Nullschlaf

pleistoneun

Mitglied
Er gähnte, als er dem Vordermann ins Heck donnerte und schlief bei der polizeilichen Vernehmung beinahe ein. Auf dem Rückweg nachhause im Taxi kämpfte er energisch gegen den Schlaf an, der ihn immer wieder zu übermannen drohte. Er schüttete sich hektoliterweise Kaffee in den Rachen und hielt sich durch gigantische Mengen Aufputschmittel wach. Seit dem Herbst ´71 schlief er nicht mehr. Die Folge schrecklicher Albträume, die, wenn er sie träumte, jedes Mal Realität wurden.
Sein Taxi hielt und mit schlafwandlerischer Unsicherheit schleppte er sich in seine Wohnung. Vor seiner Eingangstür lag heute eine Leiche. Tod durch Pfeil - war nur unschwer zu erkennen. Das Wie und Warum waren ihm zweierlei. So begab er sich die Leiche ignorierend zur anstehenden Kaffeedusche in seine vier kahlen Wände. Mit dem Satz: „Ich mache durch!“, meinte er nicht die Nacht, sondern das Leben. Und er sagte es sich heute wieder. „Was ich in letzter Zeit durchmache“, sinnierte er intensiv und lauter als normal. Murmelnd stemmte er sich aus dem abgenutzten Fernseh-Sofa hoch und brühte sich einen türkischen Bohnenkaffee, der laut Verpackung länger wach als sich träumen ließe hielt. Selbst nachdem ein kleiner weißer Bär auf seiner Schulter Platz nahm und ihm Schlummertexte ins Ohr flüsterte und selbst nicht nachdem gut zehn geistliche Chinesen ihm ihn seiner Wohnung stumm zunickten und auch nicht nachdem Elfen und Feen ihn mit ihren hypnotischen Schlafgesängen in das Reich der Träume entführen wollten, wurde das Schlafwrack müde, sich wach zu halten. Schemenhaft fielen ihm viele kleine weiße Lichter auf, die an ihm vorbeiflogen und da waren auch zwei rote Lichter am Horizont, die sich aber nur kriechend näherten. Die unzähligen weißen Lichter interessierten ihn nicht, aber je stärker er auf das rote Licht zukam, desto wohler wurde ihm, er wollte eins werden mit dem hellen Licht, das ihn da so rot und letztlich stürmisch begrüßte.

Nach Zeugenaussagen soll er noch gegähnt haben, als er dem Geisterfahrer ins Heck donnerte.
 



 
Oben Unten