Nur eine Reise

Marco Kaas

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Nur eine Reise

Er war lange Zeit gereist auf seinem Weg hierher. Zweifellos gab es nicht Viele außer ihm, die solch eine weite Reise ihre persönliche Geschichte nennen durften. Doch wie er den unberührten Himmel dieses Ortes zu überschauen versuchte - nicht den Hauch einer Chance in Sicht, dieses Vorhaben in absehbarer Zeit zu einem Ende zu führen - da wurde ihm bewusst, dass er angekommen war. Seine Reise, so endlos sie einst erschienen war, hatte ihn nun doch in ein neues Zuhause geführt. Nun war ihre Geschichte drauf und dran, bedeutungslos zu werden.
Der Weg war nie sein Ziel gewesen, so oft ihm die Menschen und allerlei sonderbare Wesen auf seiner Reise dies auch schmunzelnd vorgehalten hatten. Das Ziel war lediglich die Existenzberechtigung des Weges. Und nun, da er hier war, da würde er sie vergessen, seine Reise. Mit jedem Augenblick des Schwelgens in diesem Ort festigte sich seine Entscheidung. Die Erinnerung an seine Reise würde verschwinden, als wäre er schon immer hier gewesen.
Hunderte Lichtjahre hatte er überwunden in dem Versuche, sich von dem zu befreien, das er als die Fesseln der anthropogenen Zivilisation verstand. Jahrhunderte waren verstrichen, vielleicht auch Jahrtausende. Er hatte schlichtweg den Überblick verloren. Aus dem tiefsten Inneren der posthumanen Zivilisation war er aufgebrochen in die Peripherie, wo er die Natur noch über die Intelligenz thronend vermutet hatte. Den Wirren, den unsäglichen Komplexitäten seiner Heimat hatte er entfliehen wollen, sich ein eigenes Stück Natur erobern. In ihr zu leben, mit ihr zu leben, einsam und frei im endlosen Spiel des himmlischen Uhrwerks und seiner Elemente.
Die Zivilisation um ihn herum allerdings hatte einen solchen Vorsprung gehabt, absurd war es ihnen allen erschienen, er könne Hunderte Lichtjahre überwinden und sie dennoch überholen. Wie eine Stoßfront hatte sich die Kultur in die Milchstraße verbreitet, ja tat es noch immer. Mächtige Kolonieschiffe voller schlafender Menschen, winzige Drohnen, beseelt von rein informationeller Intelligenz und natürlich all die Schattierungen dazwischen. Die Druckwelle der Intelligenzexplosion breitete sich fortwährend mit kosmischer Geschwindigkeit in die Natur aus, und er hatte sie doch allen Ernstes überholen, ja gar ihr entfliehen wollen.
Hürden hatte er dabei überwunden, die ihn vielerorts zur lokalen Legende gemacht hatten. Sprung für Sprung hatte er zunächst Reisegelegenheiten zwischen den Sternen genutzt, problemlos und praktisch umsonst noch im Kern der Zivilisation, doch immer heikler, je dünner die örtliche Intelligenz gesät gewesen war. Ein kosmischer Tramp war er dort gewesen, ein suchender Überlebenskünstler.
Später hatte er selbst komplexer werden müssen, um all die Widerstände auf seiner Reise noch zu überwinden, ein posthumanes Wesen, das mehr und mehr Komplexität angehäuft hatte auf seiner skurrilen Flucht vor eben dieser. Eines der schnellsten Schiffe des bekannten Weltraums hatte er schließlich gehabt, war vielerorts gefürchtet, beneidet und vergöttert worden.
Aus dem Kern war er in die innere Peripherie geflogen, weiter in die äußere, die Sphären all der Glücksritter, Wanderer und Sternenhüter hatte er durchquert. Doch besiegt hatte er ihn nie, den unbändigen Drang der Zivilisation, nach draußen zu streben und die tote Natur zu beseelen.
Mehr noch, als er eines Tages auf einer neuen Welt gestanden war - das Wettrennen um seine Ankunft abermals um einige Jahrzehnte verloren - da war ihm bewusst geworden, dass er eine Triebfeder gewesen war. Eine von Millionen und Milliarden zwar - ob nun hier, oder am unerreichbaren anderen Ende dieser unaufhaltsamen Kulturexplosion - dennoch eine Triebfeder unter Milliarden.
Mit dieser nüchternen Erkenntnis, dem Wissen um den heimlichen Zweck all seines Handelns, da war er auf einmal zufrieden. Die getriebene Sehnsucht nach diesem neuen, naturbelassenen Ort, seinem Ort, sie war kurzum einer unbezweifelbaren Klarheit darum gewichen, was er zu tun hatte.
Also nutzte er die Fähigkeiten der Zivilisation, die er nicht hatte überholen können, und schuf sich sein neues Zuhause selbst. Er gründete eine Traumwelt, ein virtuelles Universum, den weiten, offenen Himmel, den er so lange gesucht hatte.
Da wurde ihm also bewusst, dass er angekommen war. Allein der Sicherheit halber wälzte er den Gedanken abermals, während er immer tiefer in diese neue Welt eindrang. Doch Zweifel fand er nicht. Keinen Halt, kein Misstrauen. Er beschloss, seine Reise zu vergessen und dieses neue Universum zu erschließen.
Er war nur eine Triebfeder unter Milliarden.
 

