Neugeboren 18

Ruedipferd

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Sie freute sich sehr und hatte auch Herrn Reimers schon angerufen. Ich versprach Beatrix, sie eigenhändig übers Knie zu legen, wenn auch nur irgendeiner zu Hause eine abfällige Bemerkung über mein bestes Stück machte. Rene verfolgte die Klicks mit großem Interesse. Wir hatten Conny und die anderen bereits informiert. Aber alles lag im grünen Bereich. Nach und nach wurden unsere Geräte entfernt, bis der Urinkatheder übrig blieb. Wir hatten zwischendurch noch einmal Besuch von der Selbsthilfegruppe Berlin bekommen. Die beiden Jungs waren bereits erwachsen und schon lange durch. Sie erzählten uns, dass wir am Anfang das Pinkeln erst lernen müssten. Die Tipps hörten sich nützlich an. Wir sprachen lange mit ihnen. Jeder Mensch reagierte verschieden auf die transsexuelle Problematik und musste seinen eigenen Weg mit dem Umgang damit finden. Sie fragten uns nach unserer Krankenkasse. Ich erzählte von meinem Vater und unserem Anwalt. Transsexuelle erleben sich ja eigentlich nicht als krank und doch muss man für die Kostenübernahme eine Art Krankheit draus machen. Krankenkassen, das erklärt bereits der Name, zahlen die Kosten, um eine Krankheit zu heilen. Zu sagen, ich bin transsexuell und gesund, brauch aber Geld für eine Operation, bei der meinem gesunden Körper gesunde Organe entnommen werden, passt da natürlich nicht. Ich empfand mich als Kind als Missgeburt. Ich war anders als die anderen Kinder. Von der Warte aus, muss man den Zustand als regelwidrig ansehen. Und je länger jemand gezwungen war, im falschen Geschlecht leben zu müssen, umso mehr psychische Schäden stellten sich ein. Sie sahen das genauso und verabschiedeten sich mit den besten Wünschen für uns. Mein Problem bis jetzt war allerdings die lange Bettruhe. Ich stellte mir vor, wie ich wohl drauf sein würde, wenn ich aufstehen durfte. Meine Muskulatur hatte sich viel zu schnell zurückgebildet. Am Ende der Bettwoche kam der große Augenblick. Herr Melcher zog mir mit einem Ruck den Katheder aus der Blase. Ich sollte trinken und bemühte mich redlich, zwei Flaschen Selters leer zu bekommen. Irgendwann musste ich und klingelte. Wir durften auf keinen Fall allein aufstehen, hatte er gesagt. Rene blickte mich erwartungsvoll an. „Viel Glück“, meinte er und hatte da wohl auch an sich selbst gedacht. Herr Melcher erschien und führte mich vorsichtig zur Toilette. Mein Kreislauf meldete sich. Mir wurde schwindelig. Ich setzte mich deshalb sicherheitshalber aufs Klo. Der Anfang war fies. Es stach und pikste in der Blase. Erst kamen nur ein paar Tropfen. Ich blieb eine halbe Stunde sitzen, bis der Strahl endlich ins Becken lief. Uff, das war geschafft. Aber ich sah Rene bedauernd an, als Herr Melcher mich wieder ins Bett brachte. Er hing mir eine Urinflasche ans Bett. Die Schwester würde nun jeden Tag mit mir auf dem Flur herumgehen. Morgen wäre auch Rene fürs Klo dran, erklärte er. In zwei Tagen könnte ich dann allein zur Toilette spazieren. Ich lachte Rene fröhlich zu. Nun stand ihm nur noch diese kleine Prüfung bevor, aber wenn es einigermaßen so funktionierte, wie bei mir, brauchte er sich keine Gedanken zu machen. Fehlanzeige. Das Desaster geschah am späten Vormittag. Renes Katheder wurde herausgezogen. Das tat auch nicht weh. Herr Melcher war sehr geübt