Nicht von dieser Welt

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„Jedenfalls verdammt ärgerlich das Ganze!“

Kurz angebunden und grußlos beendete Heiner das Telefongespräch.
Helen, seine Frau, hörte den Ärger und die Enttäuschung in seiner Stimme, und obwohl sie es nicht anders erwartet hatte, zuckte sie doch zusammen, als er das Telefon mit einer heftigen Bewegung in die Ladestation knallte. Unwillkürlich seufzte sie auf und verdrehte die Augen.

Sie wusste um seinen dringenden Plan, Martin, seinem Freund und Dauerkonkurrenten auf dem Golfplatz, die Niederlage, die der ihm dort vorige Woche beigebracht hatte, so schnell als mög-lich heimzuzahlen. Daraus würde nun nichts werden, das geplante Spiel fiel aus.

In den nächsten Stunden, da machte Helen sich nichts vor, würde mit ihrem Mann nicht gut Kirschen essen sein. Er hasste es abgrundtief, wenn irgendetwas seine Pläne durchkreuzte und reagierte regelmäßig mit entsprechend schlechter Laune.

„Golf fällt aus, der Platz ist gesperrt!“
Er war in die Küche gekommen, in der sie gerade dabei war, das Frühstücksgeschirr in die Spül-maschine zu räumen, hatte sich mit untergeschlagenen Armen mitten im Raum postiert. Er sah sie mit ärgerlich gekrauster Stirn vorwurfsvoll an, gerade so, als trüge sie die Verantwortung für den über Nacht gefallenen Schnee.

„Das war zu vermuten, und ich habe es dir vorhin auch schon gesagt“.
So ganz gelangt es ihr nicht, ihre Ungeduld zu verbergen. Ihre Antwort fiel deshalb bestimmter aus, als sie es vorgehabt hatte. Aber warum eigentlich, so fragte sie sich in diesem Moment, sollte immer sie diejenige sein, die an sich hielt? Heiner machte ja auch keine Anstalten, sich zurück zunehmen. Er dachte nicht an Anstand und ein einigermaßen gedeihliches Zusammenleben, sondern polterte darauf los und benutzte sie als Blitzableiter bei jedwedem Ärgernis, dass seinen Weg kreuzte.

Ihre ungehaltene Antwort hatte denn auch zur Folge, dass er endgültig einschnappte, etwas murmelte von „versteht gar nichts …“, und sich in sein Zimmer im ersten Stock des Hauses zurückzog, wobei er die Tür gut vernehmbar ins Schloss warf.

Helen zuckte mit den Schultern. Es machte einfach keinen Sinn, sich über die unfreundlichen Attitüden ihres Mannes zu ärgern. Sie fuhr in ihrer Arbeit fort und war denn auch nicht unglücklich darüber, dass Heiner nun für einige Zeit damit beschäftigt sein würde, sich über die Launen des Wetters im Allgemeinen und über ihr Unverständnis für seine daraus resultierende Enttäuschung im Speziellen zu ärgern – auf der Couch liegend und bei laut abgespielter, klassischer Musik.

Dabei hatte sie sich durchaus auf die Golfrunde gefreut. Sie wäre eine willkommene Abwechs-lung gewesen in ihrem doch eher eintönigen Alltag als hauptsächliche Hausfrau. Außerdem liebte sie die Bewegung in der frischen Luft, und das Beisammensein mit den Freunden, mit denen sie sich sehr gut verstand, war ihr immer eine willkommene Zerstreuung.
Gerade heute hätte sie die gut gebrauchen können, denn sie fühlte sich auf verwirrende Weise aufgewühlt, wie schon lange nicht mehr.
Gegen Morgen war sie aus einem Traum aufgeschreckt. Worum es gegangen war, daran erinner-te sie sich nicht mehr, wohl aber an das aufgeregte Herzklopfen, das er ihr beschert hatte. Es war nur schwer wieder unter Kontrolle zu bringen gewesen ... beinahe so wie damals ...

Helen richtete sich langsam auf, drückte die Tür des Geschirrspülers fest zu, hörte das Klacken des Schlosses und stand einfach nur da. Ihr Blick war auf die Maschine gerichtet, doch ihre Ge-danken wanderten in der Zeit zurück zu einem Mittwoch im Advent vor zwei Jahren ...
Sie seufzte tief auf, schloss kurz die Augen und machte mit beiden Händen eine Abwehrbewe-gung, gerade so, als wolle sie etwas, das sie bedrohte, von sich schieben. Dann straffte sie die Schultern und wandte sich anderem zu.

Eine Stunde später waren die Stufen vor dem Haus und der Gehsteig vor ihrem Zaun vom Schnee befreit. Die körperliche Anstrengung in der klaren Winterluft hatte ihre Unrast gemildert. Auch für ihre momentane Gefühlslage hatte sie eine Erklärung gefunden – das Weihnachtsfest nämlich, bis zu dem es nur noch einige wenige Tage hin war. Die Kinder würden kommen, und zuvor wollten noch all die vielen Dinge erledigt werden, die ihr für das Gelingen des Festes unabdingbar nötig erschienen.

Die Schneeschaufel war wieder verstaut, Heiner noch in seinem Zimmer, und Helen saß bei einer Tasse Kaffee in dem kleinen Raum neben der Küche, den sie ihr Büro nannte. Sie schlug die Zeitung vom Wochenende auf, blätterte lustlos darin herum, fand nichts, das ihr Interesse weckte und schob sie schließlich von sich. Sie blickte geradeaus auf die Wand, an der Fotos hingen, die ihre Familie zeigten.
Vor drei Jahren hatte auch das jüngste ihrer Kinder das Haus verlassen um auswärts zu studieren. Damit war die Notwendigkeit, intakte Familie zu spielen, entfallen. Nach und nach war offenbar geworden, dass all die zahlreichen Gemeinsamkeiten, die ihre Ehe einst so vielversprechend hatten beginnen lassen, in den dreißig Jahren, die die nun schon dauerte, Stück für Stück auf der Strecke geblieben waren. Es war ein schleichender Prozess gewesen, und bemerkt hatte sie ihn erst, als sich die Sprachlosigkeit zwischen ihr und ihrem Mann schon zu einem unüberbrückbar breiten Graben entwickelt hatte.

Auch Zärtlichkeiten gab es zwischen ihnen schon lange nicht mehr.
Heiner machte nicht den Eindruck, als fehle ihm etwas, aber vielleicht holte er sich seine Strei-cheleinheiten ja auch anderswo. Als Helen zum ersten Mal bewusst über diesen Umstand nach-gedacht hatte, war sie erschrocken. Sie hatte sich vorzustellen versucht, was sie wohl empfände, wenn sie plötzlich mit der Tatsache konfrontiert würde, dass er eine Geliebte hätte. Sie war sehr verblüfft gewesen, dass diese Vorstellung sie kalt ließ.
Wie weit sie sich emotional bereits von ihrem Mann entfernt hatte, war ihr allerdings erst be-wusst geworden, als sie Jason begegnet war.

Jason ... Tränen stiegen auf, und es gelang ihr nur mit Mühe, sie wieder hinunter zu schlucken.
Warum nur konnte sie immer noch nicht an ihn denken, ohne diesen entsetzlichen Schmerz zu spüren, der sie von innen auszuhöhlen schien, so lange, bis sie sich fühlte, als sei sie nur noch eine Hülle?
Ihre Gestalt zwar und ihr Gesicht, ihre Mimik und Bewegungen und ansonsten leblose Starre … Todesstarre …

Die Unrast, die sie vertrieben zu haben glaubte, war zurückgekehrt. Helen stand auf und ging nach nebenan ins Wohnzimmer.
Dort schob sie eine CD in den Recorder und startete ihn – anrührende Rockballaden von Sehn-sucht, Erfüllung und Verlust wehten durch den großen Raum.
Sinnend stand sie an der Terrassentür, lauschte mit halbem Ohr der Melodie, sah hinaus in den Garten und in den schon wieder dicht fallenden Schnee. Für einen Moment hatte sie den Ein-druck einer vertrauten Gegenwart.

Nicht lange, dann erschien Heiner auf der Bildfläche.
Er schnappt sich im Hereinkommen die Zeitung, die Helen zuvor auf den Couchtisch gelegt hatte und murmelt „natürlich, schon wieder Schnulzen“ in ihre Richtung. Ihr war nicht nach einer Antwort, also schwieg sie und tat so, als habe sie ihn nicht gehört. Mit immer noch tief beleidigtem Gesicht ließ er sich auf das breiten Polster der dunkelroten Ledercouch fallen, öffnete die Zeitung mit lautem Rascheln, hielt sie mit weit von sich gestreckten Armen so vor sich, dass man nichts mehr von ihm sah außer seine übereinander geschlagenen Beine, und dann begann er zu lesen.

Helen sah mit resigniertem Kopfschütteln zu ihm hinüber.
Er war Anfang sechzig, und benahm sich zu manchen Zeiten wie ein pubertierender Jugendli-cher. Dieses Verhalten, darüber war sie sich im Klaren, würde sich in diesem Leben nicht mehr ändern - im Gegenteil, sie würde von Glück sagen können, wenn es nicht noch sehr viel schlim-mer würde!
Sie seufzte leise und verspürte den Wunsch sich zu bewegen. Also löste sie sich von dem An-blick des fallenden Schnees, ging leise im Raum umher und räumte ein wenig auf. Rückte hier und da etwas zurecht, strich ein Kissen glatt, stellte ein achtlos beiseite gelegtes Buch zurück ins Regal.
Doch die Bewegung half ihr genauso wenig dabei, ihre Nervosität zu lindern, wie die leise Mu-sik, im Gegenteil, sie wurde immer unruhiger. Etwas war um sie herum, das sie nicht greifen konnte. War es gut oder böse?
Brachte es Erleichterung oder neuen Kummer?

Mit dem Aufräumen war sie fertig, aber sie bewegte sich immer weiter leise durch den Raum.
Gab sich den Anstrich als habe sie zu tun, blieb hier und da stehen, nahm den einen oder ande-ren Gegenstand in die Hand, betrachtete ihn, stellte ihn wieder an seinen Platz zurück und ver-gaß augenblicklich, was sie gerade so angelegentlich angesehen hatte.

Und dann war da auf einmal wieder dieses Empfinden einer anrührenden Anwesenheit ... jetzt spürte sie sie genauer. Sie schloss die Augen, schnupperte, stand still und lauschte ... dann nahm sie es deutlicher wahr … das Echo einer alten Vertrautheit … von weit her erst, dann kam es näher, wurde konkreter, war keine Echo mehr, war ganz da … bei ihr … sie sah auf, und dann war sie nicht mehr allein …
Seine Blicke ruhten auf ihr, und sie folgten ihr, als sie sich erschreckt und unsicher von ihm wegdrehte und sich wieder dem Fenster zuwandte. Sie ließen sie nicht los, sie streichelten über ihr Haar, berührten leicht ihre Hand, einem Sommerhauch gleich … verführerisch, warm und betörend.
Er trat dicht hinter sie, und Helen nahm seinen Duft wahr, er hüllte sie ein wie ein seidiges, leichtes Tuch. Er legte seine Arme um sie, und sie lehnte sich an ihn. So standen sie eine Weile und wiegten sich gemeinsam zu der langsamen, sehnsuchtsvollen Melodie. Alles um sie herum verlor seine Bedeutung, verschwamm vor ihren Augen und verschwand schließlich in hell strah-lendem Nebel.