troubadour

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Interessanter Text, spannendes Thema. Nur scheint es mir eher ein Text über eine Geschichte als eine Geschichte zu sein. Wenn du die Geschichte wirklich erzähltest, gäbe das einen Roman, wahrscheinlich einen guten.
 

jon

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Die inhaltliche / konstruktionsbezogen Seite des Textes:

Für mich klingt das auch eher wie der pompös formulierte Entwurf eines gewaltigen Romanes.

Was mich stört, und zwar wirklich, ist, dass das alles nach ganz "gewichtiger Philosophie" klingt, in Wirklichkeit aber nur unscharf formulierte Plotidee ist. Diese Idee lautet: Ein Wesen will der sich von Zentrum der Galaxis her ausbreitenden Zivilisation entfliehen, aktiviert dafür Geist, Mittel und Kraft und lässt sich dann doch nur auf einem Planeten am Rand (nicht außerhalb) der Zivilisationszone nieder. Die einzigen anderthalb (halbwegs ausgeführten) „philosophische Ideen“ darin sind die Frage nach der Machbarkeit und Sinnhaftigkeit von Zivilisationsflucht und damit verbunden die Rolle des Einzelnen im Ganzen. Und dafür so viel Schmus und Getöne?

Interessant wäre in der Tat der Roman, der zusätzliche Fragen behandelt (nicht nur andeutet!). In diesem Entwurf sind einge erwähnt – Selbstverwirklichung vs. gesellschaftliches Meinung, Selbstverwirklichung vs. „was opfere ich dafür?“, Rolle als Gott/Universalfeind, Weg-Ziel-Debatte … Alles sehr spannende Fragen, ohne Zweifel, aber eben spannend in Sinne, sich damit zu beschäftigen, statt sie nur irgendwie anzudeuten.

Ich wünsche mir den Roman. Wirklich.
 

jon

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Stil, Klang, Semantik

Ich benutzte vorhin das Wort "Gedöhns". Ich meine damit zum einen diesen gewollt schwülstigen Klang, den man gern bei ganz förchterbar wichtigen Generalerkenntnissen verwendet – besonders, wenn man das Gefühl dieser Erkenntnis hat, sie aber irgendwie nur unklar in Worte fassen kann. Dass die hier enthaltenen "Erkenntnisse" tatsächlich besser konkret (in einer Handlung) dargestellt werden sollten steht oben schon.

Hier nun der andere Aspekt dieses "Gedöhns": Wer so hoch in der Sprache greift, muss dabei einen sicheren Griff haben. Vieles hier wird nicht dadurch sprachlich komplex, weil viel Inhalt in wenig Sätzen komprimiert werden müsste (dieses "Problem" haben einige Autoren im Journalistik-Forum), sondern weil es aufgeblasen und „verumständlicht“ wird. Kann man machen – wenn man es kann. In diesem Fall entstehen aber oft (z. B. inhaltliche) Unstimmigkeiten oder (z. B. semantische) Unsauberkeiten oder gar Fehler.

