Nur die Geliebte

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Anonym

Gast
Sie wartete auf ihn. Wieder einmal. Wie viele Stunden hatte sie eigentlich in den vergangenen zwei Jahren mit Warten verbracht? Es mussten hunderte sein.
Heute wollte er um achtzehn Uhr kommen und nun hatte er bereits eine Stunde Verspätung. Wie immer wird etwas dazwischengekommen sein, eine Besprechung, ein Telefonat, ein Kundenbesuch ... oder eben seine Familie.

Die ging immer vor. Vor allem die Kinder, immer wieder die Kinder. Zwei hatte er, einen Jungen und ein Mädchen. Sie gingen beide in die Grundschule.
Nette Kinder, sie hatte sie ein Mal auf der Straße gesehen, als sie sein Haus beobachtet hatte. Um die Menschen zu sehen, die immer an erster Stelle kamen.
Sie fing ja schon fast an, diese Kinder zu hassen, aber als sie sie sah ... diese unschuldigen Wesen, was konnten sie schließlich dafür, dass ihr Vater sich in sie verliebt hatte?
Eigentlich störten die Kinder sie mehr als seine Frau. Das war eine attraktive Mutter, die eigentlich alles hatte, was sie brauchte. Ihr Mann offensichtlich nicht, denn sonst hätte sie selbst keinen Platz in seinem Leben gefunden.

Sie sprachen nie über seine Frau. Nur über die Kinder, denn wenn mit ihnen irgendetwas war, erzählte er es ungefragt. Als sein Sohn wegen Blinddarmreizung ins Krankenhaus musste, hatte er sie stundenlang versetzt. Genauso wie bei seiner Tochter, die einen Unfall in der Schule gehabt hatte. Sie erfuhr es als Letzte, und sie musste Verständnis dafür haben.
Sie musste für alles Verständnis haben, denn sie war nur die Geliebte. Es gab keinen Sonntag, keinen Feiertag mit ihm. Die gehörten ausschließlich seiner Familie. Das war der Preis, den sie zahlen musste.

Er war viel zu hoch, warum machte sie dem Ganzen kein Ende? Es würde keine gemeinsame Zukunft geben. Sie war frei, sie war schon lange geschieden. Und kinderlos. Sie könnte noch Kinder bekommen.
Aber nur von ihm.

Und das wollte er nicht. Er würde die Kinder, die er schon hatte, niemals im Stich lassen. Er würde sich nicht von der Mutter dieser Kinder trennen. Der gute Ruf, die Familie, das Ansehen in der Kirchengemeinde ... alles das spielte für ihn eine Rolle. Und trotzdem kam er immer wieder. Konnte auch nicht von ihr lassen. Und sie ließ das zu.

Man wählt den Menschen nicht, den man liebt.

Wie wahr ist dieser Satz, dachte sie, und wie grausam.

Sie betrachtete den schön gedeckten Tisch, roch das leckere Essen in der Küche, dachte an das aufgeschlagene Bett im Schlafzimmer. Ihre Gedanken wanderten zurück zu dem Abend, an dem sie sich in einer Kneipe kennengelernt hatten. Nachdem ihre Freundin und sein Geschäftspartner gegangen waren, blieben sie allein zurück und redeten die halbe Nacht.

Plötzlich packte sie die Wut.

Wieso ließ sie, eine erwachsene Frau, sich so behandeln? Wartete nun schon seit fast neunzig Minuten? Er hätte ja wenigstens kurz anrufen können. Aber sie war nur die Geliebte. Sie blies die Kerzen aus, deckte den Tisch ab, warf das gesamte Essen in den Müllschlucker, obwohl es ihr in der Seele wehtat. Sie wollte gerade das Bett machen, als es klingelte.
Sie öffnete die Tür und da war er.

Alle Wut und aller Widerstand fielen bei seinem Anblick in sich zusammen.

"Gut, dass du nichts zu essen gemacht hast", sagte er anstatt einer Begrüßung und schloss sie in seine Arme, "ich hatte mal wieder ein endloses Meeting und konnte nicht eher kommen".
Sie war nicht in der Lage, etwas zu erwidern. Stumm stand sie an ihn gelehnt. Ohne Umschweife trug er sie ins Schlafzimmer und sie liebten sich mehrere Stunden. Sie sprachen kaum etwas. Er genoss ihre Gegenwart und sie klammerte sich verzweifelt an ihn, weil sie nicht wusste, was sie tun sollte.

