Nihao aus Beijing 2003

Katjuscha

Mitglied
E-Mails aus Peking

Ich habe bei der Leselupe gerade das Tagebuch entdeckt und habe dabei gleich an mein E-Mail-Tagebuch gedacht, dass ich im vergangenen Jahr während meines Praktikums in Peking schrieb. Da es alle Mails auf einmal sind, ist es ziemlich viel. aber ich hoffe, das Lesen macht trotzdem Spaß.

Nihao aus Beijing, (19.02.03)

Tscha - diese Mailgrüße hier sende ich nun endlich aus China. Unser Start war nämlich nicht so rosig. Wir waren viertel acht am Flughafen Tegel, weil unser Flieger via Amsterdam um 9 gehen sollte. Kurz vor neun kam die Meldung, dass sich der Flug um 20 Minuten verzögern wird, weil irgendein Teil defekt ist. Zehn Minuten später hieß es plötzlich, dass extra ein Mechaniker aus Amsterdam eingeflogen werden muss, der den Schaden behebt. Das hieß also noch mindestens 2 Stunden warten. Um 10 hieß es, der Flug fällt ganz aus, also haben alle Passagiere ihre Koffer wieder bekommen und sollten sich am Ticketschalter ein neues Ticket besorgen. Da standen aber schon 108428402947 Leute - mindestens. Ein paar Leute vor uns wollten über Amsterdam nach Tokio und nervten eine Tante von KLM (der miesen Flugfirma, die das nicht auf die Reihe bekam) so lange bis sie sagte, einige Leute könnten doch noch mit dem Flieger mit, weil sie so lange Aufenthalt in Amsterdam hätten, dass sich eine Verspätung um drei Stunden nicht auswirkt. Also gaben wir unser Gepäck ein erneutes Mal auf und setzten uns brav in den Wartesaal. Wie auch schon beim ersten Mal piepte bei mir diese Kontrolltür, durch die man gehen muss. Wieder wurde ich von unten bis oben abgesucht nach meinen Waffen, die ich immer bei mir trage. So gegen 11:30 Uhr kam ein Aufruf, dass unser Flieger von einem anderen Flugsteig flöge, weil auf unserem gleich ein anderer käme. Also bekamen wir unser Gepäck wieder zurück und zockelten zum anderen Flugsteig, gaben unser Gepäck wieder auf. Die Piepskontrolle piepste diesmal merkwürdiger Weise nicht und wir warteten bis es 12 wurde, weil da eine neue Meldung kommen sollte, was mit unseren Flieger nun sein soll. Mittlerweile waren nur noch die Tokioter bei uns und ein Mädel, das nach Mexico wollte. Alle anderen hätten ihren Flieger eh nicht mehr bekommen und mussten umbuchen. Es wurde 12, es wurde halb eins. Die Tokioter konnten auch Leine ziehen, weil ihr Flieger um 2 von Amsterdam gehen sollte und die den dann auch nicht mehr geschafft hätten. So gegen dreiviertel 1 kam dann die tolle Durchsage, dass der Flieger nun doch ganz gestrichen wird und wir uns bitte zum Ticketschalter begeben sollten. Nun standen wir also um 1 (wir hatten unser Gepäck mal wieder abgeholt) am Ticketschalter, an dem wir vor zwei Stunden schon mal gestanden hatten, und sollten dort einen neuen Flug bekommen - so schnell wie möglich. So standen wir da also noch eine weitere Stunde. Die Tokioter waren sogar noch vor uns, weil das Heraussuchen der schnellsten Flugroute bei jedem ewig dauerte. So gegen 14 Uhr wussten wir es endlich: 15:50 Uhr fliegt ein Flugzeug nach Kopenhagen und von dort dann 19:50 Uhr nach Peking, so dass wir nur zwei Stunden nach unserem alten Termin da wären. Gingen wir also noch mit den Tokiotern, die eigentlich in Berlin wohnen, essen, denn wir hatten großzügiger Weise einen Essengutschein von 20 Euro bekommen, wo wir noch 2 Euro drauf zahlen mussten, weil alles so schweineteuer war. Endlich saßen wir dann also (nach der Gepäckabgabe und das Piepding blieb wieder ruhig) in dem Flieger nach Kopenhagen und waren auch pünktlich dort. Drei Stunden turnten wir dann über den riesigen Kopenhagener Flughafen und setzten uns dann völlig fertig und auf den Flug freuend in den Wartesaal. Leider hatten wir keine Plätze mehr nebeneinander bekommen, aber die Dame am Schalter für die Bordpässe meinte, das könnte man ganz einfach tauschen. Da saßen wir dann nun und spielten fröhlich Karten. Dann ging Carsten zum Checkin und fragte, ob wir noch Plätze zusammen bekommen könnten. Doch die meinte, dass wir Glück gehabt hätten, dass wir überhaupt Tickets hätten, denn das Flugzeug sei heillos übergebucht und KLM hätte uns einfach über andere Fluggäste rüber gebucht. Sie boten uns an, wenn wir auf den Flug verzichten, dass wir in Kopenhagen in einem First-Class-Hotel übernachten könnten und zusätzlich jeder einen Fluggutschein für 600 Euro bekämen, wenn wir auf unsere Plätze ganz verzichten. Das haute uns erst einmal um, denn immerhin warteten wir ja nun schon 12 Stunden, nur um nach Kopenhagen zu kommen. Aber wir haben das dann schließlich doch gemacht, weil sie uns für den Flug 24 Stunden später dann Plätze nebeneinander gab. So hatten wir als Entschädigung sozusagen einen tollen Tag in Kopenhagen und drei Mahlzeiten umsonst plus Taxi und ein Overnight-Kit mit Zahnbürste, Schlafshirt und sonst was, weil unser Gepäck nämlich schon in dem Flieger nach Peking war, also einen Tag eher ankommen sollte. Na - da mussten wir es wenigstens nicht noch einmal abholen. Aber ganz geheuer war mir das nicht. In Kopenhagen haben wir eine schöne Stadtrundfahrt gemacht. Am nächsten Abend konnten wir dann endlich in den richtigen Flieger steigen - zusammen mit ca. 40 Neuntklässlern aus Dänemark (kicherblödel). Es wurde eine lustige Nacht mit Essen bis zum Umfallen und Computerspielen, denn an jedem Sitz gab es einen Bildschirm mit weiß ich wie vielen Filmen, Fluginfos, einer Kamera, die Bild aus dem Cockpit und von unter dem Flugzeug brachten, Spiele und Musik. Mit einstündiger Verspätung kamen wir dann endlich endlich endlich in Peking an. Die Passkontrolle ging tadellos. Piepsdinger gab es gar nicht erst. Auch die beiden, die uns vom Flughafen abholen wollten, sahen wir gleich. Doch wir mussten ja noch unser Gepäck finden, dass ja irgendwo in diesem monströsen Gelände sein müsste. Die Dame in Kopenhagen meinte, das wäre alles kein Problem, weil es bei der Fluggesellschaft einen Raum gäbe, wo solches Gepäck eingeschlossen werde. Beim Ticketschalter konnte man uns nicht so recht Auskunft geben, also gingen wir zum Büro der Fluggesellschaft . Dort wusste man auch nichts, aber es kam eine chinesische Dame, die uns irgendwohin bringen sollte. Nach etlichen Treppensteigen und Fahrstuhlfahren waren wir wieder dort, wo wir vorher schon einmal vorbei gekommen waren: die Sammelstelle für verloren gegangenes Gepäck. Und dort waren unsere Taschen dann tatsächlich. Man war ich froh!!! Wir hatten nämlich in Kopenhagen auf einem Förderband einige Koffer gesehen, die nicht mehr besonders gesund aussahen. Einer war total aufgerissen und Socken quollen hervor und lila Unterwäsche. Aber was die Leute nicht alles mit ins Flugzeug nehmen. Auf einem Gepäckband lag sogar ein monströser Plüschpanda, aber den wollte keiner haben. Der fuhr da so eine halbe Stunde vor sich hin, bis das Flughafenpersonal kam und den weg räumte. Vielleicht sollte der ja auch schon alleine nach Peking fliegen, während seine Besitzer noch in Kopenhagen hockten.
Aber nun sind wir endlich hier und haben es echt gut getroffen, die deutsche Familie, bei der wir wohnen, hat ein eigenes Miethaus in einem der so genannten Compounds. Das sind abgeriegelte Wohnviertel (in Greenland Garden sind alle Häuschen schweinchenrosa), die von Securityleuten Tag und Nacht bewacht werden. An fast jeder Straßenecke steht ein junger Mann mit schicker Uniform und tut nichts außer herum zu gucken. Es kommt auch keiner auf der Gelände, den die Leute am Einlass nicht kennen - es sei denn man sieht europäisch aus. Uns lassen sie jedenfalls immer mit einem netten "Nihao" herein. Auf den Compounds gibt es auch meist Häuser, in denen ein Schwimmbad ist, eine Sauna und ein Fitnesscenter. Das ist im Mietpreis (3.300 US-Dollar im Monat - zahlt die Firma) enthalten. So kann man sich also denken, wer hier wohnt. Es gibt aber auch Chinesen, die sich das leisten können. Wir haben unser eigenes Zimmer. Das Bad teilen wir uns mit dem 13-jährigen Sohn der Familie, dem wir drei Stunden in der Woche Nachhilfe in Mathe geben werden. Deshalb können wir hier kostenlos wohnen und auch essen. In Greenland Garden wohnt auch die Lehrerin, die uns betreut. Mit ihr sind wir auch heute morgen zusammen zur Schule gefahren. Die Kinder werden vom Schulbus abgeholt. Die Schule sieht echt schick aus - roter Neubau mit schicken Fluren und Klassenzimmern. Von den Lehrern wurden wir sehr nett empfangen. Alle scheinen sich darum zu reißen, dass wir auch mal zu ihnen in den Unterricht kommen. So war Carsten heute für drei Stunden bei einem Geschichts- und Deutschlehrer in der 7. und 9. Klasse und eine Stunde beim Rektor für Deutsch 12. Klasse. Ich war für zwei Gemeinschafskundestunden in der 8. Klasse, habe mir Deutsch in der 3. und Ethik in der 7. Klase angeschaut. Morgen bin ich in der 2. Klasse und noch mal in der 8. Klasse für Gemeinschaftskunde. Dort werde ich wahrscheinlich auch meine Stunden unterrichten, denn zur Zeit haben die Schüler vier Stunden Politik in der Woche. Das findet im vierteljährlichen Wechsel mit Geschichte statt. Morgen bin ich gespannt auf das Fach Chinakunde in der 2. Klasse. Mal sehen, was die Stippies da so lernen.
Nach der Schule wagten wir uns in die Innenstadt von Peking. Als Tourist fährt man hier mit dem Taxi. Das ist etwa so teuer wie bei uns der öffentliche Nahverkehr. Allerdings muss man darauf hoffen, dass der Fahrer einen versteht, wo man hin will (einmal sind wir schon kläglich gescheitert) und wenn das nicht klappt, dass er lesen kann. So haben wir uns jetzt sämtliche wichtige Adressen in Chinesisch aufschreiben lassen. Allerdings kennen viele Taxifahrer unseren Compound nicht, weil der so klein ist und auch die Schule ist für die meisten kein Begriff, also muss man ihnen irgendwelche Hotels in der Nähe nennen und an der entsprechenden Straßenecke wild mit dem entsprechenden Arm zum Abbiegen winken oder sich merken, was links und rechts auf chinesisch heißt (wobei Katja immer ängstlich im Fond hockt). Aber das habe ich schon wieder vergessen. Und bei "ting ting" halten die Fahrer grinsend am Straßenrand. Die Leute hier sind wirklich sehr freundlich und wir hoffen, dass wir mal keinen Schlawiner erwischen, der weder lesen noch uns verstehen kann und dann fröhlich im Kreis fährt oder irgendwohin. Soll auch schon passiert sein. Da Taxifahren auf die Dauer doch recht teuer wird, wollen wir uns erkundigen, wie man mit dem Bus fahren kann. Die U-Bahn fährt hier draußen leider nicht mehr. Sowieso sind alle Buspläne auf Chinesisch und auch die Zeiten stehen in chinesischen Zahlen. Nur die Busnummern stehen in arabischen Ziffern. Bus Fahren kostet aber nur 1 bis 2 Yuan (ca. 12-25 Cent). Mal sehen, ob wir uns trauen.
Heute waren wir auf dem Platz des Himmlischen Friedens und vor der Verbotenen Stadt. Da wir aber noch keine Lust hatten, Eintritt zu bezahlen, sind wir nicht reingegangen. Vor dem Staatsmuseum sind wir dann von chinesischen Englischstudenten angeschwatzt worden, ob wir uns nicht mal eine Kunstausstellung ansehen wollen, die chinesische Kunststudenten gemacht haben und ihnen dann unsere Meinung dazu sagen könnten. Also gingen wir mit und die Bilder waren auch wirklich interessant. Die Mädels wussten auch viel zu den Bildern zu erzählen. Komisch war nur, dass die Ausstellung über einem Laden war und die Bilder dicht an dicht hingen - nicht wie in einer Galerie schick im Rahmen und schick hingehängt, sondern wild im Raum stehend. Naja - und zum Schluss kam es wie es kommen musste: wir sollten ein Bild kaufen. Die so genannten "characters" fand ich echt klasse. Das sind schwarze chinesische Schriftzeichen auf roten Grund, die dann irgendwas bedeuten. Da sollte jedes 200 Yuan kosten (ca. 25 Euro). Das war uns zu viel, aber die Leute haben nicht verstanden, dass wir den Preis völlig angemessen fanden (immerhin war es Handarbeit und auf echter Seide), aber uns so ein teures Bild einfach nicht kaufen wollten. Sie fingen dann an zu handeln. Zum Schluss waren wir bei 120 Yuan, aber wir wollten es nicht nehmen, weil wir für kein Bild 15 Euro zahlen würden (auch nicht für einen Picasso). Aber die verstanden das nicht und uns wurde das Ganze dann unangenehm. Wir sind dann schnell verschwunden und zur großen Einkaufsmeile von Peking gestiefelt. Und was passierte dort an der ersten Straßenecke: Zwei chinesische Englischstudentinnen hielten uns an, fragten wieder nach unserer Herkunft, sagten wie auch die anderen drei fröhlich "Guten Tag" und "Guten Abend" auf deutsch zu uns und wollten uns eine tolle Kunstausstellung zeigen. Aber wir konnten sie davon überzeugen, dass wir die schon kennen. Dann waren wir auf einem Straßenmarkt in einer Seitengasse. Von allen Seiten wurde man sofort angehalten etwas zu kaufen, wenn sie uns Europäer sahen, schrieen sie gleich noch ein bisschen lauter. Hier schauen sich sowieso die meisten Leute erstaunt nach uns um, wenn sie an uns vorbei laufen. Hier fällt man auf wie ein bunter Hund, auch wenn 12 Millionen Menschen in Peking leben. Ausländer gibt es hier nicht so viele - jedenfalls wenige von außerhalb Asiens. Auf diesem Markt aßen wir dann irgendwelche komischen Burger mit undefinierbaren Fleischstückchen drin. Bei den Chinesen waren Schaschlikspieße sehr beliebt, die fast jeder Laden für 1 Yuan anbot. Erst habe ich überlegt, ob ich mir auch mal so ein Ding kaufe, aber als ich dann einen Spieß mit gegrillten Kakerlaken sah, habe ich es mir dann doch anders überlegt und gehofft, dass in meinem Burger etwas anderes drin war. Wieder auf der Hauptstraße haben wir dann noch drei weitere chinesische Englischstudenten und die Lehrer dazu kennen gelernt und waren im "Store für new China children". Das war ein Kaufhaus nur mit Kinderklamotten, Spielzeug und Zubehör. Aber das war leer, denn welcher Chinese kann sich das schon leisten. Im Keller gab es mehrere Möglichkeiten für Kinder etwas zu basteln, zu toben oder zum Spielen, aber alles kostete so um die 15 Yuan (ca. 2 Euro). Das hat fast kein Chinese übrig. Der Durchschnittsverdiener hat vielleicht 300 (ca. 40 Euro) Yuan im Monat, von dem etwa 50 Yuan für Miete abgehen. Auch gute Schulen für die Kinder kosten Geld und viele Leute wohnen auf dem Land und müssen ja auch ab und zu mal nach Hause fahren, damit ihre Familie auch was von dem wenigen Geld hat. Die Analphabetenrate ist in China sehr hoch und auch in Peking können nicht alle Taxifahrer lesen, vor allem Frauen und Zweitgeborene nicht, denn die haben noch schlechtere Bildungschancen. Die Chinesen müssen echt eine Strafe zahlen, wenn sie in zweites Kind bekommen, vor allem, wenn es ein Mädchen ist. Das kann eine Familie schon ruinieren. Deshalb sitzen in den chinesischen Schulen auch viel weniger Mädchen.
Das waren also unsere ersten beiden Tage in Peking. Allerdings geht es hier doch nicht so wild zu wie ich es befürchtet habe und auch die Luft ist nicht so übel, wie viele behaupten, auch wenn einige vorsichtige Chinesinnen mit Mundschutz herum laufen. Was hier wild ist, sind die Autos und die Sandstürme aus der Wüste Gobi, aber letztere sollen wohl immer erst Ende März kommen. So lange scheint hier wohl noch die Sonne, denn regnen tut es hier fast nie, auch die Temperaturen liegen schon im Plusbereich.

Beste Grüße von Katja


Nihao aus Beijing, (21.02.03)

