Noir York City

3,00 Stern(e) 1 Stimme

[aZrael]

Mitglied
"It's like waking up at night.
left no choice than
putting a gun to your head
and pulling the trigger"


Die filterlose Lucky brannte im Aschenbecher vor sich hin. Er bemerkte es nicht.
Seine Aufmerksamkeit galt dem Bourbon vor ihm. Das dritte Glas heute Abend.
"Detective Payne? Detective-"
"Halt die Klappe, Sam. Ich bin nicht im Dienst. Nie wieder!"
Der Barkeeper sah ratlos drein. Als Payne heute Abend auf einen Drink herein gekommen war, hatte er übler ausgesehen als sonst üblich: ein Klammerpflaster über seiner rechte Augenbraue, eine Naht an der Schläfe. Ein Arm im Gips. Und sein Gang war von einem deutlichen Humpeln gezeichnet.
Er hatte nichts mehr gesagt, nachdem er seinen ersten Drink geordert hatte. Ein Blick zu Sam hatte gereicht, damit dieser sein Glas immer wieder auffüllte.
Nun stand Sam ratlos hinter der Theke, den Telefonhörer in der Hand.
"Es ist das Department. Sie sagen, es handle sich um-"
"Ich sagte, es interessiert mich NICHT!"
Er unterstrich seinen Satz mit dem Whiskeyglas, das er hinter die Theke warf.
"Verdammt, was soll das? "
Sam bekam es mit der Angst. Payne war ein Held in NY. Er hatte sich mit den schlimmsten Gangs der Stadt angelegt- und gewonnen. Drei Jahre war das jetzt her. Der Rachefeldzug eines einzigen Mannes gegen Gewalt, Drogen und Korruption.
Aber das gab ihm kein Recht, sich so aufzuführen.
"Weißt du, es ist mir echt egal, wie du drauf bist. Du kannst dich gerne selbst mit deinen Leuten herumschlagen!"
Er stellte das Telefon auf den Tresen und legte Max den Hörer hin.
Und wartete auf einen weiteren Gewaltausbruch.
Der nicht kam.
Max hatte sich beruhigt. Er nahm den Hörer.
"Payne. ... Ja ... Wann wird das sein? ... Nein, ich möchte nicht, dass es dort geschieht. ... Ja. Ich werde mich darum kümmern"
Sam sah ihn neugierig an, als er auflegte.
"Tut mir leid wegen dem Glas. Die Woche war übel, übel und hart."
Sein Blick wanderte durch den Raum der kleinen Bar.
"Jetzt... muss ich schon wieder jemanden begraben, den ich liebe."
"Wer ist... ich meine... mein Beileid"
Ein bedrücktes Schweigen breitete sich aus, als Sam die anderen Kunden bediente.
Mechanisch schenkte er Drinks aus, kassierte, gab Wechselgeld zurück.
Das Max Witwer war, wusste er. Irgendwann im letzten Jahr war er zu einem seine Stammgäste geworden. Blieb länger. Redete mit ihm. Er wusste, dass er sein Frau und seine Tochter verloren hatte.
Münzen klimperten auf die Theke, als Max seine Drinks bezahlte.
"Behalt den Rest. Bis Bald"
"Bis Bald"
Aber Sam hatte das Gefühl, ihn nicht mehr so schnell wieder zu sehen.
Vielleicht niemals wieder.

Der diensthabende Seargent nickte nur, als Payne die Polizeiwache betrat. Chief Bravuara war noch immer krank geschrieben- ihn hatte es noch schlimmer als Max erwischt, so weit das überhaupt möglich war.
Mit einem scharfen Klicken entriegelte er die Tür zur Asservatenkammer. Mord grinste ihn von den Wänden an, Abhängigkeit schaute aus den Regalen hervor. Die gesammelten Waffen schienen ihn anzustarren... oder auszulachen?
Seine Hände glitten suchend durch ein Board. Das Plastik des Beutels knitterte leise, als er es schließlich fand.
Die Waffe glitzerte tiefschwarz unter dem kalten Neonlicht. Was wie unregelmäßiger Lack aussah, war ihr Blut. Er schob sich den Beutel unter die Lederjacke und verließ die Asservatenkammer. Die Tür ließ er unverriegelt ins Schloss fallen.

