November Blues

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Gerd Geiser

Mitglied
Oh Herr, die Welt ist schön,
ich werd jetzt baden gehn.
Drum lasse ich das Wasser ein
und nehm den Fön, will bei dir sein.

Oh Gott in deiner Güte
schenk mir ´ne Einkaufstüte.
Die zieh ich über mein Gesicht
und dann, ich bitt dich, halt sie dicht.

Egal, ob´s draußen schifft,
ich trink ein Gläschen Gift.
Fühl mich so wohl und bin gut drauf,
ich häng mich tot und schieß mich auf.

Maria, Jungfrau hold,
wo ist der Strick und wo der Colt?
Verrat mir grad` mal das Versteck,
sonst stürz ich mich vom Parkhausdeck.

Und du, du Heil´ger Geist,
hör zu, damit du´s weißt:
Du streichst mich jetzt von deiner Liste
denn ich springe in die Kiste.
 

Zeder

Administrator
Teammitglied
Hallo Gerd,

ein schöner Blues!

Nur hier würde ich aus metrischen Gründen so (oder ähnlich) ändern:

Maria, Jungfrau hold,
wo sind bloß Strick und Colt?
Verrat mir grad` mal das Versteck,
sonst stürz ich mich vom Parkhausdeck.

Schmunzelnde Grüße, Zeder
 

Gerd Geiser

Mitglied
Oh Herr, die Welt ist schön,
ich werd jetzt baden gehn.
Drum lasse ich das Wasser ein
und nehm den Fön, will bei dir sein.

Oh Gott in deiner Güte
schenk mir ´ne Einkaufstüte.
Die zieh ich über mein Gesicht
und dann, ich bitt dich, halt sie dicht.

Egal, ob´s draußen schifft,
ich trink ein Gläschen Gift.
Fühl mich so wohl und bin gut drauf,
ich häng mich tot und schieß mich auf.

Maria, Jungfrau hold,
wo sind bloß Strick und Colt?
Verrat mir grad` mal das Versteck,
sonst stürz ich mich vom Parkhausdeck.

Und du, du Heil´ger Geist,
hör zu, damit du´s weißt:
Du streichst mich jetzt von deiner Liste,
denn ich springe in die Kiste.
 
Hallo Gerd,
ein lustiges Teil über die Novemberdepression, verbunden mit einer höheren Selbstmordrate, hast du da fabriziert :) Gefällt mir. Der Knaller ist für mich:

ich häng mich tot und schieß mich auf
:D

Was den Fön betrifft; da habe es die Lebensmüden mittlerweile schwer, was für zusätzlichen Frust sorgt, da die Steckdosen viele Bäder mittlerweile über eine FI Schutzschaltung verfügen :)

Eine Frage nur noch: Ist der Wechsel der Metrik in der allerletzten Zeile gewollt? Eine Anpassung an den rest des Gedichtes wäre ja an sich kein Problem.

VG
Steffen
 

NewDawnK

Mitglied
Hallo Gerd,

gut geschrieben, keine Frage.

(M)eine Textassoziation: Beim Lesen dieses Text kommt in mir das Mitleid hoch. Vielleicht auch Selbstmitleid, das lässt sich ja manchmal nicht so klar trennen. Witzigkeit ist ja schön und gut. Aber auf wessen Kosten? Auf Kosten potentieller Selbstmörder? Wozu? Die sagen sich doch eh schon, dass ihr Leben nichts wert ist, und oft liegt es gerade daran, dass sie sich nicht ernst genommen fühlen.
Oder ist es der Galgenhumor des LyrIchs, den Du hier mitteilen willst? Das wäre für mich noch am ehesten zu verstehen.
Ein Gedicht zu dem zumindest ich keinen echten Zugang finde. Das ist natürlich nicht Dein Problem, ich weiß. Dies ist auch nur ein Leseeindruck von vielen möglichen. Danke Dir fürs Lesen.

Schöne Grüße, NDK
 
Hallo Gerd,
leicht, locker und flockig beschreibst du die Absicht, sich umzubringen. Du lässt keine Möglichkeit aus.
Ich habe erlebt, dass sich ein guter Bekannter umgebracht hat. Welche Seelenqual ging diesem Vorhaben voraus! Welchen Kummer hat es über die ganze Familie gebracht! Deshalb bin ich von deinem Gedicht wirklich peinlich berührt.
Dass die Jungfrau Maria, von der man eigentlich im Gebet Trost erwartet, nach dem Versteck des Colt gefragt und der Heilige Geist gebeten wird, den Selbstmörder von der Lebensliste zu streichen, kann einem gläubigen Menschen nicht gefallen.
Vielleicht wirst du jetzt über meinen Kommentar lachen, doch so fühle ich eben.
Viele Grüße
Marie-Luise
 

