Neugeboren 10

Ruedipferd

Mitglied
Beatrix war zu einem ungewöhnlich hübschen Mädchen herangewachsen. Sie erhielt weiter professionellen Gesangsunterricht. Ihre Stimme konnte sich hören lassen. Wir lobten sie dafür, mit dem Ergebnis, dass sie ihre kleine Nase etwas höher trug und mir einige Obszönitäten ins Ohr flüsterte. An Heiligabend erhielt ich ein Buch von ihr: „Was man alles über Sex wissen muss.“ Vater und Onkel Ludwig fanden das Geschenk super. Die Damen weniger. Oma meinte, das schickte sich nicht, für eine junge Lady. Tante Alexa war ja mit einem französischen Adligen verheiratet. Beatrix‘ Papa hieß Maurice, stammte aus der Camargue. Seine Familie besaß dort ein Gut und eine Pferdezucht. Ich durfte seine Eltern ein paarmal besuchen und lernte inzwischen auch Französisch in einer der vielen Arbeitsgemeinschaften an unserer Schule. Wir sprachen deshalb seit zwei Jahren nur noch Französisch miteinander, wenn wir uns sahen. Beatrix sollte im nächsten Sommer nach Frankreich auf ein Mädcheninternat. Hubertus und ich neckten sie. Dort würde sie nämlich von Nonnen unterrichtet. „Ihr zwei seid fies“, meinte sie, als wir nach der Bescherung einen Moment in den Schlosshof gingen. Es schneite und wir warfen uns Schneebälle zu. „Bei den Nonnen im Kloster, da ist es schön! Da sieht man die Nonnen breitbeinig gehen. Sie tragen Keuschheitsgürtel um die Hüften, und können sich selbst nicht mal richtig lüften. Der kleinen Beatrix, dem süßen Fratz, wird auch bald so ein Ding verpasst.“ Wir waren alle drei alleine unten. Hubertus hielt sich den Bauch vor Lachen und ich wurde derb von hinten in den Schnee gestoßen. Meine kleine Cousine stürzte sich wie eine Furie auf mich. „Das sag ich alles deinem Deutschlehrer, das reimt sich nicht einmal und die Versmaße sind alle falsch. Du kommst nie durchs Deutsch-Abi!“, rief sie erbost und klatschte mir Schneebälle in den Nacken. Iihh, das lief eisig kalt langsam unter dem Hemd runter. „Frieden“, schnaufte ich. „Das Internat wird sehr fein und Mademoiselle eine Grande Dame sein.“ Sie ließ von mir ab. „Hört sich schon besser an. Ich hätte nämlich sonst Hubertus von deinen Eskapaden erzählt. Weißt du, Hubi, du solltest nachher im Zelt aufpassen, dass sich dein Vetter nicht an deinem Schwanz vergreift“, sagte sie, und warf mir einen wissenden Blick zu. Ich erstarrte. „Was willst du damit sagen, kleine Diva oder muss ich dich jetzt mit Hexe anreden?“, fragte ich. „Ich habe eine Freundin, sie heißt Jenny und ich weiß beim besten Willen nicht, was sie an dir findet. Sie hat mir einiges erzählt. Ich weiß so gut wie alles über Andreas und Rene. Also, lieber Vetter, sei recht nett zu mir, damit ich nicht aus Versehen mal in Tante Adelheids Gegenwart etwas zu viel erzähle.“ Sie hatte noch nicht ausgesprochen, da lag sie schon in Hubertus‘ Armen. „Hör zu, meine kleine Maus, wir haben einen Ehrenkodex, der bedeutet, dass wir uns niemals gegenseitig in die Pfanne hauen. Wenn du also meine Lieblingscousine bleiben willst, plauderst du nie mehr etwas über deine Geheimnisse mit Jenny aus. N’est-ce pas?