Hier Beispiele dafür (sowie Fehler-Hinweise):


Der Titel irrtiert. Was ist "nur" eine Reise? Er selbst sagt ja, dass es nicht "nur" die Reise ist, sondern in erster Linie das Ziel, was ihm wichtig ist. Er hat am Ende auch nicht "nur" die Reise, sondern er hat ja eben das Ziel (sein neues Leben, wenn auch nicht ganz wie erhofft). Und das gilt auch übertragen: Natürlich ist Zivilisation immer eine Reise, aber eben nicht nur eine Reise. Sie ist auch ein Kette von Zielen.

Er war lange Zeit gereist auf seinem Weg hierher.
Heißt im Klartext: Auf dem Weg hierher war er lange Zeit gereist, eine gewisse Zeit aber auch nicht (wobei er womöglich sogar die meiste Zeit nicht gereist ist).


Zweifellos gab es nicht Viele außer ihm, die solch eine weite Reise ihre persönliche Geschichte nennen durften.
viele (klein schreiben)

Doch wie er den unberührten Himmel dieses Ortes zu überschauen versuchte - nicht den Hauch einer Chance in Sicht, dieses Vorhaben in absehbarer Zeit zu einem Ende zu führen - da wurde ihm bewusst, dass er angekommen war.
Das "doch" ist falsch, dieses Wort zeigt einen Widerspruch oder etwas nicht Erwartetes an. Beides gibt es nicht zwischen/bei "langer Reise" und "angekommen sein". In die Kategorie "unerwartet" fällt allerdings sowas: "Oft glaubte er, dass die Reise nie enden würde, doch nun war er angekommen."


Seine Reise, so endlos sie einst erschienen war, hatte ihn nun doch in ein neues Zuhause geführt.
Hier erst ist das "doch" richtig.

Der Weg war nie sein Ziel gewesen, so oft ihm die Menschen und allerlei sonderbare Wesen auf seiner Reise dies auch schmunzelnd vorgehalten hatten. Das Ziel war lediglich die Existenzberechtigung des Weges. Und nun, da er hier war, da würde er sie vergessen, seine Reise. Mit jedem Augenblick des Schwelgens in diesem Ort festigte sich seine Entscheidung. Die Erinnerung an seine Reise würde verschwinden, als wäre er schon immer hier gewesen.
Bis "vergessen, seine Reise" ist es ok. Dann wiederholst du dich bloß noch. Symptomatisch dabei: Die Wiederholung greift stilistisch noch mal eine Etage höher, als würde das zusätzlichen Inhalt schaffen. Tut es aber nicht. Sowohl, dass er es entscheidet, steht schon vorn drin (es wird ja aus seiner Sicht erzählt), als auch, was er (warum) so entscheidet.


Hunderte Lichtjahre hatte er überwunden in dem Versuche, sich von dem zu befreien, das er als die Fesseln der anthropogenen Zivilisation verstand.
was er als Fesseln verstand
Äm … Ich weiß, es ist schwierig, für Außerirdische adäquate Bezeichnungen zu finden (da "er" aus dem Zentrum der Galaxis stammt, ist er Nicht-Mensch), das Dilemma lässt sich wohl auch nicht lösen. Also wenn "anthropogen" eigentlich "von seiner Spezies geschaffen" heißt, dann will er gar nicht weg von Zivilisation, sondern von dieser speziellen Zivilisation. Er will also nicht – wie im Folgenden behauptet – dorthin, wo Natur noch über Intelligenz thront, sondern nur dorthin, wo seinesgleichen noch nicht formend aktiv geworden ist. Da es (wie vor mit „wunderliche Wesen“ notiert ist) auch andere Intelligenzen als seine Spezies gibt, könnte er also eigentlich auch "nur" in eine anderen Zivilistationsbereich wollen. Kurz gesagt: Das Wort "antropogen" klingt zwar förchterbar wesentlichen, schafft aber eigentlich eher Un- als Klarheit.

