Oasen

eric

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Es wird ihn geben.
Davon bin ich überzeugt.
Er wird sich nicht groß anmelden,
wahrscheinlich wird er sich erst im nachhinein zu erkennen geben.
Der letzte Tag meiner Kindheit.
Ich habe ein wenig Angst davor Erwachsen zu sein, nicht nur ein Wenig.

Man muß sie sich bewahren, die Momente der Kindheit,
aber man muß auch stetig in Bewegung bleiben um nicht ins wanken zu geraten. Das Bedeutet man muß sich Rüsten für die Zeit die der Kindheit folgen muß.

Als Kind konnte ich es mir leisten zu stürzen, aus dem Gleichgewicht zu kommen. Ich wurde immer wieder gehalten, getröstet, umsorgt. Es war das selbstverständlichste der Welt, dass ich geliebt wurde.

Doch mit den Jahren dämmert mir, die der kindlichen Logik nur schwer zugängliche Tatsache, dass es nicht selbstverständlich ist geliebt zu werden. Man muß sich mühen, Menschen zu haben, die einem Halt geben; die einen aufrichten wenn man strauchelt, wenn man aus seinem Takt kommt, nach Orientierung sucht.
Diese Menschen sind Oasen in der öden weite der Wüste, als die das Leben uns erscheinen kann.
In der Wüste kann man verdursten, man kann aber auch ganz unverhofft labende Oasen finden, die man nicht erwartet, ja kaum erhofft hat.
Auch die Kindheit ist eine Oase, doch man muß sie verlassen, denn der Mensch ist im Kern seines Wesens ein Wanderer, ein Weltenbummler. Und es ist auch so mit dem Menschen, das er nicht ohne die Gewissheit, Oasen auf seinem Weg zu haben, in die Weite der Wüste aufbricht.
Die Sehnsucht zieht einen in die Ferne, doch erst die Oasen ermöglichen einem das Wagnis des Aufbruchs.

Wenn man über viele Oasen verfügt, aber vor allem, wenn man über Oasen verfügt die einem nicht nur Wasser sondern die einem Leben spenden; ja dann kann man weite Wegstrecken in der Wüste zurücklegen.
Wer nur über eine kleine Oase verfügt, der ständig das Austrocknen zu drohen scheint oder die man nur schwer, ja manchmal nur zufällig findet; dieser Wanderer wird sich wahrscheinlich nicht weit in die Wüste trauen. Aber wer eine Oase in seiner inneren Landkarte verzeichnet hat, die Kraft spendet und die man mit verschlossenen Augen findet, der kann sich auf die weit entlegensten Wege seines Herzens begeben. Auch auf der entferntesten Reise droht ihm nicht die Gefahr sich mit der Last des Weges zu übernehmen. Wenn man eine solche Oase nun auf seiner inneren Karte verzeichnet hat, dann muß man sie hegen und pflegen, denn ein nicht unerheblicher Teil von ihr gehört dir, so wie dir ein Teil des Lachens gehört das Du dir mit jemand anderem Teilst. Diese Oase zu verlieren, nicht mehr zu finden weil sie durch Unachtsamkeit zu klein, zu schwer vom Horizont unterscheidbar geworden ist; dieser Verlust würde bedeuten einen Teil seiner Ziele, der Ziele seines Herzen nicht mehr erreichen zu können. Ein Teil von sich selber würde absterben, vielleicht für immer. Man darf sich niemals darauf verlassen neue Oasen zu finden, man wird welche finden, das ist eine Frage der Wahrscheinlichkeitsrechnung. Diese unterliegt jedoch den Gesetzen der Logik und eben auf die Logik darf man sich im Leben niemals verlassen, weil das Herz sie nicht kennt, nicht begreift.

Man muß, um die Ziele seines Herzens zu erreichen, die Schätze der Gegenwart, als das sehen was sie sind: das kostbarste im Leben und der Schlüssel zu allem großen und wahrhaft guten, dass man auf seinen Wegen zu finden hofft.

Bewahre deine Oasen, ja kämpfe um sie und du wirst alle Winkel deines Herzens durchwandern können.
 



 
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