Neuer Chef: 52cm, 3500gr

4,00 Stern(e) 2 Bewertungen
Gibt es ein Leben nach der Karriere? Oder überhaupt nach dem Ausstieg aus dem Berufsleben, selbst wenn man keine echte Karriere zustande gebracht hat. Was heißt es, jahrelang Morgen für Morgen vom Schrillen des Weckers aus den Träumen gerissen zu werden und das Haus wenig später zu verlassen, um zur Arbeit zu eilen? Und plötzlich wacht man einfach so auf – oder vielleicht von einem anderen Geräusch als vom Wecker. Wenn man weiß, daß man den ganzen Tag keinen Fuß vor die Tür setzen muß, wenn die Lust dazu fehlt, was ist das bloß für ein Gefühl? Traumhaft, denkt manch einer. Oh je, wie schrecklich öde, manch anderer. Nichts für Macher und Nervenbündel. Die wahre Freude kann es wohl nur für den sein, der seine neue Zeit mit Sinn und Aufgaben füllt. Wenn eine Mutter eines oder mehrerer Kinder entscheidet, ihren Beruf zumindest vorerst an den Nagel zu hängen, hat sie einen spannenden und kreativen Schritt getan. Sie zählt damit nämlich zu jener Spezies Frau, die nach dem Willen einiger strebsamer Politikerinnen eigentlich ausgestorben sein müssten. Schließlich verhindert solch egoistisches Denken auch neue Arbeitsplätze für hochqualifizierte Kinderkundige in Tagesstätten und anderen Institutionen für Kinderbetreuung. Die muß es aber geben, keine Frage. Schließlich gibt es eine Vielzahl von Familien, die keine Wahl zu treffen haben. Wer aber freiwillig und bei klarem Verstand die Aufzucht der eigenen Brut wünscht, nimmt lächelnd hin, wenn eilfertige Beamte bei der Berufsangabe in Formularen einen Querstrich mit zwei Punkten malen. Gar ungeheuerlich mutet es an, wenn eine Frau um die dreißig mit einem guten Einkommen jenseits der Armuts- und Beitragsbemessungsgrenzen ohne Not den angebotenen Kinderbetreuungsplatz ablehnt. Jedoch welch eine amüsante Erfahrung ist es erst, wenn man dem ambitionierten Chef von den neuesten Entdeckungen des wonnigen Babys vorschwärmt, mit verklärtem Blick und bar jeder professionellen Distanz.

Morgens aufzuwachen, wenn das liebliche Baby die ersten Tönchen kräht, ist ein Hochgenuss. Vorausgesetzt, man hat eines der seltenen Exemplare „Es schläft schon seit seiner sechsten Lebenswoche durch“ abbekommen. Also nehmen wir mal an, das süße Geschöpf gehört zu dieser begehrten Sorte, schließt abends brav seine Kulleraugen und wacht frühestens um 7.30 Uhr wieder auf. Wenn also der rechtschaffene Vater dieses Goldkindes um 6.00 Uhr stöhnend aus den Federn steigt, um die Familienkasse aufzufüllen, dreht sich die Berufsverweigerin noch einmal um und schlummert weiter. Strecken sich die Speckbeinchen gen Himmel und die ersten Quietschtöne werden laut, ist es Zeit für den Mutterjob. Wer das allmähliche Aufwachen mit einem zufrieden nuckelnden Baby an sich gekuschelt dem Morgenmeeting zum Thema „Rückläufige Kundenzahlen“ nicht vorzieht, sollte spätestens jetzt nicht mehr weiterlesen, denn es würde mangels Verständnis scheitern. Die Steigerung des Absatzerfolges kratzt die ehemalige Karrierefrau nur noch selten, wenn die kleinen Patschehändchen Mamas Frisur neu gestalten, ihr Gesicht und ihre Hände erforschen und den wertvollen Schmuck als hilfreichen Haltegriff erachten.

Mit frisch gewickeltem Baby gegen 9.00 Uhr die erste Tasse Kaffee schlürfend den Tag zu planen ist dem Termindruck im Beruf deutlich überlegen. Doch meist ist die Planung nur ein theoretischer Ansatz. Wehe der, die für ihr Wohlergehen Ordnung und Regeln braucht. Improvisation ist gefragt. Selbst einem noch so anfängerfreundlichen Menschenkind haftet der Hang zum Chaos an. Wer also nachmittags noch im Nachgewand herumläuft und gegen 17.00 Uhr ans eigene Mittagessen denkt, die Haarpracht nur noch an der Luft trocknen läßt und abends den Briefkasten leert, ist nicht etwa schlampig, sondern frischgebackene Mama.