darin. Rene saß danach aufm Klo. Und er saß und saß. Völlig verzweifelt rief er nach Herrn Melcher. Der drehte ihm den Wasserhahn auf, aber nichts half. Am Schluss musste er unverrichteter Dinge wieder ins Bett gehen. Unser Assistenzarzt verschwand und kam nach fünf Minuten mit einem Stapel Wäsche wieder zurück. Ehe Rene protestieren konnte, lag er in eine dicke Pampers eingepackt. „Einfach vergessen, nicht dran denken. Irgendwann wird der Druck zu groß und es läuft von allein“, sagte Herr Melcher. Rene schluckte. „Er braucht noch seinen Schnuller“, blödelte ich und im nächsten Moment flog mir unsere neue Sportzeitschrift um die Ohren. Gut, auf die hatte ich schon gewartet. Ich grinste gemein. Baby Rene in Windeln, hi hi. „Wehe du erzählst auch nur ein Sterbenswörtchen“, drohte er mir. „Daran dachte ich gar nicht. Eher, an ein schönes Video auf YouTube. Was meinst du, was Kerrin dazu sagt?“, flachste ich ihn an. Es war nicht witzig und Rene tat mir leid. Er trank weiter brav seine Selters. Ich spielte an meinem Schwanz, er blickte neidvoll drauf und drehte sich auf den Bauch. Ich hörte ihn stöhnen. Er kletterte aus dem Bett, hielt sich am Bettpfosten fest und machte in die Windel. „Geschafft“, meinte er gleich darauf triumphierend. „Macht Spaß, ist ein irres Gefühl. Solltest du mal ausprobieren.“ Der Sarkasmus und etwas Häme waren nicht zu überhören. Als Schwester Tanja kam, mit der wir uns inzwischen duzten und herrlich herumblödelten, erzählte ich ihr, was Rene getan hatte und grinste. Sie sagte nichts. Dann half sie ihm zur Toilette und wickelte ihn aus. Nachdem sie seine Windeln entsorgt hatte, kam sie mit einem gefährlichen Lächeln an mein Bett, nahm die Urinflasche und leerte sie. Aber sie legte sie nicht wieder zurück. Stattdessen hob sie meine Bettdecke hoch, nahm eine dicke Windel vom Stapel und ehe ich protestieren konnte, war ich verklebt. Eine zweite kam darüber. Sie klatschte mir einmal mit der Hand auf den Schenkel, als ich mich wegdrehen wollte. „Du wirst gehorchen. Die Nachtschwester gibt dir heute Abend deine Flasche wieder. Komm Rene, ich leg dir auch noch eine um. Morgen früh versuchst Du’s ohne. Das hat ja gut geklappt. Du bist jetzt auch nicht mehr: Rene, allein in Windeln. So, Baby, Max, schön brav sein, oder ich sag’s der Mami.“ Rene holte sein Handy raus und fotografierte sich, als sie gegangen war. Seine Finger zeigten auf mich. Ich schüttelte den Kopf. Immer wieder. Dann gab ich nach und ließ ihn einen kurzen Blick auf meinen bewickelten Hintern werfen. Er nutzte den Moment und drückte auf den Auslöser. Wir sahen uns an. Es war eh alles zu spät. Beatrix hatte unsere Schwänze in alle Öffentlichkeit gestellt. Schlimmer konnte es für uns ohnehin nicht mehr werden. Ich nahm meinen Laptop, speicherte die Fotos und machte auch noch ein paar mehr. Ohne Gesichter oder andere verräterische Merkmale lud ich sie unter unserem Account hoch. Wir warteten. Natürlich meldeten sich alle Bekannten. Mein Handy ging pausenlos. Jenny rief an. „Liebling, du bist ja so süß. Dann brauchen wir gar kein eigenes Baby mehr. Du bekommst noch einen Schnuller und eine Strafhose dazu. Ich bin ab sofort die strenge Mami.