn" an deiner Stelle ueberhaupt haette auftreten lassen. Es ist doch recht unwahrscheinlich, nach seinem ersten Chat auf jemanden zu treffen, der dabei war, meinst du nicht? Ich kann da zwar nicht mitreden, da mein Chat-Horizont jenseits der Buddy-Chat-Grenze versagt, hab allerdings auch kein grosses Interesse daran, ihn zu erweitern ... Hat jemand "Closer" gesehen? Das war abschreckend.

Vom Ende mal abgesehen fand ich dein "Werk" jedoch tadellos. Und die seltsame Gesellschaft, in der wir leben, spiegelt sich meiner Meinung nach nirgendwo so gut wieder, wie in den vielen kleinen Luegen, die wir einander taeglich auftischen. Also Lob und ein ersnt gemeintes "Weiter." Nur bitte ohne Kitsch, ja?

ESTA
 



 
Oben Unten