Er küsste ihre Wange, streichelte mit der Zunge leicht über ihren Hals und ließ seine Hände über ihren Körper nach unten wandern.
Sie schmiegte sich an ihn, und er hielt sie fest. Sie schloss die Augen, lehnte ihren Kopf an seine Brust, und langsam, ganz langsam begannen die Beschwernisse der langen Trennung sich aufzu-lösen ...
So standen sie eine Weile, erspürten sich, entdecken sich neu, und konnten doch immer noch nicht glauben, dass sie einander wieder hatten ...
Sie drehte sich zu ihm um und trat einen halben Schritt zurück.
Sie sahen sich an, ihre Blicke umgarnten einander, verhakten sich ineinander, verharrten beiei-nander, und dann wurden sie zu einem heißen, hin- und herwogenden Strom, der sie vollständig in seinen Bann zog.
Ihr Atem ging schneller, sie sahen das Verlangen in ihren Augen, näherten sich wieder, umarm-ten sich erneut, drängten sich dicht aneinander, hielten sich festumschlungen und verharrten wieder, gerade so, als wollten sie sich noch einmal einander versichern ... doch alles war gut.

Sie küssten sich, tasteten sich langsam und vorsichtig zurück zu alter Vertrautheit, immer noch verhalten und ungläubig. Dann langsam begreifend: dies hier war wahr, war nicht nur Sehnen, auch kein Traum … sie waren zusammen, wie so oft … damals …

Mit einer plötzlichen Bewegung schloss er seine Arme eng um sie, und Helen lehnte dicht an seinem Körper. Er hatte seine Stirn auf ihren Kopf geneigt, sie konnte ihm nicht ins Gesicht sehen, und doch wusste sie um den Ernst in seinen Augen, und sie erschauderte, als sie seine leise, tiefe Stimme hörte: „Immer möchte ich dich so halten … ich liebe dich so sehr … jetzt und für alle Zeit“.
Dann glitt er zu Boden, zog sie mit sich, und sie streckten sich auf dem Teppich aus, der sie mit seinem weichen Flor willkommen hieß.

Es dauerte nicht lange, da hob er sie in das gleißende Licht des Höhepunkts.
Sie schrie auf, zog ihn noch nachdrücklicher an sich, klammerte sich an ihn, hörte ihn stöhnen – und noch einmal drängten sie mit aller Macht zu einander …
Dann war es vorbei.
Doch sie hielten sich immer noch fest umklammert, keinen Millimeter wollten sie sich trennen, die lang entbehrte Nähe bis zur Neige auskosten. Noch benommen von den unendlich tiefen Empfindungen füreinander, lauschten sie der Lust nach. Sie verebbte langsam und Tränen ran-nen über ihre Gesichter, sie trockneten sie an der Haut des anderen.

Die letzten Töne des Liedes verklangen, und Helen schluckte hart.

„Was ist schon wieder los?“, kam Johanns ungeduldige Stimme hinter der Zeitung hervor.

Sie stand an der Terrassentür und sah immer noch hinaus in den fallenden Schnee.
„Ach nichts … nichts… schade, dass es so schneit und wir heute nicht auf den Platz konnten“, log sie, wunderte sich für den Bruchteil einer Sekunde, wie normal sich ihre Stimme anhörte, und wie glatt ihr die Lüge von den Lippen ging.
„Ach nun doch“, erwiderte Heiner schnippisch. Seine kalte Egozentrik traf sie mit ganzer Macht, und sie wollte nur noch weg von ihm.
„Ich gehe duschen … habe ziemlich geschwitzt vorhin beim Schneeräumen“, sagte sie wie ne-benbei und verließ rasch das Zimmer. Sie ging nach oben ins Bad und schloss die Tür fest hin-ter sich. Dann riss sie sich die Kleider vom Leib und flüchtete unter das warme Wasser der Du-sche.

Die Tränen liefen in Bächen über ihr Gesicht – hier, inmitten des strömenden Wassers, konnte niemand sie sehen.
Sie schluchzte laut auf - hier oben hörte sie niemand.

„Jason, Jason, wo bist du? Komm zurück … bitte komm zurück zu mir!
Doch Jason konnte nicht kommen.
Er war nicht mehr auf dieser Welt. Am zweiten Weihnachtstag würde es ein Jahr her sein, dass er beim Skifahren unglücklich gestürzt und auf der Stelle tot gewesen war.

Nur ein gemeinsames Jahr hatte das Schicksal ihnen beiden gegönnt. Ein Jahr in Heimlichkeit und mit immer wieder aufflackernden schlechten Gewissen. Aber auch ein Jahr, in dem sich die Stunden ihres Zusammenseins wie kostbare Edelsteine zu einer Kette gefügt hatten, die pures Glück gewesen war und höchste Freude.

In der Wärme und dem gleichmäßige Rauschen des Wassers beruhigte Helen sich allmählich.
Die Unruhe, die sie seit dem frühen Morgen begleitet hatte, war verschwunden.
An ihre Stelle war unendliche Traurigkeit getreten.

Sie war nicht minder stark als damals, als sie gerade erfahren hatte, dass der geliebte Mann nie-mals mehr zu ihr zurückkehren würde. Dass sie niemals mehr in seinen Armen sein, sich nie-mals mehr in seiner Nähe und Wärme verlieren können würde … niemals mehr Jason … nur noch Alleinsein und Kälte.
Wieder spürte sie die abgrundtiefe Verzweiflung, die sie damals überkommen hatte, den so grenzenlos peinigenden Schmerz über den Verlust, und die alles beherrschende Trauer um den Tod dieses Mannes, der sie nach so vielen tristen Jahren wieder spüren hatte lassen, dass sie eine attraktive Frau war, und der sie so sehr begehrt hatte. Und genau wie damals, so erschien es ihr auch heute immer noch völlig aussichtslos, jemals in diesem Leben wieder glücklich sein zu können …

„… jetzt und für alle Zeit“, seine Stimme erklang leise in ihrem Kopf, ihr Blut trug sie durch ihre Adern hinein in jede Zelle ihres Körpers, und dann wusste sie, er war fort, und er war es doch nicht …
Etwas in ihr war in Gang gesetzt worden durch diese Begegnung zwischen den Welten.
Als habe sie eine andersfarbige Brille aufgesetzt, veränderte sich ihre Wahrnehmung von einem Moment auf den anderen, und mit nahezu hellsichtiger Klarheit wusste sie, dass sie an einer Weggabelung stand.
 

Ralph Ronneberger

Foren-Redakteur
Teammitglied
Hallo Marie Wilhelmsen, herzlich Willkommen in der Leselupe!

Schön, dass Du den Weg zu uns gefunden hast. Wir sind gespannt auf Deine weiteren Werke und freuen uns auf einen konstruktiven Austausch mit Dir. Obwohl am Ende der Geschichte sehr viel offenbleibt, gehe ich mal davon aus, dass sie abgeschlossen ist. Sollte dies nicht der Fall sein, das heißt: Sollte die Erzählung von dir fortgesetzt werden, dann wird es zur Verschiebung in die Rubrik "Lange Texte" kommen müssen. Schaun wir mal.

Um Dir den Einstieg zu erleichtern, haben wir im 'Forum Lupanum' (unsere Plauderecke) einen Beitrag eingestellt, der sich in besonderem Maße an neue Mitglieder richtet. http://www.leselupe.de/lw/titel-Leitfaden-fuer-neue-Mitglieder-119339.htm

Ganz besonders wollen wir Dir auch die Seite mit den häufig gestellten Fragen ans Herz legen. http://www.leselupe.de/lw/service.php?action=faq


Viele Grüße von Ralph Ronneberger

Redakteur in diesem Forum
 
„Jedenfalls verdammt ärgerlich das Ganze!“

Kurz angebunden und grußlos beendete Heiner das Telefongespräch.
Helen, seine Frau, hörte den Ärger und die Enttäuschung in seiner Stimme, und obwohl sie es nicht anders erwartet hatte, zuckte sie doch zusammen, als er das Telefon mit einer heftigen Bewegung in die Ladestation knallte. Unwillkürlich seufzte sie auf und verdrehte die Augen.

Sie wusste um seinen dringenden Plan, Martin, seinem Freund und Dauerkonkurrenten auf dem Golfplatz, die Niederlage, die der ihm dort vorige Woche beigebracht hatte, so schnell als möglich heimzuzahlen. Daraus würde nun nichts werden, das geplante Spiel fiel aus.

In den nächsten Stunden, da machte Helen sich nichts vor, würde mit ihrem Mann nicht gut Kirschen essen sein. Er hasste es abgrundtief, wenn irgendetwas seine Pläne durchkreuzte und reagierte regelmäßig mit entsprechend schlechter Laune.

„Golf fällt aus, der Platz ist gesperrt!“
Er war in die Küche gekommen, in der sie gerade dabei war, das Frühstücksgeschirr in die Spülmaschine zu räumen,und hatte sich mit untergeschlagenen Armen mitten im Raum postiert. Er sah sie mit ärgerlich gekrauster Stirn vorwurfsvoll an, gerade so, als trüge sie die Verantwortung für den über Nacht gefallenen Schnee.

„Das war zu vermuten, und ich habe es dir vorhin auch schon gesagt“.
So ganz gelangt es ihr nicht, ihre Ungeduld zu verbergen. Ihre Antwort fiel deshalb bestimmter aus, als sie es vorgehabt hatte. Aber warum eigentlich, so fragte sie sich in diesem Moment, sollte immer sie diejenige sein, die an sich hielt? Heiner machte ja auch keine Anstalten, sich zurück zunehmen. Er dachte nicht an Anstand und ein einigermaßen gedeihliches Zusammenleben, sondern polterte darauf los und benutzte sie als Blitzableiter bei jedwedem Ärgernis, dass seinen Weg kreuzte.

Ihre ungehaltene Antwort hatte denn auch zur Folge, dass er endgültig einschnappte, etwas murmelte von „versteht gar nichts …“, und sich in sein Zimmer im ersten Stock des Hauses zurückzog, wobei er die Tür gut vernehmbar ins Schloss warf.

Helen zuckte mit den Schultern. Es machte einfach keinen Sinn, sich über die unfreundlichen Attitüden ihres Mannes zu ärgern. Sie fuhr in ihrer Arbeit fort und war denn auch nicht unglücklich darüber, dass Heiner nun für einige Zeit damit beschäftigt sein würde, sich über die Launen des Wetters im Allgemeinen und über ihr Unverständnis für seine daraus resultierende Enttäuschung im Speziellen zu ärgern – auf der Couch liegend und bei laut abgespielter, klassischer Musik.

Dabei hatte sie sich durchaus auf die Golfrunde gefreut. Sie wäre eine willkommene Abwechslung gewesen in ihrem doch eher eintönigen Alltag als hauptsächliche Hausfrau. Außerdem liebte sie die Bewegung in der frischen Luft, und das Beisammensein mit den Freunden, mit denen sie sich sehr gut verstand, war ihr immer eine willkommene Zerstreuung.
Gerade heute hätte sie die gut gebrauchen können, denn sie fühlte sich auf verwirrende Weise aufgewühlt, wie schon lange nicht mehr.
Gegen Morgen war sie aus einem Traum aufgeschreckt. Worum es gegangen war, daran erinnerte sie sich nicht mehr, wohl aber an das aufgeregte Herzklopfen, das er ihr beschert hatte. Es war nur schwer wieder unter Kontrolle zu bringen gewesen ... beinahe so wie damals ...

Helen richtete sich langsam auf, drückte die Tür des Geschirrspülers fest zu, hörte das Klacken des Schlosses und stand einfach nur da. Ihr Blick war auf die Maschine gerichtet, doch ihre Gedanken wanderten in der Zeit zurück zu einem Mittwoch im Advent vor zwei Jahren ...
Sie seufzte tief auf, schloss kurz die Augen und machte mit beiden Händen eine Abwehrbewegung, gerade so, als wolle sie etwas, das sie bedrohte, von sich schieben. Dann straffte sie die Schultern und wandte sich anderem zu.

Eine Stunde später waren die Stufen vor dem Haus und der Gehsteig vor ihrem Zaun vom Schnee befreit. Die körperliche Anstrengung in der klaren Winterluft hatte ihre Unrast gemildert. Auch für ihre momentane Gefühlslage hatte sie eine Erklärung gefunden – das Weihnachtsfest nämlich, bis zu dem es nur noch einige wenige Tage hin war. Die Kinder würden kommen, und zuvor wollten noch all die vielen Dinge erledigt werden, die ihr für das Gelingen des Festes unabdingbar nötig erschienen.