Sie verabschiedeten sich und verabredeten für übermorgen das nächste Treffen.

Als er sich umwandte und die Treppe hinabging, schloss sie die Augen. Den ihr zugewandten Rücken wollte sie nicht sehen. Am nächsten Morgen fand der Hausmeister ihren zerschmetterten Körper auf dem Gehweg. Ihr Balkon im zweiten Stock war hoch genug gewesen.
 
A

aligaga

Gast
Im 21. Jahrhundert, einem Zeitalter der Alleinerziehenden, der Patchworkfamilien und der inzwischen auch kirchlichen Infragestellung ehelicher Gemeinschaften mag ein derart um Effekt haschender und mit altmodischen Klischees gespickter Text nicht mehr so recht überzeugen.

Man nimmt der Frau, die sich einigermaßen selbstverständlich mit einem Familienvater eingelassen hat, die Verzweiflung nicht recht ab, die sie in den Selbstmord getrieben haben soll – zumal er doch schon zwei Tage später wieder „kommen“ wollte. Worauf war die Dame denn aus? Wollte sie die Ehe ihres Geliebten vollständig ruinieren und ihn dann heiraten? Schwanger von ihm werden …*grübel*…? Sorry, aber ohne einen Schuss erkennbarer, (selbst)möderischer Paranoia im Schnellkochtopf bleibt das ein recht fades Gericht. Es schlürft sich wie eine Suppe ohne Fleisch und ohne jedes Gewürz.

Stattdessen finden sich ein paar handwerkliche Ungeschicklichkeiten in der wässerigen Brühe:
Wie immer wird etwas dazwischengekommen sein, eine Besprechung, ein Telefonat, ein Kundenbesuch ... oder eben seine Familie
steht in der falschen Zeit. Richtig heißen müsste es „… war wohl etwas dazischengekommen …“.
Nette Kinder, sie hatte sie ein Mal auf der Straße gesehen, als sie sein Haus beobachtet hatte
enthält so viele „sies“, dass man rätseln muss;
Das war eine attraktive Mutter, die eigentlich alles hatte, was sie brauchte
verlässt die Erzählebene und ist reine Spekulation – vielleicht treibt’s Mutti heimlich ja noch wilder als ihr Gatte?
Sie wollte gerade das Bett machen, als es klingelte
lässt schmunzeln – sie hatte es doch einen Absatz weiter oben schon gemacht!

Der Schluss der Geschichte ist symbolisch: Es wird behauptet, der Körper der Mätresse sei zerschmettert. Das kann er aber nach einem Sprung vom Balkon im zweiten Stock eines Mehrfamilienhauses schwerlich sein. Da bricht man sich, wenn überhaupt, die Beine oder den Unterarm. Vielleicht auch das Genick. Zum "Zerschmettertsein" braucht's wesentlich größere Fallhöhen!

Tipp: Den Plot plausibilisieren und eine spannende Geschichte schreiben.

Gruß

aligaga
 

Anonym

Gast
Hallo aligaga,

du grübelst über den Text so viel wie die Prot über ihr Desaster. Nix anderes will der Text vermitteln.
Ich ändere allerdings den zweiten in den vierten Stock, wie es in der ersten (unveröffentlichten) Fassung geheißen hatte. Dann passt das Zerschmettern wieder.

Gruß A.
 

Anonym

Gast
Sie wartete auf ihn. Wieder einmal. Wie viele Stunden hatte sie eigentlich in den vergangenen zwei Jahren mit Warten verbracht? Es mussten hunderte sein.
Heute wollte er um achtzehn Uhr kommen und nun hatte er bereits eine Stunde Verspätung. Wie immer wird etwas dazwischengekommen sein, eine Besprechung, ein Telefonat, ein Kundenbesuch ... oder eben seine Familie.

Die ging immer vor. Vor allem die Kinder, immer wieder die Kinder. Zwei hatte er, einen Jungen und ein Mädchen. Sie gingen beide in die Grundschule.
Nette Kinder, sie hatte sie ein Mal auf der Straße gesehen, als sie sein Haus beobachtet hatte. Um die Menschen zu sehen, die immer an erster Stelle kamen.
Sie fing ja schon fast an, diese Kinder zu hassen, aber als sie sie sah ... diese unschuldigen Wesen, was konnten sie schließlich dafür, dass ihr Vater sich in sie verliebt hatte?
Eigentlich störten die Kinder sie mehr als seine Frau. Das war eine attraktive Mutter, die eigentlich alles hatte, was sie brauchte. Ihr Mann offensichtlich nicht, denn sonst hätte sie selbst keinen Platz in seinem Leben gefunden.