“ Er hielt sie ziemlich fest und ich sah an seinen Augen, dass er sehr ungehalten wurde. Hubertus war der Älteste von uns. Wir gehörten zur nächsten Generation der Grafen von Wildenstein und Zusammenhalt wurde bei uns groß geschrieben. Familiengeheimnisse erzählte man keinem. Nicht einmal Familienmitgliedern, wenn es nicht unbedingt nötig war. Ich schmunzelte. „Danke, Hubi. Ich glaube Beatrix weiß auch Bescheid. Sie ist die Nichte der Gräfin Wildenstein und ihre Mutter ist eine Baronesse. Trixi kennt unsere Regeln und wollte uns nur zeigen, dass sie langsam erwachsen wird und wir sie nicht mehr wie ein Kind behandeln dürfen. Komm zu mir, Kleines. Ja, du hast Recht. Ich bin bisexuell und das ist bei Leuten wie mir auch völlig normal. Die meisten Transsexuellen können mit beiden Geschlechtern. Aber wir brauchen das ja nicht öffentlich zu erzählen. Jeder hat seine Leiche im Keller und auch du wirst irgendwann eine haben. Nobody is perfect. Ich hab dich lieb, Mäuselchen. Verdreh nur weiter den Männern die Köpfe.“ Ich küsste sie zärtlich auf die Wange. Sie schwieg betroffen, schlug die Augen nieder. „Sorry, Max. Wir sollten tatsächlich anfangen, uns über vernünftige Sachen zu unterhalten. Wie funktioniert das mit den Gummis?“ Einen Moment später balgten wir uns alle drei im Schnee. Ich erzählte Hubertus am Abend im Zelt von Rene und Andy und meinen Erfahrungen. Er hatte auch seine schwulen Seiten ausgelebt. Das war vollkommen normal. Im Augenblick stand er mehr auf Frauen und als ich ihm meinen Hintern zeigte, regte sich auch nichts bei ihm. Wir lachten. Hubertus würde die Familie erhalten. Ich sprach auch von Jenny, die bereit war, mit mir eine zu gründen. „Wenn ihr irgendwann vor der Frage steht, woher ihr den Spendersamen nehmen sollt, dann melde dich. Wir können das diskret machen. Niemand wird etwas merken und unser Blut bleibt in der Familie. Natürlich nur, wenn bei mir alles okay ist. Aber davon gehe ich mal aus“, flüsterte er mir leise zu. Hach, dann war das auch schon geregelt. Jenny würde sicher nichts dagegen haben. Sie mochte Hubertus, die zwei hatten sich einmal kurz im Sommer gesehen. Er war ihr sicher lieber, als Andy. Jenny dachte dynastisch, genauso wie meine Eltern. Vielleicht war das typisch für Mädchen ihrer Art. „Das wäre Klasse. Ich denke, es wird etwas werden.“ Ich berichtete von Andy und seinen glorreichen Ideen. Hubis Augen wurden dabei immer größer. „Das stelle ich mir gerade vor. Andy im Kleid und mit Pumps an den Füßen, mondän eine Zigarettenspitze in der Hand, wie er am Schlossaufgang steht und als Gräfin mit tiefer rauchiger Stimme die Gäste begrüßt“, fantasierte er kichernd. Ich quiekte auf bei dem Gedanken. Andy wollte Rene mal in Hamburg besuchen. Wir mussten ihm bald etwas mehr erzählen. Aber ich war mir sicher, dass er uns nicht verraten würde. Im Gegenteil, die Schwulenbars wären wohl genau das richtige für ihn. Hubertus gab mir Recht. Wir sollten schauen, dass Andy dort einen netten Freund finden konnte. Die Tage gingen viel zu schnell vorbei. Aber wir feierten noch Sylvester zusammen und am 2. Januar hieß es, Abschied nehmen. Um Oma machte ich mir Sorgen. Sie war klapperig geworden und vergaß nun schon mal das eine oder andere. Ich lief oft, um ihre Brille zu holen oder ihre Tabletten zu suchen. Ständig hatte sie irgendetwas verlegt. Mutter und Tante Alexa kümmerten sich rührend um sie. Tante Friederike ging mit ihr spazieren und wollte sie im Sommer ein paar Wochen nehmen. Oma erzählte von Ostpreußen. Man hatte den Eindruck, sie war gerade von dort gekommen, so zeitnah und authentisch hörte sie sich an. Mutter meinte, sie sollte erst einmal bei uns bleiben. So saß ich die kommenden Wochen bei Oma und trug ihr meine Referate vor. Sie