Nightline

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Nyxon

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Nightline

In eine Ecke gekauert liegt er da und horcht in die Welt. Horcht, ob ihn jemand wahrnimmt, nimmt wahr, ob er lebt, lebt keine Existenz. Ruhe ist das höchste Glück auf Erden und kommt sehr oft nur durch Einsamkeit in dein Herz, das hatte er sich gesagt, als er sie hat gehen sehen und dann war er allein, aber es war nicht ruhig. Laut dröhnte sein Kopf, er musste atmen, wie ein alter Mann und als sich die Wände auf ihn zuschoben, riss er seine Jacke von der Stange und rannte einfach so auf die Straße, ohne darüber nachzudenken, welche Schritte nun zu tun waren.

Er wollte in den Tag leben, um die Nacht in seinem Kopf auszuschließen, doch als er an einer Station seines Lebens ankam und die U-Bahn fortfuhr, war er nicht sicher, ob er jemals wieder heimkehren könnte. Dann dachte er sich, er könnte doch mal Panik schieben und tat dies, denn all die Menschen um ihn herum wollten ihm was Böses und niemand stand auf seiner Seite. Als er die zärtliche Umarmung seiner Freundin spürte, war er einen kurzen Moment nicht mehr allein und trotzdem war es ruhig. Kaum hatte sich ihre Umarmung von seinem Körper gelöst, war ihm, als explodiere seine Existenz. All die Menschen – die, die etwas Böses wollten – würden einen Teil von ihm aufsammeln und sich daran bereichern, würden sein Leben in das ihre aufnehmen und dann müsste er sich nicht mehr durch die Nacht kämpfen, selbst wenn er wollte.

Jetzt liegt er in einer Ecke und ist allein und es ist ruhig und laut zugleich. Manchmal sehnt er sich nach Gesellschaft, doch wenn er den Gedanken zu lange festhält, bereitet er ihm Angst und dann ist er froh, allein zu sein und die laute Ruhe genießen zu können. Stress, hatte er sich gesagt, kann so einiges bewirken. Manchmal kann er beleben und pushen, aber er kann einen auch zu Fall bringen und das Leben versauen. 2467. Das ist eine schöne Zahl, denkt er sich und sagt sie laut auf. 2-4-6-7!!! Huch, das war ganz einfach, denkt er sich und sagt sie noch mal, doch diesmal verwechselt er die Ziffern im Eifer seiner Freude und das macht ihn traurig, deshalb lässt er die Zahl eine Zahl mit Ziffern wie eine Zahl sein und isst einen Apfel. Ihm stößt das Matjesbrötchen vom Mittag auf und wenn er das merkt, wird er wütend, denn der eklige Nachgeschmack ist nicht seine Freude im Leben.

Seine Freude im Leben ist seine Freundin, aber die ist jetzt nicht da, sondern weg und wenn sie weg ist, kann er heute keine Freude verspüren. Aber wenn sie da ist, ist es schwierig, denn sein Leben ist nicht mehr allein, sondern jetzt zu zweit, da muss man Rücksicht auf den anderen nehmen und wenn der andere nicht mit der Trauerwelt des anderen zurecht kommen kann, dann ist die Trauer schwer. Und deshalb ist es einfacher einen Apfel zu essen und Zahlen aufzusagen und in einer Ecke zu sitzen und das Lied mit der Ruhe zu hören, das das Herz einsam macht. Gute Noten, gute Nutten, gute Motten, gute Mutter, gute, Mauer, die Mauer ist weg!

Dreht er am Rad? Das hätte noch gefehlt! Soviel Ärger in der Welt, soviel, was zutun ist und er dreht am Rad, das wäre wahrlich eine Tragödie. Faust hat er immer sehr gemocht und auch den Woyzeck, aber die Zeit ist vorbei, jetzt kommuniziert er lieber oder muss es tun, denn es ist einfacher geworden. Schwerer aber auch, aber das ist eine andere Geschichte. Geschichten sind wichtig, um etwas erzählen zu können. Vielleicht sollte er noch eine Zahl aufsagen und sich daran erfreuen?! Manchmal hat er Scheißerei. Auch eine andere Geschichte.