Sie sprachen nie über seine Frau. Nur über die Kinder, denn wenn mit ihnen irgendetwas war, erzählte er es ungefragt. Als sein Sohn wegen Blinddarmreizung ins Krankenhaus musste, hatte er sie stundenlang versetzt. Genauso wie bei seiner Tochter, die einen Unfall in der Schule gehabt hatte. Sie erfuhr es als Letzte, und sie musste Verständnis dafür haben.
Sie musste für alles Verständnis haben, denn sie war nur die Geliebte. Es gab keinen Sonntag, keinen Feiertag mit ihm. Die gehörten ausschließlich seiner Familie. Das war der Preis, den sie zahlen musste.

Er war viel zu hoch, warum machte sie dem Ganzen kein Ende? Es würde keine gemeinsame Zukunft geben. Sie war frei, sie war schon lange geschieden. Und kinderlos. Sie könnte noch Kinder bekommen.
Aber nur von ihm.

Und das wollte er nicht. Er würde die Kinder, die er schon hatte, niemals im Stich lassen. Er würde sich nicht von der Mutter dieser Kinder trennen. Der gute Ruf, die Familie, das Ansehen in der Kirchengemeinde ... alles das spielte für ihn eine Rolle. Und trotzdem kam er immer wieder. Konnte auch nicht von ihr lassen. Und sie ließ das zu.

Man wählt den Menschen nicht, den man liebt.

Wie wahr ist dieser Satz, dachte sie, und wie grausam.

Sie betrachtete den schön gedeckten Tisch, roch das leckere Essen in der Küche, dachte an das aufgeschlagene Bett im Schlafzimmer. Ihre Gedanken wanderten zurück zu dem Abend, an dem sie sich in einer Kneipe kennengelernt hatten. Nachdem ihre Freundin und sein Geschäftspartner gegangen waren, blieben sie allein zurück und redeten die halbe Nacht.

Plötzlich packte sie die Wut.

Wieso ließ sie, eine erwachsene Frau, sich so behandeln? Wartete nun schon seit fast neunzig Minuten? Er hätte ja wenigstens kurz anrufen können. Aber sie war nur die Geliebte. Sie blies die Kerzen aus, deckte den Tisch ab, warf das gesamte Essen in den Müllschlucker, obwohl es ihr in der Seele wehtat. Sie wollte gerade das Bett machen, als es klingelte.
Sie öffnete die Tür und da war er.

Alle Wut und aller Widerstand fielen bei seinem Anblick in sich zusammen.

"Gut, dass du nichts zu essen gemacht hast", sagte er anstatt einer Begrüßung und schloss sie in seine Arme, "ich hatte mal wieder ein endloses Meeting und konnte nicht eher kommen".
Sie war nicht in der Lage, etwas zu erwidern. Stumm stand sie an ihn gelehnt. Ohne Umschweife trug er sie ins Schlafzimmer und sie liebten sich mehrere Stunden. Sie sprachen kaum etwas. Er genoss ihre Gegenwart und sie klammerte sich verzweifelt an ihn, weil sie nicht wusste, was sie tun sollte.

Sie verabschiedeten sich und verabredeten für übermorgen das nächste Treffen.

Als er sich umwandte und die Treppe hinabging, schloss sie die Augen. Den ihr zugewandten Rücken wollte sie nicht sehen. Am nächsten Morgen fand der Hausmeister ihren zerschmetterten Körper auf dem Gehweg. Ihr Balkon im vierten Stock war hoch genug gewesen.
 
A

aligaga

Gast
Das Schöne am Kritiseren anonymer Texte ist, dass dem Kritiker noch gleichgültiger sein kann als sonst, ob der Autor die aufgezeigten Fehler erkennt und wenn ja, ob er sie beseitigt.

Grübeln musste der Kritiker hier nicht, @anonymus. Dafür sind die Mängel deines Textes zu offensichtlich. Sie springen sofort ins Auge. Mit
Ihr Balkon im vierten Stock war hoch genug gewesen.
hast du einen weiteren Bock geschossen. Du müsstest dem Leser jetzt noch einsichtig machen, warum erklärt wird, dass der Balkon im vierten Stock situiert war. Wen interessiert das? Ein versierter Betroffenheitsschriftsteller kippt seine Opfer ohne weitere Höhenangaben aus dem Fenster ...

Gruß

aligaga
 



 
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