verstand zwar so gut wie nichts, von dem, was ich erzählte, aber ich merkte, dass es ihr Spaß machte. Zu Vaters Geburtstag gab es wieder ein kleines Fest, allerdings nur im engsten Familienkreis. Oma fuhr danach mit Tante Alexa nach Hause. Es wurde ruhig auf dem Schloss. Ich saß viele Stunden allein oder mit Andy vor dem PC oder an meinen Büchern. Zwischendurch schliefen wir miteinander. Jenny rief fast täglich an und erzählte mir den neuesten Klatsch aus ihrer Schule. Sie war erst nächstes Jahr mit dem Abi dran. Rene hatte ein paar Dates mit schwer reichen Freiern gehabt und sein Bankkonto war schon prall gefüllt. Kurt ließ ihn in seinen Läden die Büroarbeit machen, schubste ihn aber auch immer wieder an seine Hausaufgaben. Mit Conny verstand er sich blendend. Wir mailten viel und telefonierten. Conny hatte einen guten Arzt gefunden, der ihm die Medikamente gab. Er ließ sich, wie von Ronny vorgeschlagen, auf dem Tageskolleg einschreiben und besuchte tagsüber eine Aufbauklasse. Rene half ihm, den Stoff zu verarbeiten. Conny hatte es nicht leicht. Aber auch ich versuchte ihn immer wieder zu motivieren, wenn etwas misslang und nach einer Weile fand er den Anschluss wieder. Kurt lobte ihn und man merkte, wie stolz er auf seinen Sohn war. Der Vaterschaftstest war eindeutig positiv gewesen. Ich fragte mich, warum sich Kurt nicht früher zu erkennen gegeben hatte. Vielleicht wäre es dann gar nicht erst zu Connys Infektion gekommen. Nun, es war nicht mehr zu ändern und es nützte nichts, sich Gedanken um nicht gelegte Eier zu machen. Nur die Zukunft war wichtig. Um meine machte ich mir nicht allzu viele Sorgen. Unser Test hatte nichts Auffälliges ergeben. Wenn wir weiterhin aufpassten, würde uns nichts geschehen. Kurt hatte meine Mailadresse bekommen. Er fragte nach, ob ich überhaupt noch ein Date haben wollte. Ich überlegte und spürte Erregung bei dem Gedanken, als Edelboy einen Freier zu verwöhnen. Anfang Februar hatte ich wieder einen Wochenendtermin bei Doktor Reimers. Ja, wollte ich. Aufgeregt flog ich nach Hamburg. Ich war nicht der einzige in der Sprechstunde. Rene und Melanie und noch zwei andere Mädchen saßen im Wartezimmer, als ich eintrat. Was für eine stürmische Begrüßung! Rene ließ mir den Vortritt beim Doc. Er gab mir hinterher einen kleinen Zettel in die Hand und erzählte mir leise, wie es nun weiter ging. Ich sollte gegen Mittag in das sehr gehobene Lokal zum Essen gehen. Auf ein Stichwort hin würde mich der Ober an einen Tisch führen und mich dort dem Gast vorstellen. Dieser war US Amerikaner und Geschäftsmann aus Kolumbien. Am Nachmittag wollte er im Taxi mit mir eine Stadtrundfahrt machen, den Hamburger Hafen ansehen und mich zur Besichtigung einer der größten Hamburger Kaffeeröstereien mitnehmen. Er besaß wohl in Kolumbien eigene Kaffeeplantagen und hatte geschäftlich in Hamburg zu tun. Den Abend und auch den Samstag sollten wir gemeinsam gestalten. Ich nickte nur. Dann eilte ich in mein Hotel an der Reeperbahn, welches Kurt für mich reserviert hatte, um mich umzuziehen. Meine Wahl fiel auf eine schwarze Jeans, ein dezent gemustertes helles Hemd, eine passende Krawatte und ein helles Sakko. Zufrieden drehte ich mich vor dem Spiegel. Ich sah nun selbst wie ein junger Geschäftsmann aus. Ein Taxi brachte mich zum verabredeten Treffpunkt. Der Ober führte mich an einen Tisch, mit Blick auf die Alster und ließ uns allein. „Hello, I’m Max. Nice to meet you.