“ Ja, das hatte ich nun davon. Rene erging es mit Kerrin natürlich nicht besser. Melanie fand die Idee super und beglückwünschte uns zur Rückkehr ins Kleinkindalter. Meine Mutter erklärte sich nicht mehr bereit mitzuspielen. Sie hätte genug von Babys und akzeptierte nur noch Enkelkinder. „Ach, Mum, wir brauchen etwas Spaß hier. Sonst wird es zu langweilig. Rene ärgert mich den ganzen Tag und er schnarcht so schrecklich!“ Ich hatte prompt ein Handtuch an der Backe. „Es ist umgekehrt, Mum. Wollen Sie nicht lieber mich als Sohn adoptieren und Max in ein Kinderheim stecken, am besten in ein Geschlossenes für schwer Erziehbare?“ Sie legte auf. Wenig später beglückwünschte uns Renes Vater zu unseren Windelpaketen. Meiner meldete sich nicht. Ich wusste, was das hieß. Er dachte sich seinen Teil. Die Tage wurden auf diese Weise etwas lustiger. Am Dienstag überraschte uns Doktor Dupret mit der Aussicht auf Entlassung am Freitag. Das war ja herrlich. Endlich ging es wieder heim. Mich nervte das Krankenhaus inzwischen sehr. Wir freuten uns beide. Renes Mutter hatte sich freigenommen und kam am Abend vorher extra mit dem Auto angefahren. Sie hatte sich mit meiner Mutter abgesprochen und wollte ein paar Tage bei uns Ferien machen. Auf einem Schloss zu wohnen, war schon etwas ganz Besonderes, dass sie sich nicht entgehen lassen durfte. Ich ließ die beiden erst mal diskret allein. Rene konnte sich vor Küssen und Liebkosungen kaum retten und hätte lieber Kerrin dafür in Anspruch genommen. Aber seine Mutter war so froh, ihn gesund in den Armen halten zu dürfen, dass er sich fügte. Wir verabschiedeten uns fröhlich von allen Ärzten und Schwestern. Am Nachmittag kam Wildenstein in Sichtweite. Renes Mutter staunte, genau wie alle anderen, die uns bisher besucht hatten. Rene und ich waren allerdings durch die Reise so müde und fertig, dass wir freiwillig schlafen gehen wollten. Rene bestand darauf, bei mir zu nächtigen. Wir warfen unsere Rucksäcke aufs Sofa. Wie ich mein Zimmer vermisst hatte! „Ich muss dich doch weiter ärgern können, nebenan macht das keinen Spaß“, meinte Rene, als wir uns daneben setzten. Sein Bett wurde gleich aus dem Gästezimmer rüber gebracht. Am nächsten Tag kam Doktor Steiner aufs Schloss. Er wollte auch mal einen Hausbesuch machen, wie in den guten alten Zeiten, meinte er und untersuchte uns gründlich. Die Verbände an unseren Armen wechselte er auch und gab uns den Rat, später eine Tennismanschette darum zu binden, damit die Wunde nach der Heilung geschützt bleiben konnte. Das Gehen fiel mir noch ziemlich schwer. Ich fühlte mich, als wenn mein ganzer Unterleib gleich auseinander brechen würde. Ich sagte es ihm. „Das ist doch auch klar. Ein so großer Eingriff kann nicht im Nullkommanichts an dir vorübergehen. Jetzt ist Schonung für euch angesagt, meine Herren. Ich lasse euch noch einige Schmerztabletten da und wenn alles okay ist, sehen wir uns übermorgen bei mir unten in der Praxis zur Spritze und zum Verbandswechsel.“ „Und wann kann ich wieder Sport treiben und reiten?“, fragte ich. „Oh, je.“ Mein langjähriger Hausarzt seufzte laut auf. „Ich hatte dir doch gerade alles erklärt. Max, hast du schon Alzheimer? Du merkst doch selbst, wie du drauf bist. Frühestens in drei Monaten kannst du langsam mit Training anfangen.