OEKO-Thriller

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caselli

Mitglied
Informationsgeschwüre blähen sich nachts durch meinen Kopf und hecheln mir morgens am Frühstückstrog aus den Augenwinkeln.

Ja es gibt sie noch, die Wahrheit über den Hund, das Elend und die Dörfer.
Ich sollte es noch zu spüren bekommen.
Heute leider nichts als Nachrichten.

Ich gehe deshalb noch vor Sonnenauffahrt in die Parkstadt.

Dort ist es um diese Zeit noch voller leerer Menschen.
Das muss man ankosten.

An einem besonders hellen Ort bedrehe ich mich aus Kreisen und entschlucke der Welt für drei volle Atempausen.

Das ist wichtig !

Leider beobachtet mich einer der leeren Menschen bei dieser Übung und kommt auch schon herbeigelaufen.

\"Das habe ich eben genau gesehen\",

ruft er und mustert mich prüfend mit eisernem Blick, als er etwa eine Armlänge vor mir zum Stehen kommt.

\" Wie haben Sie das gemacht ?\", will er wissen.

\" Ich zeige es ihnen \", antworte ich und bilde ihm zeitgleich ein, dass er sich das gerade auf keinen Fall ausgeträumt hat.

Nur so kann ich sicher sein, dass er zu einem anderen Zeitpunkt immer noch rechnungsfähig erscheint.

Er ist begeistert.
Von Sinnen beschenkt, fällt er mir um den Hals, schlängelt sich daran entlang wie ein Kletteraffe um eine Kokospalme.

Nach den drei vollen Atempausen lässt er los und bedankt sich höflich, reicht mir aber noch stillschluckend seine Karte und bittet mich, bei Gelegenheit auf eine Tasse Kaffee vorbei zu schauen

Ich schaue auf das Stück Papier und blicke auf das arabische Kaffeehaus unten am Hafen.

Der Mann konnte verschwinden so viel standfest.



In der Parkstadt fing es allmählich zu leben an.
Sippschaften aus entlegenen Lagern schürten Feuerstellen, es wurde der morgendliche Lebenstakt geklatscht.

Einige stampften energisch und die Reiter ließen ihre Pferde dazu galoppieren.
Zeitfrei überlasse ich mich dem Geschehen.

Ich musste an das arabische Kaffeehaus denken, ein Ort an dem oft geheimnisvolle Rezepturen ausgetauscht wurden.
Charaktere mit eigensinnigen Selbstexperimenten und Heilmethoden trafen sich dort ein.
Bittere Mahagonifruchtsamen werden dort tagelang gekaut,
Magnesiumfußbäder absorbiert, um möglichst wenig von dem heilvollen Mineral über die Verdauungssäfte zu verletzen,
ja sogar Leute mit Proben des begehrten Petroleum Öls finden sich ein und lassen Rheumageplagte in Wannen klebriger Schlacke suhlen.

Bentoniterde und Kieselgur wird verabreicht, gekochtes Urin eingeflößt, Vitamin C injiziert und Terpentinharze werden aufgetragen.

Ein Tummelplatz der Entgiftung ist dieses arabische Kaffeehaus.
\" Bald schon werde ich dort sein \", denke ich.

Da rempelt mich plötzlich eine alte Frau an:

Warum ich nicht mitklatschen würde, fragt sie und verpasst mir einen Hieb in die Seite.
Lachend hüpft sie davon, springt aber nochmals zurück, küsst mich auf den Mund und sagt:

\" Es wird ein ganz wundervoller Tag geboren \".

Und auf einmal klatschte ich wie ferngesteuert im Takt der Zigeuner, während in der Parkstadt die Suppentöpfe brodeln und das wärmende Sonnenlicht die Gemüter erhellt.

\" Ich muss wieder gut drauf kommen\", denke ich, habe es satt, mir von willkürlich auftretenden Emotionen mein Labor verwüsten zu lassen.
Der Weizen ist schuld, das Gluten in meinem Darm blockiert die Lebensenergie.

Wie kann ich jemals meinen Eltern verzeihen, dass sie mich so und hier in diese Welt gebären konnten?
Ganz und verlassen übergebe ich mich schweren Gedankenfluten, klatsche dabei immer lauter; um mich herum galoppierende Pferde, das Auseinanderbrechen von Holz und unverständliches Gemurmel.

\" Das arabische Kaffeehaus \".

Ich falle zu Boden.
 

Languedoc

Mitglied
Hallo caselli,

Der Text erinnert mich an jene sonderbaren Ergebnisse, die das automatisierte Google-Übersetzungstool hervorbringt. Neugierhalber habe ich Dein Werk auf translate.google.de in die englische Sprache übertragen:

"Information ulcers swell up at night through my head ..." - man stelle sich vor! - und zurück ins Deutsche:

... "und hecheln mir morgens bin Frühstückstrog aus Höhle Augenwinkeln."

Na, servas,
sagt die Österreicherin Languedoc
und geht in Deckung.
 
Chomsy

Chomsky hat eine Theorie der Sprachproduktion entwickelt. Er gilt als der "Einstein der Linguistik". Sein System produziert eine unendliche Anzahl grammatikalischer Sätze. Bei der Lektüre Ihres Textes musste ich an die Kritik an Chomsky denken. Die hat immer vorgebracht, daß das System Sätze wie taumeld schillern werfende Münder heuchlerische Ähren" nicht verhindert. Genau solche Sätze, wenn auch weniger radikale, findet man in Ihrem Text. Trotzdem gefiel mir das recht gut, da sehr ungewöhnliche Kollokationen oder Zusammensetzungen sinnhaft werden, oder so tun, wie all das, was Sie mit "schlucken" anstellen. Daher amüsierte mich der Text. Ob ein Leser diese Technik allerdings lange durchhält?
 



 
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