“ Der Freier sah gut aus. Ich schätzte ihn auf Mitte Vierzig. Leicht gewellte dunkelblonde Haare und blaue Augen musterten mich. Er erwiderte meinen Gruß und stellte sich als Ken Boldman vor. Wir begannen einen leichten Smalltalk. Sympathie kam sofort auf. Ich fragte ihn nach seinen Interessen. Hamburg bot ziemlich viel. Theater, Oper, Revue. Er mochte alles und überließ mir die Gestaltung des Abends. Allerdings sprach er nur Englisch. Der Umstand komplizierte die Angelegenheit etwas. Ich fragte nach dem Termin in der Rösterei und das ich mich sehr darauf freute. Ich hätte familiär mit Bier und Schnaps zu tun und kannte mich hinsichtlich Firmenführungen schon recht gut aus. Er hörte sehr interessiert zu. Wir hatten also zwei Tage und zwei Abende Zeit. Es gab ein kleines englischsprachiges Theater. Das könnte etwas sein, dachte ich sofort. Auf dem Handy las ich mir den Spielplan durch. Es stand für heute Abend eine Komödie auf dem Programm. Ich schmunzelte und bestellte gleich online zwei Eintrittskarten. Danach würden wir in eine bekannte Künstlerkneipe gehen und mit etwas Glück, dort ein paar Prominente von Film und Fernsehen entdecken können. Je nachdem, wie er gelaunt war, würden wir zu späterer Stunde über die Reeperbahn ziehen und uns einige Bars ansehen. Ob wir bei ihm oder bei mir landeten, wollte ich dem Zufall und seinen Wünschen überlassen. Ich erzählte ihm nichts, sondern signalisierte nur, dass ich ab heute Abend um sechs Uhr die Führung übernehmen würde. Der Ober kam, fragte nach meinem Getränkewunsch und brachte uns die Speisekarte. Die piekfeine Atmosphäre hätte vielleicht sogar Rene Unbehagen bereitet. Conny wäre hier auf jeden Fall zusammengebrochen. Ich hingegen fühlte mich in meinem Element. Ich wusste, welches Glas und welches Besteck zu welchem Anlass gehörten. Ken leistete sich mehrere kleine Fauxpas. Amerikaner waren in ihren Tischgewohnheiten nicht so abgehoben, wie ich es von europäischen Spitzenrestaurants und ihrem erlesenen Publikum der oberen Zehntausend kannte. Ich schmunzelte und wies ihn darauf hin. Er ergriff staunend meine Hand, hielt sie fest und sah mich überglücklich an. Wir lachten beide in uns hinein und verließen nach dem Essen Arm in Arm das Lokal. Der Taxifahrer erzählte zusammen mit mir auf Englisch von der Stadt, den Bauwerken und ihrer Geschichte. Am Schluss setzte er uns am Hafen ab, wo die Barkasse schon auf uns wartete. Ken strahlte, fragte immer wieder nach. Seine Hände glitten dabei zärtlich über meinen Körper. Wir verhielten uns wie vertraute Freunde. Es war nicht aufdringlich und vor allem nicht affektiert. In der Rösterei drehte ich den Spies um. Und das war nicht gespielt. Ich fand alles hochinteressant und fragte Ken und unsere Begleiter ein Loch in den Bauch. Um kurz vor sechs Uhr endete dieser Teil des Tages. Er wollte gerne ins Hotel und sich etwas frisch machen, fragte, ob ich ihn begleiten würde. Gerne. Er war schließlich der Boss. Vielleicht könnten wir hinterher noch auf einen Abstecher in mein Hotel fahren. Ich dachte daran, das Hemd zu wechseln. Wir standen kaum im Zimmer, da fanden unsere Hände zueinander. Ken zog mich an sich und ich folgte ihm. Unsere Lippen verschmolzen. Das war nicht der Strichersex, den ich vom Parkplatz kannte. Wir wussten beide, was wir wollten. Zogen uns aus, duschten, jeder nahm sich einen Drink, gab dem anderen, was er