Perfektionistinnen und Planerinnen sind also vor echte Aufgaben gestellt. Zeit muß man haben, ob man will oder nicht. Wer bisher daran gewöhnt war, nach Feierabend auf erfolgreich erledigte Aufgaben des Tages zurückzublicken, lernt schnell, was es heißt, abends nicht zu wissen, wo der Tag geblieben ist. Das Gesamtwerk wird erst Beachtung finden, wenn man die eigenen Kinder als „gelungen“ vorzeigen kann. Doch wann ist das so und wer merkt es ? Eigentlich nur die Seele. Die des Kindes und die eigene. Welches Kind - besonders das Baby oder Kleinkind - interessiert sich für das mütterliche Styling? Wichtiger als ihr Outfit ist ihre Zeit. Genau das, was ihr Chef auch gerne in Anspruch nehmen möchte. Allerdings wird der wohl auch das angemessene Business-Outfit fordern.

Im Laufe eines Berufslebens gilt es hier und da Vorstellungsgespräche zu meistern. Kaum eine Bewerberin kommt an den üblen Fragen nach Kinderwunsch und Familienplanung vorbei. Als wäre die Situation nicht schon stressig genug, wird entweder schlau umschrieben nach „Privaten Zielen“ gefragt oder plump und direkt die Frage „Wollen Sie auch Kinder?“ formuliert. Wer darauf nicht vorbereitet ist, wird dieses Brennen auf den Wangen erleben, das das Wangenrot aus jeder Schminkschatulle in den Schatten stellt. Hier ist Lügen ohne rot zu werden angesagt. Wer das nicht möchte, kann sich den Job abschminken.
Auch das vielgewählte „irgendwann vielleicht mal“ läßt sogleich Mutterschutz und Elternurlaub wie ein Damoklesschwert über dem Haupte der Bewerberin schweben.
Nein, wild entschlossen von sich weisen, die so interessante Welt des beruflichen Erlebens je verlassen zu wollen, ist der einzig wahre unwahre Weg. Kinderlieb sei man ja, aber eigene – niemals, sagt die Favoritin mit ernster Miene.

Ist es dann geschehen, frau ist schwanger und morgens von Übelkeit gequält, beginnt der Eiertanz von Neuem. Die ersten drei Monate der Schwangerschaft gilt es nun zu überstehen, ohne dass der Chef argwöhnt, was man da ausbrütet. Vor der 12. Schwangerschaftswoche ist von einem Geständnis dringend abzuraten. Wenn man es schafft, diese umwerfende Neuigkeit für sich zu behalten, ist im Falle eines „Fehlstarts“ wenigstens kein Karriereknick zu befürchten. Wer also blaß von der Bürotoilette zurückkommt, keinen Kaffee mehr trinkt, den obligatorischen Freitagnachmittagsdrink ablehnt und auf Saft umsteigt, mit häufigen Stimmungsschwankungen und Arztterminen Verdacht erregt, hat schon verloren. Es sei denn, alle Kollegen sind kinderlos. Dann kann eine Grippe, Allergie oder sogar eine Diät als Ausrede herhalten. Doch wehe der, die eine Mutter in der Kollegenschar hat…

Wenn schließlich auch der letzte in der Firma vom bevorstehenden freudigen Ereignis Wind bekommen hat, ist der Abschied in den Mutterschutz meistens nicht mehr weit. Noch ein bißchen Resturlaub und die Mühsal, jeden Morgen den runden Bauch hinter den Schreibtisch zu quetschen, hat ein Ende. Doch ach! Kaum ist die Zeit des Mutterschutzes angebrochen, das Kinderzimmer eingerichtet, das Haus umgeräumt, die Liste aller Notwendigkeiten erledigt, scheint es wieder Zeit, unter die Leute zu gehen. Doch nun ist es beschwerlich. Manchmal fühlt die werdende Mutter sich so behäbig, dass an längere Einkaufsbummel oder Treffen mit Freunden am Abend gar nicht mehr zu denken ist. Wenn jetzt der glückliche werdende Vater allmorgendlich hinaus in die weite Welt zieht, bleibt die schwerstarbeitende Schwangere oft recht einsam, bis der Liebste von der Arbeit nach Hause kommt. Wer dann noch die Sorte Mann am Hals hat, die abends nörgelt, wo denn das Essen bleibt und warum kein Bier im Haus ist, dem spielt das Leben in dieser Zeit –und nicht nur dann- übel mit. Doch hier soll nur der liebende und treusorgende Ehemann Erwähnung finden, denn die gerade erwähnte Entartung verdient keine weitere Zeile.

Aber auch der treusorgende und liebevolle Papa in spe wird manchmal große Augen machen. Zum Beispiel, wenn die Umräumwut seiner Liebsten stark ausgeprägt ist. Dann wird ihn nach dem Öffnen der Haustür völlige Orientierungslosigkeit überfallen und er malt sich einen Lageplan der Wohnung, um sich noch zurechtzufinden. Wenn nun auch noch die Telefonrechnung in seine Hände gerät – wovon dringend abzuraten ist – wird sich manch liebenswerter Schwiegermuttertraum in ein Nervenbündel verwandeln. Nur Mut, ihr armen Mannsgestalten, denn bald bleibt keine Zeit mehr für Stundentelefonate!