Gerd Geiser

Mitglied
Hallo NDK,
ich denke nicht, dass wir es hier mit einem LyrIch zu tun haben, das ernsthaft Gefahr läuft, sich umzubringen. Ich denke, hier schreibt jemand von sich, der alle Jahre wieder den November Blues schiebt, wohl wissend, dass die Schatten nicht wirklich Substanz haben, und der sich ein bischen Erleichterung verschafft, indem er seine trüben Gedanken vor sich selbst nicht so ernst nimmt. Humor ist bekanntlich auch eine Möglichkeit, zu sich in Abstand zu gehen und Belastendes so einzufärben, dass ihm die Bedrohlichkeit genommen wird.

Dir einen lieben Gruß,
Gerd.
 

Gerd Geiser

Mitglied
Hallo Marie-Luise,
ich lache nicht über deinen Kommentar.
In meinem Alter stelle ich fest, dass auch ich im Laufe der Zeit liebe Menschen durch Tod und auch durch Selbstmord verloren habe. Unmittelbar von solchen Situationen betroffen fallen auch mir zeitnah keine witzigen Sprüche dazu ein. Aber das Thema Tod in seiner ganzen Variationsbreite begleitet uns unser Leben lang und nicht nur dann, wenn wir hautnah durch das Ableben anderer davon betroffen sind. Irgendwie ist es ein sperriges Thema, obwohl der Tod so selbstverständlich ist wie die Geburt, die ich auch scheuen würde, wenn ich visualisiere, was mich da erwartet (hat). Es sind einzig unsere Vorstellungen, die uns z.B. Angst machen. Ein Säugetier legt sich hin und stirbt, wenn es soweit ist. Wir als höhere Säugetiere sollten uns dahin entwickeln, es ihnen gleich zu tun. Wer die Vorstellung hat, dass Maria und der heilige Geist ihm auf diesem Entwicklungsweg behilflich sein können, der soll solchen Gedanken nachgehen. Ich respektiere das, solange man mir nicht den Vorwurf macht, mich hier an etwas Heiligem und Unumstößlichen zu vergehen. Es sind alles nur Vorstellungen, die wir hegen und wir erfahren noch früh genug, wie es wirklich ist.

Dir einen lieben Gruß,
Gerd
 

Gerd Geiser

Mitglied
Hallo Steffen, du GuteLauneSprudelstein,

danke für deine Resonanz. Ich denke manchmal, die letzten 2 Zeilen eines Gedichtes dürfen eine andere Metrik haben als die vorangegangene, z.B. wenn sie eine Pointe beinhalten oder ein Fazit gezogen wird. Vielleicht aber auch so als eine Art Tusch oder Schlussakkord wie in der Musik. Bin mir aber nicht sicher. Wie würdest du denn das Gedicht ausklingen lassen?

Lieben Gruß dir,
Gerd
 
Hallo Gerd,
[blue]''Ich respektiere das, solange man mir nicht den Vorwurf macht, mich hier an etwas Heiligem und Unumstößlichen zu vergehen. Es sind alles nur Vorstellungen, die wir hegen '' [/blue]- Auszug aus deiner Antwort-

Ich halte es mit dem Alten Fritz:: ''Jeder soll nach seiner Fasson selig werden.''

Doch ich hätte ein schlechtes Gewissen und würde es - nur von meiner Warte aus gesehen - für Blasphemie halten, die Mutter Maria um den Colt und den Strick zu bitten.
Es grüßt dich
Marie-Luise
 