wünschte. Es war, als wenn wir uns seit ewigen Zeiten kannten, seit langem ein Paar waren, das vertraut und intim miteinander umging, dem kein Detail am anderen fremd vorkam. Was dann geschah toppte alles. So zärtlich hatte noch nie ein Freier mit mir geschlafen. Ich gab mich Ken völlig entspannt hin, ließ ihn die Führung übernehmen und genoss die Augenblicke höchster Ekstase. Am Schluss waren wir beide gekommen und lagen nebeneinander. Er wollte meinen Dildo sehen. Ich erzählte ihm von mir. Er wusste es bereits von Kurt und war sehr neugierig auf mich gewesen. „Normalerweise bin ich stockschwul und dein Körper hätte mich eigentlich kalt lassen müssen. Aber du hast eine so faszinierende fesselnde Ausstrahlung, der ich nicht widerstehen kann.“ Ich konnte das auch für ihn feststellen. Dann erzählte ich ihm von meinem Abendplan. Wir hätten im Hotel bleiben können. Ich war mir sicher, dass Ken nach kurzer Zeit wieder bereit wäre. Er überlegte. Schüttelte dann den Kopf. Nein, er hatte nicht nur für den Sex mit mir bezahlt, sondern vor allem für meine Begleitung. Und die wollte er auch genießen. Sein Flugzeug ging übermorgen um ein Uhr. Solange gehörte ich ihm. Dann wollte ich jetzt in mein Hotel und mir ein frisches Hemd anziehen. Er wehrte ab. Wir hatten annähernd die gleiche Größe. Ich musste mir etwas aus seinem Wäscheschrank nehmen und trug nach dem Duschen nicht nur ein Hemd und eine Krawatte von ihm, sondern auch seine Unterwäsche. Er bestand darauf. Es war ein komisches Gefühl, das ich nur einmal erlebt hatte, als ich mit meinem Vater unterwegs gewesen war und nach einem Regenguss von ihm Kleidung ausleihen musste. Aber Ken war nicht mein Vater, obgleich er es altersmäßig hätte sein können. Ich erzählte ihm, woran ich dachte. Er nahm meinen Kopf in beide Hände, küsste mich auf den Mund und sagte, okay, dann bist du ab sofort mein Sohn. Und du bist genauso schwul wie ich. Wir fuhren zum Abendessen. Ich hatte ein nettes Restaurant ausgesucht, das gute Hausmannskost servierte. Danach spazierten wir über die Straße in das kleine Theater. Ken amüsierte sich königlich. Auch die Künstlerkneipe gefiel ihm und als es endlich zur Reeperbahn ging, wusste ich, der Abend war gelungen. Wir schliefen bei ihm und am nächsten Morgen fuhren wir in mein Hotel, holten meine Sachen und ich checkte dort aus. Ken wollte meine Handynummer haben. Wir würden uns wieder verabreden, wenn er den nächsten Geschäftstermin in Hamburg wahrnehmen musste. Ich erzählte ihm, dass ich studieren wollte und wahrscheinlich im kommenden Jahr in München leben würde. Wir waren tagsüber im Planetarium gewesen und hatten eine Ausstellung über die Anfänge der Menschheit besucht. Nach der Sauna im Hotel lagen wir im Bett und schmusten. „Ich komme auch nach München, um dich zu haben“, sagte er und küsste mich immer wieder. „Geld spielt keine Rolle und wenn du mal Urlaub in den Staaten machen willst, sag es mir. Ich organisiere dir Hotel und Aufenthalt, allerdings will ich dann auch Liebe von dir.