Wenn das ganze Leben kompliziert wird und man liebt, obwohl man dafür keine Kraft mehr hat, dann ist das alles voller lauter Ruhe. Man sieht ihr in die Augen und liebt sie und möchte sie doch manchmal nach Hause schicken. Vielleicht ist man deswegen so aggressiv, weil man nicht mehr kann, wenn man können will. Mutter sagen, dass man krank ist, ist eine gute Sache, denn die gute Mutter weiß, dass das Leben manchmal schwer ist und wenn das Leben schwer ist und man keinen mehr richtig hat, dann wird es wieder laut. Dann wollen einem die Menschen dort draußen lauter Böses und man wird zerstückelt in der U-Bahn oder erdrückt von einer Lebensverantwortung, für die man vielleicht noch nicht bereit ist.

Auf der Suche nach Trinken. Die Wohnung kann groß sein, wenn man sie nicht als klein empfindet. Dankenderweise gibt es ja die lieben Wände, die neuerdings auf ihn zurasen, wenn er sich nicht gut fühlt. Wie soll das bloß weitergehen? Wasser ist nicht mehr da, Bier ist keine Lösung, aber auch kein Problem und überhaupt sowieso das Gute in der Welt und dann gibt es noch das Gift, das Schweppes als Tonic Water verkauft und das gut schmeckt. Aber auch etwas Milch, aber davon bekommt man einen weißen Bart und da er sich sowieso schon den Oberlippenbart wieder wachsen lässt, muss er nicht auch noch Milch trinken. Wann kommt denn endlich meine Freundin zurück, fragt er sich und steht auf, um etwas zu trinken. Nehme ich halt das Gift, denkt und er nimmt das Gift, wie er es sich gedacht hat. Gluck, Gluck, Gluck, sagt die Werbung und sagt er. Wäre er nicht aufgestanden, wäre nicht die Panik gekommen, ist er sich im Klaren und schaut aus dem Fenster. Keine Freundin in Sicht, tja, das ist wahrlich eine Tragödie, denn er vermisst sie doch so sehr. Er darf nicht „die“ sagen, denn das nimmt sie als Beleidigung auf. Er darf auch nicht laut werden, denn das ist nicht gut, nicht gut ist das. Manchmal will er nicht mehr, aber manchmal merkt er, dass seine Liebe so groß ist, dass er weitermachen will und kann. Er will sie nicht verlieren, aber er rechnet damit, sie zu verlieren. Sie gehören zusammen, aber das ist schwerer als es sich anhört, denn nicht jeder kann es leiden. Feinde gibt es immer wieder, singt er und schaut erneut aus dem Fenster. Irakische Kosovoalbaner aus der israelischen Siedlung im türkischen Teil von Französisch Polynesien stehen vor der Tür und planen einen Angriff. Terroranschlag bestimmt! Bush sollte sie alle durch Folter töten lassen oder vielleicht sollte man sie alle mit dem Zuwanderungsgesetz einladen und das Land in die Luft sprengen, dann hätte man ein Thema in Politik und man könnte ihm die Eins geben, die er verdient hat und für die alle anderen außer dem Nils unwürdig sind.

Er ist duschen gegangen, er wollte die ganzen Sünden und Probleme einfach wegwaschen, aber es hat nicht geklappt, er hat nur geschrieen und gezetert und am Ende ist der Wasserhahn in der Küche mit dem Warmwasser angegangen. Das war seltsam, aber er hat keine Probleme mehr mit seltsamen und außergewöhnlichen Dingen, denn er ist der Meister von diesen geworden und dann hat er sie alle in sich aufgenommen und wollte sie in der Dusche abwaschen, aber bekannter Weise hat es ja nicht funktioniert. Kurzes Telefonat mit seiner Freundin, die mal wieder wütend auf ihn ist, weil er durchdreht. Aber sie kommt und dann kann alles wieder gut werden!

Er denkt, er wird sich gleich hinlegen, dann wird alles besser. Vielleicht schafft er es, die Ruhe wieder zurückzubringen in sein Leben, oder zumindest in die Nacht, denn eine ruhige Nacht ist das höchste Glück auf Erden, kommt aber manchmal nur durch die Nacht und die Einsamkeit und die Ruhe in dein Herz. Er wird sich hinlegen und mal versuchen zu weinen, denn weinen hilft immer, das hat er auch schon seiner Freundin erzählt und bei ihr hat es geklappt. Er liebt sie! Das sollte sie nicht vergessen. Nicht vergessen! Während er sich durch die Nacht kämpft, kann er es ihr vielleicht mal ins Ohr flüstern, denn sie ist ja auf den Weg. Und morgen geht’s dann weiter, vielleicht auch nach der nächsten Maus, aber wer weiß das schon… Er, natürlich.

Natürlich.
 



 
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