Aus dem tiefsten Inneren der posthumanen Zivilisation war er aufgebrochen in die Peripherie, wo er die Natur noch über die Intelligenz thronend vermutet hatte.
Was ist eine "posthumane" Zivilisation? Tolles, sehr gewichtig klingendes Schlagwort, aber es stiftet Verwirrung. Ich schlage mal nach: Da steht was von "Unsterblichkeit in der Virtualität" (er ist doch wohl aber sehr real, immerhin reist er doch auch in klassischem Sinne wirklich), etwas von "Mensch darf in Natur nicht zerstören" (warum will er dann weg, wenn es dort intakte Natur gibt?) und was von "künstlicher Erweiterung" (die "er" nicht hat? / die er ablegt – einfach so? / die er beibehält? – mit welcher Konsequenz?) Das Problem ist hier, dass diese "posthuman" kein konkretes, für jeden Leser eindeutig identifiezierbares Bild erzeugt. Normalerweise würde auch "er" posthuman – also nicht-menschlich sein, das sieht der Leser aber nicht (und in Wirklichkeit geht es ja auch nicht darum, sondern um extrem menschliche Bedürfnisse und Wirkweisen) In einem Roman wäre Platz, die Unterschiede zu zeigen, um letztlich darauf zu kommen, dass (wohl) dieses Menschliche (Freiheit/Zivilisation) auch posthuman erhalten bleiben wird.
über der Intelligenz thronend (Thronen ist semantisch "nur" eine spezielle "Form" des Sitzens.)



Die Zivilisation um ihn herum allerdings hatte einen solchen Vorsprung gehabt, absurd war es ihnen allen erschienen, er könne Hunderte Lichtjahre überwinden und sie dennoch überholen.
Wer sind "sie alle" (denen es absurd erscheint)? Helfer? Sympatisanten? Einfach nur Mitmenschen? Oder gar "Gegner"?
Wie um Himmel willen kommst du hier auf "dennoch"? Das heißt im Umkehrschluss: Nur wenn er hier bleibt, kann er sie überholen.


Mächtige Kolonieschiffe voller schlafender Menschen, winzige Drohnen, beseelt von rein informationeller Intelligenz und natürlich all die Schattierungen dazwischen.
Was ist mit den Schiffen, was tun sie/wird ihnen getan?
Ich versuch mal Klartext: Mächtige Schiffe = winzige Drohnen? Menschen = winzige Drohnen? Schattierungen zwischen was?
Was ist "informationelle Intelligenz"?


Die Druckwelle der Intelligenzexplosion breitete sich fortwährend mit kosmischer Geschwindigkeit in die Natur aus, und er hatte sie doch allen Ernstes überholen, ja gar ihr entfliehen wollen.
1., 2., 3. oder 4. kosmische Geschwindigkeit? Nein im Ernst: Wer mit „gehaltvollen Fachworten“ wie "anthropogen" und "posthuman" operiert, der kann nicht einfach nach Belieben andere Fachworte als Umgangssprache umdefinieren. (Besonders nicht bei so hochgestochem Klang.)



Hürden hatte er dabei überwunden, die ihn vielerorts zur lokalen Legende gemacht hatten.
Das waren nicht die Hürden, sondern dass er sie überwunden hat. Mein Ruf in der Firma beruht auch nicht darauf, dass es Text gibt, sondern dass ich Text machen kann.


Später hatte er selbst komplexer werden müssen, um all die Widerstände auf seiner Reise noch zu überwinden, ein posthumanes Wesen, das mehr und mehr Komplexität angehäuft hatte auf seiner skurrilen Flucht vor eben dieser.
Das ist wieder dieses Problem mit dem Sichtbarsein des „posthuman“. Was genau meinst du damit, wie genau muss der Leser sich diesen "er" denn nun vorstellen?