“ Ich erwiderte seine Küsse, stimulierte ihn und nach einer Weile war er erneut bereit. Ich ließ mir den Rücken kraulen und half ihm, seinen Weg in mich zu finden. Es war einfach nur schön. Vollkommen anders als die schnellen Euro am Parkplatz oder die geilen Pädofreunde von Kai. Eine zauberhafte Nacht lag vor uns, in der kein Wunsch unerfüllt blieb. Das Gefühl, sich zu verkaufen, allein den Körper hinzugeben, wich von mir. Fast hätte ich mich in Ken verliebt. Eine warnende Stimme meldete sich rechtzeitig und mahnte professionelles Verhalten an. Ken lächelte. Er hatte gemerkt, dass ich längst kein Stricher mehr war, der sich von ihm für seine Dienste bezahlen ließ. Wir frühstückten zusammen und verbrachten den Rest des Vormittags im Hotel. Zwei Stunden vor seinem Abflug half ich ihm aus zu checken und brachte ihn zum Flugplatz. Etwas wehmütig sah ich die Maschine abheben. Wir würden uns sicher wieder sehen. In der Tasche fühlte ich den Umschlag, den er mir beim Abschied gab. Auf der Toilette schaute ich ‘rein und erschrak fast. Normalerweise sollte ich 2500 Euro für die zwei Tage bekommen. Ken hatte mir mehr als das doppelte hineingelegt und eine Karte dabei geschrieben. Für eine wundervolle Zeit mit einem wundervollen Menschen, stand darauf. Ich fuhr zu Kurt. Er war nicht in der Bar, aber Conny kam mir schnaufend entgegen. Er schleppte Bierkasten herein. Ich lachte. „Hallo, Zuhälter, wie ändern sich doch die Zeiten. Jetzt musst sogar du mal körperlich arbeiten.“ „Da stehen noch drei Kästen, komm, hilf mir und dann erzähl mir von deinem Date.“ Natürlich gehorchte ich, wie es sich für ein braves Pony gehörte. Conny zapfte professionell zwei Bier aus dem Hahn. Er holte ein Englischbuch unterm Tresen hervor. „Ich lese mal vor und du hilfst mir mit der Aussprache. Ich glaube, das lerne ich nie.“ Wir tranken unser Bier, ich verbesserte ihn und erklärte die Bedeutung der Lautschrift. Conny strengte sich an und mit der Zeit konnte sich der Text aus seinem Mund hören lassen. Ich gab ihm 1500 Euro von meinem Verdienst ab. „Hier, mein Zuhälter. Den Rest muss ich für Rene zurücklegen, wobei, wenn die Krankenkasse die Kosten für seine OP übernimmt, dann kriegst du noch etwas mehr. Das sieht gut aus für Rene. Der Anwalt meinte, die Zusage müsste bald kommen. Dann unterstütze ich dich in erster Linie. Rene verdient sich sein Geld selbst. Ich hatte ein tolles Weekend. Wenn Kurts Kunden alle so drauf sind, wie Ken, wird das ein geiles Anschaffen. Kein Vergleich zu den Typen am Parkplatz oder Kais Kumpels.“ „Das glaub ich. Ich hätte auch gerne mal ein solches Date, aber Kurt hat es mir verboten. Ich nenne ihn teilweise schon Pa. Er mag es. Er gibt vor seinen Kumpels sogar mit mir an. Die meisten haben auch Kinder mit ihren Nutten. Einige sind verheiratet und die Frauen schaffen nebenbei an. Kurt meinte, das wäre auch etwas für mich. Er brachte gestern ein Mädchen mit und sagte ihr, dass ich ab sofort auf sie aufpasse. Sie ist jetzt im Laufhaus und kommt nachher zum Tanzen her. Hast du noch Zeit oder musst du wieder nach Hause?“ Ich sah auf die Uhr. „Ich muss in einer halben Stunde zum Flughafen. Grüß sie unbekannterweise. Wir schreiben Montag Deutsch. Ende Mai hab ich es geschafft. Im Juni kommen die mündlichen Prüfungen und dann Penne ade! Aber das mit dem Studium hier wird nichts. Mein alter Herr hat mit dem Dekan in München gesprochen. Ich hab die Zusage von dort so gut wie sicher. Andy geht mit. Er fährt aber in den Osterferien zu Rene. Der hat ihm schon Andeutungen gemacht, was wir hier treiben. Ich will ihm nächste Woche in aller Ruhe reinen Wein einschenken. Ich denke, er wird es schlucken.“ Conny zapfte noch ein Bier. Kurt stand neben uns und legte mir den Arm um die Schulter. „Max, wie hat dir dein Date gefallen?