nun ist unser vierter Tag in Beijing auch bald vorüber und langsam schwindet auch meine Angst, dass ich hier ausgeraubt, verschleppt oder behumpst werde. Die Chinesen sind, glaube ich, ein sehr freundliches Volk. Heute waren wir auf einem chinesischen Markt, auf den eigentlich keine Touristen kommen. Dementsprechend waren die Preise und dementsprechend sah es dort auch aus. So viel Dreck habe ich bisher noch nie gesehen. Papierkörbe gibt es in dieser Gegend nicht. Der kleine Fluss, der dort durchfloss, war ein einziges stinkendes Dreckloch. Wasser floss darin nicht mehr. Aber dort waren die Händler nicht so aufdringlich wie in der Innenstadt, sondern schauten einen nur neugierig an. Stephanie hat erzählt, dass sie vor einiger Zeit ständig gefragt wurde, ob sie Lisa (ihre siebenjährige Tochter) fotografieren dürfen. An Touristenschwerpunkten wie dem Tienanmen kamen sie überhaupt nicht voran, weil immer ein Chinese mit Fotoapparat parat stand. Dann hat Lisa sich ihre blonden Haare rötlich färben lassen und wird jetzt nicht mehr so oft gefragt. Auch Mathias (ihr Mann) und Julian (der 13-jährige Sohn) werden öfter von Chinesen gefragt, ob sie fotografiert werden dürfen, denn die Chinesen denken, dass alle Deutschen einen dicken Bauch hätten (wie die Bayern eben). Zwar sind die beiden wirklich nicht dick, aber für die dünnen und kleinen Chinesen reicht das schon. Viele fragen schon, ob sie Deutsche sind. Dass der Durchschnittschinese klein und dünn ist, zeigt sich auch daran, dass Carsten an Jacken die Größe XXL passt. Die Nike-Sporthose in XL war ihm allerdings viel zu groß.
Eine Nike-Hose ist das aber nicht, denn die Chinesen sind Meister im Kopieren. Hier bekommt man grundsätzlich alle Markenklamotten für einen Spottpreis (Jeans von Versace für 100 Kuai - etwa 14 Euro), aber echt sind die bestimmt nicht. Die Qualität ist aber wohl okay. Auf dem Schmuddelmarkt haben wir uns einen niegelnagelneuen, glänzenden Trolli gekauft, den wir als Handgepäck für den Rückflug nehmen wollen. Dieser Stand und ein Stand mit schrillbunten Comics passten da irgendwie nicht hin. An den anderen Ständen gab es große Säcke mit Getreide und Gewürzen, aber man konnte auch Cornflakes aus dem Jutesack kaufen. Wir haben uns kandierte Miniäpfel gegönnt. Die waren ganz lecker. Wie gesagt, kann man aber auch Kakerlaken oder Skorpione am Spieß kaufen und Stephanie erzählte von einem Delikatessenbuffet mit zappelnden Schmetterlingskokons. Der Fahrer der Familie Gutgesell liebt übrigens die so genannten 100-jährigen Eier. Das sind normale Hühnereier, die drei Monate in Pferdemist gepackt werden. Mit der Zeit werden die dann grün und werden zur Delikatesse - für Chinesen. Stephanie meint, das schmeckt wie Ammoniak. Ich will das lieber gar nicht probieren. Auf dem Markt gab es diese Dinger jedenfalls auch. In einem Lebensmittelgeschäft waren wir auch noch und haben uns mit chinesischen Süßigkeiten (Quittengeleebonbons, Kekse etc.) und Esswaren eingedeckt. Auf einer verpackten Fleischwurst sind kleine Hunde zu sehen. Carsten war der Meinung, wir müssten das mal probieren. Mal sehen, ob die a) für den lieben Hund daheim ist (hier gibt es nur sehr wenige - und wenn dann Pekinesen ), b) als Gag für kleine Kinder ist (statt Mickey Mouse oder Winni Puh) oder ob sie c) in China tatsächlich Hunde essen. Aber Stephanie meint, dass sie das schon tun, aber dass Hundefleisch eher bei den Koreanern eine Delikatesse sei. Fünf-Minuten-Terrinen gibt es hier auch, kosten nur 2 Yuan und schmecken wohl besser als in Deutschland. Ich habe die mit Winni Puh drauf genommen. Sie sind wohl nicht so scharf wie die mit Micky Maus. Die Geschäfte haben hier übrigens 7 Tage in der Woche und bis zu 20 Stunden täglich geöffnet. Die Chinesen stürzen aber vor allem am Freitag und Samstag Nachmittag zum Einkaufen.
Dann haben wir es heute gewagt, zum ersten Mal mit dem Linienbus zu fahren. Die Busnummern stehen nämlich in arabischen Zahlen dran, aber die Ausschilderung ist nur in Chinesischen Zeichen. Aber wenn man weiß, wo man hin will, ist das in Ordnung. Eine Fahrt mit dem Bus kostet etwa 1-2 Yuan (Kuai, RMB und Yuan ist alles das gleiche). Erst wollten wir uns Fahrräder kaufen, aber da unsere Nachbarn hier erst seit einem halben Jahr wohnen und ihnen schon zwei Räder geklaut wurden, fahren wir doch lieber Bus. Am Wochenende wollen wir versuchen, mit Bus und U-Bahn zum Sommerpalast und nach Badachu (übersetzt heißt das Apfelbaumgarten) zu fahren. Wenn wir uns ganz verfransen, rettet uns immer noch das Taxi.
An der deutschen Botschaftsschule fühlen wir uns sehr wohl. Carsten lernt jetzt endlich mal die "Großen" kennen, da er vor allem in der 10. und 12. Klasse Deutsch und Geschichte hospitieren und auch unterrichten wird. Auch ich mische mich unter die Älteren, da Gemeinschaftskunde erst ab der 8. Klasse unterrichtet wird. Aber ich schaue mir auch den Ethikunterricht in der 7. Klasse an. Vor allem die Lehrer der Sekundarstufe I scheinen hier sehr offen gegenüber neuen Unterrichtsmethoden zu sein, was ja an deutschen Schule eher selten der Fall ist. Die Grundschule ist eine ganz normale Grundschule, nur dass hier auch sehr viele Männer sind. Ich bin vor allem in der 1. und 2. Klasse. Mit der 2. Klasse habe ich heute zusammen die Sendung mit der Maus geschaut. Fernsehen können die Kinder hier ja nicht wirklich, da man in Peking selbst mit Satellitenschüssel nur die Deutsche Welle empfangen kann, die zur Hälfte auch noch auf Englisch ist. Das sind aber nur Nachrichten und Reportagen. In Peking empfängt man nicht einmal ARD und ZDF. Da freuen sich die Knirpse natürlich, wenn einer mal eine Aufzeichnung aus dem Deutschen Kinderfernsehen mitbringt. Diese Klasse schaut deshalb jeden Freitag in der letzten Stunde einen Film, meistens die Sendung mit der Maus zu einem Thema, das gerade behandelt wurde. In der letzten Woche ging es etwa um Müll. Nächste Woche geht es um Papier. Beim Fernsehen hatte ich natürlich gleich eine Horde kleiner Mädels um mich und nach 10 Minuten auch eins auf dem Schoß.
Die Knirpse haben meist schon echt was hinter sich. Als Till (der 1,65 m große Klassenlehrer) mich der Klasse vorstellte, ließ er auch die Kinder sagen, woher sie alle kommen. Viele waren schon vorher in anderen Ländern. Einige bleiben oft nur für ein paar Jahre am gleichen Ort. Zwei Kinder waren noch nie in Deutschland. Bei den Kindern, bei denen nur der Vater Deutscher ist, hapert es oft auch mit der Sprache. Die Väter sind ja hier meist die Schwerverdiener und nie zu Hause. Die Mütter gelten als "mitreisender Ehepartner" und haben meist keinen Job. Sie sind zwar zu Hause, haben aber meist eine oder mehrere Ayis (Hausmädchen für alles), die sich dann auch um die Kinder kümmern. Da die aber keine andere Sprache sprechen als Chinesisch, haben die Kinder in der Schule ein sehr starkes Mitteilungsbedürfnis. Aber die Kinder, die nicht so gut deutsch sprechen, bekommen einen guten Förderunterricht. Schwierigkeiten gibt es auch für die Kinder mit deutschen Sprachproblemen auch deshalb, weil die meisten Kinder an der Schule recht gut Englisch sprechen, selbst die Zweitklässler. Dann sprechen die Kinder eben Englisch miteinander, aber Deutsch lernen sie dadurch nicht. Ein Mädchen geht deshalb bald auch an die Internationale Schule in Peking, an der die Unterrichtssprache Englisch ist, dies wäre für andere Kinder vielleicht auch besser. Aber viele Eltern wollen natürlich gern mal wieder nach Deutschland und da wäre es natürlich besser, wenn das Kind auch Deutsch spricht. Andersherum gibt es aber auch Kinder, bei denen beide Eltern Deutsche sind, die schon seit 15 Jahren hier leben und die kein Wort Chinesisch sprechen können. Tja - und wir beschweren uns über die Türken. Die Deutschen bilden hier genau so eine kleine Gemeinde.
Aber die Kinder denken oft recht international. In einer 7. Klasse haben sich heute Jungen darüber unterhalten, was sie in den nächsten Jahren so vorhaben, denn viele ältere Schüler gehen lieber auf ein Internat, weil sie in Peking schlecht Anschluss finden wegen der Sprachbarrieren und die Klassenkameraden oft am anderen Ende von Peking wohnen. Dieser Junge wollte auf ein Internat nach New Jersey, denn Englisch sprechen, wie gesagt, die meisten Kinder hier sehr gut. Julian soll im nächsten Schuljahr auch auf ein Internat: die Internationale Schule bei Budweis (Tschechien). Es ist schon ein anderes Unterrichten hier. Auch hier gibt es zwar Eltern, die sich einen Dreck um die Ausbildung ihrer Kinder kümmern, aber es gibt auch das andere Extrem von Müttern, die nichts anderes zu tun haben, als ihr Kind mit Wissen voll zu stopfen. Ich habe auch den Eindruck, dass die Kinder viel mehr von der Weltpolitik mitbekommen, weil es hier eben nur ein deutsches Fernsehprogramm mit Nachrichten gibt. In Unterrichtsdiskussionen macht sich das sehr bemerkbar. Zwar ziehen sie auch hier vielleicht falsche Schlussfolgerungen oder plappern den Quatsch der Eltern nach, aber sie zeigen mehr Interesse. Das ist doch schon mal ein guter Ansatzpunkt für Politik . Außerdem ist die Klassenfrequenz angenehm. Die größte Klasse hat 24 Schüler.
Vielleicht noch ein wenig über chinesische Köstlichkeiten. Wir waren vorhin mit unseren Gastgebern in einem mongolischen Restaurant und haben Feuertopf gegessen. Das ist so ein Öfchen, das wie ein Minikamin aussieht oder wie eine Mongolenmütze. In dieser Mütze sind heißes Wasser und etwas Öl. Darin werden dann verschiedene Dinge gebraten - ein bisschen wie Fondue, nur mit weniger Fett. Dazu gab es eine Erdnusssoße mit Koriander und Zwiebeln zum Würzen. Den Rest hat man nach Belieben bestellt. Zum Glück war die Karte auf Englisch, so dass man ungefähr wusste, was einen erwartet. Wir hatten Hühnchenfleisch, Sojasprossen, frische Spinatblätter, Schinken, Pilze, Kartoffeln und so was ähnliches wie Maultaschen. Das wurde dann da reingeschmissen und danach in diese Soße gedippt. Das hat echt gut geschmeckt, auch wenn es eine ganz schöne Schweinerei war, weil ja alles mit Stäbchen gegessen wird - auch die einen halben Meter langen Nudeln, so dick wie Makkaroni. Aber man hat uns gesagt, dass es an einem Tisch so aussehen muss, wenn es gut geschmeckt hat. Auch Rülpsen und Schlürfen sind Ausdrücke des kulinarischen Wohlbefindens. Die Stäbchen benutzt man hier übrigens nur einmal und sie sind auch immer in kleinen Papiertüten original verpackt. Manchmal muss man sie sogar noch auseinander brechen. Das war also mal eine gute Erfahrung mit chinesischem Essen. Aber wir haben auch schon Geschichten gehört von lebenden Schlangen im Restaurant, denen vor den Augen der Kunden die Kehle durchgeschnitten wurde und das Blut in kleinen Näpfchen zum Trinken angeboten wurde. Aber die Schlange hat nachher wohl ganz gut geschmeckt (Kaisermenü im Sommerpalast). Oder es gab auch eine Geschichte mit Hühnerköpfen in der Suppe oder fein garniert auf dem Teller. Aber die Chinesen finden einige Dinge von uns sicherlich auch ekelig. Zum Beispiel würden die nie ihre Finger ablecken. Das finden die voll abartig.
Gestern waren wir bei der Buchlesung eines deutschen "WELT"-Korrespondenten, der schon eine ganze Weile in Peking lebt. Die Lesung war in der deutschen Schule (im Rahmen des sog. Schulforums) und die Aula war gut gefüllt. Er las ein bisschen aus seinem Buch "Sprung ins Ungewisse", in dem er ein bisschen von den neuen Veränderungen in China spricht. Das Buch ist wie eine Reportage aufgebaut und ganz witzig geschrieben, auch wenn eine anwesende Chinesin das als lächerlich machen ansah. Sie war jedenfalls ganz schön empört. In einer Geschichte hat er von den Pekinger Friedhöfen erzählt, auf denen die Opfer des 4. Juni 1989 liegen, die auf dem Platz des Himmlischen Friedens bei einer Demo nieder geschossen wurden. Eigentlich sind chinesische Friedhöfe für Unbefugte verboten. Nur Angehörige dürfen darauf. Aber er hat bei seiner Recherche zum Beispiel heraus gefunden, dass die Angehörigen der Opfer erst seit einem Jahr oder so Grabsteine für die Opfer des 4. Juni aufstellen dürfen und alle Geschichtsbücher in China dieses Datum auslassen. Es sei denn, sie schreiben was von "Konterrevolution". Die Chinesen sprechen auch nicht über das Thema. In einer anderen Geschichte erzählt er vom Tienanmen-Tor, dem großen Tor des Himmlischen Friedens. Den Touristen und auch den Chinesen wurde bis vor einigen Jahren erzählt, das Tor sei von 1600 noch was und das Tor wurde immer nur zu Festlichkeiten (Maos Geburtstag z. B.) renoviert, aber 1970 hat man das monströse Ding unter einer riesigen Plane versteckt, so dass das ganze Tor unbemerkt von mehreren Kränen (!) völlig abgetragen und neu aufgebaut werden konnte, weil es so baufällig war. Aber gesagt hat man allen, es sei nur renoviert worden. Damit den "Schwindel" (wobei die Chinesen dies noch so sehr als Betrug ansehen) keiner merkt, hat man modernste Technik aus Amerika und Deutschland liefern lassen und viel Knete bezahlt. Erst nach 30 Jahren hat man zugegeben, dass das Tor komplett neu ist. Es ist immerhin das Staatssymbol von China. In der dritten Geschichte ging es um die neue Mittelschicht in China - von Unternehmern und leitenden Angestellten, die das Skifahren entdeckt haben und ihre Skistiefel auflassen, damit sie heraus hüpfen können, wenn sie umfallen. Der jungen Chinesin passte das gar nicht. Aber die Leute haben nett gelacht und man lacht ja auch über die Deutschen, die irgendwas neu entdecken und sich dabei dämlich anstellen.
So - das war es für heute. Beste Grüße von Carsten und Katja

Nihao aus Peking, (22.02.03)

hast du schon mal einen Seestern gestreichelt? Wir schon, denn wir waren heute im Beiijnger Zoo. Aber erst einmal der Reihe nach:
Da das Wetter nicht so toll war (bedeckt und Nebel) wollten wir nicht zum Sommerpalast, sondern in den Zoo. Also sind wir ins Lido Hotel gegangen, bei dem wir hofften, dass uns die Leute dort mit den Buslinien aushelfen können. Da wurden wir aber zuerst einmal Zeugen einer wilden Hochzeit mit Riesenschlitten, schicker Braut und viel Konfetti. Die Dame von der Rezeption im Lido war auch sehr nett und hat uns die Verbindung zum Zoo genannt. Sie kannte sich tatsächlich mit den Buslinien aus, von denen es in Peking wohl Hunderte gibt. Wir brauchten nicht einmal umsteigen. Sie hat uns auch gleich noch Infos gegeben zu Touren, die das Lido veranstaltet, zum Beispiel zur Chinesischen Mauer. Die sind aber sehr teuer und wir fahren wir schon nächste Woche mit unserer Gastfamilie hin. Aber vielleicht gefällt sie uns ja so gut, dass wir noch einmal fahren wollen. Mit dem Bus fuhren wir dann gut eine Stunde und haben dabei nur 4 Kuai bezahlt statt über 30 mit dem Taxi. Bei der Kasse haben wir erst einmal gemerkt, was für Drängler die Chinesen sind, aber wir konnten uns durchboxen und haben auch die Karten bekommen, die wir wollten. In China hat man sowieso ein anderes Distanzgefühl. An den Käfigen und Gehegen hat man immer eine Horde Leute im Nacken, die einem fast ins Genick pusten. Schnell umdrehen darf man sich auch nicht, weil man sonst aus Versehen vielleicht einen Chinesen küsst. Aber voll war es eigentlich nur an den Käfigen, in denen auch Tiere waren. Viele standen nämlich leer (Winter). Als erstes waren wir bei den Pandas, die aber nur faul in der Ecke lagen. Da wir Europäer aber so selten Pandas zu Gesicht bekommen, wollten wir uns natürlich wie die echten Touris fotografieren lassen und haben den Fotoapparat einem chinesischen Familienvater in die Hand gedrückt. Zum Glück haben wir ihn noch rechtzeitig berichtigt, bevor er sich selbst fotografierte, da er die Linse erst einmal falsch herum hielt. Aber eigentlich verfügen auch viele Chinesen über die neueste Technik. Viele hatten Digitalkameras dabei, um ihre herausgeputzten Kinder vor den Affen, vor den Fischen, vor den Elefanten, vor der Stoffgiraffe zu fotografieren.
Einmal hat sich der Panda sogar bewegt, aber ich war nicht schnell genug, um sein Gesicht zu fotografieren. Als wir später wieder kamen, lag er wie ein Bettvorleger auf einem anderen Stein. Er war also tatsächlich echt. Die meisten Tiere waren sowieso stinkend faul, schliefen entweder, waren gar nicht zu sehen oder vegetierten mit minimalster Kraftanstrengung vor sich hin, wie etwa ein fettes Krokodil, dass bewegungslos unter Wasser lag und nur alle 10 Minuten zum Luft holen an die Oberfläche kam. Nur bei den Affen war etwas mehr Bambule. Vor allem der Pavianmacker musste den blöden Besuchern erst mal zeigen, wer hier der Chef ist. Es fehlte nur noch der Stinkefinger. Irgendwann hörten wir dann eine Kapelle "Jingle Bells" spielen - mitten im Februar. Einen Weihnachtskranz haben wir auch noch über dem Haiaquarium gesehen. Aber Weihnachten ist amerikanisch und amerikanisch ist cool - das ganze Jahr über.
Erwähnenswert wären vielleicht auch noch die Klos. Erst wollte ich da nicht rein, weil ich viele schlimme Dinge von Pekinger öffentlichen Toiletten gehört und auch schon einige gesehen habe. Die Hutongs, das sind die alten Pekinger Wohnviertel, bestehen nur aus vielen kleinen Häusern ohne eigene Bäder und Toiletten. Dementsprechend sieht das einzige allgemeine Klohäuschen aus. Aber das im Zoo war sauber, wenn auch die Spülbecken in die Erde eingelassen waren, so dass man sich hinhocken musste wie im Wald. Später war noch einmal eins mit einer Schüssel wie wir sie kennen, aber das war das einzige Klo, das frei war. Den Chinesinnen war das nicht geheuer. Sie warteten lieber bis die Erdbecken frei wurden. Irgendjemand hat mir mal erzählt, dass man in Europa erkennen kann, ob ein Chinese vorher auf dem öffentlichen Klo war. Die steigen nämlich immer auf das Becken oben rauf und los geht’s. So sieht man eben die Fußtapsen auf der Brille oder dem Beckenrand. Die Klos haben hier auch Sterne, so dass man an der Anzahl der Sterne schon in Etwas einschätzen kann, was einen erwartet.
Nach dem Zoo haben wir uns noch einen Besuch im "Beijing Aquarium" gegönnt. Für umgerechnet 12,50 € zusätzlich zu den 2 € Zooeintritt, kann sich das ein normaler Chinese nicht leisten. Dementsprechend leer war es auch. Aber das Gelände ist auch riesig und schluckt die Menschen förmlich, denn bei der Delphinshow saßen plötzlich Hunderte Leute im Saal. Das Aquarium umfasst eine wahnsinnige Anzahl von Kubikmetern Wasser mit Fischen in den schillerndsten Farben. Alles ist neu und auf dem modernsten Stand der Technik. Leider waren die meisten Informationen trotzdem nur auf Chinesisch. Nur die Tiere standen öfter in Englischer Übersetzung oder Pinyin (Chinesisch in lateinischen Buchstaben). Zwei Mal gab es richtige Glastunnel, die völlig vom Wasser umgeben waren, so dass man die riesigen Rochen direkt über sich schwimmen sah. Damit niemand staunend stehen bleiben kann, gab es in den Tunnel eine Rolltreppe, bzw. eine Rollband. Bei der Robben- und Delfinshow in einer gigantischen Halle, die nur halb voll war (obwohl schon mindestens 1.000 Leute darin saßen - wir fast die einzigen Europäer), ist ein Trainer auf den Rücken seiner beiden Delfine gesurft und ein Knirps in grünen Gummistiefeln durfte mit den Delfinen blödeln. Leider haben wir kein Wort verstanden. Bemerkenswert war auch, dass die Chinesen so etwas wie Applaus nicht zu kennen scheinen. Zwar wurde öfter mal geklatscht, aber eher schüchtern und auch nur bei den Tieren. Als der Trainer herein kam und sich vorstellte, wäre in Europa ein tosender Applaus gekommen. Die Chinesen konnten sich nur ein lustlosen Händegeklapper abringen. Auch der Abgang der Tiere war kurz und schmerzlos. Kein nicht enden wollender Applaus. Einige Chinesen waren sogar schon draußen, als die Delfine noch ihre letzte Runde schwammen. Aber sie waren trotzdem begeistert, sprangen auf, wenn etwas Tolles passierte und knipsten wie wild mit ihren Fotoapparaten. Die Kinder lachten viel und quietschten mit ihren Gummidelfinen.
Später durften wir noch Lose ziehen. Carsten gewann zwei glitzernde Aufkleber, die man sich an die Ohren pappen kann und ich habe *tada* ein riesiges chinesisches Wandgemälde gewonnen. Jedenfalls meinten die Damen auf Englisch, ich könnte mir jetzt ein Bild aussuchen. Also fand ich eins mit der Großen Mauer, lies es mir schön einpacken und freute mich über den tollen Gewinn, wunderte mich zwar, dass unter den Plakaten 280 Kuai (ca. 35 Euro) stand, aber dachte mir nichts dabei. Plötzlich zückte die eine Dame ihren Taschenrechner und zeigte mir, dass ich noch 100 Kuai zahlen soll. Mit Händen und Füßen machten sie mir dann nämlich klar, dass mein Los nur 180 Kuai wert wäre. Aber wir hatten unser Geld natürlich schon an einem der vielen Souvenirshops ausgegeben. Außerdem bekommt man das Bild sicherlich auf jedem Markt für diesen Preis. Aber das ist natürlich eine tolle Masche. Viele Leute freuen sich bestimmt, dass sie so viel gespart haben.
Nach dem Aquarium gingen wir noch ein bisschen durch den Zoo und konnten wieder viele Chinesen beobachten, die in jedem europäischen Zoo raus geflogen wären. Da gab es Papas, die ihre Obsttüten an die Giraffen verfütterten, Kinder die mit kleinen bunten Papiertüten gegen die Scheiben schlugen oder Mamas, die gegen das Gitter dremmelten, damit der blöde Affe endlich das Kind anschaut oder ein Pärchen, dass wie wild vor dem Terrarium hin und her wedelte, damit die Schlange noch wuschiger wird. Eine Familie latschte quer über ein leer stehendes Freigehege, um eine Abkürzung zu nehmen. Andere Länder andere Sitten. Auch vor roten Ampeln schreckt hier niemand zurück. Fußgängerampeln gibt es nur ganz selten - da wo die blöden Europäer rumlaufen, aber die beachtet kein Chinese, denn wenn die Fußgänger grün haben, fahren garantiert auch alle Autos. An manchen Verkehrsschwerpunkten gibt es ein paar Verkehrspolizisten, die den Radfahrern Zeichen geben, wenn die Chance etwas größer ist über die Kreuzung zu kommen, ohne von einem Auto angefahren zu werden. Die Fußgänger müssen allerdings sehen, wie sie zurecht kommen. So sieht man eben auch 70-jährige Omis über die Straßen huschen, damit sie auch noch 80 werden. Fahrradfahren sollte man in Peking aber nur langsam, weil man immer bremsbereit sein muss - dumm, denn die meisten Räder haben gar keine Bremsen. Schnell fahren können viele aber nicht, denn mit Rädern kann man grundsätzlich alles in Peking transportieren: von Ziegelsteinen über Kohlen, Kisten bis hin zu Öltonnen, dem gesamten Hausrat und der kompletten Familie. Dicht neben einem Bus sollte man allerdings nie fahren, denn es kann immer mal sein, dass einer das Fenster aufmacht und rausspuckt. Glück hat man bei Gegenwind, aber wenn’s dumm kommt ...
Dieses Spucken, bei uns Europäern nur bei verzogenen Teenies und Säufern bekannt, ist hier Gang und Gäbe. Also nicht erschrecken, wenn plötzlich jemand ganz dicht neben deinem Ohr Rotze hoch zieht und ausspuckt. Der will dich nicht anspucken, sondern du stehst wahrscheinlich neben einem Papierkorb. Aber da es die sehr sehr selten gibt (eigentlich nur da, wo es auch Touristen gibt), geht’s oft auch auf den Boden - genau wie sämtlicher anderer Müll. Bei unserem Marktausflug vor einigen Tagen konnte Carsten es nicht übers Herz bringen, seinen Schaschlikspieß einfach zu den 1.000 anderen zu werfen, bis er einsehen musste, dass er das Ding nicht bis nach Hause schleppen kann. Bei den Touristenschwerpunkten sieht es allerdings aus wie geleckt. Da wuseln immer eine Handvoll Leute herum, die die Straßen sauber halten. Auch im Zoo sah man viele von ihnen - vor allem in den Restaurants, da die meisten Leute ihren Müll nicht wegräumen, auch wenn Mülleimer da stehen. Sah jedenfalls wild aus im Zoorestaurant.
Kurz nach 17 Uhr machten wir uns wieder auf den Heimweg, da Carsten Knieschmerzen hatte und der Zoo auch schloss. Auf dem Heimweg gingen wir noch einmal im Lido Hotel vorbei, um uns noch ein paar andere Busverbindungen ansagen zu lassen. In einem sauteuren Souvenirgeschäft trafen wir dann noch auf eine Chinesin, die sich freute, an uns einige ihrer Schuldeutschbrocken auszuprobieren und sich noch mehr freute, dass wir sie verstanden. Deutsch können wohl noch weniger Chinesen als Englisch. Diese Chinesin fragte uns auch, ob "it is your honeymoon" und sie fand uns mutig, dass wir allein in Peking seien - ohne Reisegruppe. Ich dachte, das denken nur die Europäer. Als wir ihr erzählten, dass wir deutsche Freunde besuchen, die hier wohnen, war sie sichtlich beruhigt. Allerdings haben wir wahrscheinlich schon öfter den Bus benutzt als unsere Gastfamilie.
Den Abend verbrachten wir mit Klönen. Ich musste mir gnadenlos alles anschauen, was Lisa bisher in der 1. Klasse gemacht hat und wir haben beide Schach und Mahjong gespielt. Carsten hat derweil mit Stephanie und Mathias (den Eltern) geschwatzt, während Julian bockig in seinem Zimmer saß, weil er 7 Stunden zu spät kam und mit Freunden quer durch Peking shoppen war, was einer ängstlichen deutschen Mutter natürlich das Herz vor Angst zuschnürt. Morgen werde ich ihn zum ersten Mal mit Mathe quälen. Das ist nämlich sein größtes Problem in der Schule. Wenn er Mathe abwählen könnte, würde er wahrscheinlich (fast) alles dafür tun.
Morgen wollen wir je nach Wetterlage zu den Ming-Gräbern oder nach Badachou. Mal sehen, was uns erwartet. Hier ist es jetzt schon halb eins nachts und ich bin müde.