Die Schneeschaufel war wieder verstaut, Heiner noch in seinem Zimmer, und Helen saß bei einer Tasse Kaffee in dem kleinen Raum neben der Küche, den sie ihr Büro nannte. Sie schlug die Zeitung vom Wochenende auf, blätterte lustlos darin herum, fand nichts, das ihr Interesse weckte und schob sie schließlich von sich. Sie blickte geradeaus auf die Wand, an der Fotos hingen, die ihre Familie zeigten.
Vor drei Jahren hatte auch das jüngste ihrer Kinder das Haus verlassen um auswärts zu studieren. Damit war die Notwendigkeit, intakte Familie zu spielen, entfallen. Nach und nach war offenbar geworden, dass all die zahlreichen Gemeinsamkeiten, die ihre Ehe einst so vielversprechend hatten beginnen lassen, in den dreißig Jahren, die die nun schon dauerte, Stück für Stück auf der Strecke geblieben waren. Es war ein schleichender Prozess gewesen, und bemerkt hatte sie ihn erst, als sich die Sprachlosigkeit zwischen ihr und ihrem Mann schon zu einem unüberbrückbar breiten Graben entwickelt hatte.

Auch Zärtlichkeiten gab es zwischen ihnen schon lange nicht mehr.
Heiner machte nicht den Eindruck, als fehle ihm etwas, aber vielleicht holte er sich seine Streicheleinheiten ja auch anderswo. Als Helen zum ersten Mal bewusst über diesen Umstand nachgedacht hatte, war sie erschrocken. Sie hatte sich vorzustellen versucht, was sie wohl empfände, wenn sie plötzlich mit der Tatsache konfrontiert würde, dass er eine Geliebte hätte. Sie war sehr verblüfft gewesen, dass diese Vorstellung sie kalt ließ.
Wie weit sie sich emotional bereits von ihrem Mann entfernt hatte, war ihr allerdings erst so richtig bewusst geworden, als sie Jason begegnet war.

Jason ... Tränen stiegen auf, und es gelang ihr nur mit Mühe, sie wieder hinunter zu schlucken.
Warum nur konnte sie immer noch nicht an ihn denken, ohne diesen entsetzlichen Schmerz zu spüren, der sie von innen auszuhöhlen schien, so lange, bis sie sich fühlte, als sei sie nur noch eine Hülle?
Ihre Gestalt zwar und ihr Gesicht, ihre Mimik und Bewegungen und ansonsten leblose Starre … Todesstarre …

Die Unrast, die sie vertrieben zu haben glaubte, war zurückgekehrt. Helen stand auf und ging nach nebenan ins Wohnzimmer.
Dort schob sie eine CD in den Recorder und startete ihn – anrührende Rockballaden von Sehnsucht, Erfüllung und Verlust wehten durch den großen Raum.
Sinnend stand sie an der Terrassentür, lauschte mit halbem Ohr der Melodie, sah hinaus in den Garten und in den schon wieder dicht fallenden Schnee. Für einen Moment hatte sie den Eindruck einer vertrauten Gegenwart.

Nicht lange, dann erschien Heiner auf der Bildfläche.
Er schnappt sich im Hereinkommen die Zeitung, die Helen zuvor auf den Couchtisch gelegt hatte und murmelt „natürlich, schon wieder Schnulzen“ in ihre Richtung. Ihr war nicht nach einer Antwort, also schwieg sie und tat so, als habe sie ihn nicht gehört. Mit immer noch tief beleidigtem Gesicht ließ er sich auf das breiten Polster der dunkelroten Ledercouch fallen, öffnete die Zeitung mit lautem Rascheln, hielt sie mit weit von sich gestreckten Armen so vor sich, dass man nichts mehr von ihm sah außer seine übereinander geschlagenen Beine, und dann begann er zu lesen.

Helen sah mit resigniertem Kopfschütteln zu ihm hinüber.
Er war Anfang sechzig, und benahm sich zu manchen Zeiten wie ein pubertierender Jugendlicher. Dieses Verhalten, darüber war sie sich im Klaren, würde sich in diesem Leben nicht mehr ändern - im Gegenteil, sie würde von Glück sagen können, wenn es nicht noch sehr viel schlimmer würde!
Sie seufzte leise und verspürte den Wunsch sich zu bewegen. Also löste sie sich von dem Anblick des fallenden Schnees, ging leise im Raum umher und räumte ein wenig auf. Rückte hier und da etwas zurecht, strich ein Kissen glatt, stellte ein achtlos beiseite gelegtes Buch zurück ins Regal.
Doch die Bewegung half ihr genauso wenig dabei, ihre Nervosität zu lindern, wie die leise Musik, im Gegenteil, sie wurde immer unruhiger. Etwas war um sie herum, das sie nicht greifen konnte.
War es gut oder böse?
Brachte es Erleichterung oder neuen Kummer?

Mit dem Aufräumen war sie fertig, aber sie bewegte sich immer weiter leise durch den Raum.
Gab sich den Anstrich als habe sie zu tun, blieb hier und da stehen, nahm den einen oder anderen Gegenstand in die Hand, betrachtete ihn, stellte ihn wieder an seinen Platz zurück und vergaß augenblicklich, was sie gerade so angelegentlich angesehen hatte.

Und dann war da auf einmal wieder dieses Empfinden einer anrührenden Anwesenheit ... jetzt spürte sie sie genauer. Sie schloss die Augen, schnupperte, stand still und lauschte ... dann nahm sie es deutlicher wahr … das Echo einer alten Vertrautheit … von weit her erst, dann kam es näher, wurde konkreter, war keine Echo mehr, war ganz da … bei ihr … sie sah auf, und dann war sie nicht mehr allein …
Seine Blicke ruhten auf ihr, und sie folgten ihr, als sie sich erschreckt und unsicher von ihm wegdrehte und sich wieder dem Fenster zuwandte. Sie ließen sie nicht los, sie streichelten über ihr Haar, berührten leicht ihre Hand, einem Sommerhauch gleich … verführerisch, warm und betörend.
Er trat dicht hinter sie, und Helen nahm seinen Duft wahr, er hüllte sie ein wie ein seidiges, leichtes Tuch. Er legte seine Arme um sie, und sie lehnte sich an ihn. So standen sie eine Weile und wiegten sich gemeinsam zu der langsamen, sehnsuchtsvollen Melodie. Alles um sie herum verlor seine Bedeutung, verschwamm vor ihren Augen und verschwand schließlich in hell strahlendem Nebel.

Er küsste ihre Wange, streichelte mit der Zunge leicht über ihren Hals und ließ seine Hände über ihren Körper nach unten wandern.
Sie schmiegte sich an ihn, und er hielt sie fest. Sie schloss die Augen, lehnte ihren Kopf an seine Brust, und langsam, ganz langsam begannen die Beschwernisse der langen Trennung sich aufzulösen ...
So standen sie eine Weile, erspürten sich, entdecken sich neu, und konnten doch immer noch nicht glauben, dass sie einander wieder hatten ...
Sie drehte sich zu ihm um und trat einen halben Schritt zurück.
Sie sahen sich an, ihre Blicke umgarnten einander, verhakten sich ineinander, verharrten beieinander, und dann wurden sie zu einem heißen, hin- und herwogenden Strom, der sie vollständig in seinen Bann zog.
Ihr Atem ging schneller, sie sahen das Verlangen in ihren Augen, näherten sich wieder, umarmten sich erneut, folgten dem Drang nach Nähe und Wärme, hielten sich festumschlungen und verharrten wieder, gerade so, als wollten sie sich noch einmal einander versichern ... doch alles war gut.

Sie küssten sich, tasteten sich langsam und vorsichtig zurück zu alter Vertrautheit, immer noch verhalten und ungläubig. Dann langsam begreifend: dies hier war wahr, war nicht nur Sehnen, auch kein Traum … sie waren zusammen, wie so oft … damals …

Mit einer plötzlichen Bewegung schloss er seine Arme eng um sie, und Helen lehnte dicht an seinem Körper. Er hatte seine Stirn auf ihren Kopf geneigt, sie konnte ihm nicht ins Gesicht sehen, und doch wusste sie um den Ernst in seinen Augen, und sie erschauderte, als sie seine leise, tiefe Stimme hörte: „Immer möchte ich dich so halten … ich liebe dich so sehr … jetzt und für alle Zeit“.
Dann glitt er zu Boden, zog sie mit sich, und sie streckten sich auf dem Teppich aus, der sie mit seinem weichen Flor willkommen hieß.

Es dauerte nicht lange, da hob er sie in das gleißende Licht des Höhepunkts.
Sie schrie auf, zog ihn noch nachdrücklicher an sich, klammerte sich an ihn, hörte ihn stöhnen – und noch einmal drängten sie mit aller Macht zu einander …
Dann war es vorbei.
Doch sie hielten sich immer noch fest umklammert, keinen Millimeter wollten sie sich trennen, die lang entbehrte Nähe bis zur Neige auskosten. Noch benommen von den unendlich tiefen Empfindungen füreinander, lauschten sie der Lust nach. Sie verebbte langsam und Tränen rannen über ihre Gesichter, sie trockneten sie an der Haut des anderen.

Die letzten Töne des Liedes verklangen, und Helen schluckte hart.

„Was ist schon wieder los?“, kam Johanns ungeduldige Stimme hinter der Zeitung hervor.

Sie stand an der Terrassentür und sah immer noch hinaus in den fallenden Schnee.
„Ach nichts … nichts… schade, dass es so schneit und wir heute nicht auf den Platz konnten“, log sie, wunderte sich für den Bruchteil einer Sekunde, wie normal sich ihre Stimme anhörte, und wie glatt ihr die Lüge von den Lippen ging.
„Ach nun doch“, erwiderte Heiner schnippisch. Seine kalte Egozentrik traf sie mit ganzer Macht, und sie wollte nur noch weg von ihm.
„Ich gehe duschen … habe ziemlich geschwitzt vorhin beim Schneeräumen“, sagte sie wie nebenbei und verließ rasch das Zimmer. Sie ging nach oben ins Bad und schloss die Tür fest hinter sich. Dann riss sie sich die Kleider vom Leib und flüchtete unter das warme Wasser der Dusche.

Die Tränen liefen in Bächen über ihr Gesicht – hier, inmitten des strömenden Wassers, konnte niemand sie sehen.
Sie schluchzte laut auf - hier oben hörte sie niemand.

„Jason, Jason, wo bist du? Komm zurück … bitte komm zurück zu mir!
Doch Jason konnte nicht kommen.
Er war nicht mehr auf dieser Welt. Am zweiten Weihnachtstag würde es ein Jahr her sein, dass er beim Skifahren unglücklich gestürzt und auf der Stelle tot gewesen war.

Nur ein gemeinsames Jahr hatte das Schicksal ihnen beiden gegönnt. Ein Jahr in Heimlichkeit und mit immer wieder aufflackernden schlechten Gewissen. Aber auch ein Jahr, in dem sich die Stunden ihres Zusammenseins wie kostbare Edelsteine zu einer Kette gefügt hatten, die pures Glück gewesen war und höchste Freude.

In der Wärme und dem gleichmäßigen Rauschen des Wassers beruhigte Helen sich allmählich.
Die Unruhe, die sie seit dem frühen Morgen begleitet hatte, war verschwunden.
An ihre Stelle war unendliche Traurigkeit getreten.