Ist das Baby mit Gebrüll in diese Welt eingezogen und hat sich erst mal eingelebt, kommt auch bald wieder die Zeit, wo das elterliche Leben die Unterschiede zwischen Tag und Nacht erkennen lässt, eine gewisse Struktur in den Tagesablauf gebracht werden kann und die Figur der frischgebackenen Mama allmählich in die alten Klamotten passt. Bloß in welche ? Das Business-Outfit füllt 90% des Kleiderschrankes, nur kann man weder mit kurzem engem Kostüm auf dem Boden herumtollen, noch eignet sich der teure Designer - Blazer für die unvermeidbaren Milchfleckchen auf der Schulter. Wer stillt, wird den engen Tops nicht mehr sehr viel abgewinnen können, es sei denn, man mag durchschimmernde Stilleinlagen. Eine neue Garderobe muss her. Mit etwas Glück kauft man auch gleich die richtige Größe. Mitunter jedoch wird die neue Kollektion in ein paar Wochen auch wieder schlapp um die Hüften baumeln, denn manch eine wird schlanker denn je bei diesem bewegungsreichen Leben mit einem quietschfidelen kleinen Wirbelwind.
Wenn nun auch die Füße nur noch mit Gesundheitslatschen zufrieden sind, weigern sie sich in die alte schicke Schuhmode zu schlüpfen. Die hochhackigen Pumps muten ohnehin zu Jeans und T-Shirt etwas merkwürdig an. Also wird das Baby in das praktische Tragetuch gebunden, wo es sanft durch alle verfügbaren Schuhgeschäfte geschaukelt wird auf der Suche nach flachen und bequemen Schuhen. In dieser Position ist Mamas Allerliebstes wenigstens vor den aufdringlichen Patschehänden alter Tanten sicher, die immer so gerne „Du, du, du...“ machen. Quasi in den Ausschnitt wird hoffentlich keiner fassen, um das Babygesicht zu befingern.

Nach einigen Monaten oder auch Jahren intensiven Zusammenseins mit dem kleinen Sonnenschein wird die eine oder andere Mutter vielleicht wieder an eine Beschäftigung im alten Job denken. Oft erweckt die Idee an Teilzeitarbeit Sympathie. Leider meist nicht beim alten Chef. So heißt es denn, auf ein Neues Bewerbungsunterlagen zusammentragen und Vorstellungsgespräche meistern. Aber: wer ist denn in der Zeit der Babysitter ? Wohl der, die eine Oma in der Nähe hat. Oder der, deren Kindsvater wohlgemut in der Mittagspause in Schlips und Kragen den Kinderwagen spazieren fährt.

Das Vorstellungsgespräch in einigermaßen ordentlichem Kleiderzustand und dann auch noch pünktlich zu erreichen, ist eine wahre Kunst. Wenn dann die Frage kommt, ob denn ein Geschwisterchen geplant sei, Hut ab vor der, die lügen kann. Ich würde es nicht können........
 
Habe mich koestlich amuesiert und unterhalten.

Als Tip:
Ich wueder noch etwas mehr ueberziehen und das Ganze in "Humor&Satire" veroeffentlichen.

In der jetzigen Form hat es zum Teil satirische, humorvolle und "besserwisserische" bzw. "kritische" Zuege, das liest sich mal so oder so.
Eine einheitliche Richtung waere vielleicht etwas besser.

Michael
 
Hallo Michael,
vielen Dank für die wertvolle Anregung. Der Stil innerhalb des Textes ist vielleicht auch deshalb uneinheitlich, weil ich ihn nicht am Stück verfasst habe. Ich wurde hin und wieder zu längeren Pausen gezwungen, wenn meine acht Monate alte Tochter den Reset-Knopf des Computers "begutachtete".
...Im Ernst : Ich werde den Text noch einmal überarbeiten und finde Deine Kritik sehr hilfreich.
Gruß, Heike
 

Querdenker

Mitglied
Hallo Heike Strobel,
Gibt es ein Leben nach der Karriere? Eventuell als neuen Titel zu überlegen.
Wenn es eine Satire werden soll und der Ansatz ist durchaus vorhanden hilft nur Kürzen, Kürzen, Kürzen.
Dieser dominierenden Geschäfts-Welt kann man nur mit Ironie und Satire beikommen. Vielleicht mal in den Eulenspiegel, dem Magazin für Satire, hineinschauen. Dort bekommt man mit Sicherheit Anregungen für die eigene Arbeit. Den Eulenspiegel kann man auch in einer Bibliothek ausleihen,denke ich.
Idee ist gut. Nun muß gearbeitet werden.

Viele Grüße
vom Querdenker
 
Hallo Querdenker,
den neuen Titel werde ich überdenken. Den Text werde ich noch einmal überarbeiten, denn den humoristischen / satirischen Zug möchte ich besser hervorheben. Wenn´s gelingt, werde ich der Anregung von Michael folgen und ihn in "Humor&Satire" veröffentlichen. Die Idee mit dem "Eulenspiegel" finde sehr interessant. Vielleicht kann ich das Magazin ja auch im Web finden?
Herzlichen Dank für die guten Vorschläge.
Gruß, Heike
 



 
Oben Unten