“ Schitt, dann bin ich gerade wieder soweit fit, wenn die Pumpe eingesetzt wird und die Sache geht von vorne los. Ich sparte mir mein Gejammer. Die Gesundheit ging nun mal vor. Im Laufe des Tages kamen ständig Freunde zu uns. Fürs Bootshaus reichte meine Kraft noch nicht aus, deshalb trafen wir uns auf meinem Zimmer. Eigentlich waren es drei Räume. Wir hatten aber zwei Wände herausgenommen und so besaß ich ein Schlafzimmer mit Couchgarnitur und neben meiner eigenen kleinen Bibliothek auch ein Arbeitszimmer mit Schreibtisch, PC und Sitzgelegenheit für Besucher. Den Rest des großen Zimmers hatte ich mir als Wohnraum gestaltet und in eine Nische eine kleine Pantryküche eingebaut. Nur zwei Herdplatten und eine Mikrowelle, damit ich mir kleine Gerichte aufwärmen konnte. Mein großer Fernseher war mit einer Stereoanlage und gewaltigen Lautsprechern ausgestattet worden, so dass sich meine Eltern ein einziges Mal beschweren mussten und mir zukünftig, auch wenn ich Besuch hatte, nur Zimmerlautstärke genehmigten. Eine überdimensionale Kuschelschlafcouch komplettierte mein ‚kleines‘ Reich, das man auch gerne so nennen durfte und bei allen meinen Freunden seinesgleichen suchte. Nun, so etwas war auch nur auf einem Schloss möglich, wo die entsprechenden Räumlichkeiten zur Verfügung standen. Jacob, Mario und Andy waren mein bescheidenes Heim natürlich gewohnt und lümmelten sich mit Rene auf dem Sofa. Ich hatte Techno aufgelegt, wohlweislich darauf achtend, das die Lautstärke im Erträglichen blieb, was bei dieser Musikrichtung naturgemäß schwierig war. Cola und Bier standen reichlich auf und neben dem Tisch. Rene und ich mussten mit Alkohol etwas aufpassen, weil wir noch Antibiotika schluckten. Naschis und Kartoffelchips hatten meine Besucher mitgebracht. Es war also urgemütlich bei mir, zumal es draußen anfing zu regnen. Christoff streckte den Kopf zur Tür herein. „Hallo, ich wollte die neuen Männer begrüßen!“, lachte er uns zu. „Oder muss ich Windelbabys sagen? Eure Fotos gehen gerade um die ganze Welt.“ „Komm, Chris, nein, die Windeln haben wir in Berlin gelassen. Die ziehen wir in einem halben Jahr wieder an, wenn die Pumpe eingebaut wird. Aber, auch wenn ich meine Cousine am liebsten gevierteilt und bei Barbara eingemauert hätte, so habt ihr auf diese Art alles gesehen und wir müssen nicht ständig wieder die Hosen ausziehen.“ Ich zeigte auf den gefüllten Tisch. Er schüttelte den Kopf. „Nur ein Bier, bitte, Glas brauche ich nicht. Bin Flaschenkind. So, dann ist alles okay mit euch zweien?“ Rene grinste. „Alles paletti. Ich verabschiede mich nächste Woche nach Hamburg. Am 30. August haben wir dort einen Termin bei unserem Doc. Der wird auch Augen machen. Und am 10. September geht’s los mit der Uni.“ „Oh, hat es mit Jura geklappt?“, fragte Chris. Rene senkte traurig das Gesicht. Ich antwortete für ihn. „Er hat den Schnitt nicht ganz geschafft. Aber er studiert nun auch BWL und wenn er damit fertig ist, darf er Jura hintendran hängen.“ „Ja, meine Eltern haben grünes Licht gegeben. Solange ich nicht Kneipenwirtschaft studiere, geht alles klar. Sie freuen sich, einen fleißigen Sohn zu haben“, meinte Rene. „Davon können unsere alten Herrschaften nur träumen. Aber Jacob will nun doch in die Fußstapfen unseres Vaters treten und Forstwirtschaft lernen“, berichtete Mario, der im nächsten Jahr Abitur machen sollte. Ich horchte auf. „Jacob, doch nicht etwa in München? Hast du schon eine WG?