Mit hallenden Schritten stieg er ins Untergeschoss hinab. Die ausgetretene Metalltreppe schien ihm wie der Schlund der Hölle, mit einer Dunkelheit an ihrem Ende, die ihn verschlingen würde.
Peter Sheppard sah von seiner Zeitung auf, als er die Pathologie betrat.
"Guten Abend, Detective. Hat die Abteilung sie verständigt?"
"Ja, hat sie. Danke. Ich weiß, dass das nicht selbstverständlich ist, aber..." Der Satz blieb abgebrochen im Raum hängen. Die Stille wurde nur vom Rauschen der Kühlanlage und dem Knittern der Zeitung unterbrochen, die Sheppard pedantisch zusammen legte.
"ich weiß. Sie haben schon weiß Gott genug erlebt. Wann können wir uns schon diejenigen aussuchen, die wir lieben?"
Keiner der beiden konnte darauf eine Antwort geben. Aber das war auch nicht nötig.
"Ich möchte sie gerne noch einmal sehen. Wo?..."
"Reihe 2, Schiene 5"
"Danke"
Die Zeitung raschelte, als sich der Pathologe wieder in den Sportteil vertiefte.
Kaltes Neonlicht schnitt tiefe Schatten in sein Gesicht, als er die Kühlkammer betrat. Einen Augenblick lang schien er Atem zu fassen, sich bereit zu machen. Einen kurzen Augenblick lang waren seine Lieder geschlossen.
Dann trat er an die Kühlzeile heran und zog mit einem entschlossenen Ruck die Bahre aus der Wand.
Mit einem trockenen Klacken rastete der Mechanismus ein.
Da lag sie.
Ein Gesicht in Primärfarben gehalten: weise Wangen, von schwarzem Haar eingerahmt. Und rote Lippen, die er so kurz nur berühren durfte.
Seine Hand stahl sich in ihr Haar. Ohne sein Zutun streichelte sie ihre Stirn, von der Kälte nicht zurück schreckend.
Gleichzeitig öffnete er den Reißverschluss seiner Jacke. Holte den Plastikbeutel mit der Waffe hervor. Und erbrach mit einem Knacken die Versiegelung.
Kühl und hart lag die Pistole in seiner Hand. Unregelmäßigkeiten konnte er am Griff ertasten. Ihr Blut, zu unregelmäßigen Mustern erstarrt. Erstarrt.
Er setzte sich zu ihr. Nahm ihren Kopf in den Schoß und begann ihr all das zu erzählen, was er ihr vorher nicht sagen konnte.

Fast zehn Minuten hielt er seinen einsamen Monolog neben ihrer leeren Hülle. Zum Abschluss küsste er sie auf die kalte Stirn.
Dann setzte er sich die Mündung unters Kinn und drückte ab.
Ohne Zweifel oder Reue.
 

Pritt

Mitglied
Hallo aZrael!

Die Story gefällt mir durch die Bank gut. Besonders schön finde ich diese träge, schleppende Stimmung, so als würden sich die Geschehnisse quasi aufraffen müssen, um überhaupt in die Gänge zu kommen. Dass am Ende nur der Tod stehen kann, kommt mir logisch vor. Lesen hat Spaß gemacht.
Winzige Hinweise:
Zu Anfang: Als Payne (Pain...sehr schön) heute Abend auf einen Drink hereingekommen war, hatte er übler ausgesehen als sonst üblich.
Sonst und Üblich sind hier Synonyme, eins reicht.

am Ende: ...und rote Lippen, die er nur so kurz berühren durfte.
Ist ein Zeitfehler: Du meinst bestimmt: ...die er nur so kurz hatte berühren dürfen

Und gestolpert bin ich über das Verb "erbrach", als er die Versiegelung öffnet. Aber vielleicht was es ja auch Absicht, dass der Leser kurz damit rechnet, jetzt erbricht Payne sich? Wenn nicht, finde ich "zerbrach" oder "knackte" passender...
Gruß, Pritt
 

Pali

Mitglied
Okay, ich hab' Max Payne 2 nicht gespielt...ist das das originale Ende oder spinnst du ein offenes Ende (á la Max Payne 1) weiter?

Oh, lass mich raten: Die Leiche ist Mona, oder?

Übrigens: Ordentliche Arbeit.
 

[aZrael]

Mitglied
Hi

Hi Pritt & Pali!

Jepp.... meine Geschichte ist eine Vortsetzung des zweiten Teils von Max Payne. Mir hat das Ende einfach nicht gefallen- ich HASSE endlose Serien! Irgendwann ist es einfach Zeit, einen Schlußpunkt zu setzen. Und genau das wollte ich mit meiner Story tun.

Insofern hast du recht, Pali: die Leiche ist Mona.

@Pritt: Mit dem Zeitfehler hast du mich dran bekommen, das war eine Schlampigkeit meinerseits. *seufzel* Manchmal denke ich, ich bin ein verkappter Legastheniker...