Sie war nicht minder stark als damals, als sie gerade erfahren hatte, dass der geliebte Mann niemals mehr zu ihr zurückkehren würde. Dass sie niemals mehr in seinen Armen sein, sich niemals mehr in seiner Nähe und Wärme verlieren können würde … niemals mehr Jason … nur noch Alleinsein und Kälte.
Wieder spürte sie die abgrundtiefe Verzweiflung, die sie damals überkommen hatte, den so grenzenlos peinigenden Schmerz über den Verlust, und die alles beherrschende Trauer um den Tod dieses Mannes, der sie nach so vielen tristen Jahren wieder spüren hatte lassen, dass sie eine attraktive Frau war, und der sie so sehr begehrt hatte. Und genau wie damals, so erschien es ihr auch heute immer noch völlig aussichtslos, jemals in diesem Leben wieder glücklich sein zu können …

„… jetzt und für alle Zeit“, seine Stimme erklang leise in ihrem Kopf, ihr Blut trug sie durch ihre Adern hinein in jede Zelle ihres Körpers, und dann wusste sie, er war fort, und er war es doch nicht …

Etwas in ihr war in Gang gesetzt worden durch diese Begegnung zwischen den Welten.
Als habe sie eine andersfarbige Brille aufgesetzt, veränderte sich ihre Wahrnehmung von einem Moment auf den anderen, und mit nahezu hellsichtiger Klarheit wusste sie, dass sie an einer Weggabelung stand.
 
E

eisblume

Gast
Hallo Marie,

ist das eigentlich so eine Art Markenzeichen, dass du deine beiden Geschichten jetzt mit dieser kursiven wörtlichen Rede beginnst :) Ich finde ja, dass kursiv in einem Text nur verwendet werden soll, wenn es gar nicht anders geht – und hier erschließt sich mir der Grund ehrlich gesagt nicht.

Ich habe ein paar Schwierigkeiten mit dem Text, obwohl ich die Situation an sich gut nachfühlen kann.
Diese Tagtraumsequenz erlebt Helen, so wie es beschrieben ist, ja sehr plastisch. Ich meine, dass sich das nicht nur rein in ihren Gedanken abspielt, sondern dass sie körperlich sozusagen auch mitgeht und darauf reagiert. Daher könnte ich mir gut vorstellen, dass Heiner davon trotz seines beleidigten Zeitungslesens etwas mitbekommen müsste.

Im Grunde erzählst du sehr viel, stellenweise für mein Gefühl auch etwas langatmig, aber von Dingen, die (für mich) jetzt wichtig wären, da kommt recht wenig.
Helen ist überwiegend Hausfrau und das letzte Kind ist aus dem Haus. Okay. Wie viele Kinder waren es denn? Hat sie auch mal gearbeitet? Was macht sie sonst, außer mit Heiner und Freunden auf den Golfplatz zu gehen? Unternimmt sie auch manchmal etwas allein? Ich frage das, weil ich gern wüsste, wo sie denn Jason kennengelernt hat. Innerhalb ihres Bekanntenkreises, im Internet oder ganz wo anders? Die heimlichen Treffen mit ihm müssen ja auch unauffällig organisiert gewesen sein. Konnte sie das immer problemlos einrichten? Wo haben sie sich getroffen? Wenn das nun so eine heimliche Beziehung gewesen ist, sind sie wohl auch nicht miteinander ausgegangen oder haben andere Leute getroffen – wie hat sie dann von seinem Tod erfahren? Stand das evtl. in der Zeitung?

Dann hier:
Mit immer noch tief beleidigtem Gesicht ließ er sich auf das breiten Polster der dunkelroten Ledercouch fallen, öffnete die Zeitung mit lautem Rascheln, hielt sie mit weit von sich gestreckten Armen so vor sich, dass man nichts mehr von ihm sah außer seine übereinander geschlagenen Beine, und dann begann er zu lesen.

Helen sah mit resigniertem Kopfschütteln zu ihm hinüber.
Sie steht doch an der Terrassentür und schaut in den Schnee hinaus, und dreht sich erst dann zu ihm um, als er quasi hinter der Zeitung sitzt. Wann hat sie dann sein beleidigtes Gesicht gesehen? Kurz darauf löst sie sich vom Anblick des fallenden Schnees. Dazu hätte sie aber wieder den Kopf drehen müssen.
Es ist jetzt nicht so, dass du jede einzelne Körperbewegung beschreiben müsstest, aber wenn du damit anfängst, muss sich das dann auch logisch fortsetzen.

Insgesamt ist mir die Geschichte zu ungleich gewichtet. Zu viel Hausarbeit und dann auch noch so tun, als ob sie beschäftigt wäre, und zu wenig von Janos, dem sie doch massiv nachtrauert. Dieser Tagtraum und dass sie sich bei ihm wieder als attraktive Frau gefühlt hat, sind mir als Infos zu wenig.

An einer Stelle hast du aus Heiner einen Johann gemacht, sprachlich gäbe es noch ein paar Stellen, die du ändern könntest, aber damit verschone ich dich jetzt :)

herzlichst
eisblume
 
„Jedenfalls verdammt ärgerlich das Ganze!“

Kurz angebunden und grußlos beendete Heiner das Telefongespräch.
Helen, seine Frau, hörte den Ärger und die Enttäuschung in seiner Stimme, und obwohl sie es nicht anders erwartet hatte, zuckte sie doch zusammen, als er das Telefon mit einer heftigen Bewegung in die Ladestation knallte. Unwillkürlich seufzte sie auf und verdrehte die Augen.

Sie wusste um seinen dringenden Plan, Martin, seinem Freund und Dauerkonkurrenten auf dem Golfplatz, die Niederlage, die der ihm dort vorige Woche beigebracht hatte, so schnell als möglich heimzuzahlen. Daraus würde nun nichts werden, das geplante Spiel fiel aus.

In den nächsten Stunden, da machte Helen sich nichts vor, würde mit ihrem Mann nicht gut Kirschen essen sein. Er hasste es abgrundtief, wenn irgendetwas seine Pläne durchkreuzte und reagierte regelmäßig mit entsprechend schlechter Laune.

„Golf fällt aus, der Platz ist gesperrt!“
Er war in die Küche gekommen, in der sie gerade dabei war, das Frühstücksgeschirr in die Spülmaschine zu räumen,und hatte sich mit untergeschlagenen Armen mitten im Raum postiert. Er sah sie mit ärgerlich gekrauster Stirn vorwurfsvoll an, gerade so, als trüge sie die Verantwortung für den über Nacht gefallenen Schnee.

„Das war zu vermuten, und ich habe es dir vorhin auch schon gesagt“.
So ganz gelangt es ihr nicht, ihre Ungeduld zu verbergen. Ihre Antwort fiel deshalb bestimmter aus, als sie es vorgehabt hatte. Aber warum eigentlich, so fragte sie sich in diesem Moment, sollte immer sie diejenige sein, die an sich hielt? Heiner machte ja auch keine Anstalten, sich zurück zunehmen. Er dachte nicht an Anstand und ein einigermaßen gedeihliches Zusammenleben, sondern polterte darauf los und benutzte sie als Blitzableiter bei jedwedem Ärgernis, dass seinen Weg kreuzte.

Ihre ungehaltene Antwort hatte denn auch zur Folge, dass er endgültig einschnappte, etwas murmelte von „versteht gar nichts …“, und sich in sein Zimmer im ersten Stock des Hauses zurückzog, wobei er die Tür gut vernehmbar ins Schloss warf.

Helen zuckte mit den Schultern. Es machte einfach keinen Sinn, sich über die unfreundlichen Attitüden ihres Mannes zu ärgern. Sie fuhr in ihrer Arbeit fort und war denn auch nicht unglücklich darüber, dass Heiner nun für einige Zeit damit beschäftigt sein würde, sich über die Launen des Wetters im Allgemeinen und über ihr Unverständnis für seine daraus resultierende Enttäuschung im Speziellen zu ärgern – auf der Couch liegend und bei laut abgespielter, klassischer Musik.

Dabei hatte sie sich durchaus auf die Golfrunde gefreut. Sie wäre eine willkommene Abwechslung gewesen in ihrem doch eher eintönigen Alltag als hauptsächliche Hausfrau. Außerdem liebte sie die Bewegung in der frischen Luft, und das Beisammensein mit den Freunden, mit denen sie sich sehr gut verstand, war ihr immer eine willkommene Zerstreuung.
Gerade heute hätte sie die gut gebrauchen können, denn sie fühlte sich auf verwirrende Weise aufgewühlt, wie schon lange nicht mehr.
Gegen Morgen war sie aus einem Traum aufgeschreckt. Worum es gegangen war, daran erinnerte sie sich nicht mehr, wohl aber an das aufgeregte Herzklopfen, das er ihr beschert hatte. Es war nur schwer wieder unter Kontrolle zu bringen gewesen ... beinahe so wie damals ...

Helen richtete sich langsam auf, drückte die Tür des Geschirrspülers fest zu, hörte das Klacken des Schlosses und stand einfach nur da. Ihr Blick war auf die Maschine gerichtet, doch ihre Gedanken wanderten in der Zeit zurück zu einem Mittwoch im Advent vor zwei Jahren ...
Sie seufzte tief auf, schloss kurz die Augen und machte mit beiden Händen eine Abwehrbewegung, gerade so, als wolle sie etwas, das sie bedrohte, von sich schieben. Dann straffte sie die Schultern und wandte sich anderem zu.

Eine Stunde später waren die Stufen vor dem Haus und der Gehsteig vor ihrem Zaun vom Schnee befreit. Die körperliche Anstrengung in der klaren Winterluft hatte ihre Unrast gemildert. Auch für ihre momentane Gefühlslage hatte sie eine Erklärung gefunden – das Weihnachtsfest nämlich, bis zu dem es nur noch einige wenige Tage hin war. Die Kinder würden kommen, und zuvor wollten noch all die vielen Dinge erledigt werden, die ihr für das Gelingen des Festes unabdingbar nötig erschienen.

Die Schneeschaufel war wieder verstaut, Heiner noch in seinem Zimmer, und Helen saß bei einer Tasse Kaffee in dem kleinen Raum neben der Küche, den sie ihr Büro nannte. Sie schlug die Zeitung vom Wochenende auf, blätterte lustlos darin herum, fand nichts, das ihr Interesse weckte und schob sie schließlich von sich. Sie blickte geradeaus auf die Wand, an der Fotos hingen, die ihre Familie zeigten.
Vor drei Jahren hatte auch das jüngste ihrer Kinder das Haus verlassen um auswärts zu studieren. Damit war die Notwendigkeit, intakte Familie zu spielen, entfallen. Nach und nach war offenbar geworden, dass all die zahlreichen Gemeinsamkeiten, die ihre Ehe einst so vielversprechend hatten beginnen lassen, in den dreißig Jahren, die die nun schon dauerte, Stück für Stück auf der Strecke geblieben waren. Es war ein schleichender Prozess gewesen, und bemerkt hatte sie ihn erst, als sich die Sprachlosigkeit zwischen ihr und ihrem Mann schon zu einem unüberbrückbar breiten Graben entwickelt hatte.

Auch Zärtlichkeiten gab es zwischen ihnen schon lange nicht mehr.
Heiner machte nicht den Eindruck, als fehle ihm etwas, aber vielleicht holte er sich seine Streicheleinheiten ja auch anderswo. Als Helen zum ersten Mal bewusst über diesen Umstand nachgedacht hatte, war sie erschrocken. Sie hatte sich vorzustellen versucht, was sie wohl empfände, wenn sie plötzlich mit der Tatsache konfrontiert würde, dass er eine Geliebte hätte. Sie war sehr verblüfft gewesen, dass diese Vorstellung sie kalt ließ.
Wie weit sie sich emotional bereits von ihrem Mann entfernt hatte, war ihr allerdings erst so richtig bewusst geworden, als sie Jason begegnet war.