“ Meine Augen suchten Andy. Dessen weiteten sich bereits hocherfreut. Seine Phantasie begann umgehend zu arbeiten. „Wir haben drei Zimmer, herrliche Unilage, zentrumsnah, Kneipen gleich nebenan und vor allem, die Wohnung ist vom Feinsten! Zur Anlage gehört auch ein Schwimmbad mit Sauna, das wir mitbenutzen können, eine super Dachterrasse für Partys und es sind nur junge Leute im Haus. Ich brauch nichts zu bezahlen, außer Strom und eine Umlage für die Nebenkosten. Dafür sorge ich für Getränke, haben wir abgemacht“, erzählte er freudestrahlend und nahm sich demonstrativ die nächste Flasche von unserem leckeren Hausbier. Die Stimmung bei mir wurde nahezu euphorisch. „Du, das wäre doch geil. Dein Zimmer ist nicht ganz das Größte, aber Bett, Schreibtisch und PC mitsamt Schrank, passen gut rein. Das Bad ist riesig, mit Regendusche und Whirlpool. Onkel Ludwig hatte sich für Hubertus ein standesgemäßes Luxusapartment gekauft und nun haben sich mein Vater und Maurice eingeklinkt. Wenn ich fertig bin, und ich muss ja auch zwei Abschlüsse hinlegen, kommt Beatrix. Sie wird vielleicht eine Weile nach Paris gehen, aber das Hauptstudium wird sie hier machen.“ Jakob strahlte. „Also, wenn das geht, das wäre supergeil. Mein Vater zahlt bestimmt etwas zu und ich kann ja für die Mädels sorgen. Wir brauchen Leute zum Aufräumen und Saubermachen. Aber das krieg ich geregelt. Man darf nur nicht gleich mit der Tür ins Haus fallen. Wenn man sich dumm genug anstellt, nehmen die Mädchen von selbst die Putzeimer in die Hand. Vielleicht bekochen sie uns auch. Ich organisiere obendrein die Partys. Das wird eine Gaudi!“ „Ich spreche nachher mit meinem Vater. Er wird sich sicher dann auch mit deinem unterhalten. Die beiden verbindet ohnehin ziemlich viel Blödsinn“, meinte ich. Mario grinste. „Blödsinn ist wohl nicht ganz der richtige Ausdruck dafür. Die zwei hatten nämlich was miteinander. Als unser Alter unsere Mutter kennenlernte, war spontan alles vorbei. Es gab deswegen gewaltigen Knatsch, aber dann hat dein Opa ein Machtwort gesprochen und Vater nach Abschluss des Studiums als Förster eingestellt. Jetzt sind die beiden wieder beste Freunde. Nur Freunde!“ Ich staunte und freute mich über die Bestätigung dessen, was ich ohnehin schon ahnte. Aha. Da kam also langsam aber sicher scheibchenweise die Wahrheit ans Licht. Das war gut zu wissen. Ich fürchtete schon seit längerem die Unterredung mit meinem alten Herrn. Aber jetzt war ich natürlich aus dem Schneider. „Sehr schön. Das erspart mir einiges an Vorhaltungen, falls bei mir alle Stränge reißen.“ Ich schmunzelte siegesgewiss zu Rene und Andy. Nichtahnend, dass sich gleich eine riesen Katastrophe ereignen würde. Jacob lächelte zuckersüß. „Max, du biederer scheinheiliger Grafensohn, nicht nur dein Vater hatte eine schwule Beziehung mit unserem Vater. Ich will es mal so ausdrücken, wie der Vater so der Sohn. Und damit ist nicht Andy gemeint und Rene auch nicht. Ihr habt in Hamburg ganz was anderes gemacht. Keine Sorge, Conny hat nicht gequatscht. Es ist einfach durchgesickert und ein tolles Video auf YouTube vom Striptänzer Graf Max, lud zum Nachforschen ein. Eins und eins sind zwei und der Jungenstrich lag gleich nebenbei!