Alles Liebe von Carsten und Katja

Nihao aus dem versmogten Beijing, (23.02.03)

Heute haben wir uns wieder in das Beijinger Touristenleben gestürzt und dabei auch ein bisschen mehr über die Lebensgewohnheiten der Chinesen gelernt. Zuerst ging es mal wieder zum Lido, unserer Ersten Hilfe bei Busverbindungen. Auf dem Weg dorthin kamen uns auch schon ein paar sportliche Chinesen entgegen: Erwachsene auf Kinderrollern, ein Mann, der mit sich selbst Tennis (Ball am Gummi) spielte und einige Schattenboxer. Heute haben wir einen 1-Yuan-Bus erwischt, aber der ist auch nicht mehr wert. Der rumpelte und pumpelte ganz schön altersschwach und fuhr auch deutlich langsamer als die 2-Yuan-Busse. Wahrscheinlich fällt er bei diesen holprigen Straßen sonst auseinander.
Heute ging es wegen des Smogs und der schlechten Sicht zum Lama Tempel und zum Konfuzius Tempel. Diesmal mussten wir in die U-Bahn umsteigen, die erstaunlich modern ist und überhaupt nicht so voll, wie man es immer in den Medien hört. Wir haben sogar einen Sitzplatz bekommen. Als wir aus dem U-Bahn-Schacht kamen, kam natürlich sofort wieder eine Traube von Händlern auf uns zu, aber diesmal stürzten sie sich nicht auf uns Geldsäcke von Europäern, sondern hefteten sich an die Fersen der Chinesen, die ihnen auch fleißig ihre Räucherstäbchen abkauften. Uns hielt niemand an und fragte nicht einmal, ob wir unbedingt Räucherstäbchen brauchen. Ich war ja schon fast beleidigt nach den ganzen Attacken der letzten Tage. Als wir im Lama Tempel ankamen, wussten wir dann auch, was das auf sich hatte. Denn die Chinesen zündeten die Räucherstäbchen im Tempel zum Beten an oder spendeten die einem der hundert Buddhastatuen, die in den einzelnen Hallen standen oder saßen. Wir Europäer hatten da natürlich keine Ahnung von. Es war ein merkwürdiges Bild in den Tempelanlagen: junge, sportliche gekleidete Männer und Frauen warfen sich mit ihren Reebokrucksack vor Buddhas Füßen in die Knie und wedelten mit ihren Räucherstäbchen, die sie zu Dutzenden auf einmal anzündeten. Es roch im ganzen Gelände wie in einer Opiumhöhle. Das muss man sich mal vorstellen: junge, westlich gekleidete Menschen in einem Lamatempel in einem kommunistischen Land - und dann klingelt irgendwo mal wieder ein Handy. Verrückt! Auch die Mönche waren modern: Fanta im Vorratsschrank und kackelbunte Bonbons als Opfergaben. Und wenn die Opferschalen der Besucher mit gespendeten Räucherstäbchen überfüllt waren (manche warfen die Dinger gleich mit ihrer Plastiktüte rein, in der sie die Dinger gekauft haben), kam ein Mönch und schüttete alle in eine große schwarze Mülltüte. Dafür lag vor den Tempeln überall der Verpackungsmüll der Räucherstäbchen auf dem Boden. Um den kümmerte sich niemand. Am meisten beeindruckt hat uns eine Buddha-Statue, die 18 Meter groß ist und 6 Meter unter der Erde verankert ist. Dieses Monstrum steht in einer Halle, die um den Buddha herum gebaut wurde und ist aus einem einzigen Stück weißem Sandelholz gefertigt. Diese Statue steht deshalb auch im Guinnes-Buch der Rekorde und ist fast so genial wie eins der sieben Weltwunder. Ich wusste gar nicht, dass es solche großen Bäume gibt. Aus einem Stück Sandelholz war auch der "Berg der 500 Mönche", ein sicherlich 2 mal 2 Meter großes Stück mit kleinen Pagoden und eben 500 Mönchen - alles aus einem Stück Holz. Leider durfte man das nicht fotografieren und Postkarten gibt es davon auch nicht. Aber diese Arbeit ist einfach Wahnsinn. Der Konfuziustempel war auch sehr interessant, da dort auch das Stadtmuseum drin ist, in dem erst einmal ein Junge Federball spielte und keiner hatte Angst, dass irgendeine chinesische Mingvase zu Bruch geht. Aber im Konfuziustempel gab es zum Beispiel keine öffentlichen Toiletten mit Landschaftsgemälden in Augenhöhe auf dem Männerklo.
Danach waren wir noch im Ditan Park. Dort konnten wir sehen, was die Chinesen sonntags so treiben. Vor dem Park sahen wir schon eine Traube älterer Männer stehen. Erst dachten wir, d wäre Markt oder ne Demo, aber es waren keine Stände aufgebaut und Polizisten oder Armee war auch nicht in der Nähe. Die standen einfach da und schwätzten. Auch im Park sahen wir wieder mehrere Trauben älterer Männer, aber die spielten auf dem Boden Mahjong, ein altes chinesisches Legespiel und die anderen schauten zu und gaben wahrscheinlich Ratschläge. Doch das war nicht die einzige Freizeitbeschäftigung für den Sonntag. Wir sahen Schattenboxer, 60-jährige Opis mit riesigen Schwertern, Krocketspieler, einer der wild nach irgendwelcher Musik mitten im Park tanzte und Papas, die mit ihren Kindern Drachen steigen ließen. Aber Drachensteiger findet man hier auf jedem größeren Platz - und meist halten die Papis die Leine. Oft fliegen diese kleinen Drachen in riesigen Höhen, so dass man nur noch einen winzigen Punkt am Himmel sieht. Aber vielleicht ist das gar nicht so weit weg, und nur der Smog hat den armen Drachen verschlungen. Die Chinesen sind ein wirklich aktives Volk. Im Ditan Park gab es einen Spielplatz, aber bei näherem Hinschauen entpuppte sich das ganze als Ansammlung von Turngeräten und an denen hingen vor allem Leute jenseits der 50 und übten Klimmzüge, Hüftaufschwung und andere akrobatische Höchstleistungen. Da die Chinesen selten Hunde haben, bringen viele ihre Vögel mit in den Park. Der Bauer hängt dann an irgendeinem Baum, während sie ihre Übungen machen. Stephanie erzählt, wenn es wärmer ist, rennen die viele im Schlafanzug durch den Park. Ein Mädchen haben wir damit schon gesehen - und einen Opi mit Püschen. Aber auch Jogginganzüge sind sehr beliebt. So sieht man einige ältere Leute sogar an den Touristenschwerpunkten wie dem Tienanmen bummeln. Hauptsache bequem.
Zurück lief auch alles wie geschmiert und wir haben uns dann erst einmal alle Buslinien aufgeschrieben, die in unserer Nähe abfahren. Es sind fast 30. Leider wissen wir nur bei vier oder fünf Linien, wo wir da ankommen, wenn wir einsteigen. Aber wir sind ja noch über vier Wochen hier, um das heraus zu kriegen.
Der heutige Tag hat uns erst einmal gezeigt, dass die Chinesen ein sehr bewegungsfreudiges Volk sind und den einzigen Tag in der Woche, den ein großer Teil der Bevölkerung frei hat, aktiv verbringen. Faul herum liegen kennt man hier wahrscheinlich nicht. Wer sich nicht bewegen will, meditiert wahrscheinlich lieber . Dicke Chinesen sieht man daher recht selten. Hier braucht man wahrscheinlich keine Werbung a lá "Aktiv im Alter" machen - jede Omi und jeder Opi rennt ja schon mindestens fünf Mal am Tag über die Straße, damit sie nicht überfahren werden, und bleibt so fit. Wir wollten uns eigentlich heute abend mit Schwimmen fit halten, aber Carstens Knie streikt zur Zeit. Mal sehen, ob ich ihn per Invalidentransport zurück nach Deutschland fliegen lassen muss.

Beste Grüße und bis bald von Carsten und Katja

Nihao aus Beijing, (24.02.03)

Heute war ein anstrengender Tag: acht Stunden Hospitationen. Nach einer etwas stressigen Busfahrt, da der knüppeldickevoll war, sind wir aber noch rechtzeitig zur Schule gekommen. Die ersten zwei Stunden war ich in der zweiten Klasse. Zuerst war ein kleiner Morgenkreis, in dem die Kinder erzählen konnten, was sie so am Wochenende erlebt haben. Da ging es um einen Hund, der Limonade heißt, und um Pakete von Omas aus Deutschland. Ich habe von dem Seestern erzählt, den ich am Wochenende im Zoo gestreichelt habe. Danach waren zwei Stunden Sport in den beiden ersten Klassen. Die Halle ist echt super ausgerüstet und riesig. Die Schüler der französischen und der schwedischen Schule nutzen die Halle manchmal auch mit. Da die Schule ja erst im Dezember 2000 eingeweiht wurde, ist noch alles niegelnagelneu. Die Geräte sind vom Feinsten und sind ausreichend für eine Schule mit 600 Schülern. Es sind aber nur 250 Schüler an der deutschen Schule. Die beiden Sportlehrer haben einen Tobeparcours für die Kinder aufgebaut. Am besten fanden die Kinder das so genannte Sandwich. Da kletterten die Kinder an einer Kletterwand hoch und ließen sich zwischen zwei dicken Matten nach unten rutschen. Das ging natürlich mit viel Gejohle und Geschrei. Lisa hat sich nachher leider den Fuß verknackst. Nun liegt sie mit sterbender Miene auf dem Sofa im Wohnzimmer. Aber da es wahrscheinlich eine Bänderdehnung ist, muss sie bis Donnerstag zu Hause bleiben. Das ist für sie wie eine Strafe, denn in die Schule geht sie wirklich gern.
Nach dem Sportunterricht war ich in der 10. Klasse. Das war schon ein Sprung - von den Piepels aus der ersten. Vier Schüler in dieser Klasse hatten ihren Laptop zum Schreiben dabei. Dann hatte ich eine Stunde frei und war mit Carsten in der Schulkantine, die in der riesigen Aula ist, die richtige Treppenbänke für die Zuschauer. Geschmeckt hat es aber nicht so doll. Ich hatte eine Hühnerkeule mit Soße und Reis und Carsten hatte Kartoffelauflauf. Dazu gab es Salat, ein Getränk und ein Stück Kuchen - das Ganze für 28 Kuai (ca. 3,50 €). In der 7. und 8. Stunde habe ich mir noch Gemeinschaftskunde in der 8. Klasse angeschaut. Die haben bei der Gruppenarbeit ganz schön frei gedreht - und bei denen will ich fünf Stunden zum Thema Jugendstrafrecht machen. Na denn man tau! Carsten hatte heute Geschichte und Deutsch in der 7. und 12. Klasse. Danach war ich er noch in der schuleigenen Bibliothek. Die ist auch noch sehr neu. Außerdem können die Kinder sich dort auf weiche Matten zum Lesen legen. Das ist klasse. Auch Computer sind dort, so dass die Schüler in der Bibliothek arbeiten können. Eigentlich wollten wir nach der Schule noch in die Stadt, aber waren dann so groggy, dass wir gleich nach Hause gefahren sind. Eben waren wir noch im Compound-Schwimmbad. Es ist im so genannten Clubhaus und ein bisschen auf römisches Bad gemacht. Wir waren die einzigen. Bezahlen müssen wir nichts, denn das ist im Mietpreis mit drin. Ein kleines Fitnesscenter und eine Squashhalle gibt es auch. Dort war ebenfalls kein Mensch.
Auch im Clubhaus hat man wieder gemerkt, dass da, wo Touristen oder reiche Europäer sind, hunderte von Chinesen herumwimmeln. Hier steht an jeder Straßenecke ein Securitymann, am Tor ebenfalls. Am Tür stehen zwei Türöffner. Etwas anderes haben die nicht zu tun. An der Schlüsselausgabe für die Schwimmhalle stehen ebenfalls zwei. Im Minicompoundladen sitzt noch jemand und im Restaurant wuseln auch drei bis vier Angestellte um einen herum. Na wenigstens haben dann alle einen Job, aber traurig ist es schon, denn für das, was die bekommen, würde wahrscheinlich niemand von uns einen Finger krumm machen.
Morgen macht Carsten seine ersten beiden Stunden in der 12. Klasse in Deutsch. Doch er macht "nur" Vertretung und macht mit den Schülern einen Lernzirkel zum Thema "Literatur nach 1945", den der Lehrer schon vorbereitet hat. Carsten bekommt sogar Knete dafür. Ich kann vielleicht in der nächsten Woche Vertretung in der 2. Klasse machen, wenn der Lehrer auf einer Zooweiterbildung in Seoul ist.
Die Sonne schien wieder nicht. Der Smog hat sie hinter Wolken verbannt, aber es war schon etwas wärmer. Ich werde jetzt gleich noch ins Internet gehen und ein bisschen für meine Stunden recherchieren. Carsten schaut gerade Videos über die Weimarer Republik. Das ist sein Thema für die Geschichtsstunden in der 10. Klasse.
Für die nächsten Tage haben wir uns einen Besuch in einem Hutong vorgenommen. Diese alten chinesischen Wohnviertel werden heute nur noch von den armen Leuten bewohnt und sehen dementsprechend vergammelt aus. Sie sind meistens grau und sehr eng gebaut, mit vielen verwinkelten Gassen und Hinterhöfchen. Hier findet man oft auch kleine Märkte, denn langsam entdecken die Chinesen die Hutongs als Touristenmagnet. Dadurch sind einige schon ein bisschen auf chinesisch aufgemotzt. Es gibt sogar schon Postkartenbücher davon. Einzelne Postkarten kann man hier nämlich gar nicht kaufen, sondern immer gleich zehn Motive auf einmal in einer kleinen Mappe.

Beste Grüße von Carsten und Katja

Ni hao aus Beijing, (28.02.03)