Jason ... Tränen stiegen auf, und es gelang ihr nur mit Mühe, sie wieder hinunter zu schlucken.
Warum nur konnte sie immer noch nicht an ihn denken, ohne diesen entsetzlichen Schmerz zu spüren, der sie von innen auszuhöhlen schien, so lange, bis sie sich fühlte, als sei sie nur noch eine Hülle?
Ihre Gestalt zwar und ihr Gesicht, ihre Mimik und Bewegungen und ansonsten leblose Starre … Todesstarre …

Die Unrast, die sie vertrieben zu haben glaubte, war zurückgekehrt. Helen stand auf und ging nach nebenan ins Wohnzimmer.
Dort schob sie eine CD in den Recorder und startete ihn – anrührende Rockballaden von Sehnsucht, Erfüllung und Verlust wehten durch den großen Raum.
Sinnend stand sie an der Terrassentür, lauschte mit halbem Ohr der Melodie, sah hinaus in den Garten und in den schon wieder dicht fallenden Schnee. Für einen Moment hatte sie den Eindruck einer vertrauten Gegenwart.

Nicht lange, dann hörte sie, wie Heiner den Raum betrat, sich im Hereinkommen die Zeitung schnappt, die sie zuvor auf den Tisch gelegt hatte und sich auf der dunkelroten Ledercouch niederließ.
„Natürlich, schon wieder Schnulzen“ maulte er vor sich.
Ihr war nicht nach einer Antwort, also schwieg sie und tat so, als habe sie ihn nicht gehört.
Sie wusste, er war immer noch tiefbeleidigt, und ihr war auch klar, dass ihre Entscheidung, ihn einfach zu überhören, nicht dazu angetan war, an diesem Zustand etwas zu ändern – dennoch, sie konnte nicht anders.
Mit lautem Rascheln öffnete er die Zeitung, und als Helen ihren Kopf denn doch ein wenig drehte, und in seine Richtung schielte, das saß er da, hielt das Wochenendblatt mit weit von sich gestreckten Armen so vor sich, dass man nichts mehr von ihm sah außer seine übereinander geschlagenen Beine, und las.

Helen wandte ihren Blick wieder in den Garten, schüttelte resigniert mit dem Kopf und seufzte leise.
Er war Anfang sechzig, und benahm sich zu manchen Zeiten wie ein pubertierender Jugendli-cher. Dieses Verhalten, darüber war sie sich im Klaren, würde sich in diesem Leben nicht mehr ändern - im Gegenteil, sie würde von Glück sagen können, wenn es nicht noch sehr viel schlim-mer würde!
Der dringende Wunsch, sich zu bewegen überkam sie, also löste sie sich von dem Anblick des fallenden Schnees, ging leise im Raum umher und räumte ein wenig auf. Rückte hier und da etwas zurecht, strich ein Kissen glatt, stellte ein achtlos beiseite gelegtes Buch zurück ins Regal.
Doch die Bewegung half ihr genauso wenig dabei, ihre Nervosität zu lindern, wie die leise Musik, im Gegenteil, sie wurde immer unruhiger. Etwas war um sie herum, das sie nicht greifen konnte. War es gut oder böse?
Brachte es Erleichterung oder neuen Kummer?

Mit dem Aufräumen war sie fertig, aber sie bewegte sich immer weiter leise durch den Raum.
Gab sich den Anstrich als habe sie zu tun, blieb hier und da stehen, nahm den einen oder ande-ren Gegenstand in die Hand, betrachtete ihn, stellte ihn wieder an seinen Platz zurück und ver-gaß augenblicklich, was sie gerade so angelegentlich angesehen hatte.

Die ersten Töne eines neuen Liedes strichen leise durch den Raum ... ihr Lied ... ein Bett aus Rosen ...
Erinnerungen stürmten auf sei ein, und dann war da auch wieder dieses Empfinden einer anrührenden Anwesenheit ... jetzt spürte sie sie genauer. Sie schloss die Augen, schnupperte, stand still und lauschte ... dann nahm sie es deutlicher wahr … das Echo einer alten Vertrautheit … von weit her erst, dann kam es näher, wurde konkreter, war keine Echo mehr, war ganz da … bei ihr … sie sah auf, und dann war sie nicht mehr allein …
Seine Blicke ruhten auf ihr, und sie folgten ihr, als sie sich erschreckt und unsicher von ihm wegdrehte und sich wieder dem Fenster zuwandte. Sie ließen sie nicht los, sie streichelten über ihr Haar, berührten leicht ihre Hand, einem Sommerhauch gleich … verführerisch, warm und betörend.
Er trat dicht hinter sie, und Helen nahm seinen Duft wahr, er hüllte sie ein wie ein seidiges, leichtes Tuch. Er legte seine Arme um sie, und sie lehnte sich an ihn. So standen sie eine Weile und wiegten sich gemeinsam zu der langsamen, sehnsuchtsvollen Melodie. Alles um sie herum verlor seine Bedeutung, verschwamm vor ihren Augen und verschwand schließlich in hell strahlendem Nebel.

Er küsste ihre Wange, streichelte mit der Zunge leicht über ihren Hals und ließ seine Hände über ihren Körper nach unten wandern.
Sie schmiegte sich an ihn, und er hielt sie fest. Sie schloss die Augen, lehnte ihren Kopf an seine Brust, und langsam, ganz langsam begannen die Beschwernisse der langen Trennung sich aufzulösen ...
So standen sie eine Weile, erspürten sich, entdecken sich neu, und konnten doch immer noch nicht glauben, dass sie einander wieder hatten ...
Sie drehte sich zu ihm um und trat einen halben Schritt zurück.
Sie sahen sich an, ihre Blicke umgarnten einander, verhakten sich ineinander, verharrten beieinander, und dann wurden sie zu einem heißen, hin- und herwogenden Strom, der sie vollständig in seinen Bann zog.
Ihr Atem ging schneller, sie sahen das Verlangen in ihren Augen, näherten sich wieder, umarmten sich erneut, folgten dem Drang nach Nähe und Wärme, hielten sich festumschlungen und verharrten wieder, gerade so, als wollten sie sich noch einmal einander versichern ... doch alles war gut.

Sie küssten sich, tasteten sich langsam und vorsichtig zurück zu alter Vertrautheit, immer noch verhalten und ungläubig. Dann langsam begreifend: dies hier war wahr, war nicht nur Sehnen, auch kein Traum … sie waren zusammen, wie so oft … damals …

Mit einer plötzlichen Bewegung schloss er seine Arme eng um sie, und Helen lehnte dicht an seinem Körper. Er hatte seine Stirn auf ihren Kopf geneigt, sie konnte ihm nicht ins Gesicht sehen, und doch wusste sie um den Ernst in seinen Augen, und sie erschauderte, als sie seine leise, tiefe Stimme hörte: „Immer möchte ich dich so halten … ich liebe dich so sehr … jetzt und für alle Zeit“.
Dann glitt er zu Boden, zog sie mit sich, und sie streckten sich auf dem Teppich aus, der sie mit seinem weichen Flor willkommen hieß.

Es dauerte nicht lange, da hob er sie in das gleißende Licht des Höhepunkts.
Sie schrie auf, zog ihn noch nachdrücklicher an sich, klammerte sich an ihn, hörte ihn stöhnen – und noch einmal drängten sie mit aller Macht zu einander …
Dann war es vorbei.
Doch sie hielten sich immer noch fest umklammert, keinen Millimeter wollten sie sich trennen, die lang entbehrte Nähe bis zur Neige auskosten. Noch benommen von den unendlich tiefen Empfindungen füreinander, lauschten sie der Lust nach. Sie verebbte langsam und Tränen rannen über ihre Gesichter, sie trockneten sie an der Haut des anderen.

Die letzten Töne des Liedes verklangen, und Helen schluckte hart.

„Was ist schon wieder los?“, kam Heiners ungeduldige Stimme hinter der Zeitung hervor.

Sie stand an der Terrassentür und sah immer noch hinaus in den fallenden Schnee.
„Ach nichts … nichts… schade, dass es so schneit und wir heute nicht auf den Platz konnten“, log sie, wunderte sich für den Bruchteil einer Sekunde, wie normal sich ihre Stimme anhörte, und wie glatt ihr die Lüge von den Lippen ging.
„Ach nun doch“, erwiderte Heiner schnippisch. Seine kalte Egozentrik traf sie mit ganzer Macht, und sie wollte nur noch weg von ihm.
„Ich gehe duschen … habe ziemlich geschwitzt vorhin beim Schneeräumen“, sagte sie wie nebenbei und verließ rasch das Zimmer. Sie ging nach oben ins Bad und schloss die Tür fest hinter sich. Dann riss sie sich die Kleider vom Leib und flüchtete unter das warme Wasser der Dusche.

Die Tränen liefen in Bächen über ihr Gesicht – hier, inmitten des strömenden Wassers, konnte niemand sie sehen.
Sie schluchzte laut auf - hier oben hörte sie niemand.

„Jason, Jason, wo bist du? Komm zurück … bitte komm zurück zu mir!
Doch Jason konnte nicht kommen.
Er war nicht mehr auf dieser Welt. Am zweiten Weihnachtstag würde es ein Jahr her sein, dass er beim Skifahren unglücklich gestürzt und auf der Stelle tot gewesen war.

Nur ein gemeinsames Jahr hatte das Schicksal ihnen beiden gegönnt. Ein Jahr in Heimlichkeit und mit immer wieder aufflackernden schlechten Gewissen. Aber auch ein Jahr, in dem sich die Stunden ihres Zusammenseins wie kostbare Edelsteine zu einer Kette gefügt hatten, die pures Glück gewesen war und höchste Freude.

In der Wärme und dem gleichmäßigen Rauschen des Wassers beruhigte Helen sich allmählich.
Die Unruhe, die sie seit dem frühen Morgen begleitet hatte, war verschwunden.
An ihre Stelle war unendliche Traurigkeit getreten.

Sie war nicht minder stark als damals, als sie gerade erfahren hatte, dass der geliebte Mann niemals mehr zu ihr zurückkehren würde. Dass sie niemals mehr in seinen Armen sein, sich niemals mehr in seiner Nähe und Wärme verlieren können würde … niemals mehr Jason … nur noch Alleinsein und Kälte.
Wieder spürte sie die abgrundtiefe Verzweiflung, die sie damals überkommen hatte, den so grenzenlos peinigenden Schmerz über den Verlust, und die alles beherrschende Trauer um den Tod dieses Mannes, der sie nach so vielen tristen Jahren wieder spüren hatte lassen, dass sie eine attraktive Frau war, und der sie so sehr begehrt hatte. Und genau wie damals, so erschien es ihr auch heute immer noch völlig aussichtslos, jemals in diesem Leben wieder glücklich sein zu können …

„… jetzt und für alle Zeit“, seine Stimme erklang leise in ihrem Kopf, ihr Blut trug sie durch ihre Adern hinein in jede Zelle ihres Körpers, und dann wusste sie, er war fort, und er war es doch nicht …

Etwas in ihr war in Gang gesetzt worden durch diese Begegnung zwischen den Welten.
Als habe sie eine andersfarbige Brille aufgesetzt, veränderte sich ihre Wahrnehmung von einem Moment auf den anderen, und mit nahezu hellsichtiger Klarheit wusste sie, dass sie an einer Weggabelung stand.
 
„Jedenfalls verdammt ärgerlich das Ganze!“

Kurz angebunden und grußlos beendete Heiner das Telefongespräch.
Helen, seine Frau, hörte den Ärger und die Enttäuschung in seiner Stimme, und obwohl sie es nicht anders erwartet hatte, zuckte sie doch zusammen, als er das Telefon mit einer heftigen Bewegung in die Ladestation knallte. Unwillkürlich seufzte sie auf und verdrehte die Augen.

Sie wusste um seinen dringenden Plan, Martin, seinem Freund und Dauerkonkurrenten auf dem Golfplatz, die Niederlage, die der ihm dort vorige Woche beigebracht hatte, so schnell als möglich heimzuzahlen. Daraus würde nun nichts werden, das geplante Spiel fiel aus.

