Noch ein kleiner Mann...

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Silberstreif

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Der kleine, dicke Mann war wirklich nicht sehr vorteilhaft gekleidet. Das tat seinem Wohlbefinden und seiner ewigen Seligkeit jedoch keinen Abbruch und ein jeder wurde uneingeschränkt mit einem Lächeln bedacht. Er trug einen gelben Pulli, der seinen immensen Bauch allzu deutlich betonte, über einer grünen Hose, die merkwürdigerweise nie irgendwelche Flecken aufwies. Die rote Mütze war Ausdruck seiner Individualität und Trotz gegen jeden Modetrend.

Seine Erscheinung hatte freilig schon zu heftigen, kontroversen Diskussionen zwischen den Leuten geführt, doch belastete das sein sonniges Gemüt in keinster Weise. Sein einziges Streben galt seinem Garten - deshalb wurde er auch immer bewehrt mit Gartengerät gesichtet. Schubkarren lösten Harken ab, Schaufeln und Spaten wurden gegen Heckenscheren ausgetauscht - nie machte er auch nur im Entferntesten den Eindruck von Muße, oder gar Faulheit.

Sein seliges Lächeln galt vielleicht auch der Blütenpracht ringsum und gar nicht so sehr den Leuten, die ihn mal freundlich oder auch befremdet anstarrten. Von vielen wurde er jedoch übersehen. Man hatte sich schliesslich an ihn gewöhnt. Er war einfach ein verschrobener kleiner, dicker Mann, dem sein Garten zum Lebensinhalt geworden war.

Gelegentlich wurde er in Begleitung von anderen, ähnlich arbeitsam anmutenden Männern angetroffen und ziemlich selten, gar in unmittelbarer Nähe einer Frau. Es musste seine Ehefrau sein, denn die langen Jahre der Gemeinsamkeit hatten sie einander stark angeglichen. Und sie hatten einander nichts zu sagen - es sah sie jedenfalls nie jemand miteinander reden - was ebenfalls darauf hindeuten liess.

Die Nachbarn, sowohl rechts, als auch links, konnten dem kleinen, dicken Mann seine Selbstgefälligkeit nicht gönnen. Sie waren erbost und ziemlich beleidigt, allein durch seine beständige Gegenwart im Garten. Wenn Besuch zugegen war und man sich einen netten Grillabend gönnen wollte, bestach der kleine, dicke Mann beständig mit seiner Anwesenheit im Nachbarsgarten. Freundlich, doch durch seine dümmlich-grinsende Art wurde er sehr schnell zur Zumutung. Niemandem wäre jemals eingefallen, ihn einzuladen. Man versuchte ihn nicht zu beachten und fand sich schliesslich mit seiner Gegenwart ab.

Zumindest die meiste Zeit. Die Nachbarn wechselten manchmal. Feindliche Übergriffe waren auch schon auf ihn ausgeübt worden. Selbstverständlich konnte er sich keinen Reim darauf machen, wieso man mit allen möglichen Gegenständen nach ihm warf, seinen Garten verunzierte und einmal sogar auf ihn mit einem Luftgewehr schoss. Und das in einer deutschen Vorstadt-Reihenhaus-Siedlung! Er wurde nicht ernsthaft verletzt, konnte auch keine Strategie entwickeln um sich zu wehren, also saß er den Unmut seiner Nachbarn einfach aus und ohne Gegenwehr hatten die ihr Pulver rasch verschossen. Jemand der nicht zu ärgern ist, bereitet keine Befriedigung.

Die Ignoranz der Leute bescherte ihm seine Zufriedenheit. Er wollte niemanden ärgern, und auch von niemandem behelligt werden. Die Jahre vergingen, der kleine, dicke Mann stand in seinem Garten und lächelte selig. Wer könnte je an dem Glück eines Gartenzwergs zweifeln?
 



 
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