Gerd Geiser

Mitglied
Liebe Marie-Luise,
du drängst mich, dir noch einmal zu anworten.
Du gebrauchst den Begriff "Blasphemie" im Zusammenhang damit, dass in diesem Gedicht das LyrIch die Mutter Gottes bittet, ihm geeignetes Werkzeug zur Ausführung seiner Selbstmordabsicht zur Verfügung zu stellen. Ich könnte mir vorstellen, dass an Maria schon die unmöglichsten Bitten von verzweifelten Menschen herangetragen wurden. Jemand, der sich mit dem Gedanken trägt, sich umzubringen, bittet sie in diesem Fall, ihm dabei behilflich zu sein. Das ist absurd, trägt aber eine gewisse Logik in sich. Maria wird angerufen, "Wir bitten dich, erhöre uns", man äußert seinen Wunsch und wie "die Gute" damit umgeht, bleibt ihr ja unbelassen.
Da ich des Öfteren ein wenig unkonventionell mit christlichen Symbolen umgehe, ist mir die Beantwortung der Frage, ob das auf Blasphemie hinaus läuft, wichtig. Der Begriff "Blasphemie" meint im ursprünglichen Sinn wohl "Gotteslästerung" (Rufschädigung). Im westlichen Kulturkreis ist die Beschimpfung von religiösen und weltanschaulichen Bekenntnissen, Religionsgemeinschaften oder Weltanschauungsvereinigungen dann bedenklich (und auch strafbar), wenn sie geeignet ist, den öffentlichen Frieden zu stören. Religiöse, besonders fundamentalistische Gruppen sehen oft bereits Tatbestände als Blasphemie an, die heute in vom Zeitalter der Aufklärung geprägten Staaten kaum mehr greifen.
Lange Rede kurzer Sinn. Ich habe Verständnis dafür, dass dich Passagen dieses Gedichtes befremden. Blasphemisch ist es sicher nicht. Allenfalls für "gläubige" Menschen geschmacklos. Das hattest du wohl, wenn ich dich recht verstanden habe, ausdrücken wollen.

Lieben Gruß,
Gerd
 
Hallo Gerd,
vielleicht ist das Wort ''Blasphemie'' doch ein wenig fehl am Platze.
Da ich auf Selbstmord immer sehr sensibel regiere, und dieser noch in einer lustigen Weise dargestellt wurde,
habe ich überreagiert. Kein gläubiger Mensch -meine ich - würde Maria um das Werkzeug zum Selbstmord bitten.
Ich liebe eigentlich deine lustigen Gedichte. Du hast es sicherlich bemerkt. Schlecht benoten würde ich auch dieses Gedicht nicht, denn es ist ja sehr gut geschrieben. Ich kam einfach mit dem Thema nicht klar.
Nochmals Grüße
Marie-Luise
 
Hallo Gerd,
klar kann man die letzte Zeile metrisch absetzen, deshalb fragte ich auch nach, ob du das so wolltest ;) Meist kommt dann aber irgend etwas überraschendes, ein ganz anderer Gedanke. Das ist hier ja nicht wirklich so, insofern würde ich einfach die Metrik anpassen. Du fragtest mich nach einer Variante. Als ich aber die Kommentare las, die das Thema recht kritisch sahen, kam mir eine Idee, wie man eventuell sogar ein versönliches und dennoch zweideutiges Ende hinbekommen könnte. Du schriebst ja auch, dass es nicht unbedingt um Selbstmord ging sondern um den jährlichen Novemberfrust. Die Kurve könnte man vielleicht so bekommen:


Ich hau mich müde in die Kiste

Für "hau mich müde" gäbe es tausende Alternativen mit gleichem Sinn z.B.

springe müde, knall mich frustig, krieche einfach/bis morgen ....

Dann müsste er aber auf der Liste bleiben :), Kiste wäre hier das Bett. Er bringt sich also nicht um, sondern schmeißt sich depressiv und damit verbunden auch müde ins Bett, schläft sich aus und steht hoffentlich besser gelaunt wieder auf. Das wäre eine Wendung in der letzten Zeile.
Wenn der Sinn hart bis zum bitteren Ende bleiben soll, könnte man auch noch einen Zahn zulegen.

Ich fahe Fahrstuhl - in ner Kiste
Ich miete mir ein Loch mit...

usw. Da gibt es auch wieder viele Varianten

VG
Steffen
 

Zeder

Administrator
Teammitglied
Hallo in die Runde,

wie wäre es denn mit:

Und du, du Heil´ger Geist,
hör zu, damit du´s weißt:
Streich mich jetzt von deiner Liste,
denn ich springe in die Kiste!

Grüße von Zeder
 

Gerd Geiser

Mitglied
Oh Herr, die Welt ist schön,
ich werd jetzt baden gehn.
Drum lasse ich das Wasser ein
und nehm den Fön, will bei dir sein.

Oh Gott in deiner Güte
schenk mir ´ne Einkaufstüte.
Die zieh ich über mein Gesicht
und dann, ich bitt dich, halt sie dicht.

Egal, ob´s draußen schifft,
ich trink ein Gläschen Gift.
Fühl mich so wohl und bin gut drauf,
ich häng mich tot und schieß mich auf.

Maria, Jungfrau hold,
wo sind bloß Strick und Colt?
Verrat mir grad` mal das Versteck,
sonst stürz ich mich vom Parkhausdeck.

Und du, du Heil´ger Geist,
hör zu, damit du´s weißt:
Ich mache jetzt die Äuglein zu
und bis zum März lass mich in Ruh.
 



 
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