Nun komme ich endlich wieder dazu, ein paar Zeilen zu schreiben. Die Schule nimmt uns ganz schön in Anspruch, aber wir wollen ja auch etwas von Beijing sehen und die Internetverbindungen sind hier sehr schlecht. Heute nehmen wir uns mal eine Auszeit, weil Carsten sowieso invalide ist und sein Knie weh tut. Also waren wir vorhin das erste Mal allein in einem kleinen Restaurant essen, in dem es auch eine Karte auf Englisch gibt. Wenn man rein kommt, sieht man gleich Aquarien mit Fischen und fette Kröten. Beide kann man ganz frisch zubereitet bekommen. Vorgestern waren wir mit Heidi und Peter essen (Lehrerin und Sozialarbeiter an der deutschen Schule). Da haben sie Fisch bestellt. Bevor der gekocht wurde, konnten wir ihn noch einmal lebend im Netz bewundern. Gewöhnungsbedürftig. Das Essen mit Heidi und Peter war wirklich lecker, heute hatten wir jedoch etwas Pech, denn die Sachen, die wir bestellt haben, waren nicht so ganz unser Fall. Nun wissen wir aber, dass "sliced chicken" einfach klein gehacktes Hünchenfleisch ist. Das heißt, dass noch alle Knochen dran sind. Aber die chinesische Küche ist sehr vielfältig und meist auch lecker, so dass wir beim nächsten Mal einfach etwas anderes bestellen. Peking-Ente wollen wir natürlich auch unbedingt noch mal essen.
Am Dienstag waren wir am Jianguomen. Dort ist eine so genannter "friendship-store" mit tausend Sachen, Kitsch und Plunder, um Touristen auszunehmen. Es war alles viel teurer als auf kleinen Märkten und es gab auch sehr teure Antiquitäten, edle Stoffe und Schmuck. Die Chinesen lieben Jade und Elfenbein. Ich habe mir dort ein schickes T-Shirt gekauft, auf dem in chinesischen Buchstaben "Bei jing" steht. Das heißt "Westberge" und ist damit die Übersetzung für Peking. Danach waren wir im Ritan Park, in dem wir den Sonnentempel sehen wollten. Das war aber nur ein mit Mosaiken beklebtes Mäuerchen, das nicht besonders alt aussah. Aber die Chinesen haben diese Park gleich wieder für ihren Sport eingenommen: Drachen steigen lassen, Schattenboxen, etc. Der Ritan Park ist ein typischer chinesischer Landschaftsgarten: künstlich angelegte Wäldchen mit Steinen, Bergelchen und überall zerlatschte Wiesen, die aber eher Heuwiesen sind, weil es in Peking so trocken ist. Carsten meint, es sieht in solchen Parks ein bisschen aus wie in Disneyland. Anschließend waren wir in einem chinesischen Reisebüro, wobei uns unser Reiseführer in die Irre geführt hatte. Er führte nämlich CYTS (China Youth Travel Service) als Reisebüro für Touristen. Uns gab man dort allerdings die Auskunft: "Not for foreigners"! Dabei sind die Chinesen aber immer sehr freundlich. Uns wird hier wirklich sehr oft geholfen. Wahrscheinlich bekommen Ausländer nur an bestimmten Plätzen Auskünfte und Reisebuchungen, um die Touristenströme etwas unter (politischer) Kontrolle zu halten - die Partei weiß alles. Selbst das Internet wird wohl überwacht. Ein Lehrer meinte heute, dass manche mails eine Woche bis nach Deutschland brauchen, insbesondere wenn sie einen Anhang haben. Dann werden durch chinesische Rechner die mails aus dem Verkehr gezogen und erst einmal überprüft. Werden sie für annehmbar befunden geht’s zurück ins Netz. Außerdem würde jede neu aufgerufene Homepage überprüft, womit zumindest erklärt wäre, warum das Laden hier so lange dauert, obwohl die Verbindungsdaten eigentlich gut. Aber ob die Chinesen eine solche Überlastung leisten können?
Nach unserem Besuch beim Reisebüro waren wir bei der Post und wollten Briefmarken für einen Brief kaufen. Da man ja nicht alle Tage Briefe aus China erhält, wollten wir mehrere Marken haben und nicht nur eine mit dem vollen Preis. Das konnten wir dem armen Mann aber nicht klar machen. Er konnte kein Englisch. Auch als er eine junge Chinesin holte, die etwas Englisch sprach, dauerte es eine Weile, bis sie uns verstand. Nachher einigten wir uns auf "brauchen wir für eine Sammlung" und bekamen dann auch mehrere Marken. Noch mehr wollten wir aber weder den Postmann noch uns stressen, denn eigentlich wollten wir noch Briefmarken auf Vorrat kaufen, aber er war ganz schön groggy nach unserer Attacke (o;.
Zurück am Compound traute ich mich endlich zum Friseur. Dort lernten wir, dass man in China sieben Leute zum Frisieren braucht. Die erste machte uns die Tür auf. Die zweite schäumte mir die Haare mit fast einer Packung Shampoo ein, denn sie nahm kein Wasser. Man hat uns erzählt, dass die chinesischen Friseusinnen so tolle Kopfmassagen machen, aber was dann passierte war eine Art von Kopfsadismus, was mir gar nicht bekam. Mit ihren langen Fingernägeln riss sie mir fast die Kopfhaut ab und grinste zu ihrer Freundin, wenn ich schmerzvoll das Gesicht verzog. Aber ich traute mich nicht, etwas zu sagen, denn sie wirkte, als gönne sie mir eine große Wohltat. Die dritte Dame wusch mir den Schaum aus. Dann musste ich eine Weile warten, weil es wohl nur eine Friseusin im Laden gab, obwohl etwa zehn Frauen in dem Laden saßen. Die vierte schnippelte an meinen Haaren herum, dabei sah ich aus Versehen auf die Erde. Dort lag noch ein abgeschnittener Zopf. Es war sogar noch das Haargummi drin. Meine Haare auf dem Boden fielen zwischen den ganzen schwarzen Haaren richtig auf. Die dritte Dame von vorhin wusch mir nach dem Schneiden wieder die Haare und die fünfte fönte mich. Dabei merkte ich, dass ich mich überhaupt nicht verändert hatte. Nicht einmal den Pony hat sie mir geschnitten, aber mach das mal mit Händen und Füßen klar. Die lachten sich einfach nur scheckig als ich versuchte, zu erklären wie ich meine Haare haben möchte. Die sechste Dame kassierte 20 Yuan von mir. Dabei wurde klar, dass ich für die Kopfkratzerei 10 Yuan bezahlen musste, obwohl ich die gar nicht haben wollte. Aber zusammen sind das nur 2,50 Euro und deshalb verließ ich lieber fluchartig den Laden. Die siebte Dame hielt mir dafür extra die Tür auf.
Nach diesem Schreck gingen wir erst einmal ins Kaufhaus, wo wir gleich auf den Sporthosenstand zusteuerten, an dem wir schon ein paar Tage vorher eine Hose gekauft hatten, die Carsten aber megamäßig zu groß war. Zum Glück passte sie Julian und der hat sie uns dann abgekauft. Es gab sogar eine Hose in Carstens Größe und das der Verkäufer Carsten wieder erkannte, bezahlte er sogar noch mal 5 Yuan weniger als beim letzten Mal. "Mein Freund" sagt er zu Carsten und grinste wie ein Honigkuchenprferd. Er freute sich nur, dass er zwei Hosen los geworden ist (o: Danach waren wir noch im Supermarkt und habe ein bisschen was zum Abendbrot gekauft.
Am Mittwoch waren Bombenwetter und wir besuchten die Verbotene Stadt. Vorher waren wir noch mal auf dem Platz des Himmlischen Friedens und suchten den Eingang zum Mao-Mausoleum, fanden ihn aber nicht. Die Verbotene Stadt, in der der Kaiserpalast steht, ist wirklich beeindruckend und hat den Namen "Stadt" wirklich verdient, denn dort lebten über 1000 Menschen. Die Tempel sind gigantisch und wenn man dann das kaiserliche Schlafzimmer sieht, ist man echt baff, denn das ist in einer kleinen Hütte und ist nur etwa 20 Quadratmeter groß, also nicht größer als eine deutsche Durchschnittswohnstube. Zum Vergleich: Die Halle, in denen er Besuch empfing, ist über 2.000 qm groß. Allerdings lebten vor allem die letzten Kaiser so, früher haben großzügigere Privaträume gehabt. Wir haben auch die Gemächer gesehen, in denen der letzte Kaiser (siehe der Film "Puyi - der letzte Kaiser") als Kind wohnte. Es war wirklich ein wahnsinniges Erlebnis - und das ist das, was man sich unter China vorstellt. Doch sogar hier haben die Chinesen auf den Boden gerotzt. Taschentücher scheinen die nicht zu kennen. In jedem Bus steht auch ein Spuckeimer. Trotzdem geht öfter mal das Fenster auf und ab geht’s. Wahrscheinlich finden die es eher eklig, dass wir die Rotze in unsere Taschen(tücher) stecken.
Auf unserem Spaziergang über den Tienanmen trafen wir mal wieder ein paar chinesische Kunststudenten und junge Leute, die sich als Guides zur Chinesischen Mauer anboten. Die eine hat uns sogar zwei Mal angesprochen. Als Carsten sie darauf aufmerksam machte, meinte sie: "Nice to meet you again", und ging kichernd weg. Die Leute sind wirklich freundlich und wenn man ihnen sagt, dass man keinen Bedarf an einem Guide hat oder diese omminöse Kunstaustellung schon gesehen hat, lassen sie einen auch in Ruhe. Heidi hat uns auch schon eine kleine Liste mit den wichtigsten Vokabeln gegeben. Da steht auch drauf "wu kann kann". Das heißt: "Ich will schauen." Das soll Wunder wirken, denn die Leute lassen einen dann sofort in Frieden. Wo wir gerade bei chinesischen Vokabeln sind. Wir haben gestern mitbekommen, dass es gar nicht "Nihao", sondern "Ni hao" heißt wenn man "Guten Tag" sagen will. "Nihao" ist der Tempel (o: Aber die Verständigung ist hier manchmal wirklich schwierig. Nicht nur, dass wir wegen der chinesischen Schriftzeichen Analphabeten sind, auch mit den Zahlen ist das so eine Sache. An einem U-Bahn-Ticketschalter standen keine arabischen Zahlen und wir wussten nicht genau, wie viel wir bezahlen müssen. Die Verkäuferin tippte schon leicht entnervt auf die Scheibe. Doch dort stand nur das chinesische Zeichen. Zum Glück schreiben auch viele die arabischen Zahlen hin. Ich dachte auch, dass man die Zahlen dann ja mit Fingern zeigen kann, aber Pustekuchen. Auch das ist anders. Die 1 wird mit dem Zeigefinger gezeigt, die zwei mit dem Zeigefinger und dem Mittelfinger (beides Mal Handrücken zum Körper). Tja - und bis drei zählen kann ich noch nicht. Ich glaube, dass die Chinesen dann Daumen, Mittel- und Zeigefinger zusammen drücken (Handrücken zum Partner). Die 4 zeigt man, in dem man den kleinen Finger streckt und die restlichen Finger zur Faust ballt (Handrücken zum Partner). Die 10 wird mit zwei gekreuzten Zeigefingern gezeigt. Manche Leute lassen sich dir Zahlen auch aufschreiben oder tippen sie in den Taschenrechner ein, wenn wir irgendwo bezahlen müssen. Manchmal geben wir einfach nur einen Geldschein hin und lassen uns überraschen - so wie heute beim Essen.
Gestern war wieder Smog, aber wir waren trotzdem beim Himmelstempel. Die chinesische Sekretärin der Schule hat uns aufgeschrieben, mit welchen Bussen und U-Bahnen wir fahren müssen, um dort hin zu kommen, aber irgendwie waren die Busse schlecht ausgeschildert, so dass Carsten nachher entnervt für die letzte Strecke ein Taxi gerufen hat. Als wir dann kurz vorm Eingang des Parks waren, fuhr ein 707er Bus an uns vorbei - der sowohl vor der Schule als auch vor unserem Compound abfährt. Na toll - da hätten wir uns die Odyssee ja sparen können. So haben wir für die Hinfahrt 18 Yuan bezahlt und haben eineinhalb Stunden gebraucht und mussten drei Mal umsteigen. Auf dem Rückweg waren es nur 4 Yuan und wir konnten gemütlich durchfahren in einer Stunde. Im Park waren wir zwei Stunden, weil der schon halb vier zugemacht hat, so dass wir nicht mal alle Sachen sehen konnten, genau wie in der Verbotenen Stadt. Dort haben sie auch sehr pünktlich die Schotten dicht gemacht, damit wahrscheinlich alle pünktlich zu Hause sind. Das war ein bisschen schade. Aber gut, dass wir auf der Rückfahrt durchfahren konnten. Übrigens haben wir Plätze nebeneinander gehabt. Das ist zur Feierabendzeit gar nicht so einfach, eher kann man von Glück reden, wenn man überhaupt einen Sitzplatz bekommt. So voll wie immer erzählt wird, haben wir es aber noch nie erlebt. Zweimal haben die Chinesen sogar schon mit einem von uns die Plätze getäuscht wenn sie merkten, dass wir zusammen gehörten. So konnten wir zusammen sitzen. Wie gesagt, sehr nett hier die Leute.
Als wir nach Hause kamen, gab es Käsespätzle. Die hatte sich Julian gewünscht, der an diesem Tag seinen 14. Geburtstag hatte. Die Käsespätzle waren selbst gemacht, denn China gibt es so was natürlich nicht. Von uns hat Julian ein Cd-Rom-Spiel bekommen (FIFA 2003). Bei uns würde das so um die 40-50 Euro kosten. Hier haben wir 5 Yuan (65 Cent) bezahlt. Das Spiel war natürlich kopiert, aber bei uns würde man ja für den Preis nicht mal einen CD-Rohling bekommen. Abends haben wir dann noch Video geschaut, was für die Kinder das einzige Fernsehen ist. Viele Eltern tauschen untereinander ihre Aufzeichnungen vom Kinderkanal oder anderen deutschen Kindersendungen aus, die irgendwelche Großeltern mal aufgenommen haben. Großeltern spielen hier bei den Kindern eine große Rolle, denn wenn sie mal kommen, bleiben sie meist gleich mehrere Wochen und wenn sie nicht da sind, versorgen sie die Kinder regelmäßig mit deutschem Spielzeug, Süßigkeiten, Bücher und Zeitschriften. Im Haus gegenüber ist gerade ein Kind einer Schweizer Familie geboren worden und da wuseln jetzt schon seit vier Wochen beide Omis herum.
Carsten hat seine fünf Stunden in Deutsch in der 12. Klasse schon gut überstanden und heute war seine erste Stunde in der 10. Klasse zur Weimarer Republik. Ich habe Mäuschen gespielt und fand Carsten sehr souverän als Lehrer. Die Schüler haben auch gut mitgemacht. Ich bin nächste Woche mit meinen Ethikstunden in der siebten Klasse dran und danach noch für fünf Stunden zum Thema Jugendkriminalität in der achten. Außerdem wünscht sich Heidi von uns, dass wir in den Klassen 8-10 sozusagen als Zeitzeugen auftreten, um etwas über die Kindheit und Jugend in der DDR zu berichten. Wir kamen uns da sehr alt vor. Mal sehen, ob wir uns ein bisschen Hintergrundwissen aus dem Netz ziehen können. Unsere Halstücher und Pionierausweise haben wir ja alle zu Hause gelassen. Apropos Pioniere: Hier scheint es so was auch zu geben. Wir sehen viele Schulkinder mit rotem Halstuch. Außerdem tragen fast alle Schüler gelbe Mützen und haben sehr kleine Schulmappen. Sie haben aber sehr viel Unterricht und haben meist erst gegen 16 Uhr Schulschluss. Über chinesische Schulen werden wir in drei Wochen mehr erfahren, weil dort die Projektwoche ist. Sie steht immer im Bezug zu China. Zwei Projekte befassen sich auch mit chinesischen Schulen. Da klinken wir uns für zwei Tage mit ein. Die anderen Tage der Woche wollen wir gern noch eine kleine Rundreise machen, um Xian, die drei Schluchten und Guilin und vielleicht auch Shanghai zu besuchen. Eins von den Dingen wollen wir aber schon vorher mit Steffi machen, damit es nicht zu viel wird für 5 Tage. Die Reiseinfos bekommen wir von dem Fahrer von Mathias (Zhoe), der mal in einem Reisebüro gearbeitet hat oder von einem Reisebüro, in dem auch Heidi ihre Klassenfahrt buchen will. Sie fährt mit ihrer 10. Klasse im Mai für eine Woche nach Shanghai.
Steffi kommt am Mittwoch und wir freuen uns schon. Dann können wir schön zu dritt etwas unternehmen. Am nächsten Freitag kommt das griechische Nationaltheater nach Peking und spielt Antigone. Wir haben Freikarten bekommen. Am Sonntag darauf begeben wir uns mit einem Geschichtslehrer auf die Spuren Mao Tse Tungs. Er leitet in der Projektwoche ein Projekt zu diesem Thema und will die Tour wahrscheinlich vorher schon mal ablaufen.
Morgen geht es erst einmal Gokart fahren. Wir sind eingeladen, weil Julian mit seinen Freunden Geburtstag feiern möchte. Am Sonntag fahren wir mit Mathias und Zhoe zur Chinesischen Mauer und zum Sommerpalast. Zur Chinesischen Mauer fahren wir aber sicherlich noch einmal mit Steffi und schauen uns dann auch die Ming Gräber an. Die Chinesische Oper steht ebenfalls noch auf unserem Plan und einige schöne Spaziergänge haben wir uns noch vorgenommen, denn das Wetter soll endlich wieder besser werden. Alle Leute sprachen davon, dass Peking die Stadt der Sonne ist. Dabei ist es hier kalt und versmogt, aber die Luft ist nicht so schlimm, wie ich zuerst dachte.

Liebe Grüße von Carsten und Katja

Ni hao aus Beijing, (06.03.03)

