Neugierde V

Für Frauen oder Männer hatte er schon längst nichts mehr üblich. Für ihn gab es nur noch zwei Sachen: Saufen und Kämpfen.
Ich sollte noch erwähnen, daß er mich nie anmachte, egal wie besoffen er war. Zum Schluß gab es bei ihm nur noch Saufen, und das jeden Tag. Zum Training ging er nur noch selten. Wir waren also an diesem bestimmten Abend in der Disco. Er war schon ganz schön betrunken. Er hatte sich so sehr verändert, daß ich manchmal Angst vor ihm hatte, obwohl er wie gesagt zu mir immer nett war, aber er hatte dieses irre Glitzern in den Augen, was einem schon manchmal zu denken gab. Irgendwas zog mich jedoch immer wieder zu ihm hin. Er schlug an diesem Abend einen Jungen so stark zusammen, und das völlig ohne Grund. Ich kannte den Jungen, er war ein ganz Lieber. Er ging jeden Streit aus dem Weg. Er paßte Sven wohl nicht. Er machte ihn so fertig, der Junge hatte nicht den Hauch einer Chance gegen ihn. Der Typ, er hieß Maik, behielt Folgeschäden. Er würde sein Leben lang humpeln. Die Sache ging vor Gericht. Ich fragte Sven einen Tag davor, warum er sich so oft prügelte. Er ant-wortete: Das gibt mir einen Kick, wie ich ihn vorher nicht kannte. Dieses Gefühl der Macht, der Unbe-siegbarkeit, das ist so geil, das kannst du dir nicht vorstellen.“ Der Junge machte eine Anzeige, aber Sven kam glimpflich davon: 6 Monate auf Bewährung, und 5000 DM Geldstrafe. Das Urteil war auch nur deshalb so niedrig, weil Sven vor dem Richter sehr gut geredet hatte. Das konnte er ja sehr gut. Er versprach sich eine Ausbildung zu suchen, mit dem Trinken wolle er auch aufhören, und er werde keinen Kampfsport mehr machen. Er konnte ja so überzeugend sein. Er machte natürlich weder das Eine noch das Andere. Auf Ausbildung hatte er eh keinen Bock. Er sagte immer, das ist die größte Ausbeutung in der westlichen Kultur, weil man ein Drittel von dem verdient was ein normaler Arbei-ter bekommt, und das, obwohl er nach einem halben Jahr die selbe Arbeit verrichtet. Mit dem Trinken und Kampfsport machte er auch weiter. Das waren ja auch seine einzigen Hobbys. Eines Abends wa-ren wir in einer anderen Disco. Er hatte wegen Schlägereien schon in mehreren Läden Hausverbot, da passierte es wieder. Er bestellte sich ein Getränk, und als er auf dem Rückweg war, da rempelte ihn aus Versehen ein Türke an.
Fast alle kannte Sven und hatten höllischen Respekt vor ihm. Dieser Typ, sein Name war Ümit, kannte ihn auch. Sven stellte ihn zur Rede, und daß er ihm ein neues Getränk kaufen solle. Das andere wurde nämlich verschüttet, viel auf das teure Jacket von Ümit. Sven sagte weiterhin, daß er ihm die Rech-nung für die Reinigung zuschicken würde. Das war wohl zuviel für Ümit. Er war mit seiner Freundin da, ein hübsches Mädchen, und er wollte sich nicht vor ihr blamieren. Er sagte dann zu Sven: „Leck mich am Arsch du Penner! Ich kenne dich, aber ich habe keine Angst vor dir. Wenn du willst, können wir ja vor die Tür gehen, und ich zeige dir, wo es lang geht, du Arsch!“ Sven blieb zuerst ruhig, er wollte keine Schlägereien mehr. Er antwortete ganz ruhig: „Hör zu, wir vergessen das Ganze. Scheiß drauf. Komm, ich gebe dir ein Bier aus.“ Ümit war nicht mehr zu bremsen: „Jetzt hast du wohl Schiß, jetzt steht das erste Mal ein Mann vor dir, und dir brennt die Muffe. Entweder wir gehen raus, und ich schlage dir hier drin aufs Maul, oder soll ich mir lieber deinen Freund vorknöpfen. Das ist bestimmt auch so ein feiger Penner.“ Sven wußte wohl, daß ich gegen diesen Typen nicht den Hauch einer Chance haben würde. Es stellte sich später heraus, daß Ümit auch Kampfsport machte, aber lange nicht so gut wie Sven war. Sie gingen dann raus.
Sie hatten beide schon getrunken. Es war trotzdem ein ungleicher Kampf. Ümit ging zuerst raus. Sven hatte mir mal erklärt, daß falls ich jemals in einen Kampf verwickelt werden sollte, was er sich eigent-lich nicht vorstellen konnte, man weiß jedoch nie, dann soll ich immer als zweiter raus gehen und dann sofort zuschlagen, wenn sich der andere umdreht. So bekam der andere erst gar keine Chance. So kam es dann auch mit Ümit. Er ging wie gesagt vorne weg, und als er sich umdrehte, schlug ihm Sven mit voller Wucht in die Fresse. Als Ümit am Boden lag, trat er ihm ein paar Mal schwer gegen den Kopf mit seinen spitzen Schuhen. Er trat aber auch gegen andere Körperteile, den Bauch, den Rücken, die Eier. Sven war jetzt wieder der Alte. Er schlug und trat immer weiter auf den schon besinnungslo-sen Ümit ein, und sagte die ganze Zeit über: „Wer hat hier Schiß, wer ist hier ein feiger Penner!“ Als mehrere Leute dann dazwischen gingen, war es schon zu spät. Ümit starb an seinen inneren Verlet-zungen. Er hatte unter anderen einen Schädelbruch, und einen Riß in der Lunge. Die Sache ging wie-der vor Gericht. Dort kam auch heraus, daß Ümit sich normalerweise nicht prügelt. Er hatte an jenem Abend nur zuviel getrunken. Es war nämlich sein Geburtstag, er wurde 18, und das wollte er richtig feiern. Er trank dann zum ersten und zugleich letzten Mal in seinem Leben Alkohol. Er vertrug ihn nicht richtig, denn er war eigentlich ein sehr ruhiger Mensch, und hatte keine Feinde. Nun kam Sven aber nicht so gut davon. Der Richter sprach das Urteil mit harter Stimme: „ Herr Müller, sie sind ein Wiederholungstäter.
 



 
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