Eines der schnellsten Schiffe des bekannten Weltraums hatte er schließlich gehabt, war vielerorts gefürchtet, beneidet und vergöttert worden.
Also Moment mal! Eben noch hat er SICH "verbessert", jetzt HAT er eines der schnellsten Schiffe (hat also sein Schiff verbessert, oder?)?

Doch besiegt hatte er ihn nie, den unbändigen Drang der Zivilisation, nach draußen zu streben und die tote Natur zu beseelen.
Das wollte er doch auch nie! Er wollte aus der Ziv. weg, nicht die Ziv. ändern!
Tote Natur? Also unbelebte Planeten und/oder Planeten-Teile? Macht sie wirklich einen Bogen um belebte Planeten?


Mehr noch, als er eines Tages auf einer neuen Welt gestanden war - das Wettrennen um seine Ankunft abermals um einige Jahrzehnte verloren - da war ihm bewusst geworden, dass er eine Triebfeder gewesen war.
Das Wettrennen um seine Ankunft? Um DIE (Erst-)Ankunft.
Inhalt: Na soooo toll kann sein Schiff nicht sein, wenn er es noch immer nicht geschafft hat, als Erster da zu sein. (Der Witz ist doch, dass er, wenn er ankommt, die Ziv. quasi mitbringt, nicht, dass andere die Ziv. schon Jahrzehnte vor ihm dahin getragen haben. Dann sind die nämlich die Triebfeder, er ist nur nur ein Nachfolger, ein Sich-Einrichter.)

Eine von Millionen und Milliarden zwar - ob nun hier, oder am unerreichbaren anderen Ende dieser unaufhaltsamen Kulturexplosion - dennoch eine Triebfeder unter Milliarden.
Doppelt gemoppelt: Er ist zwar eine unter vielenm aber dennoch eine unter vielen. Was du meinst ist wohl "Er ist nur eine Treibfeder von vielen, aber nichtdestoweniger eine Triebfeder."

Die getriebene Sehnsucht nach diesem neuen, naturbelassenen Ort, seinem Ort, sie war kurzum einer unbezweifelbaren Klarheit darum gewichen, was er zu tun hatte.
Was ist eine "getriebene Sehnsucht"?

Also nutzte er die Fähigkeiten der Zivilisation, die er nicht hatte überholen können, und schuf sich sein neues Zuhause selbst.
Grrrr … das wollte er doch von Anfang an: Sich sein Zuhause selbst schaffen, das ist kein Ergebnis dieser Erkenntnis (das "also" ist falsch).

Er gründete eine Traumwelt, ein virtuelles Universum, den weiten, offenen Himmel, den er so lange gesucht hatte.
Also Moment mal! Am Anfang steht da, dass er diesen unüberschaubar weiten Himmel unberührt vorfindet –  das kann man von einem geschaffenen Himmel wohl kaum sagen. Und er schafft sich an dem Ort, den er auf der Suche nach purer Natur gefunden hat, eine Kunstwelt? Warum?

Allein der Sicherheit halber wälzte er den Gedanken abermals, während er immer tiefer in diese neue Welt eindrang.
Man kann in eine existierende Welt eindringen, er schafft diese Welt allerdings grad erst.

Doch Zweifel fand er nicht. Keinen Halt, kein Misstrauen.
Er findet keinen Halt? Also driftet er ab, oder was?



Jetzt, beim Aufdröseln, merke ich, dass der Text auch als Entwurf noch mächtig hakt. Was genau da passiert, welche "Beweggründe" er tatsächlich hat bzw./oder wie die sich im Laufe ändern, wird zunehmend schwammiger. Gedöhns eben.
 