In den nächsten Stunden, da machte Helen sich nichts vor, würde mit ihrem Mann nicht gut Kirschen essen sein. Er hasste es abgrundtief, wenn irgendetwas seine Pläne durchkreuzte und reagierte regelmäßig mit entsprechend schlechter Laune.

„Golf fällt aus, der Platz ist gesperrt!“
Er war in die Küche gekommen, in der sie gerade dabei war, das Frühstücksgeschirr in die Spülmaschine zu räumen,und hatte sich mit untergeschlagenen Armen mitten im Raum postiert. Er sah sie mit ärgerlich gekrauster Stirn vorwurfsvoll an, gerade so, als trüge sie die Verantwortung für den über Nacht gefallenen Schnee.

„Das war zu vermuten, und ich habe es dir vorhin auch schon gesagt“.
So ganz gelangt es ihr nicht, ihre Ungeduld zu verbergen. Ihre Antwort fiel deshalb bestimmter aus, als sie es vorgehabt hatte. Aber warum eigentlich, so fragte sie sich in diesem Moment, sollte immer sie diejenige sein, die an sich hielt? Heiner machte ja auch keine Anstalten, sich zurück zunehmen. Er dachte nicht an Anstand und ein einigermaßen gedeihliches Zusammenleben, sondern polterte darauf los und benutzte sie als Blitzableiter bei jedwedem Ärgernis, dass seinen Weg kreuzte.

Ihre ungehaltene Antwort hatte denn auch zur Folge, dass er endgültig einschnappte, etwas murmelte von „versteht gar nichts …“, und sich in sein Zimmer im ersten Stock des Hauses zurückzog, wobei er die Tür gut vernehmbar ins Schloss warf.

Helen zuckte mit den Schultern. Es machte einfach keinen Sinn, sich über die unfreundlichen Attitüden ihres Mannes zu ärgern. Sie fuhr in ihrer Arbeit fort und war denn auch nicht unglücklich darüber, dass Heiner nun für einige Zeit damit beschäftigt sein würde, sich über die Launen des Wetters im Allgemeinen und über ihr Unverständnis für seine daraus resultierende Enttäuschung im Speziellen zu ärgern – auf der Couch liegend und bei laut abgespielter, klassischer Musik.

Dabei hatte sie sich durchaus auf die Golfrunde gefreut. Sie wäre eine willkommene Abwechslung gewesen in ihrem doch eher eintönigen Alltag als hauptsächliche Hausfrau. Außerdem liebte sie die Bewegung in der frischen Luft, und das Beisammensein mit den Freunden, mit denen sie sich sehr gut verstand, war ihr immer eine willkommene Zerstreuung.
Gerade heute hätte sie die gut gebrauchen können, denn sie fühlte sich auf verwirrende Weise aufgewühlt, wie schon lange nicht mehr.
Gegen Morgen war sie aus einem Traum aufgeschreckt. Worum es gegangen war, daran erinnerte sie sich nicht mehr, wohl aber an das aufgeregte Herzklopfen, das er ihr beschert hatte. Es war nur schwer wieder unter Kontrolle zu bringen gewesen ... beinahe so wie damals ...

Helen richtete sich langsam auf, drückte die Tür des Geschirrspülers fest zu, hörte das Klacken des Schlosses und stand einfach nur da. Ihr Blick war auf die Maschine gerichtet, doch ihre Gedanken wanderten in der Zeit zurück zu einem Mittwoch im Advent vor zwei Jahren ...
Sie seufzte tief auf, schloss kurz die Augen und machte mit beiden Händen eine Abwehrbewegung, gerade so, als wolle sie etwas, das sie bedrohte, von sich schieben. Dann straffte sie die Schultern und wandte sich anderem zu.

Eine Stunde später waren die Stufen vor dem Haus und der Gehsteig vor ihrem Zaun vom Schnee befreit. Die körperliche Anstrengung in der klaren Winterluft hatte ihre Unrast gemildert. Auch für ihre momentane Gefühlslage hatte sie eine Erklärung gefunden – das Weihnachtsfest nämlich, bis zu dem es nur noch einige wenige Tage hin war. Die Kinder würden kommen, und zuvor wollten noch all die vielen Dinge erledigt werden, die ihr für das Gelingen des Festes unabdingbar nötig erschienen.

Die Schneeschaufel war wieder verstaut, Heiner noch in seinem Zimmer, und Helen saß bei einer Tasse Kaffee in dem kleinen Raum neben der Küche, den sie ihr Büro nannte. Sie schlug die Zeitung vom Wochenende auf, blätterte lustlos darin herum, fand nichts, das ihr Interesse weckte und schob sie schließlich von sich. Sie blickte geradeaus auf die Wand, an der Fotos hingen, die ihre Familie zeigten.
Vor drei Jahren hatte auch das jüngste ihrer Kinder das Haus verlassen um auswärts zu studieren. Damit war die Notwendigkeit, intakte Familie zu spielen, entfallen. Nach und nach war offenbar geworden, dass all die zahlreichen Gemeinsamkeiten, die ihre Ehe einst so vielversprechend hatten beginnen lassen, in den dreißig Jahren, die die nun schon dauerte, Stück für Stück auf der Strecke geblieben waren. Es war ein schleichender Prozess gewesen, und bemerkt hatte sie ihn erst, als sich die Sprachlosigkeit zwischen ihr und ihrem Mann schon zu einem unüberbrückbar breiten Graben entwickelt hatte.

Auch Zärtlichkeiten gab es zwischen ihnen schon lange nicht mehr.
Heiner machte nicht den Eindruck, als fehle ihm etwas, aber vielleicht holte er sich seine Streicheleinheiten ja auch anderswo. Als Helen zum ersten Mal bewusst über diesen Umstand nachgedacht hatte, war sie erschrocken. Sie hatte sich vorzustellen versucht, was sie wohl empfände, wenn sie plötzlich mit der Tatsache konfrontiert würde, dass er eine Geliebte hätte. Sie war sehr verblüfft gewesen, dass diese Vorstellung sie kalt ließ.
Wie weit sie sich emotional bereits von ihrem Mann entfernt hatte, war ihr allerdings erst so richtig bewusst geworden, als sie Jason begegnet war.

Jason ... Tränen stiegen auf, und es gelang ihr nur mit Mühe, sie wieder hinunter zu schlucken.
Warum nur konnte sie immer noch nicht an ihn denken, ohne diesen entsetzlichen Schmerz zu spüren, der sie von innen auszuhöhlen schien, so lange, bis sie sich fühlte, als sei sie nur noch eine Hülle?
Ihre Gestalt zwar und ihr Gesicht, ihre Mimik und Bewegungen und ansonsten leblose Starre … Todesstarre …

Die Unrast, die sie vertrieben zu haben glaubte, war zurückgekehrt. Helen stand auf und ging nach nebenan ins Wohnzimmer.
Dort schob sie eine CD in den Recorder und startete ihn – anrührende Rockballaden von Sehnsucht, Erfüllung und Verlust wehten durch den großen Raum.
Sinnend stand sie an der Terrassentür, lauschte mit halbem Ohr der Melodie, sah hinaus in den Garten und in den schon wieder dicht fallenden Schnee. Für einen Moment hatte sie den Eindruck einer vertrauten Gegenwart.

Nicht lange, dann hörte sie, wie Heiner den Raum betrat, sich im Hereinkommen die Zeitung schnappt, die sie zuvor auf den Tisch gelegt hatte und sich auf der dunkelroten Ledercouch niederließ.
„Natürlich, schon wieder Schnulzen“ maulte er vor sich.
Ihr war nicht nach einer Antwort, also schwieg sie und tat so, als habe sie ihn nicht gehört.
Sie wusste, er war immer noch tiefbeleidigt, und ihr war auch klar, dass ihre Entscheidung, ihn einfach zu überhören, nicht dazu angetan war, an diesem Zustand etwas zu ändern – dennoch, sie konnte nicht anders.
Mit lautem Rascheln öffnete er die Zeitung, und als Helen ihren Kopf denn doch ein wenig drehte, und in seine Richtung schielte, das saß er da, hielt das Wochenendblatt mit weit von sich gestreckten Armen so vor sich, dass man nichts mehr von ihm sah außer seine übereinander geschlagenen Beine, und las.

Helen wandte ihren Blick wieder in den Garten, schüttelte resigniert mit dem Kopf und seufzte leise.
Er war Anfang sechzig, und benahm sich zu manchen Zeiten wie ein pubertierender Jugendlicher. Dieses Verhalten, darüber war sie sich im Klaren, würde sich in diesem Leben nicht mehr ändern - im Gegenteil, sie würde von Glück sagen können, wenn es nicht noch sehr viel schlim-mer würde!
Der dringende Wunsch, sich zu bewegen überkam sie, also löste sie sich von dem Anblick des fallenden Schnees, ging leise im Raum umher und räumte ein wenig auf. Rückte hier und da etwas zurecht, strich ein Kissen glatt, stellte ein achtlos beiseite gelegtes Buch zurück ins Regal.
Doch die Bewegung half ihr genauso wenig dabei, ihre Nervosität zu lindern, wie die leise Musik, im Gegenteil, sie wurde immer unruhiger. Etwas war um sie herum, das sie nicht greifen konnte. War es gut oder böse?
Brachte es Erleichterung oder neuen Kummer?

Mit dem Aufräumen war sie fertig, aber sie bewegte sich immer weiter leise durch den Raum.
Gab sich den Anstrich als habe sie zu tun, blieb hier und da stehen, nahm den einen oder ande-ren Gegenstand in die Hand, betrachtete ihn, stellte ihn wieder an seinen Platz zurück und ver-gaß augenblicklich, was sie gerade so angelegentlich angesehen hatte.

Die ersten Töne eines neuen Liedes strichen leise durch den Raum ... ihr Lied ... ein Bett aus Rosen ...
Erinnerungen stürmten auf sei ein, und dann war da auch wieder dieses Empfinden einer anrührenden Anwesenheit ... jetzt spürte sie sie genauer. Sie schloss die Augen, schnupperte, stand still und lauschte ... dann nahm sie es deutlicher wahr … das Echo einer alten Vertrautheit … von weit her erst, dann kam es näher, wurde konkreter, war keine Echo mehr, war ganz da … bei ihr … sie sah auf, und dann war sie nicht mehr allein …
Seine Blicke ruhten auf ihr, und sie folgten ihr, als sie sich erschreckt und unsicher von ihm wegdrehte und sich wieder dem Fenster zuwandte. Sie ließen sie nicht los, sie streichelten über ihr Haar, berührten leicht ihre Hand, einem Sommerhauch gleich … verführerisch, warm und betörend.
Er trat dicht hinter sie, und Helen nahm seinen Duft wahr, er hüllte sie ein wie ein seidiges, leichtes Tuch. Er legte seine Arme um sie, und sie lehnte sich an ihn. So standen sie eine Weile und wiegten sich gemeinsam zu der langsamen, sehnsuchtsvollen Melodie. Alles um sie herum verlor seine Bedeutung, verschwamm vor ihren Augen und verschwand schließlich in hell strahlendem Nebel.

Er küsste ihre Wange, streichelte mit der Zunge leicht über ihren Hals und ließ seine Hände über ihren Körper nach unten wandern.
Sie schmiegte sich an ihn, und er hielt sie fest. Sie schloss die Augen, lehnte ihren Kopf an seine Brust, und langsam, ganz langsam begannen die Beschwernisse der langen Trennung sich aufzulösen ...
So standen sie eine Weile, erspürten sich, entdecken sich neu, und konnten doch immer noch nicht glauben, dass sie einander wieder hatten ...
Sie drehte sich zu ihm um und trat einen halben Schritt zurück.
Sie sahen sich an, ihre Blicke umgarnten einander, verhakten sich ineinander, verharrten beieinander, und dann wurden sie zu einem heißen, hin- und herwogenden Strom, der sie vollständig in seinen Bann zog.
Ihr Atem ging schneller, sie sahen das Verlangen in ihren Augen, näherten sich wieder, umarmten sich erneut, folgten dem Drang nach Nähe und Wärme, hielten sich festumschlungen und verharrten wieder, gerade so, als wollten sie sich noch einmal einander versichern ... doch alles war gut.

