Noch eine Jugendsünde

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LUPESIWA

Mitglied
Aus meiner Reihe "Geschichten über Senioren für Senioren"

Noch eine Jugendsünde

Das Wetter hatte sich endlich beruhigt. Die Temperaturen kletterten bis 10 Grad, doch der Himmel blieb grau in grau. Ab und zu drängte sich die Sonne kurz dazwischen und einige Bewohner wagten einen kleinen Mittagsspaziergang.
Albert Stein und Hans Mückeberger kamen gerade zurück, steuerten auf die Sitzgruppe zu und Einstein konnte seine kleinen Gemeinheiten nicht lassen.
„Na, Frau Brunner“, ruft er schon von weitem, „hat die Geisteraustreibung Früchte getragen, oder stinkt es immer noch in ihrer Nase?“
„Sie unverbesserlicher Sarkast“, kontert Agathe Brunner lachend, „rücken Sie heran und erzählen von ihren dunklen Geheimnissen.“
Eine ältere Frau, sie besucht seit einiger Zeit Johanna Helbig, nimmt einen Henkelkorb vom Stuhl und so finden Mücke und Einstein auch noch Platz in der großen Runde.
Doch kaum sitzen die beiden, hebt sich der Deckel von dem Korb und eine große, schneeweiße Katze schnellt mit ihren Kopf hoch und faucht sie an.
„Hoppla!“, ruft Mücke amüsiert, „was hast du denn, ich mag doch Katzen.“
„Na ja, ich aber nicht“, druckst sein Nachbar herum, „und die Biester mögen mich seit ewiger Zeit auch nicht mehr.“
„Aha!“, reagiert Gustav Häberlein mit drohender Geste, „was hast Du angestellt? Warst Du ein Tierquäler? Katzen sind sehr nachtragend“.
„Ach Quatsch“, murmelt Einstein, „das ist schon so lange her.“
„Erzählen, erzählen!“, rufen Agathe und Johanna gleichzeitig.
„Nun mach schon“, unterstützt Mücke die Frauen. „Steckt sicher ein Streich aus deiner Jugend dahinter. Du kannst nicht nur über andere Leute lästern!“
Mit süßsaurer Miene wackelt Einstein den Kopf hin und her und schweigt sich aus.
„Jetzt bin ich aber enttäuscht, Herr Stein“, provoziert Martha Eichmann, „oder trifft das Sprichwort „Große Klappe und nichts…..“.
„Hören Sie schon auf“, fällt Einstein ihr genervt ins Wort. „Ich erzähle es ja, hab doch keine Leiche im Keller versteckt. Es war im Juli 1957. Mein bester Freund hatte geheiratet und das ganze Dorf feierte zünftig mit. Am Nachmittag wollten sie mit einer geschmückten Kutsche zum Bahnhof fahren und mit dem Zug in die Flitterwochen.
Die Kutsche sah toll aus und hinten banden wir mehrere Seile mit leeren Blechbüchsen. Der Kater Benno, er gehörte seiner Neuvermählten, fand es gar nicht gut, dass er zurückbleiben musste. Als sie losfuhren schnappte er sich eine Strippe und riss sie samt Blechbüchsen ab.
Ich wiederum schnappte mir den Kater, band ihm den Strick mit den Blechdosen an den Schwanz. Scheppernd und miauend raste er damit in die Scheune. Seit dem Tag faucht mich jede Katze, die meinen Weg kreuzt, bösartig an“, endet er völlig zerknirscht, doch der Schalk blitzt in seinen Augen.
Plötzlich springt Frau Helbigs Besuch auf, umfasst fest den Katzenkorb und schaut böse auf ihn herab. „Das ist auch recht so, Sie, Sie…“, wettert sie los, besinnt sich dann und rauscht davon. „Tschüß Johanna“, ruft sie über die Schulter zurück, „wenn ich mal wiederkommen sollte, gehen wir auf Dein Zimmer, oder?“
„Machen wir, Liesel, ganz bestimmt“, antwortet die schnell, ehe sie von der aufkommenden Heiterkeit angesteckt wird. Der Auftritt war aber auch zu komisch.
„Na, die hat es Dir aber gegeben“, gluckst Häberlein los und versucht ernst zu bleiben.
„Lustig fand ich das auch nicht“, hängt sich Mathilde Mausgruber mit rein.
„Jetzt reicht es!“, wehrt sich Einstein energisch. „Ihr tut gerade so, als wäret ihr die reinsten Engel gewesen. Morgen ist die nächste Beichte fällig. Hans, Gustav oder – eine von den Damen vielleicht? Jetzt gehe ich zum Abendessen, verflixt noch mal!“
Lautes Getuschel und Gekicher begleitet ihn noch bis in den Speisesaal.
 
G

Gelöschtes Mitglied 18005

Gast
Hallo LUPESIWA

Ich bin schonmal kein Senior, also nicht der Zielgruppe entsprechend, was schlecht ist, habe aber dennoch ein, zwei Worte zu verlieren.

Die Atmosphäre kann ich mir gut in einer "Reihe" wie du sie erwähnst vorstellen. Das heißt eine Fortsetzung wie sie im Text auch impliziert wird ist nicht unerwünscht.

Zwei Elemente die mich - spontan fallen mir diese ein - gestört haben sind:

1.
„Erzählen, erzählen!“, rufen Agathe und Johanna gleichzeitig
Das ist unlogisch und schlecht. Sowas passiert nicht, dass sie gleichzeitig das selbe sagen, insbesondere sowas komisch formuliertes, grammatikalisch geradezu unpassendes. Ich kenne das. Man will irgendwas schreiben und um Abwechslung in den Text zu bringen lässt man zwei Charaktere gleichzeitig sprechen, doch irgendwie ist das hier kitschig und peinlich. Ich musste mein Gesicht verziehen oder den Kopf schütteln so sehr hat es mich hier gesträubt.

2.
Frau Helbigs Besuch [...] schaut böse auf ihn herab. „Das ist auch recht so, Sie, Sie…“, wettert sie los
Das finde ich sehr unangenehm. Eine fremde Person, mit der man sich am wenigsten identifiziert, derartig in die Machtposition zu rücken kommt mir falsch vor. Man identifiziert sich in dieser Kurzgeschichte am meißten mit Einstein und möchte nicht, dass er so runtergemacht wird, vorallem so ungerechtfertigt. Wie übertrieben ist es denn wegen einer so doch gar nicht allzu schlimmen Geschichte von einer FREMDEN Person in solcher Weise kritisiert zu werden. Nie würde ich mich so benehmen wie dieser Besuch es tut und überdurchschnittlich gut bin selbst ich nicht erzogen. Verstehst du was ich meine?

Vielleicht ist das mit dem Katzensträuben, von fremden Katzen die Einstein noch gar nicht kennen, auch etwas unlogisch aber das stört nicht weiter ...

LG,
Peter
 

LUPESIWA

Mitglied
Hallo Peter,
ich danke für den Kommentar. Vielleicht siehst Du das ein bisschen eng. Es kommt schon vor, dass zwei Leute gleichzeitig das Selbe sagen. Und die Besucherin liebt ihre Katze bestimmt sehr und nahm die Jugendsünde persönlich. Richtig runtergemacht hat sie den Einstein ja auch nicht. Es sind halt kleine erfundene Geschichten zur Unterhaltung für Senioren.
Ich gehe selbst jeden Tag ehrenamtlich in ein Senioren, bzw. Pflegeheim. Da erlebt man noch ganz andere Sachen.
LG Lupesiwa
 



 
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