“ Oh Gott! Ich konnte die aufsteigende Blässe in meinem Gesicht fühlen. Wenn das so war, wusste Vater natürlich alles. „Erzähl mir bitte genau, was du, wann und wo rausgefunden hast“, bat ich zitternd mit einem unguten Gefühl in der Magengegend. Mario antwortete für Jacob. „Als eure Schwänze auf YouTube erschienen, stellte irgendeiner Fotos und Filmchen vom Strippen in Connys Bar dazu. Untertitel: Strichjunge Graf Max aus Bayern zieht die Lederhosen aus. Ein kleiner Bericht und ein Foto von dir, Conny, Rene und Andy an einem gewissen Parkplatz stehend, waren darauf zu sehen. Das Bild zeigte eindeutig euch. Die meisten im Dorf hatten es angeschaut und mein Vater hielt es deinem unter die Nase. Dann waren sie beide im Bootshaus verschwunden. Unser Alter grinste hinterher und erzählte uns brühwarm, das wir aber sehr kleine Schwänze hätten. Er spielte natürlich auf die Bestenliste an. Die beiden lachten sich halb tot und wussten sofort, um was es sich bei der Aufstellung handelte. Jacob hatte dann gegengehalten und gemeint, dass Vater an allem Schuld wäre, weil er uns nicht besser ausgestattet hätte. Dad deutete ihm daraufhin eine Backpfeife an und sagte nichts mehr. Das Thema wird seitdem totgeschwiegen. Ich denke, das ganze Dorf weiß, was los ist.“ Uii! Das waren schlechte News. Ich dachte an meinen alten Herrn. Er konnte viel vertragen, aber das war wohl des Guten zu viel und konnte nur bedeuten, dass ich mich seelisch auf eine intensive Auseinandersetzung mit ihm vorbereiten durfte.
„Okay, das hab ich auszubaden. Es ist ohnehin Schluss. Wir wollten nur Conny helfen und durch die OP sind wir am 30. August, wenn wir in Hamburg wieder mit ihm zusammenkommen, noch schachmatt. Danach geht das Studium los und ich wollte sowieso nicht mehr an das Luxusstricherleben anknüpfen.“ Ehrlichkeit war jetzt vor meinen Freunden das Wichtigste. Sie würden alle hinter mir stehen. Da war ich mir ziemlich sicher. Lügen und Abstreiten wäre unter diesen Umständen wirklich Dummheit. Deshalb wählte ich die Flucht nach vorn. Mario grinste. „Also, Jacob und ich sind auch bi. Aber ich steh im Augenblick mehr auf Brüste, er auch. Seine große Liebe heißt Steffi.“ Ich starrte meinen Kumpel an. „Etwa die Steffi aus der Elften? Die sieht nicht schlecht aus. Heißes Gerät. Gratuliere, Jacob!“ Der lachte. „Danke, danke. Ich bin auch ganz zufrieden mit mir. Sie ist zwar nicht adelig, wie deine Jenny, aber sie hat eine schöne Oberweite. Habt ihr nur auf dem Parkplatz angeschafft?“ Puh, jetzt hieß es Farbe bekennen. Die ließen nicht locker. Ich sah Rene an. „Nein, es hat alles damit angefangen, dass Max nicht auf seinen Dad gehört hatte und allein aus dem Hotel auf die Reeperbahn gegangen war. Während er sich da rumtrieb, lernte er Conny kennen, der auf Freier wartete. Die zwei kamen ins Gespräch und Conny betätigte sich gleich als Zuhälter. Max wurde, weil er noch wie ein Baby aussah, von ein paar Pädos gefickt. Beim nächsten Besuch bei unserem Doc nahm er mich mit. Eins ergab dann das andere. Am Schluss lernten wir Kurt kennen, der uns vom Parkplatz und dem ganzen Strichersumpf wegholen wollte und für 2000 Euro an Luxusfreier verkaufte. Es war eine heiße Zeit in Hamburg, die ich nicht missen möchte. Nun haben wir endlich unsere eigenen Schwänze und wenn die Pumpe eingebaut ist, sind wir echte Stricher. Aber Max hat Recht. Das passt nicht zum Studium, wobei ich mir vorstellen kann, bei Kurt weiterzuarbeiten. Der Verdienst ist geil und so viel kann ich nirgendwo in so kurzer Zeit bekommen.