Sie küssten sich, tasteten sich langsam und vorsichtig zurück zu alter Vertrautheit, immer noch verhalten und ungläubig. Dann langsam begreifend: dies hier war wahr, war nicht nur Sehnen, auch kein Traum … sie waren zusammen, wie so oft … damals …

Mit einer plötzlichen Bewegung schloss er seine Arme eng um sie, und Helen lehnte dicht an seinem Körper. Er hatte seine Stirn auf ihren Kopf geneigt, sie konnte ihm nicht ins Gesicht sehen, und doch wusste sie um den Ernst in seinen Augen, und sie erschauderte, als sie seine leise, tiefe Stimme hörte: „Immer möchte ich dich so halten … ich liebe dich so sehr … jetzt und für alle Zeit“.
Dann glitt er zu Boden, zog sie mit sich, und sie streckten sich auf dem Teppich aus, der sie mit seinem weichen Flor willkommen hieß.

Es dauerte nicht lange, da hob er sie in das gleißende Licht des Höhepunkts.
Sie schrie auf, zog ihn noch nachdrücklicher an sich, klammerte sich an ihn, hörte ihn stöhnen – und noch einmal drängten sie mit aller Macht zu einander …
Dann war es vorbei.
Doch sie hielten sich immer noch fest umklammert, keinen Millimeter wollten sie sich trennen, die lang entbehrte Nähe bis zur Neige auskosten. Noch benommen von den unendlich tiefen Empfindungen füreinander, lauschten sie der Lust nach. Sie verebbte langsam und Tränen rannen über ihre Gesichter, sie trockneten sie an der Haut des anderen.

Die letzten Töne des Liedes verklangen, und Helen schluckte hart.

„Was ist schon wieder los?“, kam Heiners ungeduldige Stimme hinter der Zeitung hervor.

Sie stand an der Terrassentür und sah immer noch hinaus in den fallenden Schnee.
„Ach nichts … nichts… schade, dass es so schneit und wir heute nicht auf den Platz konnten“, log sie, wunderte sich für den Bruchteil einer Sekunde, wie normal sich ihre Stimme anhörte, und wie glatt ihr die Lüge von den Lippen ging.
„Ach nun doch“, erwiderte Heiner schnippisch. Seine kalte Egozentrik traf sie mit ganzer Macht, und sie wollte nur noch weg von ihm.
„Ich gehe duschen … habe ziemlich geschwitzt vorhin beim Schneeräumen“, sagte sie wie nebenbei und verließ rasch das Zimmer. Sie ging nach oben ins Bad und schloss die Tür fest hinter sich. Dann riss sie sich die Kleider vom Leib und flüchtete unter das warme Wasser der Dusche.

Die Tränen liefen in Bächen über ihr Gesicht – hier, inmitten des strömenden Wassers, konnte niemand sie sehen.
Sie schluchzte laut auf - hier oben hörte sie niemand.

„Jason, Jason, wo bist du? Komm zurück … bitte komm zurück zu mir!
Doch Jason konnte nicht kommen.
Er war nicht mehr auf dieser Welt. Am zweiten Weihnachtstag würde es ein Jahr her sein, dass er beim Skifahren unglücklich gestürzt und auf der Stelle tot gewesen war.

Nur ein gemeinsames Jahr hatte das Schicksal ihnen beiden gegönnt. Ein Jahr in Heimlichkeit und mit immer wieder aufflackernden schlechten Gewissen. Aber auch ein Jahr, in dem sich die Stunden ihres Zusammenseins wie kostbare Edelsteine zu einer Kette gefügt hatten, die pures Glück gewesen war und höchste Freude.

In der Wärme und dem gleichmäßigen Rauschen des Wassers beruhigte Helen sich allmählich.
Die Unruhe, die sie seit dem frühen Morgen begleitet hatte, war verschwunden.
An ihre Stelle war unendliche Traurigkeit getreten.

Sie war nicht minder stark als damals, als sie gerade erfahren hatte, dass der geliebte Mann niemals mehr zu ihr zurückkehren würde. Dass sie niemals mehr in seinen Armen sein, sich niemals mehr in seiner Nähe und Wärme verlieren können würde … niemals mehr Jason … nur noch Alleinsein und Kälte.
Wieder spürte sie die abgrundtiefe Verzweiflung, die sie damals überkommen hatte, den so grenzenlos peinigenden Schmerz über den Verlust, und die alles beherrschende Trauer um den Tod dieses Mannes, der sie nach so vielen tristen Jahren wieder spüren hatte lassen, dass sie eine attraktive Frau war, und der sie so sehr begehrt hatte. Und genau wie damals, so erschien es ihr auch heute immer noch völlig aussichtslos, jemals in diesem Leben wieder glücklich sein zu können …

„… jetzt und für alle Zeit“, seine Stimme erklang leise in ihrem Kopf, ihr Blut trug sie durch ihre Adern hinein in jede Zelle ihres Körpers, und dann wusste sie, er war fort, und er war es doch nicht …

Etwas in ihr war in Gang gesetzt worden durch diese Begegnung zwischen den Welten.
Als habe sie eine andersfarbige Brille aufgesetzt, veränderte sich ihre Wahrnehmung von einem Moment auf den anderen, und mit nahezu hellsichtiger Klarheit wusste sie, dass sie an einer Weggabelung stand.
 
„Jedenfalls verdammt ärgerlich das Ganze!“

Kurz angebunden und grußlos beendete Heiner das Telefongespräch.
Helen, seine Frau, hörte den Ärger und die Enttäuschung in seiner Stimme, und obwohl sie es nicht anders erwartet hatte, zuckte sie doch zusammen, als er das Telefon mit einer heftigen Bewegung in die Ladestation knallte. Unwillkürlich seufzte sie auf und verdrehte die Augen.

Sie wusste um seinen dringenden Plan, Martin, seinem Freund und Dauerkonkurrenten auf dem Golfplatz, die Niederlage, die der ihm dort vorige Woche beigebracht hatte, so schnell als möglich heimzuzahlen. Daraus würde nun nichts werden, das geplante Spiel fiel aus.

In den nächsten Stunden, da machte Helen sich nichts vor, würde mit ihrem Mann nicht gut Kirschen essen sein. Er hasste es abgrundtief, wenn irgendetwas seine Pläne durchkreuzte und reagierte regelmäßig mit entsprechend schlechter Laune.

„Golf fällt aus, der Platz ist gesperrt!“
Er war in die Küche gekommen, in der sie gerade dabei war, das Frühstücksgeschirr in die Spülmaschine zu räumen,und hatte sich mit untergeschlagenen Armen mitten im Raum postiert. Er sah sie mit ärgerlich gekrauster Stirn vorwurfsvoll an, gerade so, als trüge sie die Verantwortung für den über Nacht gefallenen Schnee.

„Das war zu vermuten, und ich habe es dir vorhin auch schon gesagt“.
So ganz gelangt es ihr nicht, ihre Ungeduld zu verbergen. Ihre Antwort fiel deshalb bestimmter aus, als sie es vorgehabt hatte. Aber warum eigentlich, so fragte sie sich in diesem Moment, sollte immer sie diejenige sein, die an sich hielt? Heiner machte ja auch keine Anstalten, sich zurück zunehmen. Er dachte nicht an Anstand und ein einigermaßen gedeihliches Zusammenleben, sondern polterte darauf los und benutzte sie als Blitzableiter bei jedwedem Ärgernis, dass seinen Weg kreuzte.

Ihre ungehaltene Antwort hatte denn auch zur Folge, dass er endgültig einschnappte, etwas murmelte von „versteht gar nichts …“, und sich in sein Zimmer im ersten Stock des Hauses zurückzog, wobei er die Tür gut vernehmbar ins Schloss warf.

Helen zuckte mit den Schultern. Es machte einfach keinen Sinn, sich über die unfreundlichen Attitüden ihres Mannes zu ärgern. Sie fuhr in ihrer Arbeit fort und war denn auch nicht unglücklich darüber, dass Heiner nun für einige Zeit damit beschäftigt sein würde, sich über die Launen des Wetters im Allgemeinen und über ihr Unverständnis für seine daraus resultierende Enttäuschung im Speziellen zu ärgern – auf der Couch liegend und bei laut abgespielter, klassischer Musik.

Dabei hatte sie sich durchaus auf die Golfrunde gefreut. Sie wäre eine willkommene Abwechslung gewesen in ihrem doch eher eintönigen Alltag als hauptsächliche Hausfrau. Außerdem liebte sie die Bewegung in der frischen Luft, und das Beisammensein mit den Freunden, mit denen sie sich sehr gut verstand, war ihr immer eine willkommene Zerstreuung.
Gerade heute hätte sie die gut gebrauchen können, denn sie fühlte sich auf verwirrende Weise aufgewühlt, wie schon lange nicht mehr.
Gegen Morgen war sie aus einem Traum aufgeschreckt. Worum es gegangen war, daran erinnerte sie sich nicht mehr, wohl aber an das aufgeregte Herzklopfen, das er ihr beschert hatte. Es war nur schwer wieder unter Kontrolle zu bringen gewesen ... beinahe so wie damals ...

Helen richtete sich langsam auf, drückte die Tür des Geschirrspülers fest zu, hörte das Klacken des Schlosses und stand einfach nur da. Ihr Blick war auf die Maschine gerichtet, doch ihre Gedanken wanderten in der Zeit zurück zu einem Mittwoch im Advent vor zwei Jahren ...
Sie seufzte tief auf, schloss kurz die Augen und machte mit beiden Händen eine Abwehrbewegung, gerade so, als wolle sie etwas, das sie bedrohte, von sich schieben. Dann straffte sie die Schultern und wandte sich anderem zu.

Eine Stunde später waren die Stufen vor dem Haus und der Gehsteig vor ihrem Zaun vom Schnee befreit. Die körperliche Anstrengung in der klaren Winterluft hatte ihre Unrast gemildert. Auch für ihre momentane Gefühlslage hatte sie eine Erklärung gefunden – das Weihnachtsfest nämlich, bis zu dem es nur noch einige wenige Tage hin war. Die Kinder würden kommen, und zuvor wollten noch all die vielen Dinge erledigt werden, die ihr für das Gelingen des Festes unabdingbar nötig erschienen.

Die Schneeschaufel war wieder verstaut, Heiner noch in seinem Zimmer, und Helen saß bei einer Tasse Kaffee in dem kleinen Raum neben der Küche, den sie ihr Büro nannte. Sie schlug die Zeitung vom Wochenende auf, blätterte lustlos darin herum, fand nichts, das ihr Interesse weckte und schob sie schließlich von sich. Sie blickte geradeaus auf die Wand, an der Fotos hingen, die ihre Familie zeigten.
Vor drei Jahren hatte auch das jüngste ihrer Kinder das Haus verlassen um auswärts zu studieren. Damit war die Notwendigkeit, intakte Familie zu spielen, entfallen. Nach und nach war offenbar geworden, dass all die zahlreichen Gemeinsamkeiten, die ihre Ehe einst so vielversprechend hatten beginnen lassen, in den dreißig Jahren, die die nun schon dauerte, Stück für Stück auf der Strecke geblieben waren. Es war ein schleichender Prozess gewesen, und bemerkt hatte sie ihn erst, als sich die Sprachlosigkeit zwischen ihr und ihrem Mann schon zu einem unüberbrückbar breiten Graben entwickelt hatte.