Nun setze ich mich endlich mal wieder an den Rechner, um ein bisschen aus Beijing zu plaudern. Eigentlich bin ich von der Schule nach Hause gefahren, um meine Politikstunden für nächste Woche vorzubereiten, aber jetzt muss ich Mal abspannen, obwohl das nicht gerade einfach ist, wenn direkt neben einem mit dem Vorschlaghammer hantiert wird. Das Nebenhaus bekommt nämlich ein drittes Stockwerk.
Aber kehren wir zum Samstag zurück. Da haben wir mal einen Ruhetag eingelegt und waren nur unsere Fotos abholen, die dann doch nicht so billig waren, wie man es uns gesagt hat. So mussten wir für 20 Fotos 10 Euro hinblättern. Also werden wir unsere restlichen Fotos lieber in Deutschland entwickeln lassen. Wahrscheinlich lag es am APS-Format, das hier wohl noch zu selten und damit sehr teuer ist. Danach sind wir in einen Markt gegangen, wo sich Carsten eine halbe Stunde einem Feilschwettkampf geliefert hat, um sich schließlich eine Goretex-Jacke für 135 Euro zu kaufen. Das hat die Verkäuferin aber nur gemacht, weil sie gesehen hat, das wir wirklich nicht mehr Geld in der Geldbörse hatten. Auf dem Heimweg trafen wir noch einen Straßenverkäufer, der uns Spielzeug anbot und dabei immer auf seinen zahnlosen Mund zeigte. Er wollte uns wohl zeigen, dass er Geld zum Essen braucht. Als wir ihm unser leeres Portmonee zeigten, lachte er nur.
Nachmittags waren wir zum Gokart eingeladen, weil Julian Geburtstag feiern wollte. Also zogen wir mit Mathias und sechs lauten Bengels los. Die erste Runde fuhr ich nicht mit, weil ich befürchtete, dass die Jungs auf der Bahn Halligalli machen. Dem war auch so. Sie sind ganz schön ruppig gefahren. Also fuhr ich nach ihnen mit zwei kleinen chinesischen Mädchen zusammen. Leider war in der Runde auch ein wilder Chinese, der mich zwei Mal fast aus der Kurve gedrückt hat. Aber mit der Zeit wurde ich auch besser und schaffte die Runde sogar in 37 Sekunden. Carsten brauchte 35.26 Sekunden. Nur Julian war noch besser als ich, aber Carsten war der Champ, weil Mathias eher darauf achtete, dass die Jungs keinen Schaden anrichteten. Im vierten Lauf ging dann einiges schief. Einer von den Jungs passte nicht auf, so dass ein anderer auf ihn drauf fuhr. Dem ersten riss dann der Gurt und der Helm flog ab. Der Arme hing fast aus dem kleinen Auto raus. Der andere hat etwas am Bein abbekommen, aber es ist zum Glück nichts Schlimmeres passiert. Mathias wollte dann aber keinen fünften Lauf mehr fahren, weil es ihm zu gefährlich war. Nach einem längeren Streit mit Julian, der gern noch gefahren wäre, waren wir dann essen. Die beiden Fahrer, die uns zur Gokartbahn gebracht haben, aßen auch mit. Dort haben wir zum ersten Mal Pekingente gegessen. Und die ist ganz anders als man sie in chinesischen Restaurants in Deutschland bekommt. Zuerst nimmt man sich einen kleinen Fladen auf die Hand. Dann nimmt man ein Stückchen Gurke, das in eine Soße getaucht wird. Damit streicht man ein wenig den Fladen ein. Das gleiche macht man dann mit Zwiebelstreifen oder Sojasprossen. Zum Schluss werden ein paar kleine Fleischstückchen darauf gelegt und das Ganze wird dann eingerollt und mit der Hand gegessen. Das ist wirklich lecker. Auch der süß-saure Fisch schmeckte wirklich gut. Falls ich es noch nicht geschrieben habe: In China bekommt nicht jeder seinen Teller mit seinem Essen, sondern alles wird auf eine große Platte gestellt, die man drehen kann und dann nimmt sich jeder mit seinen Stäbchen, was er mag. Man kann sich auch ein bisschen in eine kleine Schale tun. Das ist natürlich sehr viel geselliger als in Deutschland und man kann viel mehr probieren und kosten. Reis wird in China übrigens gar nicht so häufig gegessen. Es gilt als Arme-Leute-Speise und ist auch spottbillig. Wenn sich die Chinesen Reis bestellen, essen sie ihn nach den anderen Dingen aus einer kleinen Schüssel. Er wird nicht zu den anderen Gerichten gegessen, sondern dient nur der Sättigung. Aber wir essen ihn trotzdem meist dazu. Am Ende dieses köstlichen Mahls, kam die Rechnung: 30 Euro für 11 Personen, die pappesatt waren, denn es blieb noch einiges übrig. Die 30 Euro hätte man wahrscheinlich in Deutschland als Trinkgeld für so eine große Gruppe gegeben. In China ist es nicht üblich, Trinkgeld zu zahlen.
Am Sonntag ging es schon sehr früh los. Wir wurden von einem Minibus abgeholt, denn es war eine organisierte Fahrt für Leute von Siemens, die in Shanghai eine Weiterbildung besuchten und sich nun Peking anschauen wollten. Wir waren eine bunte Truppe; ein Inder aus Singapur, ein Mann aus Malaysia, ein Mann und eine Frau aus Indonesien, ein Weißer aus Südafrika, ein Este aus München, Mathias und wir beide. Alle konnten Englisch und Raimund, der bayrische Este, sprach natürlich auch Deutsch. Auf dem Weg zu Mauer sahen wir einen ziemlich chaotischen Unfall in der nächsten Stadt. Ein Auto hatte nicht rechtszeitig gebremst und hatte einen Fahrradfahrer, samt seinem soll beladenen Vehikel umgeschmissen. Ich sah nur noch wie der Arme mit seinem Gesicht auf dem Asphalt lag und die Beine in der Luft strampelten. Trotz des chaotischen Fahrstils und dem Gesetz des Stärkeren auf der Straße, scheint hier nicht so viel zu passieren - höchstens Blechschäden. Carsten war ganz begeistert von Ampeln, die zeigten, wie lange noch rot oder grün ist, was sich hier vielleicht anbietet, da die Chinesen in Peking grundsätzlich noch 10 Sekunden weiter fahren, wenn schon längst rot ist. Nicht so toll gefielen uns die Fahrmanöver unseres Fahrers, der selbst in engen Kurven unbedingt auf der linken Seite fahren wollte. Vielleicht war er ja in seinem früheren Leben mal ein Brite, wer weiß, denn die häufigste Religion in China ist ja der Buddhismus und Buddhisten glauben an die Wiedergeburt.
Als wir in dem Dorf am Fuße der Mauer ankamen überholten wir erstmal einen Kamelreiter. Kaum aus dem Bus gestiegen kamen gleich Verkäufer auf uns zugerast und präsentierten uns ihren Touristenkram und Nüsse. Manche hielten einen sogar am Arm fest, dass man sich ja auch ihren Stand anschaute. Später trafen wir das Kamel noch mal wieder. Der Inder versuchte, das Tier zu filmen, aber wieder wollte der Kamelbesitzer Knete sehen. Da er aber von dem Inder abgelenkt wurde, knipste Carsten sein Heiligtum klammheimlich von einer Mauer aus (o: Als wir uns durch die letzten Buden gekämpft hatten, ging es mit einer Gondel nach oben. Leider war es etwas neblig an dem Tag, so dass man nicht viel von den Bergen sah. Aber es war trotzdem atemberaubend, wenn man bedenkt, dass diese Mauer von der Länge eigentlich nicht zu bestimmen ist, dass sie an einigen Stellen doppelt und dreifach verläuft. Aber sie ist mindestens 6000 km lang. Wir haben vielleicht 5 oder 6 davon gesehen. Das sind schon andere Dimensionen als im kleinen Europa. Irgendwann stand plötzlich ein Chinese an einem Durchgang und ließ uns nicht weiter. Aber wir sahen, dass auch andere Leute dahinter waren. Nach einer Diskussion in mehreren Sprachen, quetschten sich Mathias und Raimund an ihm vorbei. Der Chinese lachte nur und schlug mit seiner Zeitung hinterher. Wir anderen haben uns das nicht getraut, denn uns wollte er dann trotzdem nicht durchlassen. Wir haben keine Ahnung, was das sollte, denn so baufällig war die Mauer dahinter gar nicht. Es gab sogar Postkartenverkäufer auf der anderen Seite. Mathias vermutet, dass diese illegal waren und sie deshalb nicht jeden da hinter lassen wollten.
Runter ging es mit einer Sommerrodelbahn. Leider konnten wir nicht so sausen wir beim Gokart, denn der Inder war vor uns und hatte wohl etwas Angst. Jedenfalls bremste er ständig. Aber im Gegensatz zu den meisten Chinesen war er noch richtig fix unterwegs. Da diese ständig bremsen und sogar anhalten, standen am Rand der Bahn überall Leute, die sowas wie "faster, faster" und so etwas riefen und es gab viele Hinweisschilder, dass man nicht bremsen soll. Da die Leute von der Sommerrodelbahn wahrscheinlich wussten, dass wir Europäer vielleicht ein bisschen schneller sind, mussten wir auch so lange warten bis alle Chinesen vor uns unten waren. Das dauerte eine ganze Weile.
Unten angekommen, mussten wir wieder über den keinen Markt. Eine Dame feilschte mit sich selbst, weil wir einen Seidenmorgenmantel zu lange angeschaut hatten. Innerhalb von zwei oder drei Minuten hatte sie sich selbst von 85 auf 35 RMB herunter gefeilscht. Sie rannte Carsten sogar 100 Meter hinterher, um ihm davon zu überzeugen, dass ihr Mantel ganz billig wäre. Genommen haben wir aber trotzdem nicht. Dafür haben wir uns ein schickes T-Shirt für 25 Kuai gekauft (ca. 3 Euro). Für unser erstes haben wir noch 65, fürs zweite schon 55 Kuai bezahlt. Als wir das T-Shirt eingesteckt hatten, wollte uns die nächste Verkäuferin das gleiche T-Shirt für 20 Yuan verkaufen. Und da sie bei diesem Preis schon anfing, hätten wir sie wahrscheinlich sogar noch herunter handeln können. Allerdings hat sie den niedrigen Preis wohl nur genannt, um ihre Konkurrentin zu unterbieten. Von allein wäre das eher nicht gekommen. Kekse und Eis waren allerdings sehr teuer, so dass wir lieber auf das Essen warteten, zu dem wir am Abend noch eingeladen waren.
Vorher fuhren wir aber noch zum Sommerpalast. Dort hatten wir allerdings nur wenig Zeit, da die meisten Parkanlagen schon gegen 16 Uhr schließen. Zwar kann man dann noch im Park spazieren gehen, aber die Tempelanlagen und andere Einrichtungen haben schon geschlossen. Deshalb werden wir auf alle Fälle mit Steffi dort noch einmal hinfahren - aber mit dem öffentlichen Bus. Zur Mauer geht es am Samstag noch mal mit dem Fahrer von Mathias. Die Ming-Gräber wollen wir uns dann auch ansehen. Darauf sind die Chinesen wohl sehr stolz, da dort 12 Kaiser begraben liegen. Das Essen hatte Zhoe (der Fahrer) für uns schon vorher bestellt und er hat sich den kleinen Scherz erlaubt, kalte Hühnerfüße zu bestellen. Der Este und der Inder probierten diese chinesische Delikatesse und fanden sie wohl nicht schlecht, obwohl da wirklich nicht viel dran ist. Aber einige Chinesen essen das mit allem drum und dran. Mir sehen diese Dinger zu sehr nach Kinderfingern aus. In einem Salat war Qualle, wie sich nachher heraus stellte. Das schmeckt schnurpsig, ein bisschen wie Sülze. Lotusblüten dagegen sind süßlich. Trotzdem war es nicht so lecker wie am Tag davor. Wieder hatten wir einen Raum für uns allein, wie es oft in großen Restaurants ist, wenn man mit einer großen Gruppe kommt. Zum Glück mussten wir nicht wieder warten wie am Tag zuvor, bis wir einen Tisch hatten. Als wir aber nach dem Essen gingen, saßen im Wartesaal auf den vielen Stühlen schon eine Menge Leute und warteten darauf, dass ein Tisch für sie frei würde. Das ist echt so wie in den Restaurants zu DDR-Zeiten, wenn man nicht reserviert. Auch in diesem Restaurant standen wieder eine Unmenge von Köchen in der Küche, die man immer durch eine große Scheibe sehen kann. Auch unzählige Kellnerinnen wuseln immer um einen herum.
Am Rosenmontag war in der Schule Fasching. Da eine Klassenlehrerin krank geworden war, konnte ich Vertretung in der vierten Klasse machen. Die ersten beiden Stunden aßen wir in der Klasse zusammen Frühstück und machten ein paar Spiele. Danach gab es verschiedene Spiele in der Schulaula, wo ich erfuhr, dass ich einen Stand betreuen soll, an dem sich bereits eine Schlange Kinder gebildet hatte, die das Spiel spielen wollten. Der Fasching war aber nur für die Grundschule, so dass einige Große doch etwas neidisch auf die tobenden Ritter, Clowns, Seeräuber, Prinzessinnen und Fußballspieler schauten. Bei der Polonaise durchs Schulhaus machten sogar alle mit. Das sieht lustig aus, wenn da Knirpse aus der ersten Klasse und Abiturienten zusammen in einer langen Schlange durch Schulhaus ziehen. So bekam ich als Clown verkleidet (Das Kostüm hatte mit Stephanie am Abend zuvor sogar noch gebügelt.) sogar noch Knete fürs Feiern (o: Carsten machte währenddessen Unterrichtsvorbereitungen und hat seine Stunden gehalten.
Da an diesem Tag endlich mal wieder die Sonne schien, machten wir uns nach der Schule auf den Weg zum Jiangshan-Park, von wo man einen tollen Blick über die verbotene Stadt und die Pekinger City hat. Danach schlenderten wir zum Beihai-Park, dessen Kleinod ein Turm ist, der aussieht wie eine russische Kaffeekanne. Eigentlich nennt sich das Ding Flaschenpagode und steht auf einer Insel auf einem kleinen See. Einen Jadebuddha und eine monströse Weinschale, die über 2 Tonnen wog, mit Hakenkreuz konnten wir auch bestaunen. Das Hakenkreuz sieht man hier öfter, denn es ist das Sonnensymbol und die Chinesen verbinden das natürlich nicht mit dem Dritten Reich. Da wir in der Verbotenen Stadt die Neundrachenmauer nicht sehen konnten, freuten wir uns, dass es im Beihei-Park auch eine gab. Die sieht echt schick aus und ist eine riesige Mauer aus Fliesen, die mitten in der Landschaft steht und auf der neun Drachen in verschiedenen Farben abgebildet sind. Sie sollte vor bösen Geistern schützen - wie so vieles in China.
Im Beihai-Park sahen wir wieder, was die Chinesen so in ihrer Freizeit machen. Alte Leute spielten Federball. Das geht aber nicht mit Schlägern, sondern mit einem kleinen Ball, der echte Federn hat und mit dem Fuß zu jemand anderen geschossen wird. So etwas spielen in Deutschland ja eigentlich nur die Jugendlichen mit ihren Hackysacks, hier spielen das die Rentner. Und zwar nicht schlechter als bei uns. Zwei ältere Männer schrieben mit großen Pinseln, die sie in Wasser tauchten, chinesische Zeichen auf die Gehwegplatten. Die Leute blieben oft auch interessiert stehen. Wir haben aber nicht heraus bekommen, was sie da schrieben.
Mittlerweile waren wir auch schon ganz schön ko. Der berühmte Trommelturm hatte natürlich schon zu und wir durchquerten auf unserem Weg zur U-Bahn noch einen recht gepflegten Hutong, wo sich an jeder Ecke mehrere Rikschafahrer anboten, uns dort hindurch zu kutschen. Diese Hutongs sind ja mehr das ursprünglichere Peking. Hier wohnen meist die "normalen" Chinesen. Im Fluss schwammen recht viele tote Fische und der eine See war fast ausgetrocknet. Obwohl wir es aufgrund des schlechten Wetters nicht so recht glauben wollen, regnet es hier ja sehr selten, so dass der Grundwasserspiegel in den letzten Jahren enorm gesunken ist. An Umweltschutz denkt hier trotzdem kaum jemand.
An der Bushaltestelle gab es ein ziemliches Gerammel. Vor allem die Omis haben uns ganz schön rabiat beiseite geschubst, damit sie auch ja einen Platz im Bus abbekamen. Vielleicht üben sie deshalb so viel Schattenboxen in den Parks. Die Fahrkartenverkäufer in den Bussen regeln das Chaos aber meist recht gut. Sie zeigen einem, wo noch Plätze frei sind und sorgen sogar dafür, dass Jüngere für Ältere aufstehen. Meist schaffen sie es dann trotzdem noch, uns Bescheid zu sagen, wo wir aussteigen müssen. Aber meist wissen wir das jetzt auch schon selbst. Zum Abend gab es bei Gutgesells Hühnerfrikassé und wir haben noch Unterrichtsvorbereitungen gemacht.
Am Dienstag wollten wir nach der Schule zur Liulichang, der berühmten Kunstgewerbestraße in Peking. Aber irgendwie haben wir nur Jacken, Taschen und Essen gesehen. Mal wieder wurden wir von einem Kunstprofessor angesprochen, der uns eine tolle Ausstellung zeigen wollte, aber er war nett und nicht aufdringlich. Die Hutongs hier waren recht herunter gekommen und es gab sogar ein paar halb verfallene europäische Kolonialhäuser aus der Zeit um 1900. An den Ständen lagen die Fische und die Fleischbrocken einfach so auf dem Holztisch - nicht sehr appetitlich. Mitten auf der Straße, konnte man sich die Haare schneiden lassen, obwohl es schweinekalt war. Außerdem sahen wir noch ein kleines Kind mit Strumpfhose, die am Hintern offen war. So sparen sich die Eltern die Windeln und die Kinder haben bei der Kälte wahrscheinlich einen echt abgehärteten Po.
Ich wollte mir Handschuhe kaufen und fand 85 Euro dafür einfach unverschämt. Die Verkäuferin war dann sauer, dass wir gegangen sind und hielt erst mich am Rucksack fest und kniff dann Carsten noch in den Arm. Ganz schön gemeckert hat sie auch. Da waren wir etwas enttäuscht, weil wir die meisten Chinesen bisher wirklich freundlich erlebt haben, auch wenn man mit ihnen handelt oder gar nichts kaufen will. Mittlerweile hatten wir aber kapiert, dass wir nicht auf der Liuilichang gewesen waren und fuhren nach Hause. Vorher gingen wir noch in den Lido-Markt, wo Carsten seinem neuen Hobby frönen konnte: feilschen. Als er um einen Pullover handelte, ließ in die kleine dicke Chinesin gar nicht mehr aus dem Kabuff heraus, aber sie war freundlich und lachte. Nachher hat Carsten den echt aussehenden Tommy-Hilfiger-Pullover für 45 Yuan (ca. 5 Euro) bekommen. Stephanie sagt, dass die Klamotten fast die gleiche Qualität haben wie die echten Markenklamotten. Wahrscheinlich stammen sie aus der gleichen chinesischen Fabrik und werden hier (bei gutem Handeln) ohne Europa-Aufschlag verkauft. Nach diesem anstrengenden Tag hatte ich ganz schön Kopfschmerzen und musste die Nachhilfe mit Julian ausfallen lassen. Wir sind dann auch schon um 21 Uhr müde ins Bett gefallen.
Am Mittwoch war der Anreisetag von Steffi. Zu Stephanies Entsetzen fuhr Steffi auch gleich, nachdem Zhoe sie vom Flughafen abgeholt hatte (Mit Hilfe eines riesigen bunten Schildes, auf dem "STEFFI" stand, das er eigentlich gar nicht halten wollte und auch gleich ganz schnell einrollte, als Steffi ihn entdeckt hatte.), mit dem Bus zur Schule, um uns abzuholen, damit wir noch zusammen etwas in der Stadt unternehmen können. Wir wollten nun endlich die Liulichang finden und waren auch erfolgreich. Das ist schon eine tolle Straße. Die Häuser waren aus dunklem Holz und in den Läden gab es Pinsel, Papier, Bücher, Antiquitäten, Kuriositäten, eben das, was man ein bisschen so vom Alten China kennt. Carsten war allerdings nicht so beeindruckt. Nachher liefen wir noch zum Tienanmen, damit Steffi weiß, wie sie zur Verbotenen Stadt kommt.
Bevor wir nach Hause gingen, waren wieder mal im Lido-Market, wo Carsten wieder seinen Kaufrausch ausleben konnte. Diesmal war es ein Schachspiel. Bei den Preisen hier muss man echt aufpassen. Das Schachspiel, das Carsten sich für 50 Yuan (ca. 6,50 Euro) gekauft hat, kann man auch für 1.100 Yuan haben. Selbst diese Händlerin hat bei über 200 Yuan angefangen zu handeln und tat ganz geheimnisvoll. Es gibt eben auch Leute, die das für den Preis kaufen. Ich habe mir im gleichen Markt wie Carsten eine Northface-Jacke gekauft. Sie wollte erst 340 Yuan dafür. Carsten erzählte ihr dann, dass wir drei Tage vorher die gleiche Jacke für 135 Yuan gekauft hatten. Das wollte sie uns natürlich nicht glauben. Es war auch eine andere Verkäuferin. Aber dann hat sie mir die Jacke doch für 140 Yuan verkauft und Steffi hat sich eine Fleece-Jacke gekauft. Wir hatten ja nur 17 kg mit auf der Hinfahrt, obwohl es 40 kg sein dürfen und haben uns zum Glück gleich am Anfang einen kleinen Rollkoffer gekauft, so dass wir unsere ganzen Schätze auch zurück bekommen (o:
Am Abend waren wir noch bei der Frau des Schuldirektors zu Besuch. Sie wohnt gleich um die Ecke und hat eine riesige Wohnung mit sechs Zimmern. Er hatte leider keine Zeit. Sie lud uns außerdem zum Essen ein. Das Lokal war ganz in der Nähe, aber nicht so gut. Alles war sehr scharf und das Servieren dauerte ewig. Danach mussten wir wieder mal Unterrichtsvorbereitungen machen, denn ich hatte am nächsten Tag meine dritte und vierte Stunde in der siebten Klasse in Ethik.
Jetzt sitze ich in unserem Zimmer bei Gutgesells und müsste, wie gesagt, die nächste Woche vorbereiten, aber diese Mail muss auch endlich fertig werden. Eben gab es Kartoffelsuppe zum Mittag, da Stephanie ja Hausfrau ist. Carsten ist noch an der Schule, hospitiert und gibt seine Stunden. Steffi tobt trotz Regen zum Himmelstempel und zum Perlenmarkt, wo wir selbst noch nicht waren. Nachher treffen wir uns wahrscheinlich alle drei in der Schule, da um 16 Uhr ein Vortrag zur Chinesischen Literatur von einem Lehrer und einer Schülerin der 11. Klasse gehalten wird. Danach muss ich wahrscheinlich wieder Nachhilfe geben und noch was für die Schule machen.
Eben kam Lisa ins Zimmer und hat mir ein Foto vom Rosenmontag gebracht, das eine Mutti aus ihrer Klasse von mir und Stephanie gemacht hat. So wisst ihr gleich mal, wie ich so durch Peking laufe. Auch in den nächsten Mails kann ich ein paar Fotos anhängen, die Mathias von uns auf der Mauer und beim Gokart-Fahren gemacht hat. Er will sie uns noch auf CD brennen. Mit unserem Fotoapparat haben wir auch schon fast vier Filme verknipst.

Liebe Grüße von Carsten und Katja

Nihao aus Beijing, (11.03.03)

