Nichts zu verbergen

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Cheunh

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Das Erste, das man bemerkt, ist ein einfaches Gefühl. Mulmig schaut man sich um. Er ist dann nicht weit entfernt. Vorerst schaute er mir nur über die belebte Straße hinweg zu. Bis er mir eines Tages nachlief. Ich ließ es geschehen, ich hatte ja nichts zu verbergen. Er folgte mir wie mein Schatten. Bisher tat er mir nichts, auch später nicht. Vor meiner Wohnung machte er nicht halt; ich hatte nichts zu verheimlichen; von mir aus! Da saßen wir von nun an zusammen am Tisch. Ich wusste da nicht, dass ich mich an ihn längst gewöhnt haben würde, als ich wieder einmal Besuch empfing, wir ignorierten ihn; wie ich selbst hatte mein Besuch auch nichts zu verbergen. Als ich Müde ins Bett stieg, legte er sich daneben. Kein Wort hatten wir gewechselt und würden es auch nicht tun, wozu auch? Morgens wachte er auf, als ich die Augen öffnete. Ich sah ihn nie Essen oder dergleichen, er beobachtete mich nur fortwährend; meinetwegen, ich hatte, wie gesagt, nichts zu verbergen. Meine Fragen blieben unbeantwortet; nicht das ich irgendetwas verbergen wollte! Jeden Morgen begleitete er mich auf den Weg zur Arbeit, verweilte neben mir und selbst die Kollegen und der Chef ignorierten ihn; es wäre ja nicht so, als hätten sie etwas zu verbergen. Abends liefen wir nach Hause. Er wartete immer geduldig, bis ich die Tür aufgeschlossen hatte. Selbst vor dem Bad ließ er sich nicht abwimmeln. Da ich nichts zu verbergen hatte blieb er immer bei mir, was auch im Urlaub geschah. Als meine Freunde mit ihren stillen Begleitern vorbeischauten, protestierte ich nicht; ich wie auch sie hatten doch nichts zu verbergen. Nicht dass das uns gefiel. Mit der Zeit arrangiert man sich. Und da sie uns nicht störten oder zusätzliche Arbeit verursachten, blieben sie nie weg, ich wiederhole mich, wir hatten nichts zu verbergen. Wir leben fort in der Erwartung sie nie wieder loszuwerden. Andererseits wollten wir uns ihnen nicht entledigen, dass würde ja aussehen, als hätten wir doch etwas zu verbergen. Sie gleichem einem unsichtbarem Heer, gegen das niemand das Geringste auszurichten weiß. Das Beste ist, es den anderen gleich zu tun. Es gibt Dinge, die lässt man am besten übersichergehen.
 



 
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