“ Rene zuckte mit den Schultern. „Wahnsinn“, meinte Jacob. „Das würde ich mir selbst überlegen. Und wenn man lediglich mit den Typen schlafen muss, ist es auch leichte Arbeit. Natürlich nur, wenn man mit Kerlen und mit Frauen gleichermaßen kann.“ Das Gespräch war jetzt in eine völlig neue Richtung gelaufen. Aber ich atmete beruhigt aus. Die anderen nahmen es vernünftig auf, sahen es sogar fast als normal an und ich musste nur schlucken, wenn ich an meinen Vater dachte. Um halb sechs Uhr kam er zu uns. „Guten Abend, die Herren. Große Runde, gutes Bier?“, lachte er, und klopfte auf den Tisch. Rene und Jacob antworteten nahezu aus einem Mund. „Sehr gutes Bier, Herr Graf. Echtes Wildensteiner Pils. Gibt es nur hier im Original. Möchten Sie eines?“ „Da der Kasten aus meiner Fabrik stammt und mit Sicherheit von meinem Sohn nicht bezahlt wurde, gern!“ Andy reichte ihm eine Flasche. „So, ihr seid also die Raubritterschar, die meinem Max nun Gefolgschaft leistet? Dann auf die Ritter von Burg Wildenstein, Saufgelage, Orgien und was Jungen sonst noch einfällt! Ich denke, die Herren Max, Andy und Rene haben sich bei Conny restlos die Hörner abgestoßen und sind jetzt bereit an ihre berufliche Zukunft zu denken. Dann kann man alles andere als Jugendsünden und dumme Jungen Streiche abtun. Erfahrungen, auch auf pikanten Gebieten, machen nicht dümmer und sind manchmal im späteren Leben sogar nützlich. Es ist allerdings genau wie beim Alkohol und bei den Frauen: Man muss rechtzeitig aufhören können. In dem Sinne, Prost!“ Hach, da plumpste mir jetzt gerade eine ganze Felswand vom Herzen. Das ist ja der helle Wahnsinn. Mein Dad war wirklich der Größte. Keine Vorhaltungen, keine Moralpredigt! Nun gut, die konnte er sich tatsächlich schenken, angesichts seiner eigenen schwulen Vergangenheit. Aber trotzdem, seine Reaktion war schon bemerkenswert und ich konnte stolz auf ihn sein. „Danke, Dad. Du bist der beste Freund, den ich habe. Weiß Mum etwas, was sie besser nicht wissen sollte?“ Mein Vater wischte sich spontan eine kleine Träne aus dem Auge. „Junge, das war das schönste Kompliment, das du mir machen konntest. Der beste Freund seines Sohnes zu sein, ist wohl das Ziel aller Väter. Viele erreichen es nie. Und wenn deine Mutter etwas weiß, dann wird sie es dir bestimmt nicht sagen. Sie wird dich allenfalls spüren lassen, was sie davon hält. Wobei sie andere Methoden anwendet und ihre derzeitige Waffe trägt sogar einen Namen: Jenny! Was ich unterstreiche. Das Mädel ist nicht nur ausgesprochen hübsch, sondern passt in allen Bereichen zu uns. Ich habe Georg, ihren Vater, und Amalia, ihre Mutter, kennen gelernt. Es sind wunderbare Menschen, die genau wie wir, davon ausgehen, das ihr zwei das neue künftige Grafenpaar Wildenstein werdet. Jenny ist übrigens nicht von gestern. Sie ist dir möglicherweise auch auf bestimmten Gebieten weit überlegen, aber sie ist eine Dame, genau wie deine Mutter.“ Ich schwieg beruhigt. „Ich werde euch keinen Kummer mehr machen, Dad. Versprochen. Wusstest du, dass Jacob auch in München Forstwirtschaft studieren wird? Wir hatten eben beschlossen, dass er eigentlich bei uns in der WG wohnen könnte. Das dritte Zimmer ist frei und sein Vater steuert sicher etwas dazu. Jacob kennt sich gut mit Mädchen aus und würde uns eine große Hilfe sein.“ „Daran zweifle ich nicht. Jacobs Ruf eilt ihm in dieser Hinsicht hier schon voraus. Aber, kann ich dann auch erwarten, dass ihr irgendwann noch einmal in der Uni an den Vorlesungen teilnehmt? BWL gehört zwar zu den Wirtschaftswissenschaften, aber die Kneipen sind natürlich nicht damit gemeint.