So - langsam sollte ich mich mal wieder ran setzen und ein bisschen aus Beijing plaudern, bevor ich die ganzen Eindrücke hier durcheinander bringe und nachher noch denke, ich sei in Malaysia.
Am vergangenen Donnerstag hatten wir lange Schule. Steffi war trotz trüben Wetters beim Himmelstempel. Danach waren wir gemeinsam bei einem Lesekreis in der Schule zum Thema "Chinesische Literatur, den ein Deutschlehrer und eine Schülerin (Lya) aus der 11. Klasse initiiert hatten. Natürlich waren nur Lehrer da und zwei oder drei Schülerinnen - wahrscheinlich die Freundinnen von Lya. Selbige saß da wie eine kleine Präsidentin und führte mit dem Lehrer das Thema sehr interessant ein. Es ist schon erstaunlich, was eine Schülerin in der 11. Klasse leisten kann, wenn sie will. Bei Kaffee und Kuchen lasen wir gemeinsam eine Kurzgeschichte über einen chinesischen Dorfschullehrer. Die beiden Germanisten Steffi und Carsten nervte die Diskussion danach. Unter eine Schülerarbeit hätten sie wahrscheinlich "keine am Text orientierte Diskussion" geschrieben. Die beiden mussten sich danach erst mal mit Schwimmen erholen. Ich erholte mich lieber bei Unterrichtsvorbereitungen.
Am Freitag wollte Carsten fast das Handtuch schmeißen, weil er sich über die Schüler der 10. Klasse geärgert hat, da sie schlecht gearbeitet hatten und sich dann auch noch bei unserer Betreuungslehrerin beschwert haben, dass sie zu viel zu tun haben. Musste ihn dann ein wenig aufmopsen und jetzt geht es wieder. Steffi zog gleich am Morgen zum Kaiserpalast los. Danach waren wir noch im so genannten "Flower Market", von dem die Leute hier so schwärmen. Sie erzählten, dass es dort so viele Blumen gibt - links die echten und rechts die unechten. Aber das ganze war nichts als ein deutscher Baumarkt mit viel Klimbim drumherum, zum Beispiel ganze Läden nur mit Glasperlen. Ich habe mir ein paar für ein Spiel gekauft. Dafür gab es noch super leckeres Eis - das beste, dass wir bisher an Stieleis gegessen haben.
Nach Hause gingen wir zu Fuß, um dann auch gleich wieder zum nächsten Markt aufzubrechen, zum so genannten Perlenmarkt, wo es angeblich ganz preiswert echte Perlenketten geben soll. Carstens Kaufrausch war - nach seinen Worten - verflogen, weil wir ihn am Tag zuvor als "Kaufrausch-Carsti" diskriminiert hatten. Da dieser Markt aber so riesig ist, schafften wir gerade mal die ersten beiden Etagen. Ich habe es trotzdem geschafft, Hunderte von chinesischen Verkäufern bei Laune zu halten, weil ich eine Unmenge Hosen anprobiert habe und keine passte, weil man mit den Größen hier nicht viel anfangen kann. Mal passt die XXXL und manchmal ist schon die M zu groß. Manche Sachen (v.a. T-Shirts) haben sie auch nur in einer Größe - genau richtig für kleine, dünne Chinesinnen, aber nix für einigermaßen normale Europäerinnen.
Nach dem Perlenmarkt machten wir uns auf zum Theater, das gleich in der Nähe sein sollte. Als wir dann schon eine halbe Stunde gelatscht waren und schon fast die Hoffnung aufgegeben hattenen, sahen wir plötzlich einen riesigen Bau mit tausend Lichtern, auf den viele viele Chinesen zuströmten. Das war dann endlich richtig. Wir bekamen Plätze in einer Loge und hatten eigentlich ganz gute Sicht, auch wenn der Mann vor mir ganz schön zappelig war. Gespielt wurde "Antigone" vom Griechischen Nationaltheater - natürlich Originalsprache. Aber es gab chinesische und englische Übertitel. Die liefen allerdings so schnell ab, dass man gar nicht mit dem Lesen hinterher kam. Dadurch war das Stück zeitweilig langweilig, es tat sich wenig, außer dass dort ein paar Griechen auf der Bühne ständig ihre Stühle hin und her rückten.
Zum Glück ist Steffis Englisch besser, so dass sie mir einiges erklärte, da ich das Stück auch noch nicht kannte. Das Bühnenbild war sehr modern: Stühle, Neonröhren, lange graue Mäntel, wenig historische Ausstattung. Sah eher ein bisschen wie Bertolt Brecht aus und nicht wie antikes Theater. Aber dafür, dass es Freikarten von der Schule waren, war es ganz okay (o: Der Rückweg nach Hause gestaltete sich etwas schwierig, da erst mal alle anderen Leute auch ein Taxi wollten und einige Taxis dann auch noch an uns vorbei fuhren, auch wenn wir wie wild gewinkt haben. Dafür war es sehr beeindruckend nachts durch Pekings Mitte zu fahren, denn alle großen Häuser waren mit Lichterketten beleuchtet, viele bunte Lichtspiele und Neonschilder strahlten uns an. Es war eine Mischung aus riesigem Weihnachtsmarkt und Las Vegas.
Am Samstag begaben wir uns auf Maos Spuren mit drei Lehrern aus der deutschen Schule. Wir konnten in die Höfe der Hutongs hinein schauen sowie in ein Hutong-Altersheim, in dem natürlich der Fernseher lief. Die zwei Lehrer begeisterten Steffi mit ihrem Detailwissen über das Pekinger Stadtleben und uns mit dummen Sprüchen. Herr Holztrattner, österreichischer Lehrer, beschwerte sich über den Verkehr in Peking als es wieder einen Fast-Zusammenstoß gab und meinte, das sei wieder so eine Situation, in die er nicht kommen möchte. Herr Huber meinte darauf, in Peking gebe es nur Situationen. Bei einer Mauer mit Stacheldraht grübelten sie, ob das ein Gefängnis oder eine deutsche Schule mit Antikoreanerzaun sei. Außerdem beschwerte sich Herr Holztrattner über den Besuch der Schwiegermutter, da er dann zwei Frauen zu Hause hätte, die ihm sagen, was er zu tun habe. Er sei deshalb trotz Krankheit lieber in die Schule gegangen. Als Carsten sehr verständnisvoll lachte, war ich doch etwas beleidigt (o;
Obwohl wir schon vormittags viel gelaufen waren, sind wir aufgrund des tollen Wetters noch nach Badachu gefahren. Steffi war sehr skeptisch als wir an der Endhaltestelle der U-Bahn mit ihr einem Chinesen folgten, der uns irgend etwas vor gestikulierte. Es war aber dann tatsächlich ein Fahrer, der uns in seinem altersschwachen Minibus zum Park bringen wollte. Es hat auch alles gut geklappt und wir sind nicht nach Honolulu gekarrt worden. Badachu selbst hat uns nicht so umgehauen. Es waren Hunderttausende Leute da, die Hälfte davon mit orangefarbenen Basecaps. Alles wirkte daher eher wie ein großer Rummel, da die Landschaft komplett künstlich war und alle Nase lang solche Trimm-Dich-Pfade waren, die auch an jeder Straßenecke stehen und an denen meist die Alten herum turnen. Aus jeder Ecke tönte ein Lautsprecher mit Kindergeplärre. Sie hatten scheinbar die Endlosschleife eingelegt. Später erfuhren wir, dass wir scheinbar in den Genuss der Pekingoper gekommen waren. Dadurch haben wir uns spontan entschlossen, da doch nicht hin zu gehen.
Badachu heißt übersetzt "8 Tempel", aber die sehen alle gleich aus, wenn man schon ein paar gesehen hat. Gefallen haben uns nur ein Baum, an den die Leute kleine rote Lampions mit ihren Wünschen gehängt haben und eine springende Omi, die vor Steffi herum hopste und lachte. Da es in Badachu nur bergauf geht und wir schließlich ziemlich ko waren, sind Carsten und ich mit der Sommerrodelbahn nach unten gefahren. Diesmal hielt uns kein ängstlicher Inder aus Singapur auf. Nur Carsten hat mich etwas ausgebremst. Steffi lief dann doch lieber den Berg auf sicherem Weg wieder herunter. Danach bestaunten wir noch eine traditionelle chinesische Pagode (von weitem sieht sie aus wie ein Leuchtturm), die aber erst 10 oder 20 Jahre alt war. Auch auf der Rücktour war Steffi besorgt, ob das klappernde Vehikel uns zur richtigen Station bringt und ob es das überhaupt bis dahin schafft.
Am Sonntag wurden wir wieder von einem Siemensfahrer zur Mauer chauffiert, diesmal aber in ein Dorf namens Huang Hua, wo die Mauer in ursprünglicherem Zustand erhalten ist. Dort stürzten uns gleich ein paar Bauern entgegen und wollten uns Chinaböller, Nüsse und Postkarten verkaufen - was für eine Mischung. Auf diese Chinaböller scheinen die Leute zu stehen, denn sie gingen alle Nase lang hoch und hallten ganz schön in den Bergen. Das Stück Mauer, das man hier anschauen konnte, war bei weitem nicht mehr so gut erhalten wir auf unserer ersten Tour nach Mutianyu. In Deutschland hätte man da bestimmt nicht mehr rauf gekonnt oder man hätte mindestens ein Geländer gebaut. Zuerst musste man über eine große Staumauer laufen und über eine kleine Eisentreppe, für deren Benutzung wir jeder 2 Yuan berappen mussten (auf dem Rückweg weigerten wir uns, das noch mal zu bezahlen) kam man dann endlich auf die Mauer. Der Hinweg ging bergauf und war schon recht mühsam. Dafür wurden wir aber mit einer recht guten Sicht belohnt. Auf dem Rückweg kamen wir aber ganz schön ins Pusten, weil es auch recht rutschig war.
Als wir genug gekraxelt waren, wurden wir zu den Ming-Gräbern gefahren. Das ist eine riesige Parkanlage mit insgesamt 13 Katakomben, in denen fast alle Mingkaiser begraben liegen. Davon sind aber nur zwei zugänglich und in einem waren wir drin. Dazu musste man erst mal mehrere Stockwerke eine Treppe hinunter laufen. Dann kam man in mehrere Hallen, die eher wie Fabrik aussahen als nach Grabstätte. Ein paar Särge und Marmorbänke standen auch herum, aber im Großen und Ganzen war es recht kahl und kalt. Bunt wurde es nur durch die hunderttausenden Geldscheine, die die Leute überall hingeworfen hatten. Als ob es Glück bringen könnte, wenn man einem toten Mingkaiser Geld schenkt.
Wieder draußen kam wieder von irgendwoher geheimnisvolle Musik. Wir frotzelten herum, das es wieder das Geplärre vom Vortag sei, bis wir feststellten, dass die Geräusche aus Steffis Jacke kamen. Das war uns dann doch nicht ganz geheuer, bis wir kapierten, dass es das Handy von Stephanie, unserer Gastmutter war, das sie uns für den Notfall mitgegeben hatte. Nach den Minggräbern schritten wir noch den Heiligem Weg entlang, an dem man eine Menge riesiger Steintiere und Krieger anschauen konnte. Außerdem gab es noch einen Stand, an dem man sich mit Kaiserverkleidung fotografieren lassen konnte. Das haben wir europäischen Touris natürlich gleich ausgenutzt. Carsten bekam einen gelben Mantel und eine runde, gelbe Kappe mit rotem Bommel und ich einen blauen Umhang, merkwürdige Schuhe, wo der monstermäßig hohe Absatz in der Mitte des Schuhs war und nicht am Hacken und eine blaue Haube mit viel Klimbim (Phönixe und Drachen) dran. Steffi wollte sich nicht verkleiden, setzte sich aber bei einem Foto mit dazu.
Als wir draußen waren gab es mal wieder einen kleinen Markt. Es herrschte aber Totenstille, denn die Buden waren leer, da die Verkäufer hinter den Buden schliefen, Karten spielten und sich leise unterhielten. Als sie uns sahen, ging ein monstermäßiges Gewusel los. Aus allen Ecken schossen Chinesen hervor und stürzten in ihre Bretterverschläge, um am lautesten "look lady" und "hello Sir" zu brüllen. Das war wirklich ein Anblick für die Götter und wir mussten ganz schön lachen. Aber auch die Verkäufer haben das mitbekommen und einige mussten ebenfalls lachen. Wir haben dann schnell die Mücke gemacht, bevor uns wieder einer nicht aus seinem Laden lässt. Zum krönenden Abschluss waren wir abends noch mit Gutgesells beim Inder essen. Das war aber viel zu scharf und wir haben beschlossen, das chinesisches Essen besser schmeckt.
Montag und Dienstag verliefen ganz ruhig mit Schule und mal wieder Shopping. Aber man merkt langsam, dass die Touristensaison los geht, denn im Lido-Markt waren doch recht viele Europäer und die Verkäufer ließen nicht mehr so gut mit sich handeln. Einige verlangten echt astronomische Preise und waren dann beleidigt, wenn wir das Zeug nicht kaufen wollten. Einige wurden richtig aggressiv. Sie können eben nicht verstehen, dass das auch für uns viel Geld ist und dass uns selbst billige Sachen gefallen müssen, damit wir sie kaufen. Viele Chinesen kaufen Schuhe, weil sie billig sind und nicht, weil sie schick aussehen und passen.
Ich habe mit eine Fleece-Jacke gekauft, für die ich 50 Yuan bezahlt habe. Eine Verkäuferin fing schrecklich an zu gackern als ich bezahlte, was mich doch schon sehr verunsicherte, aber Carsten meinte, sie hätte wohl die Verkäuferin ausgelacht, die mir die Jacke verkauft hat. Sie hat nämlich bei 160 Yuan angefangen und ich bin bei 50 Yuan weg gegangen. Meistens bekommt man dann die Klamotten für den Preis, bei dem man geht. Oder man geht eben zu einem anderen Stand, da viele Klamotten fast an jedem zweiten Stand hängen. Außerdem habe ich mir noch eine Hose gekauft und wir haben zusammen bestimmt 15 CD´s gekauft, die zwar kopiert sind, aber nur 2 Euro kosten. Nach dem wir schon ziemlich genervt waren von dem Gewusel der Verkäuferinnen, die immer alle zusammen strömen, wenn man an einem Stand anfing zu handeln, da die meisten nichts zu tun hatten, trabten wir mit vollen Taschen nach Hause. Diesmal hat Carsten Julian Nachhilfe gegeben und am Abend gingen wir dann noch mit der ganzen Familie bowlen.
Am Dienstag Abend waren wir in einer Akrobatikshow, wo uns Zhoe (der Fahrer) hingebracht und Karten besorgt hat, so dass wir ganz vorn in der zweiten Reihe saßen und nur ein Viertel des normalen Preises bezahlten. Wir hätten sogar in der ersten Reihe sitzen können, aber Steffi befürchtete, dass sie dann vielleicht mit machen muss. Außerdem konnte man dort auch nicht so gut sehen. Aber die Show war wirklich eindrucksvoll. Die Damen schienen aus Gummi zu sein und die Männer hatten scheinbar Gummi verschluckt. Wahnsinn, was Menschen alles leisten können. Zurück ging es wieder durch das leuchtende Peking bei Nacht.
Heute waren wir noch mal im Sommerpalast, weil wir ja bei unserem ersten Besuch so wenig Zeit und so schlechtes Wetter hatten. Diesmal war Bombenwetter, auch wenn es noch ganz schön kühl war. Erst wollten wir mit dem Bus dort hin fahren, aber dann fanden wir nicht die richtige Buslinie und nahmen doch lieber das Taxi, auch wenn das recht teuer wurde. Der Sommerpalast ist kein einzelner Palast, sondern eine ganze Parkanlage und bestimmt zwei Mal so groß wie Sanssouci. Außerdem ist er auch abwechslungsreicher, denn in der Mitte liegt ein großer See, zwischen den Tempeln und Palastanlagen ist Wald und im Hintergrund sieht man die Berge mit der Chinesischen Mauer! Um drei machten die beiden anderen jedoch schon schlapp, aber mehr kann man sich wahrscheinlich nicht ansehen, weil man so beeindruckt ist und schon viel zu verarbeiten hat. Wenn man den ganzen Park sehen möchte, muss man wirklich mehrmals kommen. Im Park liefen auch wieder mit Kleinkinder mit offener Hose herum, damit es im Notfall hinten heraus platschen kann.
Da Steffi morgen nach Hause fliegt, waren wir zum krönenden Abschluss noch Pekingente essen. Das Restaurant, das uns eine Nachbarin unserer Gastfamilie empfohlen hatte, war entgegen ihrer Aussage sauteuer (für chinesische Verhältnisse) und wirkte auch recht europäisch mit seinen Kronleuchtern und Tellern. Das Essen war aber ganz okay. Die Ente wurde ganz serviert und dann von einem Kellner am Tisch in Streifen geschnitten, damit man sie in einer kleinen Zeremonie zusammen mit Zwiebeln, Gurken, dunkler Soßen und anderem Krimskrams in einen kleinen Teigfladen legt, einrollt und auffuttert. Für das viele Geld haben wir uns dann noch die kleinen Porzellanenten vom Tisch mitgenommen (o:
Die Taxifahrt zurück ging mal wieder durch den abenteuerlichen Pekingverkehr: alle fahren wild durcheinander, hupen, verkeilen sich ineinander, hupen noch mehr, keiner fährt und dann kommt noch einer, der sich irgendwo durchdrängelt, obwohl rot ist. Man sollte nicht so oft aus dem Fenster schauen, wenn man hier im Auto sitzt.
Wir sind schon sehr gespannt auf die nächste Woche, denn da haben die Schüler Projektwoche und wir begleiten eine Gruppe (4.-7. Klasse) in die Provinz Hebei (etwa vier Stunden mit dem Bus von hier), wo wir zwei Nächte übernachten und uns verschiedene Dorfschulen anschauen. Das wird bestimmt sehr interessant. Außerdem wollen wir noch Mah Jongg und Chinesisches Schach lernen.
So - das war es für heute. Es ist gleich elf und ich bin müde.

Liebe Grüße von Carsten und Katja

Ni hao aus Beijing, (16.03.03)
Bei diesem Wetter hier kann man echt schlechte Laune kriegen. Gestern und vorgestern hat es fast den ganzen Tag geregnet. Auch die Tage davor zeigte sich das Wetter nicht gerade von seiner besten Seite. Deshalb streiken wir auch und haben in dieser Woche nicht besonders viel unternommen. Die Höhepunkte waren der Sommerpalast, die 19. Mittelschule in Beijing und unser Marktbesuch gestern.
Zur Mittelschule fuhren wir mit einigen Lehrern der Botschaftsschule im Bus. Wir wurden in einem großen Raum mit Sofas vom Schulleiter und den beiden Stellvertretern empfangen. Als Dolmetscherin war eine chinesische Lehrerin unserer Schule mit, da der Schulleiter kein Englisch sprach. Zuerst erzählte er etwas über die Schule allgemein und wir konnten Fragen stellen. In der 19. Mittelschule lernen 2.500 Schüler. In jeder Klasse sind 40-50 Schüler und jeder Jahrgang (Klasse 7-12) hat sieben Klassen. Diese Schule ist eine besser gestellte Schule in Beijing, denn die meisten Schüler zahlen Schulgeld. Die Schüler der Grundstufe zahlen kein Geld wenn sie aus dem umliegenden Wohngebiet kommen, denn in China gilt das Wohnortprinzip. Sie müssen einen Aufnahmetest absolvieren, wenn sie diesen bestehen, dann zahlen sie bis 15 Jahre nur die Materialkosten (ca. 200 RMB/Jahr), da so lange die Schulpflicht geht (Abi nach der 12. Klasse). Da die Schule aber einen sehr guten Ruf hat, wollen auch Schüler außerhalb des Schulbezirkes auf diese Schule oder auch solche, die den Aufnahmetest nicht bestehen. Sie müssen dann einmalig ziemlich viel Knete bezahlen (ca. 20.000 RMB in der Grundstufe - Klasse 7-9 und 30.000-50.000 RMB in den höheren Klassen - also maximal ungefähr 5.500 Euro). Ab der 10. Klasse müssen alle Schüler im Jahr 1.000 RMB zahlen - wer den Aufnahmetest nicht bestanden hat natürlich mehr. Dadurch sind an dieser Schule entweder sehr gute Schüler oder Kinder mit gut verdienenden Eltern.
Dementsprechend ist die Schule auch besser ausgestattet als eine "normale" Mittelschule. Da giebt es zwei Computerkabinette mit jeweils 50 Rechnern, Beamer an der Decke (viel kleiner als unsere Monster), Kameras, die auf den Tisch der Lehrerin zeigen, damit die Schüler über einen Fernseher auch in den hinteren Reihen sehen, was sie zeigt und sehr gut ausgestattete Fachkabinette (Materialien für den Kunst- und Werkunterricht, moderne und alte chinesische Musikinstrumente, einen runden Orchestersaal, riesiger Sportplatz etc.).
Chinesische Schüler haben sehr viel Unterricht. An dieser Schule sowie in ganz Peking wurde festgelegt, dass die Schüler sieben Stunden am Tag Unterricht haben (je 45 Minuten). Da sie vormittags vier und nachmittags drei Stunden haben, geht ein Schultag mit zweistündiger Mittagspause (in der die Kinder in die Schulmensa oder nach Hause gehen) von 7:30 Uhr bis 16:30 Uhr. In den chinesischen Provinzen ist samstags und sonntags ein ganz normaler Schultag und die Kinder haben je nach Alter 10 bis 12 Stunden Unterricht am Tag, weil sie zu bestimmten Zeiten im Jahr nicht zur Schule gehen können (Winter und Erntezeit) und dann eben aufgeholt werden muss, was verpasst wurde. In Peking ist der Wochenendunterricht dagegen offiziell verboten, aber an diesen Tagen hat ein Nachhilfeinstitut die Schule gemietet. Angestellt sind dort meist die selben Lehrer wie in der normalen Schule, weil das wohl ein sehr lukrativer Nebenjob ist. Da der Leistungsdruck in der Schule sehr stark ist, gibt es deshalb nur wenige Kinder, die nicht auch am Wochenende zur Schule gehen und Nachhilfeunterricht bekommen. Die Schüler kümmern sich meist auch selbst um die Nachhilfe. So wurde eine Lehrerin der Botschaftsschule von Siebtklässlern auf dem Schulhof angesprochen, ob sie einem Mädchen nicht Nachhilfe in Englisch geben könne. Dabei sprach dieses Mädchen sehr gut Englisch, aber sie wollte eben noch besser werden. Gelernt wird vor allem für die zentralen Prüfungen, die nach jedem Schuljahr statt finden und entscheiden, ob ein Schüler in die nächste Klassenstufe versetzt wird.
Die Eltern geben viel Geld für die Bildung ihrer Kinder aus, weil sie wissen, dass diese sonst nicht weiter kommen. Deshalb müssen die Kinder dieser Schule nicht unbedingt reiche Eltern haben - viel Eltern sparen dann lieber für eine gute Bildung ihrer Kinder - in Deutschland undenkbar. Schon an der deutschen Botschaftsschule streiken die Eltern gegen eine Ganztagsschule, weil sie nicht bereit sind, mehr Geld für die Bildung ihrer Kinder auszugeben, auch wenn sie vielleicht einsehen, dass das besser wäre für die Kinder. Dabei zahlt das Schulgeld eigentlich meist der Betrieb der Eltern. Aber sie wollen keinen Cent draufzahlen, obwohl die meisten hier sehr gut verdienen.
Was ich sehr interessant fand, ist die Bezahlung der Lehrer in China. Aber vielleicht sollte man eher sagen - an dieser Schule. 50% des Schulhaushaltes bezahlt die Stadt und 50% die Schule selbst. Deshalb ist man bestrebt guten Unterricht zu bieten, damit zahlungskräftige Eltern ihre Kinder dorthin schicken. Ein Mittel dafür ist neben der Ausstattung die leistungsgerechte Bezahlung der Lehrer. Diese errechnet sich aus der Leistung der Schüler. Also: wer die besten Schüler hat, bekommt auch am meisten Geld. Sind die Schüler in einer Klasse schlecht, muss der Lehrer mit Gehaltkürzungen oder sogar mit Kündigung rechnen. An dieser Schule verdient ein durchschnittlicher Lehrer 3.000 RMB (zur Zeit ca. 330 Euro, der Kurs ist an den Dollar gekoppelt) im Monat. Auf dem Land sind es natürlich viel weniger und selbst an dieser Schule hat vor 10 Jahren ein Lehrer gerade mal 100 RMB verdient. Ein Lehrer unterrichtet 12-16 Stunden pro Woche, was sehr wenig klingt, aber wenn man bedenkt, dass die Klassenstärke bei bis zu 50 Schülern liegt, haben diese Lehrer natürlich viel mehr Vor- und Nachbereitungszeit. Jeder Lehrer hat auch nur ein Fach, für das man 4 Jahre an einer pädagogischen Hochschule studieren muss. In Pension gehen die Chinesen übrigens mit 60 Jahren, Frauen sogar schon mit 55.
Die Schüler in China tragen alle Schulkleidung. Diese sieht meist wie ein Jogginganzug aus. Für den Sportunterricht ziehen sich die Schüler oft auch gar nicht erst um. Jeder Schüler hat eine Nummer und seinen Namen an der Kleidung. Leider haben wir nicht heraus gefunden, wozu das gut ist. Aber vielleicht ist es so etwas wie ein Schülerausweis, der berechtigt, das Schulgelände zu betreten. Manche Schüler hatten auch kleine Abzeichen und Orden an ihrer Kleidung. Diese bekommen sie für gute Leistungen in der Schule. An diesem Tag haben wir niemanden mit Halstuch gesehen, aber die Pioniere gibt es in China noch immer und diese sind wohl ähnlich organisiert wie die Jungen Pioniere der ehemaligen DDR, nur dass man hier wohl als Auszeichnung und mit guten Leistungen Pionier werden kann und das dann bis 16 Jahre ist. Das müsste heißen, dass nicht alle Kinder Pioniere sind.
Jeden Morgen um halb zehn trifft sich die ganze Schule zur Morgengymnastik auf dem Schulhof. Wir haben das leider nicht sehen können, aber ich kann mir vorstellen, dass es schon beeindruckend ist, wenn 2.500 Schüler auf dem Schulhof die gleiche Übung machen. Vor dieser Gymnastik machen die Schüler in ihren Klassen schon Augengymnastik, was wohl ganz typisch für China ist. Es soll vor Müdigkeit schützen und hilft angeblich der Konzentration. Der Anfang und das Ende einer Schule werden mit einem Schulappell signalisiert, bei dem sich auch alle Schüler auf dem Schulhof versammeln - ähnlich wie der Fahnenappell in der DDR.
Wir konnten auch ein bisschen in den Unterricht hineinschauen. Am Anfang der Stunde stehen die Schüler auf, wenn der Lehrer herein kommt und verbeugen sich. Der Englischunterricht wurde mit Büchern und einer Kassette abgehalten. Die Schüler sprachen im Chor nach oder die Lehrerin fragte einzelne Schüler ab, wobei der Schüler für die Beantwortung aufsteht. Auch der Vergleich der Chemiehausaufgaben wurde im Chor gemacht. Aber so diszipliniert wie man es in den Medien hört, waren die Schüler hier nicht. Sie winkten fröhlich, wenn wir an ihrem Raum vorbei kamen oder riefen sogar, obwohl Unterricht war. Sie lümmelten teilweise genau wie deutsche Schüler auf der Bank oder krakelten in ihre Bücher. Beim Klingelzeichen zur Pause wurde es sofort unruhig. Aufgestanden ist allerdings niemand - erst als die Lehrerin ein Zeichen gab.
Der Musikunterricht war ebenfalls ganz interessant. Die Kinder übten gerade ein Lied ein und sangen die Noten von der Tafel ab. Die Noten wurden aber nicht mit Noten aufgeschrieben, wie wir es kennen, sondern mit Zahlen. Nachdem sie das Lied so gesungen hatten, holten alle ein kleines Blasinstrument mit langem Schlauch hervor (Triolaverschnitt) und tröteten das Lied zusammen. Das hörte sich gar nicht schlecht an. Die Schule setzt einen Schwerpunkt auf Musik und gewinnt wohl schon seit 12 Jahren mit ihrem Orchester nationale Preise. Sie hatten sogar einen richtigen Orchestersaal und ein riesiges Arsenal an Instrumenten. Für jedes Fach gab es bestimmte Häuser. Im Haupthaus wurden nur die Hauptfächer unterrichtet. Für die anderen mussten die Schüler in die Fachgebäude wechseln. Auch ein Zeichen dafür, dass es sich wohl kaum um eine normale Schule handelt.
In der Schule war es sehr kalt - nur in den Räumen nicht, denn da war es stickig - kein Wunder bei 50 Leuten auf engstem Raum. Trotzdem wird diese Schule wahrscheinlich kein Vergleich sein zudem, was wir in der kommenden Woche in der Provinz Hebei sehen werden. Ich bin schon sehr gespannt, wie die Schulsituation in der chinesischen Provinz ist. Aber wahrscheinlich kann man auch diese Schule wieder nicht als Maßstab nehmen, weil sie ja finanziell vom "Candlelight"-Verein der Deutschen Botschaftsschule unterstützt wird.
Am Freitag Abend waren wir noch im Kino. Es kam ein neuer chinesischer Film ("Together") mit englischen Untertiteln. Es ging um einen 13-jährigen Jungen, der mit seinem Vater aus der Provinz nach Beijing kommt, um dort an einem Musikwettbewerb teilzunehmen, weil er so gut Violine spielt. Dort bekommt er auch Violinenunterricht und wohnt später sogar bei einem Lehrer, um auf einen Wettbewerb vorbereitet zu werden. Uns hat der Film sehr gut gefallen. Die Chinesen haben einen netten Humor und die Figur des Vaters, ein Koch aus der Provinz, war uns sehr sympathisch, denn er hat sein letztes Hemd dafür gegeben, dass sein Sohn, Violine spielen kann. Also - falls der mal in Deutschland kommt: anschauen. Nach dem Kino wurden wir noch in eine tibetanische Bar eingeladen. Die Einrichtung war sehr bunt, aber gemütlich. Auf einer kleinen Bühne sangen und tanzten ein paar Damen und Herren, meist die Bedienungen. Eine deutsche Gruppe tanzte nachher mit. Aber ansonsten war die Bar nicht so gut besucht. Wir probierten tibetanischen Milchtee und waren nicht besonders angetan davon, da er sehr salzig schmeckte. Dazu hatten wir Yak-Zunge bestellt, die dann aber ausverkauft war. Also nahmen wir etwas anderes vom Yak - irgendeine rote Soße, in die man kleine Gebäckstücke eintauchte. Das war nicht so gewöhnungsbedürftig wie der Milchtee, aber doch sehr seltsam. Leider sahen wir keine Mönche, die dort manchmal auch einen trinken gehen sollen.
Gestern waren wir zuerst mit einer Lehrerin der Schule unterwegs. Sie zeigte uns einen Trödelmarkt, der uns wirklich gut gefiel. Die Händler waren nicht so aufdringlich wie in den Touristenecken, da hier auch nur sehr wenige Europäer herum liefen. Hier gab es vor allem Antiquitäten, Teppiche, Korbwaren, Kleinmöbel, Porzellan, Getöpfertes, anderer Trödel und viele viele Dinge, bei denen wir gar nicht wussten, was das überhaupt ist. Und es war natürlich sehr voll. Aber es war trotzdem ein interessantes Erlebnis. Allerdings soll sich der Markt schon stark verändert haben, er wird stärker reglementiert und die kleinen Händler werden in die Außenbereiche gedrängt.
Da es andauernd regnete und der Markt draußen unter einem riesigen Dach statt fand, wurde uns schnell kalt und wir fuhren zur Mittagszeit nach Hause. Dort starteten wir einen neuen Versuch, allein ins Restaurant zu gehen und hatten diesmal Glück, denn wir bestellten Gerichte, die uns wirklich gut schmeckten. Nachmittags kam dann der Fahrer von Mathias und brachte uns mit Julian und seiner Freundin Manon- kaum zu glauben - auf den selben Markt wie am Vormittag. Da die beiden den Markt noch nicht kannten, gingen wir noch einmal darüber, schauten uns aber andere Ecken an als vorher, da der ganze Markt wirklich riesig ist. Danach fuhren wir zum so genannten "Vogelmarkt".
Das hätten wir lieber nicht tun sollen. Dort gibt es nämlich Tiere und Zubehör zu kaufen. Die Fische hatten es ja noch relativ gut, auch wenn sie in großen Plastiktüten ankamen. Aber es gab sehr schicke Aquarien zu kaufen. Die Schildkröten hatten es schon nicht mehr so gut. In einem kleinen Terrarium lagen sie alle übereinander und froren bestimmt entsetzlich in der Kälte. Julian hatte sich schon einmal eine kleine davon gekauft, die aber nach kurzer Zeit schon eine merkwürdige Augenkrankheit bekam und starb. In einer anderen Kiste waren schwarze Molche, von denen die meisten schon krepiert waren. Es gab große Badewannen voll junger Hamster, die in der Kälte und im Regen draußen standen. Viele von ihnen waren schon behindert und sahen auch so nicht besonders gesund aus. In kleinen Käfigen saßen Katzen und warteten darauf, dass sie gekauft wurden. Eine einzelne Katze hatte nicht mal eine Decke und fror und mauzte ganz jämmerlich im Kalten. Aber das Schlimmste war ein kleiner Gitterverschlag (vielleicht 10 cm hoch und vierzig lang, bzw. breit), in dem unzählige Wellensittiche eingequetscht waren. Sie hatten gar keinen Platz, sich zu bewegen, zertrampelten sich gegenseitig und verletzten sich ihre Flügel am Gitter - und alles in der regnerischen Kälte. Tierschutz ist für die Chinesen weitgehend unbekannt. Tiere sind Ware, mit der man Geld verdient. Das hat mir China wirklich unsympathisch gemacht. Und ich hatte mich schon aufgeregt über die kleinen Vogelkäfige, in denen die Chinesen vor allem am Wochenende ihre Vögel mit in den Park schleppen und an die Bäume hängen. Aber da sitzen nur ein oder zwei Vögel drin (meist einheimische Vögel, aber auch Beos und Papageienarten) und nicht 100. Ich hoffe nur, dass es wenigstens den Hunden besser geht, die in Peking erst seit einiger Zeit überhaupt erlaubt sind. Noch sind es nicht so viele, aber die Häufchen werden mehr. Zum Essen scheinen die aber nicht gehalten zu werden.
Anschließend waren wir noch in einem großen Kaufhaus. Dies war ähnlich aufgebaut wie bei uns Karstadt, aber alles gedrängter und mit noch mehr Kundschaft. Dementsprechend glaubt man sich auch eher in einem kapitalistischem Land als in China.
Heute ist mal wieder ein fauler Tag. Carsten kontrolliert Klassenarbeiten der 12. Klasse, ich schreibe Mails und wollte eigentlich Mah Jongg lernen, fand die Regeln aber zu kompliziert. Nachher gehen wir bestimmt noch schwimmen oder Tischtennis spielen. Und für meine Zwischenprüfung muss ich schließlich auch mal was tun.