Allerdings: das "erbrach" wollte ich an dieser Stelle absichtlich, da es einfach ein "höherer Stil" ist. Ich finde das Ebrechen des Siegels (ups, da war es schon wieder) signalisiert quasi das Ende, bzw. das Einsetzen des Endes. Insofern wollte ich es etwas pathetischer klingen lassen. :) btw: deine Story mit den Zombies war FANTASTISCH. Ich arbeite selber als Aushilfe an einer ARAL und manche meiner Kunden wirken etwas... hm... hirnlos. *lach*

Mit freundlichen Grüßen,
Sebastian
 

[aZrael]

Mitglied
Aber ich hätte jetzt doch mal ne Frage... Wenn euch meine Geschichte gefällt, warum bewertet ihr sie denn dann nicht? *grinsel*... ist mir gerade so eingefallen :)

mfg, Sebastian
 

Andrea

Mitglied
6 von 10 Punkten

Ein Großteil der Geschichte gefällt mir gut: spannend und unterhaltsam geschrieben. Allerdings unterschreibe ich die Anmerkungen von Pritt weitestgehend; das "erbrach" hat mir gefallen. Aber es gibt da hin und wieder Flüchtigkeitsfehler. Also bitte überarbeiten.. ;)

Wo es bei mir hakte, war ein Teil des ersten Absatzes, etwa zwischen "Verdammt, was soll das?" (wo du klarer machen solltest, wer das sagt) bis "Das[red]s[/red] Max Witwer war". Da ist zum einen die Häufung von "...", das man auch mal durch einen Gedankenstrich ersetzen könnte. Zum anderen hätte ich mir da ein wenig mehr Beschreibung erwartet. Es ist also nicht "falsch" geschrieben, sondern nur zuwenig. Die Gefühlszustände von Max wechseln zu rasch, und die Überblende (gibt es dieses Wort eigentlich..?) zu Sams anderen Gästen fand ich wenig gelungen.

Ansonsten kenne ich Max Payne nicht, denke aber dennoch, die Geschichte verstanden zu haben. So muß es sein.
 

[aZrael]

Mitglied
Hallo Andrea!

Ja, nachdem ich deine Kritik gelesen habe, sind mir die unsauberen Stellen auch aufgefallen. Da muss ich dann wohl noch mal drüber gehen... Aber es hat mich sehr gefreut, dass sie dennoch verständlich ist, auch wenn man die Spiele nicht gespielt und die Vorgeschichte nicht gesehen hat. Denn beim schreiben hat man ja immer diesen Filter des Subjektiven, da man ja selber genau weiß, was man denn nun eigentlich sagen möchte. Daher freuen mich die 6 von 10 Punkte wirklich sehr :)

Liebe Grüße,
Sebastian
 
S

Sandra

Gast
Hallo...

ich habe Deine Geschichte schon vor längerer Zeit gelesen. Genau genommen, nachdem ich Dein Gedicht bewertet hatte und Du auf diese Geschichte verwiesen hast, zudem es gehört.

Mir gefällt nun Deine Geschichte sehr gut. Du schreibst in meinen Augen flüssig und verwendest passende, aber auch nicht so geläufige Formulierungen. Das macht das Lesen abwechslungsreicher und läßt Deinen Stil erkennen.

Ich habe jetzt erst etwas zu Deiner Geschichte geschrieben, weil mir die ganze Zeit eine Vermutung im Kopf rumschwebte, die ich aber erst einmal von meinem Mann, der bei der Kripo arbeitet, bestätigt haben wollte. Grundsätzlich sind die Waffen in der Asservatenkammer immer entladen. Zumindest nachdem der Sachbearbeiter einen Vermerk dazu geschrieben hat und das geschieht unmittelbar nach Ankunft.
Er müsste sie also nochmals laden, bevor er sich erschießt.
Grundsätzlich ja kein Problem, aber ein kleiner Logikfehler.

Ansonsten habe ich überhaupt nichts zu meckern.
Andrea hat alles Wesentliche schon erwähnt.

P.S. Du bekommst von mir einen Balken!

Lieben Gruß

Sandra
 

[aZrael]

Mitglied
*narf*

Hallo Du!

Da hast du den Finger schön in die Wunde gelegt. Ich wusste es selbst nicht mehr so genau, dachte aber auch, dass die Waffen entladen sein müssen... Hatte daher eine Szene geplant, in der er die Waffe schön methodisch lädt und hatte dabei die ganze Zeit das Klicken des Schlittens im Ohr, eben jenes Geräusch, wenn man die erste Kugel in die Kammer lädt... und aus irgendwelchen unerfindlichen Gründen habe ich das dann doch nicht geschrieben... ... manchmal bin ich doch wirklich doof :)

Liebe Grüße,
Sebastian
 
S

Sandra

Gast
Falsch!

Du bist absolut nicht doof!
Für genau solche Fehler hast Du ja uns!!
Die Idee mit dem Klicken, langsames Laden der Waffe usw. finde ich sehr gut. Erzeugt zu guter Letzt noch mehr Spannung bei dem Leser auf das was folgt.

Einen lieben Gruß
Sandra
 



 
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