Auch Zärtlichkeiten gab es zwischen ihnen schon lange nicht mehr.
Heiner machte nicht den Eindruck, als fehle ihm etwas, aber vielleicht holte er sich seine Streicheleinheiten ja auch anderswo. Als Helen zum ersten Mal bewusst über diesen Umstand nachgedacht hatte, war sie erschrocken. Sie hatte sich vorzustellen versucht, was sie wohl empfände, wenn sie plötzlich mit der Tatsache konfrontiert würde, dass er eine Geliebte hätte. Sie war sehr verblüfft gewesen, dass diese Vorstellung sie kalt ließ.
Wie weit sie sich emotional bereits von ihrem Mann entfernt hatte, war ihr allerdings erst so richtig bewusst geworden, als sie Jason begegnet war.

Jason ... Tränen stiegen auf, und es gelang ihr nur mit Mühe, sie wieder hinunter zu schlucken.
Warum nur konnte sie immer noch nicht an ihn denken, ohne diesen entsetzlichen Schmerz zu spüren, der sie von innen auszuhöhlen schien, so lange, bis sie sich fühlte, als sei sie nur noch eine Hülle?
Ihre Gestalt zwar und ihr Gesicht, ihre Mimik und Bewegungen und ansonsten leblose Starre … Todesstarre …

Die Unrast, die sie vertrieben zu haben glaubte, war zurückgekehrt. Helen stand auf und ging nach nebenan ins Wohnzimmer.
Dort schob sie eine CD in den Recorder und startete ihn – anrührende Rockballaden von Sehnsucht, Erfüllung und Verlust wehten durch den großen Raum.
Sinnend stand sie an der Terrassentür, lauschte mit halbem Ohr der Melodie, sah hinaus in den Garten und in den schon wieder dicht fallenden Schnee. Für einen Moment hatte sie den Eindruck einer vertrauten Gegenwart.

Nicht lange, dann hörte sie, wie Heiner den Raum betrat, sich im Hereinkommen die Zeitung schnappt, die sie zuvor auf den Tisch gelegt hatte und sich auf der dunkelroten Ledercouch niederließ.
„Natürlich, schon wieder Schnulzen“ maulte er.
Ihr war nicht nach einer Antwort, also schwieg sie und tat so, als habe sie ihn nicht gehört.
Sie wusste, er war immer noch tiefbeleidigt, und ihr war auch klar, dass ihre Entscheidung, ihn einfach zu überhören, nicht dazu angetan war, an diesem Zustand etwas zu ändern – dennoch, sie konnte nicht anders.
Mit lautem Rascheln öffnete er die Zeitung, und als Helen ihren Kopf denn doch ein wenig drehte, und in seine Richtung schielte, das saß er da, hielt das Wochenendblatt mit weit von sich gestreckten Armen so vor sich, dass man nichts mehr von ihm sah außer seine übereinander geschlagenen Beine, und las.

Helen wandte ihren Blick wieder in den Garten, schüttelte resigniert mit dem Kopf und seufzte leise.
Er war Anfang sechzig, und benahm sich zu manchen Zeiten wie ein pubertierender Jugendlicher. Dieses Verhalten, darüber war sie sich im Klaren, würde sich in diesem Leben nicht mehr ändern - im Gegenteil, sie würde von Glück sagen können, wenn es nicht noch sehr viel schlim-mer würde!
Der dringende Wunsch, sich zu bewegen überkam sie, also löste sie sich von dem Anblick des fallenden Schnees, ging leise im Raum umher und räumte ein wenig auf. Rückte hier und da etwas zurecht, strich ein Kissen glatt, stellte ein achtlos beiseite gelegtes Buch zurück ins Regal.
Doch die Bewegung half ihr genauso wenig dabei, ihre Nervosität zu lindern, wie die leise Musik, im Gegenteil, sie wurde immer unruhiger. Etwas war um sie herum, das sie nicht greifen konnte. War es gut oder böse?
Brachte es Erleichterung oder neuen Kummer?

Mit dem Aufräumen war sie fertig, aber sie bewegte sich immer weiter leise durch den Raum.
Gab sich den Anstrich als habe sie zu tun, blieb hier und da stehen, nahm den einen oder ande-ren Gegenstand in die Hand, betrachtete ihn, stellte ihn wieder an seinen Platz zurück und ver-gaß augenblicklich, was sie gerade so angelegentlich angesehen hatte.

Die ersten Töne eines neuen Liedes strichen leise durch den Raum ... ihr Lied ... ein Bett aus Rosen ...
Erinnerungen stürmten auf sei ein, und dann war da auch wieder dieses Empfinden einer anrührenden Anwesenheit ... jetzt spürte sie sie genauer. Sie schloss die Augen, schnupperte, stand still und lauschte ... dann nahm sie es deutlicher wahr … das Echo einer alten Vertrautheit … von weit her erst, dann kam es näher, wurde konkreter, war keine Echo mehr, war ganz da … bei ihr … sie sah auf, und dann war sie nicht mehr allein …
Seine Blicke ruhten auf ihr, und sie folgten ihr, als sie sich erschreckt und unsicher von ihm wegdrehte und sich wieder dem Fenster zuwandte. Sie ließen sie nicht los, sie streichelten über ihr Haar, berührten leicht ihre Hand, einem Sommerhauch gleich … verführerisch, warm und betörend.
Er trat dicht hinter sie, und Helen nahm seinen Duft wahr, er hüllte sie ein wie ein seidiges, leichtes Tuch. Er legte seine Arme um sie, und sie lehnte sich an ihn. So standen sie eine Weile und wiegten sich gemeinsam zu der langsamen, sehnsuchtsvollen Melodie. Alles um sie herum verlor seine Bedeutung, verschwamm vor ihren Augen und verschwand schließlich in hell strahlendem Nebel.

Er küsste ihre Wange, streichelte mit der Zunge leicht über ihren Hals und ließ seine Hände über ihren Körper nach unten wandern.
Sie schmiegte sich an ihn, und er hielt sie fest. Sie schloss die Augen, lehnte ihren Kopf an seine Brust, und langsam, ganz langsam begannen die Beschwernisse der langen Trennung sich aufzulösen ...
So standen sie eine Weile, erspürten sich, entdecken sich neu, und konnten doch immer noch nicht glauben, dass sie einander wieder hatten ...
Sie drehte sich zu ihm um und trat einen halben Schritt zurück.
Sie sahen sich an, ihre Blicke umgarnten einander, verhakten sich ineinander, verharrten beieinander, und dann wurden sie zu einem heißen, hin- und herwogenden Strom, der sie vollständig in seinen Bann zog.
Ihr Atem ging schneller, sie sahen das Verlangen in ihren Augen, näherten sich wieder, umarmten sich erneut, folgten dem Drang nach Nähe und Wärme, hielten sich festumschlungen und verharrten wieder, gerade so, als wollten sie sich noch einmal einander versichern ... doch alles war gut.

Sie küssten sich, tasteten sich langsam und vorsichtig zurück zu alter Vertrautheit, immer noch verhalten und ungläubig. Dann langsam begreifend: dies hier war wahr, war nicht nur Sehnen, auch kein Traum … sie waren zusammen, wie so oft … damals …

Mit einer plötzlichen Bewegung schloss er seine Arme eng um sie, und Helen lehnte dicht an seinem Körper. Er hatte seine Stirn auf ihren Kopf geneigt, sie konnte ihm nicht ins Gesicht sehen, und doch wusste sie um den Ernst in seinen Augen, und sie erschauderte, als sie seine leise, tiefe Stimme hörte: „Immer möchte ich dich so halten … ich liebe dich so sehr … jetzt und für alle Zeit“.
Dann glitt er zu Boden, zog sie mit sich, und sie streckten sich auf dem Teppich aus, der sie mit seinem weichen Flor willkommen hieß.

Es dauerte nicht lange, da hob er sie in das gleißende Licht des Höhepunkts.
Sie schrie auf, zog ihn noch nachdrücklicher an sich, klammerte sich an ihn, hörte ihn stöhnen – und noch einmal drängten sie mit aller Macht zu einander …
Dann war es vorbei.
Doch sie hielten sich immer noch fest umklammert, keinen Millimeter wollten sie sich trennen, die lang entbehrte Nähe bis zur Neige auskosten. Noch benommen von den unendlich tiefen Empfindungen füreinander, lauschten sie der Lust nach. Sie verebbte langsam und Tränen rannen über ihre Gesichter, sie trockneten sie an der Haut des anderen.

Die letzten Töne des Liedes verklangen, und Helen schluckte hart.

„Was ist schon wieder los?“, kam Heiners ungeduldige Stimme hinter der Zeitung hervor.

Sie stand an der Terrassentür und sah immer noch hinaus in den fallenden Schnee.
„Ach nichts … nichts… schade, dass es so schneit und wir heute nicht auf den Platz konnten“, log sie, wunderte sich für den Bruchteil einer Sekunde, wie normal sich ihre Stimme anhörte, und wie glatt ihr die Lüge von den Lippen ging.
„Ach nun doch“, erwiderte Heiner schnippisch. Seine kalte Egozentrik traf sie mit ganzer Macht, und sie wollte nur noch weg von ihm.
„Ich gehe duschen … habe ziemlich geschwitzt vorhin beim Schneeräumen“, sagte sie wie nebenbei und verließ rasch das Zimmer. Sie ging nach oben ins Bad und schloss die Tür fest hinter sich. Dann riss sie sich die Kleider vom Leib und flüchtete unter das warme Wasser der Dusche.

Die Tränen liefen in Bächen über ihr Gesicht – hier, inmitten des strömenden Wassers, konnte niemand sie sehen.
Sie schluchzte laut auf - hier oben hörte sie niemand.

„Jason, Jason, wo bist du? Komm zurück … bitte komm zurück zu mir!
Doch Jason konnte nicht kommen.
Er war nicht mehr auf dieser Welt. Am zweiten Weihnachtstag würde es ein Jahr her sein, dass er beim Skifahren unglücklich gestürzt und auf der Stelle tot gewesen war.

Nur ein gemeinsames Jahr hatte das Schicksal ihnen beiden gegönnt. Ein Jahr in Heimlichkeit und mit immer wieder aufflackernden schlechten Gewissen. Aber auch ein Jahr, in dem sich die Stunden ihres Zusammenseins wie kostbare Edelsteine zu einer Kette gefügt hatten, die pures Glück gewesen war und höchste Freude.

In der Wärme und dem gleichmäßigen Rauschen des Wassers beruhigte Helen sich allmählich.
Die Unruhe, die sie seit dem frühen Morgen begleitet hatte, war verschwunden.
An ihre Stelle war unendliche Traurigkeit getreten.

Sie war nicht minder stark als damals, als sie gerade erfahren hatte, dass der geliebte Mann niemals mehr zu ihr zurückkehren würde. Dass sie niemals mehr in seinen Armen sein, sich niemals mehr in seiner Nähe und Wärme verlieren können würde … niemals mehr Jason … nur noch Alleinsein und Kälte.
Wieder spürte sie die abgrundtiefe Verzweiflung, die sie damals überkommen hatte, den so grenzenlos peinigenden Schmerz über den Verlust, und die alles beherrschende Trauer um den Tod dieses Mannes, der sie nach so vielen tristen Jahren wieder spüren hatte lassen, dass sie eine attraktive Frau war, und der sie so sehr begehrt hatte. Und genau wie damals, so erschien es ihr auch heute immer noch völlig aussichtslos, jemals in diesem Leben wieder glücklich sein zu können …

„… jetzt und für alle Zeit“, seine Stimme erklang leise in ihrem Kopf, ihr Blut trug sie durch ihre Adern hinein in jede Zelle ihres Körpers, und dann wusste sie, er war fort, und er war es doch nicht …

Etwas in ihr war in Gang gesetzt worden durch diese Begegnung zwischen den Welten.
Als habe sie eine andersfarbige Brille aufgesetzt, veränderte sich ihre Wahrnehmung von einem Moment auf den anderen, und mit nahezu hellsichtiger Klarheit wusste sie, dass sie an einer Weggabelung stand.
 



 
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