Beste Grüße von Carsten und Katja

Hallo aus Beijing, (20.03.03)

na das sind ja Nachrichten, die man hier im Internet liest. Die letzten drei Tage waren wir ja ein bisschen abgeschnitten von der Welt und haben so erst gestern erfahren, wie eng es steht und dass heute der Irakkrieg begonnen hat. China ruft zum Abbruch aller Kampfhandlungen auf und bekennt sich erstmals öffentlich gegen den Krieg. Unsere Schule hat der Kriegsausbruch nur so weit betroffen, dass eine Mutter, die derzeit bei den Projekttagen mit hilft, in der amerikanischen Botschaft arbeitet. Diese Leute wurden heute alle mit ihren Familien in Sicherheit gebracht. Für das Projekt war es egal, denn "Beijing by bike" war heute sowieso nicht drin, weil es wieder mal den ganzen Tag geregnet hat - so viel zur Nähe Pekings zur Wüste Gobi.
Aber dafür hatten wir für unsere Dorf-Exkursion aufs Land Bombenwetter. Der Himmel war blau, die Sonne schien wie verrückt. Nur im Schatten war es noch ziemlich kalt. Für die Mädels in unserer Gruppe schien aber schon Hochsommer zu sein, denn die ließen sich echt nicht ausreden, dass 7°C noch zu kalt seien für Spaghettiträgertops. Und in den Bergen war es sicherlich noch kälter, denn dort lag stellenweise noch Schnee - und da das vier Stunden weit weg von Peking ist, war es bestimmt auch kein Atomschnee. Schon die Hinfahrt in die Provinz Hebei (nordöstlich von Peking) war echt lohnenswert. Wir fuhren über Badaling. Das ist einer der berühmtesten Orte von denen man auf die Chinesische Mauer klettern kann. Dort tummelten sich auch schon die Touristen, obwohl die Saison ja erst im Anlaufen ist. Es ist einfach grandios bei blauem Himmel durch die Berge zu fahren und die Mauer schlängelt sich dort in die Unendlichkeit. Badaling hat auch ein paar hübsche Tempelanlagen und eine Festung. Die Mauer ist dort zum Teil dreifach gebaut, da die Stelle lange Zeit ein wichtiger Pass über die Berge war.
Leider hatten wir keine Zeit zum Anhalten, da wir mit der Internatschule verabredet waren, die wir besuchen wollten. Vorbei kamen wir noch an einem tollen Bergsee und sagenhaften Felsen. Am meisten hat mich ein Felsen beeindruckt, der fast aussah wie Ayers Rock in Australien. Der war genau hinter der Schule. Nach dreieinhalb Stunden Fahrt mit einem Minibus wurden wir in der Dorfschule im wahrsten Sinne des Wortes mit Pauken und Trompeten empfangen, denn die Schule hatte erst im Dezember ein komplettes Orchester aus Fanfaren, Trommeln und Becken gespendet bekommen. Vor dem Tor standen die Mädchen mit ihrer Schulkleidung und wedelten mit Flitterboas, die sie dann unseren Kindern umlegten. Es fehlte wirklich nur noch der rote Teppich. Das ganze Dorf hatte sich zusammen gefunden. Der Direktor der Schule hatte uns schon an der Grenze zur Provinz Hebei empfangen, obwohl das auch noch eine Stunde Fahrt war. Nach Hebei kommt man normaler Weise als Ausländer gar nicht - nur, wenn man Verwandte oder Bekannte dort hat. Ausländische Touristen dürfen dort nicht herein. Aber wir waren ja eine Abordnung der Deutschen Botschaftsschule und von "Candlelight e.V.", einem Verein, der Spenden für Dorschulen in der chinesischen Provinz sammelt.
Wie gesagt - der Empfang war bombastisch für diese arme Schule, in der sich manche Schüler nicht mal die 25 Yuan (ca. 3 Euro) Schulgeld im Semester leisten können. Auch unsere Kinder waren sichtlich gerührt über so viel Herzlichkeit. Als erstes lernten wir schon mal die chinesische Gemütlichkeit kennen. Wir wurden in die Bibliothek der Schule geführt, die wie alle Räume der Schule einen kleinen Ofen hatte, dessen Rohr den Ruß durch ein Loch im Fenster nach draußen leitete. Dort bekamen wir Tee, Wasser, Apfelsinen und Bonbons. Bis wir dann endlich wussten, wie es weiter gehen sollte, verging erst einmal eine Stunde. Bei den Chinesen geht eben alles ein bisschen langsamer. Das sollten wir noch viel öfter in den folgenden zwei Tagen spüren, denn die meiste Zeit verbrachten wir Erwachsenen mit Warten auf die Offiziellen, denn als Ausländer durften wir uns nur mit Begleitung fort bewegen. Den Kindern wurde die Zeit zum Glück nie lang, denn die chinesischen Kinder waren sehr offen und bezogen unsere Kinder gleich in ihre Spiele mit ein. Zwei oder drei der Kinder konnten auch Chinesisch, so dass man sogar Fußballregeln miteinander vereinbaren konnte. Wir hatten aber auch eine offizielle Übersetzerin dabei, die an der Deutschen Botschaftsschule Chinesisch unterrichtet.
Noch am Montag machten wir einen Rundgang durch das kleine Internat. In dieser Schule lernen 250 Kinder der 5. und 6. Klasse. Die Kleineren versucht man immer noch in den Grundschulen in der Nähe ihres Heimatdorfes unter zu bringen, so dass sie jeden Abend nach Hause fahren können, aber selbst das ist nicht immer möglich. Viele Bauernfamilien könnten es sich auch gar nicht leisten, ihre Kinder ständig auf ein Internat zu schicken - auch wenn es nur 50 Yuan Schulgeld pro Jahr kostet. An der Schule unterrichten 22 Lehrer und die Klassen sind etwas kleiner als in der Stadt - so 35-40 Kinder. Die Klassenräume waren sehr karg eingerichtet: uralte Schulbänke, jede anders, jede hatte eine andere Altersschwäche. Ein Ofen stand in der Mitte des kleinen Raumes. Da die Fenster aber nicht dicht sind, war es trotzdem kalt, vor allem an den Füßen. Zum Glück haben die Kinder etwa 6 Wochen Winterferien, weil es im Januar und Februar einfach zu kalt ist in den Bergen, wenn man noch bedenkt, dass die meisten Kinder nicht einmal warme Schuhe oder Jacken haben. Wir bibberten in unseren dicken Goretex-Jacken und die Kinder liefen dort mit Hausschuhen, Turnschuhen und Trainingsjacke herum. Alle Bänke haben zwar eine Querleiste, um die Füße nicht auf den Boden stellen zu müssen (nach 10 min hat man dabei nämlich Eisfüße), aber viel besser macht das die Sache auch nicht.
Für die Kinder gibt es drei Mahlzeiten am Tag, die sie selbst bezahlen müssen. Sie kosten je 50 Fenn, also 0,5 Yuan. Das sind etwa 6 Cent - viel Geld für einige. Die Kinder bringen dazu ihre eigenen Schüsseln und Stäbchen mit. Einen Essenraum gibt es nicht. Gegessen wird draußen oder im Schlafsaal, der aber nur abends geheizt wird, um Kohle zu sparen. Wir dagegen wurden vom Direktor zu Tisch gebeten, zwar auch in einem kalten Raum, aber wir bekamen nicht nur Reis mit Fleisch, sondern viele verschiedene Dinge - am beliebtesten auf dem Land ist scheinbar Tofu. Für mich war das Essen schon etwas gewöhnungsbedürftig, weil ich das meiste nicht kannte. Aber man sah, dass es das Beste war, was sie uns bieten konnten. Die chinesischen Kinder bekamen dagegen nur sehr einfache Gerichte wie etwa Gemüsereis. An einem Abend gab es sogar Wachteleier, aber die sind hier nicht so teuer wie in Deutschland. Zum Glück gab es keine hundertjährigen Eier (o:
Unsere Kinder waren erstaunlich zufrieden mit dem Essen und pickten sich eben heraus, was ihnen schmeckte. Ich hätte bei den fünf-Sterne-Restaurant-verwöhnten Gören eher erwartet, dass sie mäkeln und herum zicken. Aber sie spürten, dass dieses Essen für die Leute etwas Besonders war und die Küchenfrauen schauten unseren Kindern begeistert zu wie sie ihre Speisen verputzten. Öfter hörte man sogar "lecker lecker"-Rufe von den Kindern. Wir Erwachsenen saßen an einem anderen Tisch und mussten mit den "Offiziellen" Reisschnaps saufen. Die "Offiziellen" waren der Direktor der Schule, einige Lehrer und Verwaltungsmitarbeiter und zwei Herren, die man vielleicht mit einem Kreisschulrat vergleichen kann. Allerdings verdienen die keine Beamtenbezüge, sondern gerade mal 720 Yuan (ca. 80 Euro) im Monat. Die Lehrer der Schule verdienen gerade mal 300-500 Yuan. Und dann erzählte uns der Direktor am Schluss unseres Besuches sogar noch (als der Kreisschulrat weg war), dass sie noch auf 10.000 Yuan für die Löhne ihrer Lehrer warten. Man fragt sich, von was diese Leute leben können, denn hungernde oder abgemergelte Menschen haben wir eigentlich nicht gesehen und ich glaube nicht, dass man die extra vor uns versteckt hätte. Die Leute wirkten schon zufrieden mit dem was sie haben. Für ihre Kinder (von denen die meisten Familien auf dem Land trotz der "Ein-Kind-Politik" immer noch zwei haben) erhoffen sie aber mehr und stecken deshalb ihren letzten Mao in sie hinein, damit die Kinder zur Schule gehen können, um später vielleicht mal aus dem Dorf heraus zu kommen.
Nach dem Abendbrot schauten wir uns noch die Schlafsäle der Kinder an: 32 Betten auf vielleicht 50 qm. Ihre Habseligkeiten hatten die Kinder in bunt bemalten Holzkisten unter den Betten. In einem Regal standen ein paar Gläser mit undefinierbarem Inhalt - wahrscheinlich irgendwelche Kräuter, die die Kinder zwischendurch mal essen. Auch hier gab es wieder diesen Miniofen mitten im Raum. Schränke gab es keine. Die spärliche Lampe reicht nicht aus, damit die Kinder dort abends noch lesen oder Hausaufgaben machen können. Das müssen sie in den Klassenräumen machen. Viel Freizeit haben die Kinder sowieso nicht, weil sie jeden Tag von 8:00-17:00 Unterricht haben und selbst die Pausen mit Gymnastik verplant sind. Auch der Abend soll fürs Lernen genutzt werden - laut Tagesplan. Von dem bekamen wir aber nicht all zu viel mit, da wegen uns eher der Ausnahmezustand herrschte und am Dienstag sogar schulfrei war.
Am Abend wurden wir dann in unser Hotel gebracht. Erst wollten wir ja in ein Hotel fahren, dass die Lehrerin, die das organisiert hat, schon kannte, aber dann entschieden wir uns für ein einfacheres im Ort, weil es billiger und nicht so weit weg war. Außerdem sollte es wärmer sein. Wie einfach das war, erfuhren wir erst als wir dort waren. Im Dorf gab es nur noch Matschwege, weil es den Tag vorher gerade geregnet hatte und wir staunten nicht schlecht als wir in einen Innenhof einbogen, um den herum ein paar verfallene Bretterbuden standen. Aber so schlimm war es dann doch nicht, da wir dann doch in ein richtiges Haus hinein geführt wurden, in dem es Fliesen gab.
Aber so wirklich lecker war das Hotel nicht: Pisspötte vor der Tür, der eine war noch nicht mal entleert, das Klo auf dem Gang hatte nur einen Vorhang der einem von oben etwa bis zum Bauch ging - sehr schlau bei diesen Lochtoiletten. Außerdem stank es natürlich erbärmlich im ganzen Flur danach, da die Spülung nur sehr spärlich ging. Die Zimmer waren nicht wirklich sauber - auch die Bettwäsche nicht. Zigarettenkippen lagen herum und Staubflusen. Wir Erwachsenen hatten sogar Zimmer mit so etwas wie einem Bad, aber auch das war keimig, stinkig und die Badewanne hatte keinen Wasseranschluss. Trotzdem kamen die Kinder lieber zu uns auf die Toilette. Das war immer noch besser als das Exhibitionistenklo auf dem Gang und wahrscheinlich ein Luxusklo gegenüber den Schulklos, die ich persönlich lieber nicht besucht habe, da mir die Erzählungen der Kinder schon gereicht haben. Ich hatte wirklich keine Lust mich über ein stinkendes Loch zu hocken, auch dann nicht, wenn direkt neben mir ein nettes kleines chinesisches Mädchen hockt und ganz freundlich "Ni hao laoshi" ("Guten Tag Lehrerin!") sagt. Ich habe in diesen Tagen noch nie so gern in der freien Natur gek....
Für jeden westlichen Touristen wäre dieses Hotel ein Alptraum, zumal die chinesischen Gäste (speziell unsere beiden Fahrer) noch bis in die Puppen Mah Jongg spielten und sich laut unterhielten. Außerdem fiel irgend einem Irren ein so kurz vor Mitternacht sein Schweißgerät heraus zu kramen. In der zweiten Nacht war es ein Hammer. Chinesen arbeiten scheinbar 24 Stunden am Tag. Aber wir waren hart und blieben. Und wieder musste ich über die Kinder staunen. Sie hatten zwar schon vorher Bedenken, dass ihnen das Hotel gefallen würde, weil sie ja sonst wirklich nur mindestens vier Sterne gewohnt sind - das hier war ja nicht mal minus einer. Aber sie murrten nicht, sondern waren furchtbar verständig, weil sie wussten, dass es wahrscheinlich immer noch besser war als die Wohnverhältnisse der Dorfbewohner. Außerdem waren die Kinder auch so furchtbar brav: gingen freiwillig ins Stinkebad, um sich zu waschen und Zähne zu putzen, machten allein um 10 das Licht aus und machten nach elf keinen Mucks mehr. Ein Traum für jedes Ferienlager, denn ansonsten waren sie echt nette Kids - die Mädels zwar ein bisschen zu verkreischt, aber was will man von acht 9-13-jährigen Gänsen erwarten? (o; Auch die vier Jungs waren echt in Ordnung und machten keinen Blödsinn.
Kurz vor dem Hotel fuhren wir noch an einem abendlichen Fächertanz vorbei, der scheinbar so etwas wie Gymnastik für die Chinesen ist, da wir so etwas auch schön öfter in den Parks von Peking gesehen haben. Da machen vor allem die älteren Frauen mit, manchmal sogar Männer. Wir gingen dann noch mal hinaus, um uns das aus der Nähe anzuschauen. Unsere Begleiter wurden davon anscheinend total überrascht, sie kamen uns jedenfalls ziemlich hektisch nachgerannt. Man wollte wohl nicht, dass wir uns unters Volk mischen und dieser Kreisschulrat schien seiner eigenen Bevölkerung nicht ganz zu trauen. Angst hatten wir aber wirklich keine, auch wenn es schon dunkel war. Den Kindern wurde es nur etwas unheimlich, weil die Leute sehr nah kamen und neugierig schauten. Da waren die Kinder nicht so verständig und schimpften über die Glotzer und Gaffer. Erst als wir ihnen erklärten, dass die wahrscheinlich noch nie weiße Kinder gesehen haben, waren sie etwas einsichtiger, waren aber trotzdem genervt, weil auch die Internatsschüler ihnen sehr auf die Pelle gerückt waren und sie an der Hand genommen hatten und nicht mehr los ließen.
Am nächsten Morgen aßen wir wieder im Internat und die Kinder spielten mit den chinesischen Schülern auf dem Hof. Unsere Jungs waren natürlich stolz wie Oskar als sie haushoch gegen die chinesischen Kinder im Fußball gewannen, nachdem Carsten sie erst einmal aus dem Bus gelockt hatte, indem er mitspielte. Als dann aber später die großen Jungs aus der sechsten Klasse gegen sie spielen wollten, die meist schon 14 waren, war es dann wohl aber doch nicht mehr so lustig, weil die ziemlich foulten. Danach gab dann es dann die festliche Zeremonie - wieder mit Pauken und Trompeten, einem echtem Zeremoniekomitee auf wackeligen Schulbänken und Dankesreden. Wir kamen uns vor wie in alten Zeiten, erst recht als unsere Kinder dann an die gespendeten Fanfaren kleine Fähnchen mit Rotgardistenemblem heften durften und der Deutsche Botschaftsschule als Dank für die gespendeten Instrumente ein rotes Banner mit Beschriftung überreicht wurde.
Kulturbeiträge gab es auch. Die chinesischen Kinder hatten Lieder mit Flöten, Keyboard und Schlagzeug eingeübt. Die Flöten hörte man leider gar nicht, aber der Knirps am Schlagzeug war echt gut. Vor allem hatte er Spaß an der Sache. Ein Knirps sang dann noch aus voller Kehle ein Lied und die Mädchen tanzten mehrmals - mal mit Fächern und mal ohne. Unsere Kinder hatten am Abend vorher noch schnell "Ein kleiner grüner Kaktus" und die deutsche Nationalhymne einstudiert. Außerdem wollten sie unbedingt nach dem "Ketchupsong" tanzen, was auch immer das war. Witzig war die Installation der Technik. Zwar hatte die Schule ein Mikro, aber natürlich nur einen altersschwachen Kassettenrecorder und keinen CD-Player. Also nahmen die Kinder die CD vom Discman auf einer Videokamera auf und hielten diese dann ans Mikro. War ganz schön umständlich, aber den Kindern war dieser Song scheinbar wirklich wichtig und sie hatten viel Spaß dabei.
Nach der Zeremonie gab es Mittag und wir warteten mal wieder ewig bis es weiter ging, denn am Nachmittag waren wir in einer anderen Dorfschule angemeldet. Diese lag in einem noch ärmeren Dorf und hatte 150 Schüler von der ersten bis sechsten Klasse, von denen nur 20 Kinder über Nacht blieben. Im Winter sind es allerdings viel mehr, weil die Kinder trotzdem oft weite Schulwege haben und dann im Dunkeln nicht mehr nach Hause laufen können. Die kleinen Klassen waren hier sogar altersgemischt - nicht aus pädagogischen Gründen wie in deutschen Reformschulen, sondern aus Platzmangel. Der Schlafsaal war noch ärmlicher und die Schweine und Hühner rannten über den Schulhof. Die gehörten wohl dem Lehrer, damit der genug zum Frühstück hat. Für diese Schule hatten die Kinder Anziehsachen, Süßigkeiten und Plüschtiere gesammelt. Außerdem hatten wir Schulmaterialien gekauft. Bei der feierlichen Übergabe kam dann noch ein chinesischer Rocker mit seiner Braut, schaute cool in die Runde und fuhr dann wieder ab. In dem Dorf mit unserem Hotel gab es nämlich auch einen Superluxusmotorradshop, den er wahrscheinlich kurz vorher besucht hatte. Komisch ist nur, dass ein Typ, der sich so eine Maschine leisten kann, noch auf dem Dorf lebt und nicht schon nach Peking abgedampft ist. Aber da würde er ja mit seinem Motorrad nicht mehr so schön auffallen.
Leider hatten wir in dieser Dorfschule nur wenig Zeit, so dass wir auch bald wieder los mussten, um rechtzeitig zurück zur anderen Schule zu fahren, da dort unser Abendbrot wartete. Vorher führten uns unsere chinesischen Begleiter durch das Dorf. In ein Haus durften wir sogar hinein. Aber Carsten meinte, dass es wahrscheinlich das Haus vom LPG-Vorsitzenden war, weil der Hof gepflastert war und vor der Tür ein kleiner neuer Transporter stand. Aber das Haus war trotzdem sehr einfach: zwei Räume, einer diente als Wohnküche mit einem großen Wok als Herd. Einen richtigen Tisch gab es nicht, nur ein paar Hocker. Der Ofen war so gebaut, dass er durch die Wand geht und das Bett gleich mit beheizt. Der einzige Luxus im Haus war eine riesige Uraltglotze. Die Kinder erzählten später, das einzige Spielzeug des Kindes dort war eine Spielzeugpistole und ein kleines Auto. Die Ställe der Tiere waren aus Lehm und Stroh gebaut und Wasser gab es nur über einen Brunnen. Auf unserer "Sightseeingtour" hatten wir einen kleinen Rattenschwanz Dorfbewohner dabei, die neugierig guckten und die meiste Zeit grinsten. Großer Höhepunkt für unsere Kids war ein Babyesel, der gerade mal drei Tage alt war. Eigentlich wollten die Kinder noch Süßigkeiten an die Dorfkinder verteilen, aber die sahen wir kaum, da die ja gerade erst aus der Schule kamen. Also wurden die Bonbontüten mit roter Pappnase auch an ein paar zahnlose Alte verteilt. Die konnten sich damit wenigstens nicht mehr ihre Zähne verderben.
Das Abendessen im Internat war wieder reichlich und ungewöhnlich. Die Kinder waren schon etwas müde von der Gafferei, aber spielen konnten sie trotzdem noch. Im Hotel gabs noch wilde Gruppenspiele, aber danach gingen die Kinder wieder furchtbar brav und ohne mit der Wimper zu zucken ins Bett. Am nächsten Morgen ging es noch einmal kurz zur Schule, wo die Kinder mit den chinesischen Schülern Interviews machten, die sie vorbereitet hatten, da die ganze Fahrt ja im Rahmen eines Projektes lief und die Kinder dazu auch etwas schreiben sollten. Bei der Verabschiedung gab es noch eine kleine Geldspende, die dadurch zustande kam, dass die Kinder durch das billige Hotel ja Geld gespart hatten. Da waren sie natürlich stolz wie Oskar als sie erfuhren, dass mit diesem Geld sechs Schülern ein ganzes Schuljahr finanziert werden könne, so dass sie nicht zu Hause bleiben müssen. Auf dem Heimweg kam dann doch noch eine merkwürdige Eigenart der verwöhnten Großstadtgören zu Tage: Sie wollten unbedingt wandern und auf Berge klettern. Das machten wir dann auch, obwohl es schneite und arschkalt war. Auf dem Berg entdeckten wir dann noch kleine Lehmhöhlen, in denen scheinbar Hirten oder so wohnen, wenn sie ihre Ziegen dort weiden lassen, denn es gab eine kleine Feuerstelle und die eine Höhle war mit Bastmatten ausgelegt.
Als wir endlich wieder vor der Botschaftsschule standen, haben zwei Kinder, vor lauter Freude, wieder zu Hause zu sein, erstmal ihr komplettes Gepäck im Bus vergessen und sind zum Schulbus gestürmt. Zum Glück konnten wir sie da noch mal rechtzeitig wieder heraus zerren. (o: Wir fuhren dann auch mit dem Schulbus nach Hause, obwohl das eigentlich nicht erlaubt ist. Die haben sich ganz schön affig mit ihrem Schulbus und arschteuer ist der auch - fast so teuer wie jeden Tag Taxi. Aber da wir mit dem Busbeauftragten höchstpersönlich bekannt sind - und der auch mit fuhr - konnten wir kostenlos mit fahren. Ja ja Vitamin B bringt einen voran. Zu Hause angekommen, stürzten wir uns gleich ins Schwimmbad, um wieder porentief rein zu werden. Danach gingen wir noch thailändisch essen. Leider war mir noch etwas übel vom Essen der Vortage und das Essen kam auch so kleckerweise, dass es keinen Spaß gemacht hat.
Heute hat Carsten unsere Projektgruppe im Stich gelassen und hat chinesisches Schach gelernt. Wir haben noch einmal die letzten Tage aufgearbeitet. Die Kinder haben zusammen getragen, was ihnen gefallen hat und ob sie ihre Wünsche für das Projekt bestätigt sahen. Alle waren hoch zufrieden. Danach belegten wir den Computerraum und jedes Kind war Experte für einen Teil der Expedition. Einige schrieben über die Bauernhäuser, andere werteten die Interviews aus oder schrieben etwas zu unseren Wanderungen. Später kam der abtrünnige Carsten dann doch noch dazu und wir scannten gemeinsam Fotos ein, die schon fertig entwickelt waren. Eine Powerpointpräsentation habe ich dann auch noch erstellt, denn morgen werden die Projekte schon präsentiert. Ziel des Projektes soll neben dem sozialen Lernen der Kinder eine Spendenaktion sein, da man den Schulen vor allem neue Stockbetten für die Internatsschüler kaufen und den Schlafräumen neue Fenster verpassen möchte. Eine Mutti hat uns begleitet und gefilmt. Leider musste sie schon einen Abend vorher fahren, weil sie zum Formel 1 nach Malaysia wollte. Aber sie hat versprochen, dass sie uns eine Kopie des Films am nächsten Montag mitbringt. Durch die ganze Hexerei am Computer waren wir heute 11 Stunden in der Schule. Davon war ich sieben Stunden im Computerkabinett. Vorher war noch ein Mathematikwettbewerb, den wir beaufsichtigt haben.
Eigentlich wollten wir ja am Wochenende nach Xian zur Terrakotta-Armee, aber das ist uns für die letzten Tage zu stressig. Zudem sind wir von den Ming-Gräbern noch ziemlich enttäuscht und in Xian soll es genauso nüchtern aussehen. Außerdem ist mal wieder Mistwetter, so dass wir lieber hier bleiben. Am Samstag geht es wieder mit Siemens in die Berge und am Sonntag fährt eine Lehrerin mit uns vielleicht raus, weil ihre Tochter auch gerade ein Praktikum an der deutschen Botschaftsschule macht. Am Montag muss ich ja noch mal zwei Stunden in Politik ran, dann kommt leider schon die große Verabschiedung. Am Dienstag gegen 11 Uhr geht dann unser Flieger gen home. Stephanie blödelte schon rum, ob sie uns wegen dieser mysteriösen Lungenkrankheit aus Südchina überhaupt rein lassen. Aber wir sind ja in Nordchina. Allerdings geht es ja nun auch im Irak los und die ersten Flüge aus Asien werden schon umgeleitet. Hoffen wir das Beste, also in diesem Fall, dass der Krieg gar nicht erst richtig los geht.