Marco Kaas

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Ich sehe, eine Menge interessante Kritik hier. "Nur eine Reise" hatte für mich den Charakter eines kleinen Experiments, das ich bei genauerer Betrachtung wohl als fehlgeschlagen ansehen muss. Aber gehen wir strukturiert vor:

- Kernpunkt der Kritik - und für mich sehr ernstzunehmend - ist der Mangel an Inhalt, insbesondere aber die Spannung zwischen meiner Sprache und dem Mangel an Inhalt. Ich mag einen starken Hang dazu haben, pathetische Sprache zu rühren, aber wo der Inhalt sehr begrenzt bleibt, verstehe ich durchaus, dass sich der Begriff "Gedöns um nichts" aufdrängt.
Zusammen damit, dass hier eine sehr lange Geschichte in einem sehr kurzen Text umrissen wird und scheinbar eher den Eindruck von Unvollständigkeit erweckt, als die Phantasie anzuregen, ist damit wohl die zentrale Intention des Textes verfehlt. Scheiße passiert, nehme ich an ;).

- Auch stoßen mir viele Missverständnisse bzw. Nachfragen nach inhaltlicher Klarheit auf, die offenkundig nicht gegeben war. "Anthropogen" heißt hier tatsächlich "vom Menschen Verursacht" (vom Zentrum der Milchstraße ist nie die Rede), "posthuman" heißt im Kontrast dazu nicht mehr menschlich (wenn auch sehr unspezifisch), und ich gehe davon aus, dass ein eben solches Wesen keine klare Trennung mehr zwischen seiner eigenen Komplexität und der seiner unmittelbaren technischen Hilfsmittel (zum Beispiel eines Schiffes) ziehen kann/wird. All diese Ideen fallen aber allem Anschein nach der Kürze des Textes zum Opfer, was beim besten Willen wohl nicht für den Text spricht.

- "1., 2., 3. oder 4. kosmische Geschwindigkeit?" Zugegeben, keine davon. Ich wollte dem Leser klanglose Begriffe wie "mit einem signifikanten Bruchteil der Lichtgeschwindigkeit" ersparen. Der Schuss ging nach hinten los.

- Nimmt man einige weitere der angesprochenen Fehlerchen dazu, hätte man zweifellos eine ordentliche Basis, Korrekturen anzugehen. Zunächst also vielen Dank für den Aufwand dieser Kritik, der nicht zu unterschätzen ist.

Da allerdings die Kernkritik das zentrale Konzept der Geschichte erfolgreich angreift, drängt sich die Frage auf, ob ein Herumoperieren an dieser Geschichte überhaupt noch Sinn macht. Ich komme zu der Schlussfolgerung, dass es das nicht tut. Die Geschichte an sich mag eines Tages in einem Roman tatsächlich besser aufgehoben sein, in jedem Fall aber in einem Format, das sich von diesem Konzept unterscheidet.

Darüber hinaus wird mir wieder bewusst, warum ich gerade von Kurzgeschichten so lange die Finger gelassen habe - sie sind schlichtweg ein wesentlich anspruchsvolleres Format, als man auf den ersten Blick meinen könnte ;).
 

jon

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Das mit dem Zentrum der Milchstraße war ein Missverständnis, wahrscheinlich hat hier mein Wunsch nach Konkretem eine Rolle gespielt. Ich fühlte mich durch "Peripherie" darin auch noch bestätigt, zu unrecht, wie mir jetzt klar ist.

Dieser „pathetische“ Ton birgt immer die Gefahr, sich im Klang zu verlieren oder zu glauben, man hätte etwas geschrieben, nur weil man es beim Schreiben im Kopf hatte. Das macht Kurzgeschichten (vor allem den Plot so weit spannende) wirklich eher schwer, weil – anders als beim Roman – wenig Kontext drumrum ist, der "Schwammiges“ konkretisieren oder korrigieren könnte.
Allerdings kann ich mir im Moment auch noch nicht vorstellen, wie dieser Ton in einem Roman funktioniert. Vielleicht wenn man ihn bei plotbetonten Stellen etwas einschränkt und so einen Rhythmus schafft. Vielleicht löst sich das Problem auch schon in dem Moment, wo eben Plot gezeigt wird, statt ihn zusammenfassend mitzuteilen.
Ich wünsche dir jedenfalls, dass du genügend konkrete Plotideen hast (vor allem für diese Furcht/Neid/Gott-Passagen), um einen Roman draus zu machen.
 



 
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