“ Wir drei sahen uns an und lächelten siegessicher. „Aber immer Dad, wir werden alle pünktlich unsere Scheine machen und ich kann dann auch schon mal sehen, was ich beim Forsten alles lernen muss. Wann sollen wir eigentlich mit dem Försterlehrgang beginnen? Die Prüfung ist nicht ohne“, setzte ich nach. „Ich kümmere mich drum. Hartmut kann euch unterrichten und ich besorge euch die Lehrbücher. Ich spreche nachher sowieso mit ihm. Gut, Jakob, dann wirst du sozusagen der dritte Skatbruder im Bunde. Sorgt dafür, dass die Wohnung in einem Topzustand bleibt und Mutter mal eine Nacht bei euch schlafen kann, wenn sie etwas in München vorhat.“ Er blieb noch ein paar Minuten und verabschiedete sich zufrieden von uns. Auch die anderen mussten langsam gehen. Mein Leben verlief also perfekt organisiert, fiel mir ein. Ich ging zur Toilette, stellte mich wie selbstverständlich ans Becken und nahm meinen kleinen Freund zärtlich in die Hand. Er enttäuschte mich auf diesem Gebiet nicht mehr. Mann, was war ich glücklich. Konnte das alles wahr sein? Ich kniff mir in die Wange. Autsch, ja, ich lebte in der Realität. Die nächsten Wochen vergingen ohne besondere Vorkomnisse. Rene war schon lange nach Hause gefahren und mailte fleißig. Er arbeitete bei Kurt an der Bar, wollte aber noch keine Freier haben. Conny fand es völlig in Ordnung, ließ allerdings nebenbei immer seine sarkastischen Bemerkungen fallen. Am 30. August flog ich nach Hamburg, wo mich der Doc zunächst herzlich begrüßte. Wir unterhielten uns fast eine Stunde miteinander und tranken Tee dabei. Er schaute sich begeistert das Operationsergebnis an. Rene kam dazu. „Rene, schön, dass du auch da bist. Komm gleich herein. Ich wollte euch zwei nämlich fragen, ob ihr Lust habt, zu meinem Transkidstreffen im November zu kommen. Wir werden sicher wieder um die zehn Leute sein. Diesmal habe ich aber mehr Jungs als Mädels. Das ist schon komisch. Doch ihr könnt dann von euch berichten und ihr seid ja auch nicht prüde. Es gibt eine Sauna im Hotel, so dass ihr euch dort auch ungeniert den anderen Jungs zeigen könnt. Natürlich nur, wenn ihr das auch wollt.“ Klar wollten wir. Was für eine Frage. Den goldenen Apfel mussten wir natürlich zurückgeben. Es war auch ein schöner Gedanke, anderen helfen zu können. Die sieben Jungen sollten zwischen dreizehn und sechzehn Jahre alt sein, also voll passend für uns. Warum sich auf einmal das Geschlechterverhältnis so markant in die andere Richtung drehte, konnten wir uns allerdings alle nicht erklären. Nach dem Arzttermin fuhren wir zwei erst mal zur Reeperbahn. Als völlig normale Jungs. Was für ein Gefühl! Rene steuerte auf seinen Lieblingssexshop zu. Neue Klamotten konnten nicht schaden und eigentlich waren sie auch zur Feier des Tages als Belohnung nicht nur erlaubt, sondern auch Pflicht. Ich erstand ein paar geile Unterhosen, die kaum Stoff besaßen und hinten alle Freuden offen ließen. Ein schwarzes Satin-T-Shirt und eine schwarze Jeans fanden ihren neuen Besitzer. Ich zog mich wie Rene gleich im Laden um. Gummis packten wir auch reichlich ein. Fast automatisch nahmen wir danach den Weg in Richtung Kais Wohnung.
 



 
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