Liebe Grüße und bis bald, Carsten und Katja

Nihao aus Beijing, (24.03.03)
Hier kommt nun schon die 11. und letzte Mail aus China. Die Zeit verging echt rasend schnell und wir würden wirklich sehr gern noch bleiben. Ich war gestern echt fertig, weil ich hier einfach nicht mehr weg möchte. Carsten packte erst heute die Wehmut als er sich von der 12. Klasse verabschiedete, bei der er Deutsch unterrichtet hat. Zum Ausgleich ärgerte er sich mal wieder über die doofe 10. Klasse, die seinen Geschichtsunterricht nicht mitmachen wollte.
Aber kommen wir lieber zu den schöneren Ereignissen der letzten Tage. Am Samstag machten wir zusammen mit fünf chinesischen Ingenieuren und Mathias von aus Siemens einen Ausflug in die Berge, zum Mil Fung Shan, um genau zu sein. Dort sollte uns ein taoistischer Tempel für den Himmelsgott erwarten. Zhou, der Fahrer von Mathias, der mal wieder seinen Freund geschickt hatte, um uns zu fahren (Mathias meint, das seien alles Leute, die Wettschulden bei Zhou hätten), sagte, dass wir da nur den Berg rauf müssten, dann käme der Tempel und dann sollten wir den Berg auf der anderen Seite wieder herunter laufen. Dort sollte der andere Fahrer dann auf uns warten.
Wir stiegen also frohgemut aus dem Wagen und der Fahrer brauste davon. Irgendwie hatten unsere mitreisenden Chinesen aber vergessen, nach dem genauen Weg zu fragen. Also kraxelten wir den Berg erst einmal ein Stückchen rauf. Schon nach 50 Metern waren wir schon ganz schön am Pusten. Als wir bereits eine Weile gelaufen waren, kamen die Chinesen erst einmal auf die Idee, nach dem Weg zu fragen. Der herunter kommende Wanderer, den sie fragten, zeigte dann erst einmal in die entgegen gesetzte Richtung und erzählte irgendetwas lang und breit. Die Chinesen übersetzten uns seinen Roman dann auf Englisch. Wir sollten zum Tempel rauf, dann den Berg auf der gleichen Seite wieder herunter, dann zum nächsten Berg, den auf der anderen Seite wieder herunter und dann noch einen Berg wieder rauf und wieder runter. Das sollten wir also in drei Stunden schaffen? Der Wanderer meinte, dass man dazu vier oder fünf Stunden bräuchte, aber da er den genauen Weg auch nicht wusste, meinte, er, bestimmt etwas länger. Dort oben wohnt ja auch keiner, den man fragen kann.
Da wir keine Lust hatten, in den Bergen der chinesischen Provinz verschollen zu gehen, rief Mathias Zhou an, damit der unseren Fahrer anrufe, dass der wieder zu unserem Ausgangsort komme, um uns dort wieder abzuholen. Wir konnten den Fahrer ja nicht erreichen, weil wir auf dem Berg standen und er im Tal hinter dem übernächsten Berg war, so dass wir keine Funkverbindung hatten. Wir sind echt froh, dass wir unsere fünf chinesischen Begleiter überreden konnten, dass uns ein Berg reicht. Sie waren ja der Meinung, dass man ruhig alle drei Berge besteigen könnte. Wir haben für den einen schon eine dreiviertel Stunde gebraucht bis wir oben waren.
Oben angekommen (*schnaufschnauf*), erfuhren wir erst einmal, dass dieser Tempel ein so genannter Babytempel ist, wo die Leute hingehen, wenn sie sich ein Baby wünschen. Da kamen von Mathias natürlich gleich blöde Bemerkungen. Die Chinesen hatten zum Glück einen aus ihrer Mitte im Visier, der erst vor ein oder zwei Jahren geheiratet hat und noch keine Kinder hat. Die anderen waren noch jünger - etwas älter als Carsten. Als wir die Tempelanlage betraten, sah man als erstes ein quietschbuntes Bild mit zwei Babys darauf und einem fliegenden Pferd in der Mitte. Einer unserer chinesischen Begleiter erklärte uns, dass im letzten Jahr das Jahr des Pferdes war und sie das Bild für dieses Jahr (das Jahr des Schafes) noch nicht umdekoriert hätten, da die Touristen- und scheinbar auch Pilgerersaison erst im Mai beginnt.
Die vielen kleinen Tempel sahen so aus wie die meisten chinesischen Tempel: Dachreiter (dazu komme ich später), große Zinkwannen davor für die Räucherstäbchen, die die Chinesen zu Massen anzünden und dort hinein tun, und im Tempel ein oder mehrere Buddhas mit Kissen davor, so dass man sie anbeten kann. Vor den Buddhas stehen dann immer große Tische mit Opfergaben. Auch hier war es wieder frisches Obst, unangezündete Räucherstäbchen und extra für den Babytempel quietschbunte (echte) Geburtstagstorten aus Zuckermasse (für den Geburtstag des Buddhas - nicht für das Baby) und Kinderschuhe. Erstaunlich war, dass es hier auch weibliche Buddhas gab. Das ist sonst nicht so. Die Halle mit dem Himmelsgott, dem höchsten Gott der Taoisten, war fast zur Hälfte mit gespendeten Räucherstäbchen zugeschüttet und die Leute haben große, mit goldenen Schriftzeichen bestickte Banner aufgehängt - als Dank an den jeweiligen Gott - wahrscheinlich, weil sich Kindersegen eingestellt hatte. Mathias erzählte uns, dass der Segen für ein Baby wohl vier Monate hält, wenn man auf diesen Berg zum Tempel kraxelt. Wenn es nach vier Monaten immer noch nicht geklappt hat, muss man eben noch mal rauf.
Wir werden wahrscheinlich nie Kinder kriegen, denn wir haben zwei Dachreiter geklaut, die hinter einem Tempel auf einem Schutthaufen lagen. Dachreiter sind Tonfiguren, die auf dem Dachfirst von Tempeln und Fürstenhäusern sitzen. Sie haben verschiedene Bedeutungen. Als erstes sitzt immer ein Löwe. Der soll die bösen Geister erschrecken. Nur auf Tempeln sitzen Pferde, die alle Dämonen endgültig in die Flucht schlagen sollen. Bei den anderen wissen wir die Bedeutung nicht so genau. Den Löwen nehmen wir selbst mit und das Pferd haben wir Steffi geschenkt, weil sie vom chinesischen Sternzeichen ein Pferd ist. Sie hat sich sehr darüber gefreut, denn Dachreiter bekommt man nicht so einfach zu kaufen. Sie sind aber etwas typisch Chinesisches und sehen wirklich schick aus. Mal sehen, ob unser Löwe den Flug im Hartschalenkoffer überlebt. Carsten fühlte sich beim Einpacken wie ein Dieb, aber wir denken, dass sie die Viecher echt weg geworfen hätten, denn der Tempel, an dem der Schutthaufen lag, war gerade neu gemacht worden und die Dachreiter darauf waren ganz neu. Mit unserer Last kletterten wir den Berg wieder herunter und haben allein für diesen Berg schon fast drei Stunden gebraucht. Wer weiß, wann wir dann endlich den dritten erklommen hätten.
Nach unserer Kraxelei waren wir noch beim Italiener essen, was für die Chinesen natürlich etwas ganz Besonderes war. Wir warteten sehr gespannt darauf, wie sie sich mit Messer und Gabel anstellen. Aber das lief ganz gut. Zwar hielt der eine die Schneide des Messers nach oben und wunderte sich wahrscheinlich, warum seine Pizza so zäh ist und sich nicht zerschneiden lässt und der andere hielt seine Gabel sehr merkwürdig - wie sonst seine Stäbchen. Das sah aber elegant aus. Es hat eine ganze Weile gedauert bis sie etwas ausgewählt hatten. Da geht es ihnen ja wie uns, wenn wir vor einer chinesischen Speisekarte sitzen. Diese war auf Englisch und auf Chinesisch standen nur die Namen der Gerichte, aber nicht, was das eigentlich ist. Zwar können sie sehr gut Englisch, aber Pizza kennen sie ja gar nicht. Wir mussten ihnen dann auch erst einmal erklären, dass man nur ein Gericht bestellt, höchstens noch eine Vorspeise und ein Dessert. Für Chinesen ist es ja sehr ungewohnt, nur ein Gericht zu haben, weil man hier sehr viele Kleinigkeiten auf dem Tisch zu stehen hat, von denen man dann mal hier und mal da nascht. Das macht viel mehr Spaß als nur an einer Pizza zu kauen. Unsere Begleiter fanden dann auch eine elegante Lösung und tauschten Pizzastückchen. Es blieb ziemlich aber viel übrig, denn ein chinesischer Magen ist sicherlich nicht darauf eingestellt, so viel von einer Sorte zu essen. Uns hat es aber lecker geschmeckt, trotzdem uns die chinesische Küche auch sehr gut schmeckt (auch wenn ich heute in der Kantine die frittierten Hühnerfüße zurückgestellt habe, nachdem ich sie zuerst für Keulchen gehalten habe). Carsten mochte das italienische Essen aber nicht so, weil es viel langweiliger als das chinesische ist.
Am Sonntag fuhren wir zum Hong Quiao, dem so genannten Perlenmarkt, auf dem wir schon einmal mit Steffi waren. Eine Grundschullehrerin und eine Schülerin aus der 12. hatten uns auch ein Kaufhaus daneben empfohlen, in dem es nur Spielzeug und Schreibwaren gibt. Dort kauften wir dann ein Mah-Jongg-Spiel und vier chinesische Schachspiele, weil die Verkäufer uns sehr gute Preise machten und auch mit sich handeln ließen. Ein Schachspiel schenkten wir gleich Mathias, der es nun wahrscheinlich jeden Morgen mit seiner siebenjährigen Tochter spielen muss. Eins schenkt Carsten einem Freund, eins nehmen wir als Vorlage, damit sich irgendwelche Kinder in der Schule mal ein eigenes im Werkunterricht bauen können, denn chinesisches Schach wird nur mit Scheiben gespielt, auf denen dann die entsprechenden Zeichen sind. Das vierte Schachspiel war eines mit richtigen Figuren aus Zinn, das wir selbst behalten wollen. Es sieht sehr schickt aus, da beim chinesischen Schach auch Elefanten, Wagen und Kanonen mit spielen. Danach gingen wir, schon voll bepackt, in den Perlenmarkt. Dort wollten wir einen Pullover kaufen, aber da kannten die wieder nur Phantasiepreise: 560 Yuan für einen dicken Pullover, für den man anderswo höchstens 60 zahlt. Dafür kann man dort aber Perlen sehr günstig kaufen, da die in China gezüchtet werden. Wir haben eine für Carstens Oma erstanden - für 40 Yuan (nicht mal 5 Euro). Stephanie (unsere Gastgeberin) meint, die wäre wirklich echt. Aber auch wenn sie nicht wirklich echt ist, wäre das für 5 Euro ja nicht so tragisch. Schon der Gedanke, vielleicht eine echte Perlenkette zu tragen, ist für Carstens Oma sicherlich schon toll.
Da wir im Perlenmarkt keinen preiswerten Pullover bekamen, fuhren wir wieder zurück und gingen noch in den Lido Markt, wo wir schon unsere anderen Sachen gekauft hatten. Abends waren wir noch schwimmen und staunten nicht schlecht, dass um halb zehn noch ein Paar mit seinen beiden etwa zweijährigen Kindern und der Ayi (Hausangestellte) schwimmen waren. Die beiden Knirpse planschten aber noch ganz wach im Wasser. Vielleicht haben sie einen anderen Tagesablauf als wir.
Heute war in der Schule große Verabschiedung in der großen Pause. Herr Meschede, der Rektor, hat uns noch ein Präsent überreicht (Beutel, Mousepad, Basecap und Tasse mit Schullogo) und uns alles Gute gewünscht. An dieser Schule ist es ein Einziges Kommen und Gehen, denn bevor uns Herr Meschede verabschiedete, hat er noch einen neuen Kollegen vorgestellt - den neuen Technikleiter oder so. Nach der offiziellen Verabschiedung hatten wir jeder noch eine Stunde Unterricht - ich in der 8. Klasse (Gemeinschaftskunde) und Carsten in der vermaledeiten 10. Klasse (Geschichte). Jetzt sitzen wir zu Hause und warten noch auf die Frau des Direktors, die uns noch ein paar Fotos von unserem Ausflug nach Hebei vorbei bringen möchte. Ein Video von der Fahrt haben wir schon. Nachher wollen wir vielleicht auch noch mal zu Heidi herüber, die sozusagen unsere Mentorin an der Schule war und uns bei unseren Unterrichtsvorbereitungen geholfen hat. In ihren Klassen haben wir auch unterrichtet. Sie ist wirklich sehr nett. Schade, dass wir schon wieder weg müssen. Damit es uns auch richtig schwer fällt, war es heute supersonnig und 16 Grad. Morgen sollen es 20 werden. Der Abschied fällt schwer und meine Freude auf zu Hause ist verhalten, denn mich erwartet Lernerei für die Zwischenprüfung in Deutsch.
Es waren unvergessliche Wochen in Peking und auch wenn ich jetzt vielleicht noch sage, dass ich hier unbedingt einmal arbeiten möchte, wäre das vielleicht nicht so gut, denn in fünf oder sechs Jahren, ist Peking ein anderes Peking als wir es kennen und die Lehrer sind auch nicht mehr hier, die wir mögen. Peking und die Deutsche Schule werden dann wieder neu für uns sein, vielleicht auch schön, aber dann können wir auch gleich eine andere Stadt kennen lernen. So 60 Jahre habe ich in meinem Leben ja noch vor mir. Bestimmt kommen wir noch einmal her, den Beijing ist uns ans Herz gewachsen.
Morgen um 11:10 Uhr geht unser Flieger nach Amsterdam. Ich bin sehr gespannt, ob alles klappt und vielleicht freue ich mich dann auch auf zu Hause, noch nagt der Abschied an mir.

Liebe Grüße und bald wieder aus Potsdam, Carsten und Katja
 



 
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