“ „Super, Kurt. Ken war einfach Spitze. Er hat es auch genossen und ich musste aufpassen, dass ich professionell blieb. Fast hätte ich mich verloren.“ „Ich weiß. Ihm ging es nicht anders. Er rief mich eben an und bedankte sich noch einmal. Die Vermittlungsgebühr für mich kann sich sehen lassen. Bist du zufrieden, oder muss ich noch etwas drauflegen?“ Ich schüttelte den Kopf. „Um Himmels willen, nein, er hat mir mehr als den doppelten Verdienst gegeben. Ich hab einen Teil schon an meinen Zuhälter abgeliefert, sonst legt mich der übers Knie“, grinste ich. Conny sah mich fest an. „So gehört sich das, für ein ordentliches Pony. Hast du seine Kette gesehen, Pa? Rene trägt auch eine. Es ist das Zeichen, dass sie zu mir gehören.“ „Kindskopf“, schimpfte Kurt lachend und wischte seinem Sohn über die Haare. „Wann bist du wieder hier, Max? Soll ich dich einplanen?“ Ich überlegte. Den nächsten Termin hatte ich Anfang April. Kurz danach fingen die Osterferien an. Rene musste noch zur Schule. Hamburg war dies Jahr spät dran. „Am 06.04. bin ich hier. Das ist ein Freitag. Also, wenn du für das Wochenende etwas abmachen willst, herzlich gerne. Wir haben auch Ferien und ich dachte daran, bei Rene zu bleiben. Dann hätte ich bis zum 18.04. Zeit. Aber ich muss das noch mit meinem Vater klären. Ich hab ihm von dir erzählt. Natürlich nur, dass wir Conny in einer Disco kennen gelernt haben und Rene nun bei dir arbeitet und sich schon mal die Kneipenpraxis für das Studium anschaut. Vielleicht schafft er es und kommt mit. So könnt ihr eure Geschäfte machen. Unser Bier ist ja wirklich gut und der Schnaps auch.“ Kurt nickte. Ich hatte ihm beim letzten Mal ein Probiersortiment von uns mitgebracht. Er war begeistert gewesen. „Das Bier kommt hier bestens an. Ich hab viele Gäste aus Bayern und die werden sich freuen, eine heimische Biersorte trinken zu können. Also, das ist abgemacht. Ich kann dir die erste Bestellung auch gleich mitgeben. Aber ich möchte deinen Vater natürlich gerne kennen lernen.“ Das dürfte kein Problem sein. Vater würde beim nächsten Mal sicher für einen Tag mit hierauf kommen. Ich musste mich verabschieden. Conny drückte mich fest. Wir küssten uns zärtlich. Zu Hause erzählte ich Vater alles und lud ihn im April ein, mich zu begleiten. Er freute sich, als er hörte, dass wir den Kiez unsicher machen würden. Mein alter Herr ließ auch heute noch nichts anbrennen. Obwohl er Mum liebte und nie etwas tun würde, das ihr Kummer bereitete. Die Zeit verging schnell. Wir flogen gemeinsam nach Hamburg und Vater begleitete mich zu Doktor Reimers. Wir sprachen über den OP Termin. Ich sollte nach dem Eingriff von meinem Hausarzt weiter betreut werden. Am Abend trafen wir uns bei Kurt in der Bar. Ich hatte in Absprache mit den anderen erzählt, dass wir mit Conny in unserer Stammdisco ins Gespräch gekommen waren. Vater fand alles völlig plausibel. Er und Kurt verstanden sich auf Anhieb und der geschäftliche Teil wurde schnell zur Nebensache. Die beiden verschwanden nach kurzer Zeit allein im Laufhaus. Vater beschwor mich hinterher, nichts Mutter zu erzählen. Er hatte wohl ein schlechtes Gewissen bekommen. Und das war sicher berechtigt, wenn ich seinem leicht verkürzten Bericht Glauben schenkte. Er musste am nächsten Morgen wieder nach Hause. Ich brachte ihn zum Flieger und wartete im Anschluss in der Ankunftshalle auf Mr. Yamoto aus Japan.
 



 
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